fast fasten.

15. März 2012

Ich sitze bei strahlendem Sonnenschein barfuß und im Trägerhemd, den neuesten Irving (endlich als Taschenbuch) in der Hand auf der Terrasse und genieße einen Milchkaffee. Finde den Fehler.

Genau. Wollten Sie nicht fasten, Frau … äh … Mutti? Von wegen Neustart und Besinnung und all diese wohlklingenden Gründe?

Richtig, wollte ich.

Als ich heute morgen als erstes ins Bad auf die Waage flitzte, um zu sehen, wieviel ich schon abgenommen habe (ein Kilo. Besser: ein Liter), wurde mir klar, dass ich diesmal wohl nicht aus den aufgezählten, wohlklingenden Gründe faste, sondern doch wohl eher, weil die hartnäckigen Winterpolster von vorletztem Jahr weichen sollen.
Ich weiß nicht, ob Sie das auch so machen, aber ich diskutiere gerne mit mir selbst. Da war das Argument, dass Gewichtsverlust eine hübsche Nebenerscheinung wäre und vielleicht eine Motivation, da dran zu bleiben. Kontra: Quatsch sich für einen vorrübergehenden Gewichtsverlust zu kasteien.
Nachdem ich beim Morgentee hin und her argumentiert hatte, wurde mir immer klarer, dass ich nicht auf dem richtigen Weg bin. Möglicherweise trug auch die Lektüre der Living at home (die letzte aus dem Abo) dazu bei, denn der gratinierte Ziegenkäse ließ mich augenblicklich sabbern.
Nun bin ich ja ein willensstarker Mensch. Stur nennen es die, die mich besser kennen. Und ich neige dazu, das durchzuziehen, was ich begonnen habe. Hunger hatte ich sowieso nicht, nur immer noch unerträgliche Kopfschmerzen, ganz klar ein kalter Koffeinentzug, das kenne ich schon.
Den Vormittag verbrachte ich im Nähzimmer. Nicht wirklich produktiv, denn der Kopf hämmerte und wenn ich ehrlich war: ich war äusserst unleidlich und griesgrämig, mir war ein bißchen schwindelig und der Kreislauf lief eckig.
Ich löffelte ein Glas Tomatensaft. Und weil Tomatensaft so langweilig ist, packte ich ein bißchen Cayennepfeffer dazu. Schmeckte besser, machte mich auch glücklich, aber der Kopfschmerz störte sehr. Und die Tatsache, dass ich schon mal vorsorglich neidisch auf die Familie wurde, die die Grillsaison am Wochenende eröffnen will.

Und so bekam dieses Fasten immer mehr eine unschöne Färbung. Da war nun beinahe nichts Freiwilliges mehr, kein positiver, wie auch immer gearteter Ansatz, es war einfach nur noch: du darfst nix essen. (Ätsch!)

Ich hielt ein wunderbares Mittagsschläfchen auf der Terrasse, ganz ungestört, denn heute ist ja Opa-Tag und die Kindelein sind bestens versorgt.
Ausgeruht aber mit Kopfschmerzen marschierte ich in den Garten und wurschtelte eine gute Stunde vor mich hin. Ich fand keine Ruhe, obwohl das Wühlen in der Erde für mich sonst reine Entspannung ist. Heute dachte ich nur an gratinierten Ziegenkäse.

Und als ich mich wieder auf die Terrasse setzte, mürrisch, unzufrieden und mit rothämmernden Kopfschmerzen sagte ich, sehr zum Entsetzen der bis dahin friedlich in der Sonne dösenden Kater, ziemlich laut ein böses Schimpfwort und „Feierabend!“ Marschierte in die Küche braute mir einen Milchkaffee, ging zurück in die Sonne, nahm den ersten Schluck und entspannte zum ersten Mal seit vorgestern abend.
Normalerweise bricht man das Fasten eher mit einem Apfel, doch dieser Milchkaffee hier in der
Sonne, der ist so köstlich und erfüllt mir meine Frühlingswünsche, das schafft auch ein Apfel nach einer Woche nicht.

Oh, und die Kopfschmerzen sind übrigens weg. Sei es nun, weil der Körper seinen Stoff bekommen hat oder weil ich den Druck weggenommen habe. Ist ja auch egal, das Ergebnis zählt.
Ich freue mich auf’s Grillen. Und auf gratinierten Ziegenkäse.

(und ich wäre nicht ich, wenn ich mir nicht Versagen vorwerfen würde)

19 Kommentare zu “fast fasten.”

  1. filzquadrat sagt:

    respekt!
    (sehen sie es so: sieben wochen ohne … falschen ehrgeiz. ist das motto der fastenaktion der evangelischen kirche deutschlands. am ersten fastensonntag predigte bei uns in der kirche darüber ein katholischer pater. er erzählte unter anderem von einem fastenkonformen forelle-blau-essen, das ihn zum umdenken in sachen fasten gebracht habe: er nämlich ässe forelle blau so sehr gern, dass es für ihn eher eine fastenspeise gewesen wäre, wenn ihm ein zähes stück rindfleisch vorgesetzt worden wäre, was aber eben nicht dem fastengebot entsprochen hätte. so fastet jeder auf seine weise. und sie fasten nun eben fasten. oder so.
    liebe grüsse, stefanie

  2. Tanja sagt:

    Ach was solls denn, werte Frau…äh…Mutti – das Leben ist zu kurz, um sich mit solchen Dingen zu quälen. Es sollte jetzt zu diesem Zeitpunkt eben nicht sein – dann vielleicht dieses Jahr gar nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt. Sie wissen, dass Sie es können, denn sie haben schon das ein oder andere Mal erfolgreich durchgehalten.
    Genießen Sie lieber den Tag auf ihrer tollen Terrasse – und noch viel wichtiger, genießen Sie den Kaffee.

  3. Trällertrulla sagt:

    Ich bin ja immer wieder für Flüssigfasten.
    Also: viel Trinken und ne Woche lang jeden Tag ne andere Suppe.
    Tomaten, Brokkoli, Spargel, Kürbis.
    Immer nett püriert und nicht zu dick, das ist sonst wie Babybrei.

    Aber: kein Fleisch, kein Brot, keine Kartoffel, kein Reiskorn.

    Kaffee? Natürlich!

    Guten Appetit!

    Sandra :)

  4. Rana sagt:

    Fasten soll ja auch nicht unbedingt völliges Kasteien sein, sondern Besinnen auf andere Dinge, Überdenken usw. Ich finde es gut so, liebe Frau Mutti, sie haben viel gedacht und sich wahrscheinlich enorm besonnen…und keioner sagt ja dass man über Wochen griesgrämig über´n Zaun hängen soll, oder? LG von Rana

  5. Tina sagt:

    richtige Entscheidung – ich bin auch richtig stur, uns mit der Selbstkasteiung täte ich mich unendlich schwer und würde es echt nicht einsehen. wir haben genug „ärger“ im leben, finde ich. (ojeh, das sehen die „Faster“ bestimmt nicht gerne. sorry schonmal für meine vorlaute Bemerkung).

  6. Seifenfrau sagt:

    Ach, ist Fasten nicht eh ein ziemlich unnatürlicher Zustand? Als ich gerade so krank war, dass ich nichts essen konnte, kam mir das jedenfalls unnatürlich vor.
    Essen ist Leben, glauben Sie mir das, das merke ich momentan ganz intensiv! Mit der Nahrung kommen die Kräfte…Mit nahrung meine ich allerdings weder Schokoeier noch Chips, sondern richtig gute Sachen.
    Machen Sie sich nichts draus! Wichtig ist es, sich gesund zu ernähren.

  7. Erika sagt:

    Liebe Frau äh Mutti,
    fasten bedeutet in erster Linie Verzicht. Die einen fangen beim essen an, andere verzichten aufs Fernsehen, Händy, Computer etc.Sie verzichten eben auf Kopfschmerzen, schlechte Laune und bohrende Gedanken nach Ziegenkäse. Ich verzichte z. B. auf Gummibärchen und den Wunsch zu Fasten. Und überhaupt, ich finde es ausgesprochen aufrichtig, Ihr Versagen zu publizieren und Sie werden dadurch zur Gewinnerin über Ihr Ego.Gratuliere und wünsche Ihnen einen genussvollen Frühling

  8. Barbara sagt:

    Ein herzliches Hallo,
    ich habe auch tolle Fastenfrühjahre hinter mir, allerdings geht es bei mir zur Zeit auch nicht! Ich packe es einfach nicht! Irgendwie muss es einfach passen!
    Zum Thema Kopfschmerzen beim Fasten (fürs nächste Mal!!!), kann ich allerdings folgendes Empfehlen: Abführen, abführen, abführen und Trinken, trinken, trinken (Wasser mit einem Schuss Zitrone)! Das habe ich beim zweiten Mal Fasten am ersten und zweiten Tag gemacht und ab da war das mit den Kopfschmerzen „gegessen“!

    Viel Freude und Appetit beim Grillen!
    Gruß Barbara

  9. Elena sagt:

    Quatsch Versagen!
    War schon richtig so.
    Aber deswegen die Kater so erschrecken..? ;-)

    GLG Elena

  10. Llewella sagt:

    Genau Richtig. Wenn der Fastenvorsatz nur noch in Frust und Ärger ausartet hat niemand was davon.

  11. Yaspiz sagt:

    Hört sich gesund an. Kopfschmerzen würde ich sowieso bei keiner Therapie als Folge akzeptieren, das KANN NICHT richtig sein. <- Meinung eines medizinisch unverbildeten Laien

  12. Glückskind sagt:

    Frau Mutti, ich mag Sie.
    Ist mir grad wieder mal so durch den Kopf gegangen.

  13. pazzerella sagt:

    Ich finde, das liest sich toll! Sie haben in sich reingehört und eine für Sie stimmige Entscheidung getroffen. Soll der Kopf doch sagen, was er will, hört ihm doch eh keiner zu!

  14. ladybird sagt:

    Klasse, auch das ist konsequent. Ich „faste“ Süßigkeiten und komme damit gut klar. Dennoch verzichte ich nicht auf ein Stück Geburtstagstorte. Es ist wichtig, dass man sich wohlfühlt mit der Entscheidung, die man trifft.
    Liebe Grüße.

  15. Frische Brise sagt:

    Darf ich mal fragen, wieviel Kaffee man am Tag trinken muß, um beim Entzug desselben Kopfschmerzen zu kriegen?

  16. Fiona sagt:

    wenn sie die winterpolster schmelzen wollen dann lassen sie mal alles aus getreide weg und legen statt dessen salat als beilage zu
    also kein brot, kein kuchen, keine nudeln und wenn sie es ganz genau nehmen wollen auch kein reis und keinen mais, die gehören zur gleichen pflanzengattung
    auch kartoffeln sollten sie nicht so viel essen, aber wenn sie das getreide ne zeitlang reduzieren dann ist das schon ausreichend

    lg
    fio

  17. Ulrike sagt:

    Liebe Frau Mutti!
    Ich möchte Ihnen als jahrelange stille Mitleserin danken, dass Sie mir immer wieder den Tag verschönern. Dieser Blogeintrag ist einfach wunderbar – witzig, ehrlich, lebensnah. Ein schönes Frühiingswochenende wünscht Ihnen
    Ulrike
    die morgen auch die Grillsaison einleitet

  18. Brigitte sagt:

    Leider wegen Einladung zur (hausgemachten) Pizza keine Grillsaison.
    Und zum Fasten: aus dem Qi Gong habe ich gelernt, dass man alles so tun soll, dass es dem Körper gut tut. Und was bitte kann dem Körper beim Fasten gut tun, wenn der Kopf schmerzt und die Seele leidet??????? Immer schön auf das Bauchgefühl hören. Und es wäre sehr „deutsch“ gewesen das Fasten durchzuziehen: das haben wir uns jetzt vorgenommen und das wird dann auch so gemacht!
    Genießen Sie Sonne, blauen Himmel, den Garten und den Irving. Ich jetzt auch (leider ohne Irving!)

  19. Blogolade sagt:

    Das ist herrlich menschlich Frau…äh…Mutti!

    Viel Spaß beim Angrillen. Ich habe soeben auch eine Einladung zum Grillen bekommen. Etwas überraschend aber voller Vorfreude!