Aus Nierstein nichts Neues

22. September 2012

So gerne schrieb ich lange Artikel über Friede, Freude und meinetwegen auch Eierkuchen. Mag ich nicht, kann ich nicht. Unsere Wohnsituation hat sich nicht verändert. Leiser ist es schon, aber es ist eben auch Herbst, die Türen und Fenster sind geschlossen, man hält sich weniger draußen auf. Die Distanz vergrößert sich.
Ich mag nicht auf eine einzelne Kommentare zu meinem Gejammer neulich eingehen, sage aber im Großen und Ganzen „Danke!“ dafür. Manch einer hat mich echt amüsiert, andere eine gute Portion Wut drauf gepackt. Aber so ist es eben, wenn man „sich öffentlich macht“: Zeit, Platz und Formulierungsvermögen reichen nicht aus, um detailiert zu beschreiben, Missverständnisse sind vorprogrammiert, auf beiden Seiten. Und vielleicht bin ich auch einfach merkwürdig und verschroben, denn selbst die Freitagsfreundin erklärte mir gestern, sie könne mich nicht verstehen. Sich von komischen Menschen aus dem eigenen Haus vertreiben zu lassen, der Gedanke käme ihr nicht.

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Das allerliebste Töchterlein hat in der Zwischenzeit seinen fünfzehnten (!!) Geburtstag gefeiert. Für Wehmut und Sentimentalitis blieb mir allerdings keine Zeit, denn nachdem der Geburtstagskuchen verspeist war, galt es einen Koffer mit Kleidung und Gastgeschenken derart zu befüllen, dass 23 Kilogramm nicht überschritten werden. Dies gelang dann schon nach dem fünften Versuch und einigen abenteuerlichen Verrenkungen auf unserer eher ungenauen, altmodischen Waage. Am Morgen nach ihrem Geburtstag küsste und winkte sie uns und verschwand für dreieinhalb Wochen in die Ferne. Nach neun Stunden Flug ist sie mittlerweile längst wohlbehalten in Chicago gelandet und von ihrer Gastfamilie liebevoll aufgenommen worden.
Es ist übrigens gar nicht schlimm für mich, dass sie so lange sehr weit weg ist. Aber ich hatte allerfeinstes Kopfkino in der Zeit, als sie im Flugzeug saß. (jaja, nichts ist sicherer als Fliegen und täglich passiert so viel mehr auf den Straßen und überhaupt und sowieso. Egal. Ich habe aufgeatmet, als vorgestern keine Flugzeugabsturzmeldungen kamen. Und werde in drei Wochen genauso Zittern und Bangen.)

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Zum allerersten Mal in der Kindergarten- und Schulkindmutter-Laufbahn bin ich gänzlich ohne Pöstchen. Weder Klassenelternsprecherin, noch im Schulelternbeirat. Und um mal wieder einen Beweis dafür zu erbringen, wie verschroben ich bin: das ist mir fast peinlich und ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen. Grandios.

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Am Montag bemühe ich mich um einen Arzttermin und ganz kryptisch bitte ich um ein paar Blanko-Daumen. Wenn ich mehr weiß, werde ich Sie natürlich nicht mit extremem Wehklagen verschonen.

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Zum Schluss möchte ich sie noch zu Frau Journelle schicken, die einen äusserst lesenswerten klugen Artikel über (ausgehebelten) Neid geschrieben hat. (auch wenn ich den Begriff Mutti-Blog nach wie vor äußest abstoßend finde). Lesebefehl!

16 Kommentare zu “Aus Nierstein nichts Neues”

  1. Sonjaisthesis sagt:

    Ach, doch, ich kann das verstehen. Wir haben am Gartenende eine Familie, dich zwar „nur“ sich oder ihre Anrufer lautstark am Telefon beschimpft und drumherum gibt es noch das ein oder andere, was nervt, so dass wir auch schon darüber nachgedacht haben, den „Familienbesitz“ zu verlassen um in eine ruhigere Gegend zu ziehen.
    Andererseits ist mir gerade letztens wieder bewusst geworden, wie sehr wir dazu erzogen worden sind, „brav“ zu sein, d.h. unser Meinung in gewählten Worten und „anständigem“ Ton kundzutun, zu vermitteln und Rücksicht zu nehmen, im Zweifelsfall lieber die andere Wange hinzuhalten, als sich auch nur ansatzweise als unverschämt oder gar fremdenfeindlich bezeichnen lassen zu müssen. Während andere Nationen stolz und mit Hand auf’m Herz ihre Nationalhymne trällern, meint ein Großteil der deutschen Bevölkerung sich immer noch fürs „Deutschsein“ schämen zu müssen.
    Diese Woche hat mir ein Mitbürger polnischer Abstammung erklärt, dass er seine Hunde dahingehend erzieht, dass sie jeden anbellen (ggf. auf Befehl auch angreifen oder eben in Ruhe lassen), der sein Grundstück betritt. Schließlich habe außer Familie und Freunden niemand etwas auf seinem Grund und Boden verloren …
    Ich glaube schon, dass die unterschiedlichen Mentalitäten sowohl bereichern als auch ziemliches Bauchweh verursachen können.
    Bin gespannt, wie es Ihrer Tochter in Chicago ergeht, nicht nur diesbezüglich.
    Ein Bekannter, der immer gerne nach Florida reist, um dort Sonne und Freiheit zu genießen, kam letztens relativ frustiert zurück und meinte: Die haben zwar in Florida das bessere Wetter, aber als Europäer haben wir dafür Seele.
    Und eine Seele jammert auch schon mal und wird leider auch bisweilen krank.
    Hier soviel Blanko-Daumen wie nötig, liebe Frau Muti. Ich bitte ausdrücklich um ausführliches Wehklagen.
    Frau Mutti, lieber weiter öffentlich jammern, da

  2. Pfeffermiinze sagt:

    Meine Daumen haben Sie am Montag. Und Ihre Umzugsgedanken – ich kann das gut verstehen. Auf Dauer macht sowas mürbe und klaut einfach sehr viel Lebensqualität :(

  3. Regina sagt:

    Meine Daumen haben Sie ebenfalls. Und mein Verständnis. Inklusive der sicherlich richtigen Annahme, dass die Probleme in „Ihrer“ Strasse nicht mit der Abstammung der „Unruheverursachenden“ zu tun haben, als mit deren Verhalten.
    Die Abwägung zwischen Zuhause-sein im eigenen Haus und Unwohlfühlen in der Umgebung kann sehr wohl zu jeder beiden Entscheidungen führen, bleiben oder gehen.
    Das aber kann nur jede Familie für sich selbst entscheiden.
    Nach sorgfältiger Abwägung sind wir vor 8 1/2 Jahren gegangen, und bereuen es nicht. Andere sind geblieben und bereuen es ebenfalls nicht …

    Bon courage
    und der Mittleren viel Spass in Chicago – wie aufregend!

  4. Anette@lebenslustiger sagt:

    Neu hier – Danke für den link – Lesebefehl ausgeführt – sogar Kommentar hinterlassen – sogar mit Schreibfehlern drin weil in Eile – – komm‘ noch mal hierher zurück mit mehr Zeit zum Lesen…bis später.

  5. Christiane sagt:

    Blankodaumen gedrückt! In der Hoffung, dass nichts Wichtiges zum Wehklagen gefunden wird…

    Ich würde ja wetten, dass Sie übermorgen von irgendeinem Ehrenamt erzählen, um dass Sie sich gar nicht bemüht haben :-)… auch außerhalb von Kindergarten und Schule gibt es ja unendliche Möglichkeiten… und zum Glück immer noch viele Menschen, die sich da betätigen.

  6. Blogolade sagt:

    Von mir gibts auch Blankodaumen für Montag, was auch immer es ist, ich hoffe es ist nichts wildes.

  7. Ingeborgohneblog sagt:

    Von hier ebenfalls gedrückte Daumen mit dem Wunsch, dass sich alle diesbezüglichen Sorgen in Wohlgefallen auflösen!
    Dem Töchterlein eine schöne Zeit und gute Heimkehr.
    Und ein Wunder, was die Situation der Nachbarschaft betrifft.Auch bei gutem Wetter, geöffneten Fenstern & Türen!

  8. pünktchen sagt:

    ich schreib jetzt nur mal was zu den Schulposten: Schlechtes Gewisen ist sowas von fehl am Platz, egal wie verschroben Sie sind. Meinen Sie, andere Mütter/Väter hätten ein schlechtes Gewissen, weil sie noch nienienie einen Posten übernommen haben? Ich hatte auch jahrelang bis hin zur stellv. Pflegschaftsvorsitzenden am Gymnasium diverse Posten. Im ersten Jahr ohne ist es mir auch komisch vorgekommen, dass ich nicht mehr dabei war. Dabei war das meine eigene Entscheidung, habe mich einfach nicht mehr aufstellen lassen. Mittlerweile gehe ich nicht mal mehr zum Elternabend (gut, es ist auch nun auch nach 18 Jahren das letzte Schuljahr und für die Uni sind die Kinder eh selber zuständig …)

  9. Doro sagt:

    Beide Daumen! Fest!

  10. Birgit B. sagt:

    Die Daumen sind gedrückt für Montag, hoffentlich geht es bald besser.
    Und weiterhin halte ich die Daumen, dass sich das Wohnumfeld bessert und ihr wieder Spass an eurer grünen Villa habt.
    Deine Unruhe in Bezug auf’s Fliegen der Kinder kann ich gut nachvollziehen, hab ich jedes Mal, aber auch, wenn sie mit dem Bus unterwegs ist.
    Als Ehrenamt hast du doch bestimmt immer noch den Dritte-Welt-Laden, also ist das schlechte Gewissen mehr als unnötig, aber merkwürdig käme es mir bestimmt auch vor.
    LG Birgit

  11. Angelika sagt:

    Ich kann Sie sehr gut verstehen ! Wir haben nach fast 20!! Jahren das Feld (unser Traumhaus) verlassen und sind auf zu neuen Ufern, weil ein neuer Nachbar weder dem Alkohol, lautstarker Musik noch der käuflichen Liebe abgeneigt war und all dem in Haus und Garten frönte und uns „teilhaben“ ließ. Anfangs waren wir belustigt, dann genervt und irgendwann kam der Punkt an dem wir auf der Fahrt nach Hause Ausschau hielten, ob er uns auf der Straße entgegenkam, weil das bedeutete, dass wir eine Weile unsere Ruhe haben würden. Als wir anfingen uns seinetwegen zu zanken, haben wir einen Schlussstrich gezogen und haben verkauft. Das schlechte Gewissen gegenüber den arglosen Käufern hat uns Bauchweh bereitet, aber darüber haben wir uns hinweggesetzt. Es hat ein Jahr gedauert, bis meine Stresssymptome weg waren und wir leben seitdem glücklich und zufrieden in unserem neuen Zuhause.

    …und die Daumen werden natürlich gedrückt :-)

  12. Sylvia sagt:

    Unsere Daumen sind fest gedrückt !

    Grüßle von einer ebenfalls ganz frischen „Nichtmehrelternbeirätin“ – ganz ohne schlechtes Gewissen.

  13. minibar sagt:

    Oha, soo weit weg ist das Töchterlein. Das ist echt ne Strecke. Glückwünsche noch zum 15.
    Ech schade, dass wegen ein paar Idioten die Lebensqualität rapide abnimmt.
    Wer weiß, vielleicht müssen sie DOCH mal irgendwann raus…
    Das wünsche ich von Herzen.
    Und klar, Daumen werden gedrückt.

  14. Schwiegermutter inklusive sagt:

    Daumen werden gedrückt und ich kann die Umzugsgedanken gut verstehen….

  15. Regenbogenkaktus sagt:

    Das mit dem Zittern, ob das Flugzeug auch gut gelandet ist, kann ich bestens nachvollziehen! Kenn ich von mir selber.
    Der Gedanke, sich aus dem eigenem Heim „vertreiben“ zu lassen, ist tatsächlich schwer nachvollziehbar, aber das ist doch irgendwie alles, solange man es nicht selber schon mal so oder so ähnlich erlebt hat.
    Ich wünsche viel Kraft für die kommende Zeit!
    Gruß aus Graz
    Regenbogenkaktus

  16. Brigitte sagt:

    Vielleicht wäre es langweilig, wenn es nur um das Aufzählen von „Mutti“-Aktivitäten ginge (Mo, 10 Uhr, Waschmaschine angestellt), aber da es auch um das Umfeld geht, ist es eher ein Ausschnitt aus „Leben in Deutschland“, oder? In einer Zeitschrift heisst das dann übrigens „Kolumne“ und wird bezahlt. Vielen Dank also, dass ich mich hier kostenlos herumtreiben darf. :-)
    Drücke der Tochter die Daumen, dass sie eine wunderbare Zeit in USA hat und Ihnen die Daumen für den Arzt. Zu Ihrem Nachbarschaftsproblem will ich mich nicht äußern, wenn es sich beim dem Arztbesuch allerdings um eine Magenspiegelung zum Ausschluß eines Magengeschwürs handelt, würde ich auch etwas unternehmen.