Für manch einen mag das eine Beleidung sein. Bei mir ist es einfach eine Tatsache. Weil nämlich:

Es dauerte sehr lange, bis ich die hohe Kunst der Kaugummiblasen gemeistert hatte. Mit Engelsgeduld erklärte mir meine Mutter, wie ich den Kaugummi erst zur perfekten geschmeidigen Konsistenz kauen müsste, am Gaumen ganz glatt zu streichen habe und „dann an der Zunge vorbei in den Kaugummi pusten. Gaaaanz vorsichtig! Schau!“ Und sie blies die perfekte Kaugummiblase, die mit dezentem Knall zerplatzte.
Viele ausgespuckte, verschluckte oder aus den Mund gefallene Kaugummis später hatte ich den Dreh heraus und von Stund an sah man mein Gesicht nur noch durch eine rosa schimmernde Blase. Ich hatte nämlich den HubbaBubba-Kaugummi entdeckt, der zwar grauenhaft schmeckte, mit dem sich aber riesige Blasen pusten ließen. Je mehr Kaugummis im Mund, desto größer die Blase. Und mit fünf Kaugummis traf die zerplatzende Blase auch das Haar am Hinterkopf. Wir Kinder wetteiferten um die größte Blase, den lautesten „zerplatz-Knall“ und auch darum, wer seinen Kaugummi am allerlängsten kauen kann. Da das Kauen im Unterricht von verständnislosen Lehrern untersagt war und das im Mund aufbewahren während des Schlafes von besorgten Eltern (du könntest ersticken) verboten wurde, hatte jeder seinen Spezialtrick, wie ein Kaugummi zu lagern war, der bei nächster Gelegenheit weiter gekaut werden sollte.
(meinen Trick verrate ich an dieser Stelle nicht detailiert, doch eines sei gesagt: Glühbirnen wurden damals noch wirklich heiß. Damit brachte ich nicht nur ein Quecksilberthermometer zum Explodieren, beim Versuch, 56°C Fieber zu simulieren, sondern auch einen nahezu frischen Kaugummi dazu, sich in ein Stücken stinkige Kohle zu verwandeln.)
Ich schweife ab, denn eigentlich wollte ich erzählen, dass meine Mutter, nachdem ich das Kaugummiblasenmachen glücklich erlernt hatte, mir dieses quasi umgehend wieder untersagte. Es sei laut, klebrig, unhöflich, man müsse nicht ständig Kaugummi kauen und ich weiß nicht, welche Argumente sie hatte, doch ich schwor mir, meinen Kindern niemals etwas zu verbieten, das ich ihnen selbst beigebracht habe.

Sie ahnen es.

Einige Jahre sind vergangen und ich habe mittlerweile den Kindern beigebracht, dass es nur eine einzig wahre Art und Weise gibt, Doppelkekse oder Oreos zu verspeisen. Dass man diese Rocherkugeln schälen und ausschlecken kann, dass man Mandarinenstückchen in minikleine Segmente zerteilen kann und wie man dreifarbige Gummibärchen bastelt. Ich habe ihnen gezeigt, wie man Tomatensoße durch Rigatoni schlürft und Spaghetti durch Zahnlücken. Und wir haben wirklich sehr viele interessante Dinge mit Wackelpudding gemacht.
Ziemlich oft ermahnte ich „Kannst du deinen Keks nicht mal vernünftig essen, ohne alles vollzukrümeln und dir die Schokolade bis ans Ohr zu schmieren?“ Und dann erwidern die Kindelein schnippisch: „Wer hat uns denn beigebracht, die Doppelkekse auseinander zu klappen und die Schokoladenplatte vorsichtig vom unteren Teil abzuheben?“
Ähm. Ich.

Vermutlich haben sich die hinreissenden Bestien vorgenommen, ihren Kindern niemals etwas zu verbieten, dass sie ihnen selbst beigebracht haben. Und dann sind sie ja auch wie ihre Mutter, was hoffentlich keine Beleidigung ist.

5 Kommentare zu “Du bist wie Deine Mutter.”

  1. Maufeline sagt:

    Ich fühle mich SO ertappt…
    Besonders super ist es auch immer, wenn meine Kinder (der große Sohn vor allem) nur von Star Wars, Star Trek, Harry Potter oder im Moment vor allem Minecraft reden kann… nachdem ICH es ihnen ans Herz gelegt habe, ihnen Stundenlang die Raumschifftypen erklärt habe, wie man Zaubersprüche richtig aufsagt…. während wir Schokoküsse auf die _einzig_richtige_ Art gegessen haben und Lakritzschnecken abgerollt haben, um daraus Armbänder zu flechten, versteht sich…
    Wir ziehen uns halt doch unsere eigenen Monsterchen heran ;-)

  2. Jutta sagt:

    Und soll ich jetzt mal was ganz dramatisches erzählen? Wirklich dramatisch? Ich kann bis heute keine Kaugummiblasen machen!! Dummerweise zählt Ehrgeiz nicht zu meinen markanten Eigenschaften, das heißt ich habe das ganze nach einigen gescheiterten Versuchen in der Kindheit eingestellt.
    FAST hätte ich auch nicht schnippen gelernt. Aber das ginge ja nun gar nicht…
    Mein Mann ist übrigens ganz ähnlich. Zeigt den Bälgern (die ja so schon schlimmvgenug sind) lauter Dinge, die MAN eigentlich verbietet. SEUFZ. Kommt dann aufs gleiche raus…
    Schöne Grüße
    Jutta

  3. Manu sagt:

    Hallo Frau Mutti,
    kann man das alles auch anders essen? Ich esse auch Mohrenköpfe immer so: Erst die Waffel vorsichtig lösen und dann essen. Dann wird die Füllung mit der Zunge herausgepuhlt und zum guten Schluß kommt das Beste, die Schokolade.

    Als Kind habe ich am Calipo-Eis immer so lange gesaugt, bis kein Farbstoff mehr vorhanden war, den Rest habe ich dann immer noch widerwillig aufgegessen.

    Aber woher soll man denn wissen, wie man solch‘ Speisen zu sich nimmt, steht ja in keinem Knigge.
    Ich denke wir machen das schon richtig.
    LG zu Ihnen und Ihrem Volk
    Manu

  4. Christina sagt:

    Liebe Frau Mutti,

    ja das kenne ich, meine Mutter konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn man am Tisch irgendetwas aß, während sie am Zeitungslesen war. Egal ob Knäckebrot oder Kekse knuspern oder Apfel essen. Man bekam eine Verwarnung, und dann ein „hör auf damit, oder geh raus“.
    Am schlimmsten war es, wenn man einen Apfel essen wollte und dann ganz besonders leise und vorsichtig vor ging.
    Niemals im Leben wollte ich meine Kinder wegen so Etwas Ermahnen.

    Raten sie mal, was mir körperlich weh tut, wenn ich am Küchentisch sitze und Zeitung lese, oder am Tablet spiele. Genau, wenn jemand anfängt irgendetwas neben mir zu essen.
    Und am schlimmsten ist es, wenn derjenige sich besonders Mühe gibt, nicht zu knuspern oder zu knacken.
    Ich versuche meinen Kinder freundlich zu sagen, ob sie ihren Apfel oder ihre Kekse woanders essen könnten, oder gehe in ein anderes Zimmer, weil ich das ja früher immer total blöd von meiner Mutter fand, wenn sie das nicht leiden konnte.

    Wie heißt es so schön?

    Man braucht sie nicht erziehen, sie machen einem sowieso alles nach.

    Meine Mutter ist schon vor 24 Jahren gestorben und vieles weiß man gar nicht mehr so genau, aber z.B. die Brötchen auspulen und nur den Rand essen, machen sowohl mein Bruder als auch ich (und er sagt, „das hat doch Mama auch immer so gemacht, von der haben wir das“). Meine Kinder freuen sich dann immer und essen mein Brötcheninnenleben auch noch mit, aber wer weiß wie lange noch :o)))))

    Aber herrlich, wenn man liest das es anderen auch so geht :o)
    Liebe Grüße aus Nordhessen,
    Christina

  5. Frische Brise sagt: