Meilensteine, andersrum
20. August 2013
Als Neumutter hangelte ich mich von einem Meilenstein der Kinderentwicklung zum nächsten: das erste bewusste Lächeln, die ersten freien Schritte, das erste „Mama“ (das erst nach Papa und nein! kam. Hmpf.) Später dann der erste Kindergartentag, der erste Schultag und so weiter und so fort. Eltern kennen das. In sehr hormongeladener Stimmung kan sogar das erste Nasenbluten oder „der erste Tag, an dem ich meine Kinder nicht an der Autobahnraststätte aussetzen wollte“ etwas Besonderes sein.
Mittlerweile gibt es wieder Meilensteine, diesmal aber „das letzte Mal“- Meilensteine. (keine Sorge, wir sind alle gesund!)
Zum Beispiel kaufen wir dem großen Sohn gerade zum letzten Mal ein Fahrrad, denn er scheint nun endlich ausgewachsen. Das dies das letzte Mal ist, ist ein gewisser Trost, denn sehr große Fahrräder kosten sehr viel Geld*, vor allem dann, wenn man sie sogar verkehrstüchtig mit vollständiger Lichtanlage haben möchte. Das nächste Fahrrad wird er sich wohl irgendwann selbst kaufen.
*Sie werden sicherlich anmerken wollen, dass ein Fahrrad ein grandioses Geburtstags- und/oder Weihnachtsgeschenk ist und selbstverständlich stimme ich Ihnen da zu. Allerdings ist es bei uns so, dass alle Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren, nahezu täglich sind sie mit dem Rad unterwegs. Das Fahrrad ist also ein unentbehrliches Hilfsmittel, das wir ohne wenn und aber jederzeit ersetzen oder reparieren lassen, wenn es nötig ist. Dafür gibt es dann eben keine Monatskarte für die Bahn. (die ja sowieso nie fährt.)
Der große Sohn hatte gerade seine letzten Sommerferien, erlebt noch seine letzten Herbst- und Weihnachtsferien, Osterferien gibt es keine mehr, vorher hat er hoffentlich sein Abitur. Seine momentane Schulzeit besteht aus lauter letzten Malen. Und in der ihm eigenen Drama-Queen – pardon: King – Manier nimmt er das alles nicht so leicht und jammert, er sei nun alt. Es kostet mich nahezu übermenschliche Beherrschung, den „Komm erst mal in mein Alter“ – Spruch zu schlucken.
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Der jüngste Sohn und die Tochter sind ein Stückchen weiter weg von den letzten Malen, die Tochter fährt aber wahrscheinlich, weil ebenfalls ausgewachsen, bereits ihr letztes Rad. Der jüngste Sohn erbt zum letzten Mal ein Fahrrad. Schulbücher haben wir für die Tochter zum letzten Mal gekauft, denn diese benutzt sie die gesamte Oberstufe über. Vorhin im „Hier-gibt´s einfach alles“ – Laden freute ich mich über den kleinen Stapel an Schulbüchern, den ich nur zu bezahlen hatte. Ganz verlässlich wurde es dann aber doch dreistellig, weil immer auch noch Hefte, Patronen, Tintenkiller, Bleistifte und Geodreiecke fehlen. Und weil die Bücher aus der Schulbuchausleihe besonders pfleglich behandelt werden müssen, lässt man (= lasse ich) sie, mangels Talent, Lust und Zeit, professionell einbinden-einschweissen, was pro Buch dann eben auch kostet. Ein letztes Mal Schulbücher- und materialien einkaufen … darauf freue ich mich!
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Meilensteine, andersrum machen übrigens nicht traurig. Mich jedenfalls nicht. Sie sind mehr so ein „ach, sieh an, das nun auch nicht mehr“, oft gefolgt von einem ernstgemeinten „Juhu!“ und „Strike!“.
Der Freundin, die nie Zeit hat, steht im September ein großer Meilenstein bevor, nämlich der „die Nacht, in der der Sohn zum letzten Mal in seinem Zimmer schlief, bevor er auszog.“ Das könnte womöglich doch ein Moment sein, der mich ein wenig schlucken ließe. Hat ja aber noch zwei Jahre Zeit.
20. August 2013 um 16:04
Liebste Frau Mutti, als ehr „stiller“ Leser fühle ich mich vom „zum letzten Mal“ post doch sehr angesprochen. Auch wir können schon einige „Letzte Male“ vorweisen,haben uns gefreut und waren auch mal etwas wehmütig…zum letzten mal eine klitzekleine Zuckertüte zum ersten Schultag des aktuellen Schuljahres z.B. das gab es schon zum 2. mal nicht mehr !!! Aber mit mütterlicher Erfahrung kann ich sprechen wenn ich sage manchmal denkt man nur es war „geschafft“ und das Leben spielt uns einen Streich,es kommt anders als gewünscht …aber auch das gehört eben dazu,macht das Leben bunt und daher hab ich mir angewöhnt es dann zu genießen und mich zu freuen wenn es (vermeindlich) zum „letzten mal“ z.B. eine Lehrstellensuche gibt…. in diesem Sinne alles Liebe und eine schöne Zeit
20. August 2013 um 17:00
Es sind ja erst die ersten letzten Male.
Viel schlimmer werden dann die letzten letzten Male werden!
Das war jetzt kein Trost, oder?
Sie werden so schnell gross!
21. August 2013 um 06:19
Sehr schön geschrieben, Frau Mutti.
21. August 2013 um 08:38
Die Tochter wird nächstes Jahr 30 – das ist auch ein Meilenstein, glauben Sie mir!!!!!
21. August 2013 um 10:26
Der Moment, in dem Kinder ausziehen, lässt einen schlucken und das nicht nur einmal …..
Los lassen ist nicht die einfachste Sache der Welt, zumindest für mich nicht….
21. August 2013 um 18:01
Zu den vielen „letzten Malen“ kommen aber auch immer wieder neue „erste Male“ … So hatten wir dieses Jahr den letzten Abiball, dafür geht bei uns das dritte Kind in einigen Wochen zum ersten Mal an die Uni, somit gesehen wieder ein letztes Mal …
Aber ich bin nicht der Typ, der den Kindern hinterherweint, sondern der sich freut, wenn sie dann am WE (und nicht unbedingt an jedem) wieder bei uns aufschlagen. Glauben Sie mir, es hat was …
Allerdings habe ich einen Studenten daheim wohnen, wie es nächstes Jahr wird, wenn er dann vielleicht ins Referendariat geht und wir alleine sind, weiß ich nicht.
Da ich ja auch berufstätig bin, sehe ich mich jedenfalls nicht zu Hause versauern … andererseits würde ich sonst wieder mehr ehrenamtlich tätig werden.
22. August 2013 um 07:14
Sie schreiben so schön und beschreiben ganz nachvollziehbar, was auch ich empfinde; folglich schmunzelnde Zustimmung.
Pünktchen schreibt mir auch aus der Seele..
Lieben Gruß von Mutter zu Mutter… ;-)
E.
22. August 2013 um 14:47
Vielleicht tröstet es die Freundin, die nie Zeit hat, dass es durchaus auch ein „erstes mal“ als der Sohn wieder einzog geben kann…wir haben das hier schon mehrfach beim Schwager beobachten können, sowohl bei den Söhnen als auch bei den Töchtern.
Bewundernswert finde ich den Büchereinschweißservice! Den gibt es hier glaube ich nicht, also muss ich wieder selber ran…aber inzwischen mache ich das recht professionell ohne Falten und Luftblasen.
LG Uschi
23. August 2013 um 08:16
Hier gab es gerade ein letztes Mal Taschengeld für das jüngste (25) Kind. Ab 01.08. hat das Kind einen eigenen Job und somit sind alle 3 Kinder ‚wirklich‘ erwachsen. Sehr schönes Gefühl!!
LG Frau-Irgendwas-ist-immer
23. August 2013 um 10:38
Mit 16 hab ich meinem Sohn sein „letztes“ Bett gekauft (oder auch das erste Möbelstück für die eigene Wohnung), so dachte ich jedenfalls. Mit 25 ist er dann ausgezogen, unter Mitnahme des Bettes, um mit 30 wieder einzuziehen, das Bett im Gepäck. Als er dann vor zwei Jahren endgültig auszog, hat er das Bett in der Garage gelassen. Denn erstens kommt es anders…
23. August 2013 um 17:49
Tja, solche Art Meilensteine erleben wir zur Zeit an uns selbst.
Denn wir ziehen um, weg aus dieser Stadt, 60 km weiter.
So werde ich Anfang September zum letztenmal zum Turnen gehen, die Kasse abgeben. Zum letztenmal zum Chor, wohl am kommenden Mittwoch.
Ein schöner Artikel ist das, habe ihn gern gelesen.
Macht Mut.
25. August 2013 um 21:23
Als Mama, die gerade mitten in den vielen ersten Malen steckt muss ich sagen, wow – ganz toller Artikel, darüber habe ich noch nie nachgedacht und ich kann mich sogar schon ein ganz klein wenig auf ein paar letzte Male freuen!
lg nina
27. August 2013 um 07:57
Lieb Frau Mutti, mal wieder so geschrieben, wie ich es oft wehmütig, aber auch voller Vorfreude selber empfunden habe.
Gerade ist meine Tochter mit ihrem Freund zusammengezogen, ein weiteres erstes Mal, das mich nicht persönlich betrifft, aber auch mir wie ein Meilenstein in meinem Leben vorkommt, wieder ganz anders, als vor 2 Jahren, als sie auszog um in eine WG an ihrem Studienort zu ziehen.
Aber es gibt auch später wieder viele erste und auch letzte Male auf die ich mich freue, z.B. irgendwann vlt. das letzte Mal, dass sich meine Tochter mit unserem Nachnamen am Telefon meldet, vlt. irgendwann das erste Mal Oma sein.
Das ist alles Zukunftsmusik, aber es zeigt, dass es immer weiter geht, es kommen hoffentlich noch viele schöne erste und letzte Male auf uns Mütter zu.
LG Birgit
27. August 2013 um 12:52
Ein schöner Artikel! Ich bedaure gerade, dass ich bei den letzten Windeln nicht wusste, dass es wirklich die letzten sein werden – das wären Freudenfeste gewesen ;-)
Ansonsten machen mir die Kommentare etwas Angst: Wieder bei Mutti einziehen mit 30? Taschengeld mit 25? Sind das besondere Umstände oder ist das heutzutage so? Ich hoffte bisher, dass ich die Brut eher flügge bekomme. Hmmmmm.
1. September 2013 um 21:18
Liebe Frau Mutti,
Ich bin auch so eine Stille Mitleserin. Dieser Beitrag ließ mich zurückblicken. Meine Tochter wird nämlich in wenigen Wochen dreißig. Wie bei vielen anderen, gab es auch in unserer Familie viele auf und ab. Sehr gut kann ich mich an die Gedanken erinnern, als feststand, dass sie auszieht und dann auch.noch in eine andere Stadt. Was ich nicht für möglich gehalten habe, dass sie wieder bei uns einzieht. Aber genau das ist passiert und zwar vor einem halben Jahr für 3 Monate. Was ich damit sagen will, das Leben bleibt immer spannend und nicht berechenbar. Und neulich habe ich treffend einen Spruch gelesen: „Das Leben ist eine Wundertüte!“
Machen Sie bitte weiter so. Ich lese sehr gerne bei Ihnen. ihr Blog ist immer sehr erfrischend und bringt so vieles auf den Punkt.