Wechseljahre.

4. Dezember 2014

Es geht nicht um diese Hormonsache, obwohl ich manchmal leise vermute, dass sich da langsam etwas tut.

Es geht um mein Internet. Das, was ich reingeschreibe und das, was ich konsumiere. Genauer: konsumiert habe.

Anfang 2000 habe ich meine ersten Schritte im Internet gemacht. Auf der Seite der Zeitschrift „Eltern“, im Diskussionsforum „Eltern raten Eltern“. Da schrieb eine Frau „Meine Tochter schläft einfach nicht durch, ich bin so müde, wie soll ich nur überleben?“ Ich antwortete: „Ich kenne das SO gut!“ Das waren meine ersten Worte in diesem Internet. Bewegend, nicht wahr? Und so originell!

Später stimmte ich nicht mehr nur zu und formulierte Mitfühlendes und Bedauerndes, sondern hatte eine Meinung. Diskutierte wild bei den Themen Impfung, Familienbett, Langzeitstillen, Stoffwindeln, Ferber-Methode, Breie selbst kochen, zuckerfreie Ernährung, vegetarisches, veganes, urköstliches Essen für Kinder, Hochbegabung, Schuhe vererben, rosa/hellblau sind böse, Fahrrad oder Roller, Schule ab vier, fünf, sechs oder sieben, Frühförderung, strafen/belohnen und so Vieles, Vieles mehr. Ich stritt mich, ich brach wegen dieser Streitereien Kontakte ab. Fand neue Gruppen, die sich bei der Frage, wie groß der Altersunterschied zwischen Geschwistern idealerweise ist, teilten.Kleinere Gruppen bildeten neue Foren und getreu der Gruppendynamik liebte man sich innig und zerstritt sich irgendwann erneut.

Meine Kinder entwuchsen dem Kleinkindalter, aber mitreden konnte ich immer noch, die „Probleme“ waren ja leicht abrufbar.

Meine Kinder wurden und werden groß, ich habe neue Themen. Große Themen. Ausbildungssucheprobleme. Selbständig-werd-Probleme. Sich-im-fast-erwachsenen-Körper-zurechtfinden-müssen-Probleme. Themen, die hier keinen Platz mehr haben, weil sie a) Themen der Kinder sind und diese alt genug sind, um sie auf anderen/eigenen Plattformen zu thematisieren und b) ich gelernt habe, dass die einzigen Ratschläge, die mir helfen und mich weiterbringen, nur von Menschen kommen können, die mich und meine Familie, unsere Lebenssituation und unsere „Art“ kennen. Alle anderen interpretieren und erraten statt zu raten.

Die Themen der neuen, jungen Eltern im Internet haben sich nicht verändert. Babys muss man oben befüllen, unten abwischen und in der Mitte warm halten. Dazwischen Liebe und jede Menge (Selbst)Vetrauen in sich selbst, das Kind und den Partner. Dann klappt das mit dem Großziehen höchstwahrscheinlich ziemlich gut.

In meiner Twitter-Timeline sind einige junge Mütter und Väter und manchmal zuckt es in mir hoch. Da will ich schreiben „Also aus der Erfahrung heraus kann ich sagen …“. Zum Glück kann ich mich meistens ganz gut bremsen und einfach die Klappe halten, denn: das Rad wird nicht neu erfunden und alle jungen Eltern haben das Recht, das selbst heraus zu finden. Ich bin mir nicht sicher, ob „wir“ früher auch so _rasch_ empört waren, uns so schnell hineingesteigert haben, dass kontroverse Meinungen zu echten, bösen Streitereien wurden. Ich weiß aber ganz genau, dass ich heute mit einem „Die Fleischereifachverkäuferin hat meinem 1jährigen Kind ein Stück Fleischwurst geschenkt. Toll, was?“-Tweet ein echtes #fleischwurstgate entfachen könnte.

Ich bin so durch mit diesem Kleinkindkram merke ich. Streitet Euch, schreibt gigantische Blogeinträge darüber, wie man ein harmonisches Familienleben gestalten kann und gebt Euren Kindern Formbrote mit in die pädagogisch-korrekte Kita. Ich freu mich, wenn Ihr glücklich seid, ich freu mich sehr, wenn Ihr schwanger seid. Ich freu mich, dass ICH durchschlafen kann und ich grins mir eins, ganz heimlich lache ich auch laut, wenn ich lese, wie Ihr Euch Euer Leben als junge Eltern vorstellt. (das darf ich, weil ich habe schon mal zugegeben, dass ich alles anders und besser machen wollte, als meine Eltern und alle anderen Eltern, die es je gegeben hat.) Aber ich halte mich komplett raus, auch wenn ich wirklich, wirklich gerne sagen will (und es jetzt auch tue): macht Euch doch das Leben nicht so verdammt schwer! Das, was Ihr irgendwo gelesen oder bei Pinterest oder Instagram gesehen habt, das klappt in Eurer Familie garantiert nicht. Ihr wollt doch alle ach so individuell sein, warum eifert Ihr dann irgendjemandem nach?

*****

Ich bin jetzt in den Wechseljahren und finde ein neues Internet für mich. Zum Lesen und zum Schreiben.

Unglücklicherweise ist das nicht so arg leicht, denn ich habe nun mal jahrelang nichts anderes getan, als mich mit diesen Elternthemen zu befassen. Mal schauen, ob ich überhaupt etwas anders kann. Katzen sind übrigens keine Alternative. Die Kreativszene übrigens auch nicht, aus vielen (anderen) Gründen.

*****

Ich verweise an dieser Stelle gerne auf das Gärtnerinnen Blog, allerdings gibt´s da von mir auch eher wenig über den Garten zu schreiben, weil es ist ja schrecklich kalt da draußen. Meine Mitgärtnerin Vanessa ist aber unglaublich fleißig und besonders ihren „Blick in fremde Gärten“, den es immer freitags gibt, kann ich ihnen sehr ans Herz legen!

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Hier gibt es demnächst ein bißchen gesundheitliches Gejammere, den obligatorischen Jahresrückblick, ein bißchen Dies und bißchen das.

 

 

 

18 Kommentare zu “Wechseljahre.”

  1. Frau Namenlos sagt:

    Ich freu mich einfach das sie nicht ganz verschwunden sind :)
    Ich les sie halt so gern.
    Liebe Grüße,
    Frau Namnelos

  2. Frische Brise sagt:

  3. Spitzbuben-Kids sagt:

    Sie sprechen mir immer aus den Herzen und sind so erfrischend geradeaus :)
    Schade, das die Beiträge immer weniger werden.
    Denn auch ich lesen Sie sehr gerne:)
    Liebe Grüße
    Elke

  4. Daniela sagt:

    Das Leben geht weiter, denn Leben ist Veränderung. Auch „Frau Mutti“ darf sich verändern. Alles andere würde gar nicht zu Ihnen passen! Ich lese gerne hier mit, hinterlasse sonst kaum Kommentare und ja, es würde mir was fehlen, wenn es still hier bliebe. Ich bin mir sicher, dass sie auch in Umbruchzeiten das eine oder andere Wort zum mit-teilen finden werden. Halten Sie durch! Sie sind nicht alleine, es gibt noch andere hier, die gerne mit Ihnen in das Wechseljahre-Thema reinwachsen…
    Liebe Grüße
    Daniela

  5. das Nordlicht sagt:

    Ich bin der Kleinkindphase gerade entflohen, nun in der Schulkind-Phase. Und die ist nicht minder aufregend. Trotzdem (oder gerade deshalb?) genieße ich Blogs abseits dessen, was mich gerade tagaus tagein in den Wahnsinn treiben will. Wahrscheinlich/hoffentlich/ganz bestimmt grinse ich eines Tages über meine Sorgen, aber derweil lese ich eben „ganz anderes“, um mich abzulenken. Und da lese ich Sie besonders gern.
    Grüße von der Waterkant!

  6. Sabine L. sagt:

    Als jahrelange treue Leserin dieses Blogs freue ich mich auch, wenn es hier noch weiter geht. Ich habe mich all die Jahre in so vielen Beiträgen wiedergefunden, wurde in eigenen Sorgen und Wünschen bestätigt und bin nun ebenfalls mit der Tatsache beschäftigt, dass die lieben „Kleinen“ von einst sich abnabeln und von dannen ziehn. Andere Themen bestimmen nun den Alltag und ich bin gespannt, ob ich auch hier weiterhin Parallelen finde.
    Auf jeden Fall sage ich Danke für diesen von mir immer geschätzten Blog, den ich immer gern besucht habe, ich habe hier viel Interessantes, Amüsantes aber auch Nachdenkliches gelesen. Ihnen weiterhin alles Gute für die gesamte Familie!

  7. Marie sagt:

    Wie schön, dass Sie wieder da sind!

  8. Claudia sagt:

    Es ist schön, anderen beim Erwachsenwerden zuzuhören/zuzusehen. Schließlich ist das ja etwas, mit dem niemand je fertig wird.

  9. Croco sagt:

    Mit dem “ Foto des Glücks“ haben Sie mich damals gefangen.
    Und ihre Küchenfarben und Kniegeschichten ließen mich bleiben.
    So viele Kindergeschichten waren es auch wieder nicht.
    Familiengeschichten, das sind Ihre , aus dem Leben.
    Bitte bleiben Sie, mir wird sonst langweilig auf der Couch.

  10. Ruth p. sagt:

    ich schließe mich Marie an.

  11. Brigitte sagt:

    Und jetzt grins ich mal: denn mit Wechseljahren bin ich durch und auch hier gilt die Devise: nicht so ernst nehmen! Meine ich ohne Spott und Häme, so hab ich es gehalten und bin gut damit gefahren.
    Viele Grüsse und danke für viele schöne Beiträge und Fotos, Brigitte
    P.S. Haben Sie schon mal von einer Katze gehört, die wie ein Wachhund knurrt, wenn der Postbote auf das Haus zugeht?

  12. DreiPunkteWerk sagt:

    Aaaaah, ich schrei mich weg!!! #Fleischwurstgate!!! Das ist sooo gut! Und ich glaube, wir könnten in Sekundenschnelle eine sehr lange Liste mit weiteren Begriffen füllen! Ich bin 40 und mit dem KleinKinderKram auch sowas von durch. Aber ich stelle mit großer Verwunderung (? oder doch lieber beginnender Wut?) fest, dass sich Elterngedanken um immer abstrusere Auswüchse drehen. Von „Alles fürs Kind muss weiß sein!“ über „nur Hirsestangen in der Nikolaustüte“ bis hin zu „Wir stillen bis zur Grundschule“ ist nichts unmöglich. Und bestimmt fällt beim Lesen an dieser Stelle schon irgendeine Mutter fast in Ohnmacht… Natürlich wollen wir alle es besonders gut machen, aber wo bleibt der gesunde Menschenverstand?
    Ach, entschuldigen Sie, so wollte ich mich gar nicht aufregen – wo ich mich doch so sehr freue, dass dieser blog nicht tot ist!
    Immer ruhig Blut, dann wird alles gut.
    Herzliche Grüße,
    Kathrin
    PS: Über ein paar Leseempfehlungen würd ich mich wohl auch freuen :-)

  13. Yvonne sagt:

    Einfach schön von Ihnen zu lesen – ihre Art zu schreiben prägt Ihren Blog, nicht unbedingt die Themen!
    Danke dafür!

  14. Ev sagt:

    Liebe Frau Mutti,
    für diesen Beitrag möchte ich Sie breitgrinsend knutschen ;).
    Ich bin schon etwas weiter im Leben als Sie – und ganz ehrlich: Nee, wat bin ich froh, dass es, als meine Kinder klein waren, diese ganze Inet-Sache noch nicht gab! Ehrlich. Es gibt da drin ganz viele tolle Anregungen, ja, die hätte ich damals bestimmt ganz klasse gefunden und auch genutzt, aber es gab halt auch nicht diese ganzen Perfektionismusraketen, die ganz angestrengt abgebrannt werden.
    Es hat schon was für sich, das zu lesen, wahrzunehmen und es sich dabei schmunzelnd vor dem PC kuschelig zu machen.
    Meine herzlichsten Ihnen,
    Ev

  15. Susanne sagt:

    Freu mich schon auf´s Gejammere und alles weitere.

  16. dorothy_jane sagt:

    Ach, bleiben Sie einfach wer und was Sie sind: nämlich eine tolle Frau mit einer eigenen Meinung.

    Deswegen lese ich Sie ja so gerne. Auch ein bisschen dies und ein bisschen das.

    <3

  17. Petra Dienstbach sagt:

    Ich habe zwar kein eigenes Blog – lese das von Ihnen aber sehr gerne und freue mich auf weitere Beiträge :-)

  18. Frauke Schulz sagt:

    Frau…Mutti,
    bleiben Sie mir doch bitte erhalten (*ganzliebdreinschau*). Ab und zu ein von Ihnen formulierter Kommentar aus Ihrem Kosmos und mein Tag ist gerettet.
    Das Lesen Ihres Blogs fördert meines empfinden nach das Sprachgefühl. Sie können sich so wunderbar ausdrücken, das fehlt mir sonst so in der Welt des Internets.
    Ganz liebe Grüße von
    Frauke