Was willst du mal werden?

16. Januar 2015

Diese Frage stellt man seinen Kindern ja irgendwann mal, meistens dann, wenn sie noch keine Ahnung haben, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Also wenn sie so ca. drei bis 19 Jahre alt sind.
Wenn die Kindelein noch sehr klein sind, wollen sie Dinosaurierforscher, Feuerwehrmann oder Arzt „aber ohne operieren!“ werden.
Wenn die Kindelein dann sehr groß geworden sind, werden die Berufswünsche sehr unspezifisch. Im doofsten Fall heißt es nur noch „auf keinen Fall was mit Chemie, Biologie, Geschichte, Deutsch …“ und eine Perspektive gibt es nicht. Der große Sohn eiert so ein bißchen durch die Gegend, hat mit Blick auf Freunde, die derzeit ihr Abi schreiben einen kleinen Schreck bekommen. Denn seine Abiturprüfung ist nun ein Jahr her und irgendwie ist er noch immer nirgendwo richtig angekommen.
Für uns als Eltern ist das auch eine merkwürdige Situation, denn natürlich werfen wir ihn nicht raus. Und wollen auch keinen Druck aufbauen. Keinen richtig festen Druck, nur so ein anstuppsen. So ein „Mach mal. Mach irgendwas. Schau dich um, informiere dich.“ Spannend dabei ist, nicht bevormundend zu werden, keine eigenen Wünsche/Vorstellungen/Träume als den alleinigen Segen zu verkaufen und penetrant zu sein, um womöglich zu nerven. Weil dann fällt der Vorhang und offene Gespräche werden selten.
So viel Zeit wie er braucht soll er bekommen, doch gleichzeitig soll er wissen, dass er dranbleiben muss.

Es ist eine schwierige Zeit, nur eine Phase. So wie jede Entwicklungs- oder Erziehungsphase mit den Kindern. Anfangs fragt man sich, was da nur wieder passiert, zwischendrin will man wahlweise weglaufen, heulen oder das Kind verkaufen und hinterher lächelt man milde, weil man überlebt hat. und gewachsen ist. Ein ständiges Abwägen zwischen Richtung geben und laufen lassen.
Wurzeln und Flügel. Und es hört eben nie auf.

12 Kommentare zu “Was willst du mal werden?”

  1. Magda sagt:

    Tja, das kenne ich auch. Der große Stiefsohn (inzwischen 28) hat laaange gebraucht. Nach 2 abgebrochenen Studiengängen und einem halben Jahr Selbstfindung in Neuseeland, hat es bei ihm Klick gemacht und er hat „sein Ding“ gefunden. Er ist grad an der Bachelorarbeit. Allerdings ist jetzt ein Kind „dazwischengekommen“, da hat er z.Zt. andere Prioritäten als das Studium…. Irgendwas ist halt immer bei den lieben Kindelein… Aber ich kann Ihnen sagen, es wird besser! Blöd für mich, dass wir noch 2 „Kleine“ mit 10 und 12 haben, da dürfen wir das ganze bestimmt nochmal durchleben….

  2. Nadine sagt:

    Liebe Frau Mutti,

    kennen Sie bzw. Ihr Sohn die Tests vom geva-Institut? Mir hat der geholfen, weil nicht nur Interessen abgefragt werden, sondern auch ein Leistungstest dabei ist, so dass es einen Kombination aus Interessen und Fähigkeiten ist.

    Ansonsten hat mich der Eintrag grade desillusioniert… Dass dieses Abwägen nicht aufhört… (hier grade eine 4-jährige und auch Abwägen zwischen Vorgeben und machen lassen, also das gleiche nur in anderem Level…)

  3. Sternenzauber13 sagt:

    Liebe Frau Mutti,

    hätten wir diese „Gelassenheit“ mal vor 1 1/2 Jahren gehabt, als es hier beim Großen darum ging, das „Richtige“ zu finden.

    Wir haben uns drängen lassen und dieses drängen an ihn weitergegeben. Geworden ist es dann eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker Sanitär/Heizung/Klimatechnik.
    Eigentlich wollte er lieber im Bereich Elektrik. Da steht ihm allerdings seine Farbenblindheit im weg.

    Nun ist schon seit September die Luft raus und wir reden und tun und machen, das es trotzdem weiter läuft…
    Jetzt ist bei uns die Luft raus…

    Er spaziert auf Messers Schneide und wir rechnen jeden Tag mit dem Anruf zur Einladung die Unterschrift unter die Auflösung des Lehrvertrags zu setzen.

    Umsonst ist diese Zeit ja nicht, denn gelernt hat er ja was. Es wäre nur schad um die 1 1/2 Jahre.

    Wir schweben hier zwischen, schreien, brüllen, aufstampfen und Verzweiflung.
    Trotzdem haben auch wir dazugelernt und würden ihn ein zweites Mal nicht mehr drängen.

    Ihnen und ihrem Sohn alles Gute.
    Manches braucht eben Zeit.

    Liebe Grüße
    Diana

  4. Brigitte sagt:

    Ich drücke die Daumen…bei uns war es auch so, dieses „ach, ich weiß nicht….vielleicht Hotelfach oder Tiermedizin oder Medizin oder doch BWL“…also ganze Bandbreite. Und die „Auszeit“ von 6 Monaten in Australien und Neuseeland (travel and work, viel travel nicht so viel work, nur mal so) zur Entscheidungsfindung brachte sie auch nicht weiter. Und jetzt für das Durchhalten für Sie die Info, dass sie mittlerweile im Beruf ist und liebt ihn sehr, sehr, sehr….wird also!

  5. Suraba sagt:

    Unser Herr Sohn wird im Sommer mit der Schule fertig und weiß auch noch nicht, was er machen soll. Bewerbungen schreiben? Jetzt nicht!! Weiter Schule? Bloß nicht! !
    Freiwilliges Soziales Jahr? Ähh, keine Ahnung. Jedes, sollen wir mal gemeinsam schauen, wird im Keim erstickt (oder besser niedergebrüllt). Abwarten, auch wenn es schwer fällt, Nerven bewahren, auch wenn es schlaflose Nächte sind.
    Dabei ist er ja nicht blöd und hat auch durchaus Fähigkeiten, welche aber wohl nur sein Umfeld sieht.
    Also, wie schon geschrieben, dranbleiben.

  6. pünktchen sagt:

    Auch von mir ein Trost:
    3 Kinder mit völlig unterschiedlichen bis gar keinen Vorstellungen …
    K1 wollte auf jeden Fall Gymlehrer Bio/Chemie werden. Im 2. Semester hat er erkannt, dass Chemie doch nicht sein Fach ist und da er ein FSJ an einer Grundschule hatte, meinte er auch, dass er eigentlich lieber mit Kindern in dieser Altersklasse arbeiten wolle. Staatsarbeit ist fertig, die restlichen Prüfungen sind im Frühjahr. Ich bitte hier um kollektives Daumendrücken, da zwischendurch Studienburnout …(Das war übrigens eine selbsterfüllende Prophezeihung: K1 hatte keine auffällige Pubertät und ich habe manchmal gedacht, irgendwann kommt da noch was …) Aber Grundschule ist unbedingt das Richtige für ihn, das haben die ganzen Praktika gezeigt.
    K2 wollte auf keinen Fall Lehrerin werden, sondern soziale Arbeit studieren. Während des FSJ in der Ergotherapieabteilung eines Altenheims dann der Umschwung, Lehrerin wäre ja nicht schlecht. Bachelorarbeit in Mathe (in Mathe!) mit 1, Mathe ist ihr absolutes Lieblingsfach geworden, dabei war es nur ein Notnagel und durchweg gute Praktikumsbeurteilungen.
    K3 – erster G8-Jahrgang in NRW … Studieninteresse: Maschinenbau, BWL oder Jura – klar alles irgendwie von einer Schiene … Kurz vorm Abi nur noch Jura. Ich hatte erst Bedenken, da der grad verstorbene Opa sich einen weiteren Juristen in der Familie gewünscht hatte und er es deswegen wählte. Er meinte, irgendwie hing das damit zusammen, aber er hätte sich auch viel informiert. Da wir familiär juristisch vorbelastet sind (und daher bewusst nicht in diese Richtung gedrängt haben), kann ich jetzt schon sagen, es war die richtige Wahl.
    Fazit: Ihre Einstellung, nicht die eigenen Wünsche auf die Kinder zu übertragen, ist richtig. Da Sie aber nach dem, was ich hier immer lesen, eine gute Erziehungsarbeit geleistet haben, sollten Sie sich nicht all zu viele Gedanken machen.

  7. Barbara sagt:

    Ein Zitat, das Kurt Vonnegut zugeschrieben wird (was nicht stimmt) und das sich – ja, räume ich unumwunden ein – jetzt sicher nicht in voller Konsequenz zum Nachleben eignet. Trotzdem ist was Wahres dran:

    „Don’t feel guilty if you don’t know what you want to do with your life. The most interesting people I know didn’t know at 22 what they wanted to do with their lives. Some of the most interesting 40-year-olds I know still don’t.“

  8. Nina sagt:

    Ich finde diese Ihre Haltung sehr toll. Ich selbst wurde „rausgeschmissen“. Direkt nach dem Abitur. Ich musste sogar den Hausschlüssel abgeben, denn ich sollte lernen, dass ich ja nun woanders wohne. Wollte ich nach Hause kommen, musste ich mich anmelden. Und mein Zimmer wurde nach einem halben Jahr neu vergeben. Ab da residierte ich – wenn überhaupt – im Gästezimmer. Meine Eltern hielten das für richtig, damit ich auch bestimmt erwachsen werde. Sie haben es gut gemeint. Nun denn.

    Mir wurde auch durchaus nahegelegt, was ich am besten „kann“, denn ich war unsicher. Mir wurde auch klar gesagt, was ich nicht kann! Ich habe natürlich gehorcht. Als ich nach 3 Semestern herausfand, dass ich etwas anderes viel, viel lieber tun würde, hiess es, aufgeben gibt’s nicht. Ich habe mich leider, leider, leider nicht getraut, mich irgendwie aufzulehnen.

    Ich bin damals also schnell „erwachsen“ geworden. Und habe auch einen Job, den ich …. na ja, man gewöhnt sich an alles. Gut, dass Sie das anders sehen. Ihre Kinder werden es Ihnen danken!

  9. Nicole sagt:

    Sooo weit sind wir hier Gottseidsnk noch nicht. Aber im nächsten Schuljahr muss die Tochter ein Berufspraktikum machen. Auch am Gymnasium ist das jetzt so. Auf meine Frage, ob sie sich schon irgendwie Gedanken darüber gemacht hat, kam auch nur , was sie NICHT will. Ich hoffe, sie sieht das als Chance, Interessen auszuloten und nicht, “ die Zeit irgendwie rumzukriegen“. Es ist wahr, als Eltern muss man sich wirklich zurückhalten, das Kind nicht irgendwo hin zu “ überreden“.
    Ich bin gespannt, wo es Ihren Sohn hin verschlägt…
    Liebe Grüße, Nicole

  10. Croco sagt:

    Es sind die vielen Möglichkeiten, die die Jugendlichen heutzutage haben, die sie verwirren. Und sie haben Angst, etwas falsch zu machen.

    Manchmal hilft es, sie zu fragen, „Wie möchtest Du später leben?“ Und nicht „Was willst Du tun?“

    Wege entstehen erst beim Gehen.

  11. Sigrid sagt:

    Zum Glück haben wir noch mind. 7 Jahre Zeit. Aber man kann sich ja schon mal gedanklich daruf vorbereiten.

  12. Julia sagt:

    Mir kommen wirklich die Tränen, wenn ich das lese. Sie müssen eine ganz wundervolle Mutter sein, Frau Mutti.

    Bei mir war es ähnlich wie bei Nina.

    Ich wurde mit 18 mehr oder weniger rausgeschmissen, (musste ebenfalls den Schlüssel abgeben) mit dem Hinweis, da ich mich entschieden habe kein Abitur zu machen, wäre es an der Zeit auf eigenen Beinen zu stehen. Wie ich das mache, wäre meine Sache. Auch mir wurde immer nahe gelegt, was ich denn machen sollte und vor allem was auf GAR keinen Fall (natürlich fiel wirklich alles was ich gerne machen wollte darunter).

    Das ganze Grauen der Jahrzehnte danach zusammengefasst: Ich habe in der Not eine Ausbildung angefangen, die für mich ein einziger Albtraum war, und die ich dann auch abgebrochen habe. In dem Moment sahen meine Eltern nur noch schwarz und haben mir sämtliche Unterstützung „entzogen“. Nun stand ich da, mit 19 Jahren, und musste auch für meine Miete (die meine Eltern zuvor zumindest noch übernommen hatten) selbst aufkommen. Ohne Ausbildung, ohne Plan vom Leben, ohne alles. Ich habe dann in den Jahren danach irgendwelche furchtbaren Jobs gemacht, die man eben ohne Ausbildung machen konnte (es war wirklich alles dabei, von Burger King über Erwachsenen-Videothek… das ganze Klischee). Weil ich bereits mit 19 die Panik kennenlernte, meine Miete nicht bezahlen zu können, mir kein Essen leisten zu können… mit Sozialleistungen kannte ich mich damals überhaupt nicht aus.

    Ich bin heute 37, ohne Ausbildung. Ich hatte Anfang 30 das Glück, über einen Freund einen Job in einer IT-Firma zu bekommen, den ich bis heute habe. Der Job ist nicht toll, der Job macht keinen Spass, aber zumindest ist es nicht Burger King. Ich bin unglücklich und heute noch oft den Tränen nahe, wenn ich darüber nachdenke, wie es wäre etwas zu machen, dass mir Freude bereiten würde… wie es sich „anfühlen“ muss, etwas zu tun was man gerne macht. Ich habe immernoch, tagtäglich, das Gefühl mein Leben ist „versaut“, und ich nichts wert weil ich es zu nichts „gebracht“ habe.

    Sicherlich sind in meinem Fall viele unglückliche Dinge zusammengekommen, und es muss nicht so laufen, „nur“ weil man Zuhause rausgeschmissen wird und/oder keine Unterstützung von den Eltern bekommt. Ich denke es ist jedoch offensichtlich, dass mein Leben in dieser Hinsicht vollkommen anders verlaufen wäre, wenn meine Eltern mich ermutigt hätten das zu tun, was ich gerne tun würde, und mich auf diesem Weg unterstützt hätten.

    Mein Text sollte eigentlich gar nicht so lang werden, sorry dafür. Ich will damit nur sagen, wie viel Respekt ich vor Ihnen habe, davor wie Sie mit ihren Kindern in dieser Situation umgehen. Für wie richtig und wichtig ich es halte, dass Sie genau das tun, was Sie tun: Ihm Zeit geben, und ihn nicht in eine Richtung zu drängen. Ich wünschte, jedes Kind hätte in dieser Situation solche Eltern.