Wer schon sehr lange hier liest weiß, dass ich dauernd davon spreche, welch verschlungene Wege mein Jüngster geht. Dass der große Sohn dem Jüngsten nacheifert – das hätte ich nie gedacht. Es schien doch so klar: das FÖJ beenden, danach eine Ausbildung beim BKA oder der Polizei in Rheinland-Pfalz. Doch schon während der letzten FÖJ-Wochen zeigte sich, dass dieser Weg wohl nicht der richtige sein wird. Den großen Sohn erwartete nämlich ein knackiger Einstellungstest, sowohl beim BKA als auch bei der Polizei. Intellektuell vermutlich keine Herausforderung, doch der Gedanke an den Sportteil trieb ihm die Schweißperlen auf die Stirn. Er ist eher ein langsamer Ausdauersportler. Kann stundenlang wandern oder Kanu fahren. Er ist Kletterer. Schnell und wendig wären vermutlich ziemlich weit unten auf der Liste der Eigenschaften, die ihn am treffensten beschreiben. Eher halbherzig trainierte er für den Test, doch die Aussicht auf einen hohen Sportanteil während der Ausbildung ließ das Interesse am Beruf abflauen. Und natürlich bestand er beide Tests nicht, einen wegen eines fehlenden Punktes. Schade. Traurig war er nicht, vielleicht ein bißchen auf die Erde zurückgeholt und mit einer guten Portion verletztem Stolz.

Eine Neuorientierung stand an. Chemie sei doch eine großartige Sache, sprach der große Sohn und beschloss eine Ausbildung zum Chemielaborant zu machen. Passenderweise traf er diese Entscheidung, als das Ausbildungsjahr 2015/16 bereits begonnen hatte. Er begann Bewerbungen für nächstes Jahr zu schreiben und hatte gleichzeitig den dringenden Auftrag sich zu überlegen, womit er sinnvoll ein Jahr verbringen könnte. Mir schwebte vor, dass er sich ein Jahr lang auf Reisen begibt. Man projiziert eben eigene Träume gerne auf die Kinder. Reisen wollte er aber nicht, jedenfalls nicht alleine. Letztlich entschied er sich für ein Studium, er studiert jetzt Chemie. Hat in der Zwischenzeit einen Einstellungstest bei einem großen Chemiekonzern versiebt und noch zwei weitere vor sich. Und vielleicht ist diese Chemiesache doch nicht das richtige, ich seh schon wieder die ersten Anzeichen von Zweifel.

Es ist kompliziert. Doch er soll das finden können, was ihm Spaß macht. Hauptsache er hängt nicht planlos hier im Haus herum und wartet darauf, dass ich ihm Aufgaben gebe. Was auch nicht sooo schlecht war, denn große Kinder sind große Hilfen!

Möbelbauer und Hundesitter

Möbelbauer und Hundesitter

Sie können zum Beispiel prima Sofabezüge wechseln, Kartoffeln ausbuddeln, Garten umgraben, Möbel durch die Gegend schleppen und die Hunderunde übernehmen, auch die am frühen morgen wenn es regnet. Ein Freundin nennt das Aufgabenverteilen an die großen Kinder „es den Kindern daheim ungemütlich machen, damit sie endlich ausziehen“. Das wäre sogar beinahe passiert, dieses Ausziehen. Im Geiste hatte ich schon dem besten Vater meiner Kinder ein Arbeitszimmer eingerichtet. Doch es kam – natürlich – ganz anders. Die WG-Pläne mit zwei Freunden zerschlugen sich, weil der eine nicht ohne Auto leben, dies aber nicht mitnehmen darf. Oder ein ähnlich gewichtiger Grund. Nun studiert das große Kind eben in Mainz, kann sehr komfortabel mit dem Zug fahren und hat keinen Grund, jemals das Nest zu verlassen.

(ich weiß, dass sich das ganz furchtbar hart liest, doch wenn Sie eigene große Kinder haben, dann wissen Sie, dass es irgendwann einen Punkt gibt, an dem sie „fertig“ sind. Und eigentlich raus müssen. Wenn Sie kleine Kinder haben: das dauert gar nicht mehr so lange. Versprochen!)

Bis der große Sohn also endlich irgendwann, irgendwo ankommt, werden wir ihn also weiterhin schamlos ausnutzen und wenn es nur zum Cocktailsmixen ist. Das kann er nämlich prima, hat er am Geburtstag seiner Schwester bewiesen.

Cockteilrecherche

Cocktailrecherche

Es heißt ja „kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen“. Sorgen haben wir keine, das Leben mit dem großen Sohn ist ein sehr angenehmes, denn er ist ein kluger, witziger, eloquenter Gesprächspartner, vielseitig interessiert und tanzt auf vielen ehrenamtlichen Hochzeiten. Aber irgendwie habe ich immer Angst, er könne was verpassen, weil er so anders ist, als ich es in seinem Alter war.

Auch das wird sich vermutlich legen.

12 Kommentare zu “Was bisher geschah – der große Sohn”

  1. Spontiv sagt:

    Hm, jetzt so rein vom lesen her habe ich ja nicht das Gefühl das er was verpasst. Scheint eher so der in sich ruhende Typ zu sein, der große Sohn. Dann läuft doch alles rund :)

  2. Anner sagt:

    Ich liebe die „was bisher geschah-“ Reihe und lese einfach zu gern mit. So sympathisch und positiv geschrieben. Ach, die anderen Beiträge mag ich auch.

  3. Anne sagt:

    Die Jahre zwischen Abitur und Ausbildung, in denen ich so ein bisschen wild rumstudiert habe, waren im Nachhinein vielleicht die besten meines Lebens. Ich habe zwar tatsächlich auch richtig studiert, aber halt ohne Abschluss und mit zwei Fächerwechseln.

    Manche Menschen sind halt so, die brauchen ein bisschen Anlauf mit Ausprobieren, bevor sie das richtige finden. Ihr müsst natürlich als Eltern selber am besten wissen, was ihr machen wollt, aber aus eigener Erfahrung würde ich sagen: Ruhe bewahren, nicht rumdrängeln und erst mal abwarten. Solange jemand nicht jahrelang vor sich hindödelt, gibt’s da noch keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

  4. Yaspiz sagt:

    Hört sich doch ganz gesund an. Kennen Sie das Buch „Unser allerbestes Jahr“ von David Gilmour?

  5. RoteNina sagt:

    Manchmal muss man eben Schleifen einbauen, damit es nachher wieder gerade läuft.
    Alles Gute für alle drei Menschleins.Die machen das schon.

  6. Trude sagt:

    So schön wieder von Ihnen lesen zu können!
    Das mit den Kindelein und den Umwegen kenne ich auch, aber es wird sicher alles gut werden. Wir Eltern machen uns immer vielzuviele Sorgen! Glauben Sie mir.
    Ihnen alles Liebe, winke, die Trude.

  7. Claudia sagt:

    Ach, meine Hausschuhe stehen ja noch im Flur…..;-))))
    Die zieh ich doch gleich mal wieder an und mach es mir gemütlich !
    Habe gerade bei Frau Brüllen gesehen, dass Sie wieder da sind !
    Schön, das !
    LG

  8. Helga sagt:

    Gerade bei Frau Brüllen gelesen, dass sie wieder schreiben. Ihre Texte sind so liebevoll geschrieben, dass man gar nicht mehr aufhören mag zu lesen.
    Ich finde es nicht hart, dass sie sich den großen Sohn „aus dem Haus wünschen“. So ist der Lauf der Zeit und das ist auch gut so. Ich gehöre selbst zur Fraktion (sehr) kleine Kinder und ich denke auch, dass die schneller groß sein werden als mir lieb ist. Auch wenn sich manche Tage, an denen man der „Großen“ nichts Recht machen kann und der Kleine alle 20 Minuten wach wird, anfühlen, als würden sie niemals enden. Ach ja, nur noch 18, dann sind meine beiden auch Volljährig. ?

  9. Graugrüngelb sagt:

    Nach allem, was ich hier im Laufe der Jahre über die hinreissenden Bestien gelesen habe, mache ich mir so gar keine Sorgen. Die machen ihr Ding. Ja, vielleicht nicht auf der ganz geraden Linie, die man sich als Mutter so erträumt. Und gerade, wenn ich von den zahlreichen ehrenamtlichen Sachen lese, bin ich ganz sicher, dass auch keiner was verpasst.

  10. Ini sagt:

    Oh, willkommen zurueck. Habe Sie sehr vermisst und die Garten- und Hundeblogs, so schoen sie sind, waren nur Ersatzdroge. ?

  11. Brigitte sagt:

    Kennen Sie den Film „Tanguy“ – sehr lustig. Da geht es genau um dieses Ausziehding.
    Und mit der Berufswahl: unsere Tochter IST damals gereist, 7 Monate nach Australien und Neuseeland …und wußte hinterher immer noch nicht, was sie wollte.
    Hat dann aber doch noch geklappt, mit dem Ausziehen und mit der Berufswahl. Und SEHR zufrieden ist sie.
    Geht Lola eigentlich noch zur Hundeschule. Ich dachte, es gäbe irgendwann Bilder, auf denen Sie stolz der Zertifikat für die Begleithundprüfung präsentieren. Oder denke ich schon wieder zu verschult?????
    Herzliche Grüsse, fein, dass Sie wieder schreiben!

  12. Gabi K sagt:

    Auch er wird seinen Weg finden. Manchmal geht es halt nicht nur geradeaus.