Neulich im Café

26. Januar 2016

„Sie sucht sich jetzt ihre Leistungskurse aus“, erfuhr ich. Außerdem erfuhr ich, dass dies wirklich schwer sei, da die Interessen breit gefächert seien und das Talent in allen Fächern gleich hoch. Ich nickte verständig, denn bei der Tochter war das genauso: gut in allem, interessiert an allen Fächern.

„Physik würde sie gerne nehmen, aber nachdem sie die Bilder im Jahrbuch gesehen hat … Hahaha! Das sind ja alles Freaks. Wie die aussehen,in diesen Kurs will sie dann eher nicht! Chemie nähme sie auch gerne, aber das ist ja was für Jungs, sie nimmt jetzt Bio.“, prasselte es auf mich ein und ich versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Kein Ort für Diskussionen, die Bekanntschaft nicht nahe genug, um freundlich zu argumentieren.

Fassungslos macht mich, dass mir dies von einer Frau meines Alters erzählt wurde. Eine Frau, die, würde man sie fragen, sich ganz sicher als selbstbewusst und unbedingt Gleichberechtigung einfordernd beschreiben würde, als aufgeklärt, fortschrittlich und emanzipiert. Warum ist sie nicht in der Lage, ihrer Tochter den Rücken zu stärken,damit diese sich einen Kurs wählt, der sie interessiert? Was nutzt die ganze „Wir wollen Mädchen in MINT-Fächern“- Förderung der Schulen, wenn seitens der Mütter (Eltern) dieses merkwürdige Denken herrscht, dass es Fächer für Jungen und Mädchen gibt?

Wenn ich erzählte, dass die Tochter sich Deutsch, Mathematik und Physik als Leistungskurse ausgesucht hat, hörte ich sehr oft: „Ui. Das ist aber schwer.“

Ja, vermutlich. Vermutlich ist eine Fremdsprache aber genauso schwer. Oder Sport. Oder Kunst. Das ist dann wohl eine Talent- oder Interessenfrage.

Ich gerate regelmäßig mit einer Freundin aneinander, die mir erklärt, das Maschinenbaustudium sei eines der schwersten. Für jemanden, der sich vielleicht eher mit Pädagogik oder Medizin auseinandersetzt wahrscheinlich. Vermute ich. Die Tochter erwägt Maschinenbau zu studieren, dann kann ich vielleicht fundierter gegenargumentieren.

Ja, das sind zweierlei Dinge. Einmal die Jungen/Mädchenfächersache und die leichte/schwere Fächersache. Beide machen mich gleichermaßen wütend, weil beide die Kinder beeinflussen, weil beide völlig unnötig sind.

Es ist mir völlig schnuppe, ob jemand sein Mädchen als rosa Wölkchen in Tüll und Spitze hüllt und den kleinen Jungen in tristes Grau, denn irgendwann entwickeln Kinder sowieso ihren eigenen Geschmack und kleiden sich wie sie wollen. Aber ich kann es nicht aushalten, wenn in „typisch Mädchen“ und „so sind halt Jungs“ unterschieden wird, wenn Kindern durch diese Unterscheidung von klein auf der Zugang zu umfassender Bildung erschwert wird.

Anekdote am Rande: als die Tochter in die weiterführende Schule wechselte, war die zweite Fremdsprache ab Klassenstufe sechs noch keine Regel, sie kam erst in Klassenstufe sieben dazu. Für besonders sprachbegabte Kinder gab es aber die sogenannte F+-Klasse, in der Französisch als zweite Fremdsprache ab der sechsten Klasse dazukam. Dass die Tochter sich eher naturwissenschaftlich orientieren würde zeichnete sich damals übrigens noch nicht ab. Eine Klasse mit knapp dreißig Schülern kam zusammen. Schülerinnen, um es ganz genau zu nehmen. Die zwei Jungen, die sich ebenfalls für die F+-Klasse interessiert hatten, sprangen ob der bedrohlichen Mädchenmasse lieber wieder ab. Ein Blick ins Jahrbuch zeigte, dass auch die F+-Klassen der älteren Jahrgänge nahezu ausschließlich von Mädchen belegt waren.

Für unsere Tochter war das eine ziemlich coole Sache, in einer koedukativen Schule eine reine Mädchenklasse zu besuchen, doch ich finde es bezeichnend:  Fremdsprache=Mädchending

Zweimal waren wir übrigens zum Elterngespräch, weil auch manche Lehrer in naturwissenschaftlichen Fächern durchaus die Meinung vertreten, Mädchen seien in diesen Fächern weniger leistungsfähig.

Und noch eine Ergänzung zum obigen Absatz was ich nicht aushalten kann – der Satz „Mich konnte man mit Mathe auch jagen, es würde mich nicht wundern, wenn sie Mathe auch nicht mag.“ Über ein Kleinkind, das noch nicht mal weiß, was Mathe ist, lässt mich schwer schlucken und rüttelt sehr an meinem Grundsatz „Nicht in die Erziehung anderer Mütter einmischen“. Aber hier schreibe ich das jetzt halt mal nieder, vermutlich würde ich sonst platzen. (WiekannmanvonsichaufdaseigeneKindschließenundihmkeineeigenenInteressenzugestehenundschonbeinhahefestlegenwasesmögendarfundüberhaupt?) :)

Ach ja. Es könnte alles so viel leichter sein.

25 Kommentare zu “Neulich im Café”

  1. Sabine sagt:

    Die Tochter hat gerade hier in Hamburg ihren Bachelor in ‚Computing in Sience/Biochemie-Chemie (viel Mathe!!) abeschlossen . In dem Studiengang war das W/M-Verhältnis halbe-halbe. Und das schien auch völlig normal zu sein.

  2. Mühlenmeisje sagt:

    <3 Frau Mutti
    Meine Schwester und ich sind unseren Eltern immer noch sehr dankbar, denn die haben uns immer – soweit es ihnen möglich war – unterstützt, egal ob Deutsch, Englisch, Mathe oder Physik. Unser Vater legte sogar sehr viel Wert auf technisches Wissen und auch unsere Lehrer hatten uns nie aber auch wirklich nie auf irgendeine Weise vermittelt, dass naturwissenschaftliche Fächer nix für Mädchen wären. Ist das eventuell eine neue Entwicklung?
    Wenn ja, dann werden Mann und ich alles dafür tun, dass unser Sohn mit seiner blühenden Fantasie und seinem Interesse für Zahlen und Sprachen (kriegt ja gleich zwei verschiedene von uns mit) sich wirklich "ausleben" kann, egal ob Mathe, Physik, Englisch, Sport oder sonstiges.

    LG Mühlenmeisje

  3. Frau Spaltmann sagt:

    wie wahr! … habe bei meinen Kindern die Erfahrung gemacht, dass sie sich Schulfächer, Musikinstrumente und Studiengänge aussuchen,die zu ihnen passen und ihren Interessen entsprechen – wenn man sie lässt…. Und Jungs sind auch nicht immer naturwissenschaftlich begabt. Ich habe auch Eltern getroffen, die verhindern wollten, dass das Kind Latein nimmt oder Schlagzeug spielt, weil sie Französisch oder Klavier für sinnvoller hielten. Zugegeben,Klavierüben ist für Elternohren gefälliger als Schlagzeugüben, aber unser Schlagzeuger war glücklich…

  4. Schokoli sagt:

    Meiner ist in der Sozialklasse = Mädchenklasse. 30 Schüler davon 5 Jungs. Und eben, wir Eltern sollten dazu da sein, den Kindern das bisschen Zweifel zu nehmen, dass ihnen daran hindert evtl. in eine „Mädchen“ bzw. „Jungen“ Klasse zu wechseln. Ist doch Wurscht, Hauptsache sie haben Spaß und gehen deswegen gerne in die Schule…..

  5. Inge K sagt:

    „Lieblingsargument“ eines Mädchens, dem ich vor Jaaaaaahren mal Mathe-Nachhilfe gegeben habe — „Ich verstehe Mathe nunmal nicht, kann auch gar nicht anders sein, meine Mama kann es auch nicht!!“
    Sie widersetzte sich aber auch tapfer jeglichem Erklärungsversuch.
    Ich habe ziemlich schnell aufgegeben… :)

  6. Christina sagt:

    Hallo Pia,
    hier im Haus gibts auch eine 18jährige die Chemie als LK gewählt hatte, und auch die Abiprüfung darin im letzten Jahr sehr gut hinbekommen hat.
    Im Tutorium Chemie gab es aber 7 Jungs und 7 Mädchen, und sie waren das beste Tutorium von allen ( darauf war der Tutor total stolz)also waren sie gleichmäßig gut alle.
    Aber vielleicht sind wir hier in der nordhessischen Provinz schon ein bisschen fortschrittlicher, als ihr da unten im Süden :o))))
    Immer schön die Kinder nach ihren Interessen fördern und nicht nach Junge/Mädchen Schema.
    LG
    Christina

  7. Frau Brüllen sagt:

    Danke. Genauso. (So lange man besonders als Frau mit Unkenntnis in MINT-Fächern kokettieren kann, ohne als ungebildet zu gelten, anders als zb bei mangelnder Geschichts- oder Literaturkenntnis, tja ….)
    Der Aspekt mit schwer/leicht ist mir bisher noch gar nicht so in den Sinn gekommen, aber auch hier: ja, danke.

  8. babska sagt:

    Ach! Wie recht Sie haben.
    Punkt.

  9. Ich sagt:

    Ja, so ist es, genau so.
    Leider!
    Und ja, auch ich habe das Gefühl ( nein, bin mir sicher), viele Eltern sind Ur-Ur-Altmodisch übe konservativ, merken es aber nicht.
    Schrecklich, was sie damit ihren Kindern antun!
    Ich gäbe schon ist geseufzt.

  10. sewbeedoo a.k.a. Trällertrulla sagt:

    Auja! …rief die Mutti mit Hausfrauen-Abitur Englisch-Bio-LK.

    Die Zwillinge (Jungs) kamen im Sommer neu in die Stadt und an die (weiterführende) Schule mit Schwerpunktklassen (6 Möglichkeiten). Sie wählten als Schwerpunkte gemäß ihren Interessen und vollkommen ohne unser Zutun:

    Technik (Kind 1, 20 Jungs, 8 Mädchen) und Kunst und Theater (Kind 2, 5 Jungs, 23 Mädchen). Ich denke, das sagt alles!

    Nach und nach kam raus: viele Familien haben die Schwerpunkte nicht nach Interesse des Kindes gewählt, sondern was beste Freundin/bester Freund auch wählte oder aber gendermainstreamgemäß – Theater rosa, Technik blau. Oder so.

    Tja.

  11. Anke sagt:

    Alles völlig richtig! Nur noch schlimmer ist es, wenn Eltern ihre Kinder in eine Banklehre zwingen und die Talente und Interessen des Zöglings dabei völlig außer Acht lassen. Das gibt es heute unglaublicherweise immer noch!

    Einer meiner Söhne studiert Theaterpädagogik, ein anderer ist Erzieher und ich bin überzeugt davon, dass die beiden das richtig gut machen und vor allem mit ihrer Wahl glücklich sind. Und nur darauf kommt es an!

    Viele Grüße – Anke

  12. MonikaZH sagt:

    Der hiesige Sohn hat nach der Sekundarschule (Realschule in Deutschland) die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium gemacht weil _er_ das wollte. Und sich sein Gymnasium selber ausgesucht (sprachlich und musisch, ehemals reines Mädchen-Gymi). Ich wurde nicht gefragt und habe nichts dazu gesagt – das wäre auch eher kontraproduktiv gewesen ;-).
    Letzten Sommer hat er das Abi gebaut, nach 4 Jahren in der tollsten Klasse der Schule (20 Mädchen, 6 Jungs, Sprach- und musisches Gymnasium wie gesagt).

    Nun überlegt er ob er lieber Veterinärmedizin oder doch ein Ingenieurfach studieren soll. Durchaus sprachlich und musisch geprägte Fächer, dochdoch.

    Was ich damit sagen will: warum er ausgerechnet auf diese Schule wollte? – Das Gymi hat einen guten Ruf (zu Recht, wie sich herausstellte). Einige seiner Freunde waren dort (der Einzige der in seiner Klasse war wegen gleichem Schwerpunkt blieb nach dem ersten Jahr sitzen und baut jetzt grad erst am Abi). Es liegt genial gut direkt am Stadelhofen (mitten in der Stadt, am See) in Zürich. Er konnte seine Stärke in Sprachen ausspielen (Spanisch als Schwerpunktfach – er ist halber Peruaner). Alles gute Argumente. Seine, nebenbei, damals, nicht meine.

    Und ich habe glaubs trotzdem keine Ahnung warum. Er auch nicht. Spielt auch keine Rolle (mehr).

    Er ist gereift, in diesen Jahren. Ganz unabhängig davon dass sehr viel mehr Mädchen an der Schule waren (oder nicht gewesen wären, hätte er eine naturwissenschaftliche orientierte Schule gewählt), dass er tatsächlich ein sprachlich-musisches Abitur (trotzdem immernoch eine „allgemeine Reifeprüfung“ die Zugang zu jeder Uni oder Technischen Hochschule bietet) abgelegt hat. Sein Weg zeichnet sich erst jetzt ab, und ob das der endgültige ist wird sich erst noch weisen.

    Ich glaube dass die meisten Kinder überfordert sind mit der Wahl einer weiterführenden Schule, womöglich mit Schwerpunkt, nach der Grundschule, möge diese nun 4 oder 6 Jahre dauern. Manchmal ist so ein Bauchgefühl („alle meine Freunde sind da“ – „das wird leichter für mich“ – „…“) vielleicht garnicht so schlecht.

    Dies soll keine Lanze brechen für Eltern oder Lehrer die althergebrachten Gendernormen nachhängen – Mädchen=Sprache, Musik, Kultur,… ; Jungs=MINT. Im Gegenteil. Aber lasst den Kindern Zeit.

  13. MinervaSevera sagt:

    Wenn ich sowas lese bin ich sehr froh, dass ich auf einer Mädchenschule war auf der wir wirklich gefordert wurden in den Naturwissenschaften. Bei uns gab es 5 Kernfächer, die jede belegen musste: Mathe, Deutsch und eine Fremdsprache verpflichtend und dazu gewählt hatte ich Bio (im übrigen je nach Lehrer der gleiche Stoff wie in Chemie nur anders angewendet) und Physik (und habe es sehr bedauert, dass es bei uns keine Matheleistungskurse mehr gab). Das waren einfach meine Interessen und da hätte ich mir von niemandem reinreden lassen wollen. Bei mir im Jahrgang gab es genug Interesse für zwei volle Physikkurse und niemand hat je gesagt, dass die Naturwissenschaften nix für Mädchen wären. Klar ein paar gab es trotzdem die mit ihrer Unfähigkeit kokettiert haben, aber ich habe den Eindruck es waren weniger als im allgemeinen Durchschnitt. Nach dem Abi haben bei uns überdurchschnittlich viele mit einem naturwissenschaftlichen oder Ingenieursstudium angefangen, ich selber auch (Medizintechnik) und dabei merke ich immer wieder wie viel größer mein Selbstvertrauen in mich selbst ist, was beispielsweise Mathe angeht, als das meiner Kommilitoninnen, die sich auch fürs Ingenieurswesen entscheiden haben aber die halt in der Schule nie so bestärkt wurden beziehungsweise die sich als Aussenseiterinnen gesehen haben mit ihrem Interesse und ihrer Begabung.

    Ich habe hier ja noch nie kommentiert, aber das ist wirklich ein Herzensthema für mich weil sich einfach niemand von doofen Vorurteilen davon abhalten lassen sollte das zu machen was einem liegt. Ich lese hier und auf Twitter schon so lange bei Euch mit und und denke so oft, dass es genau so laufen sollte. Die Tochter ist ja gar nicht mal so viel jünger als ich, da kann ich vieles was sie da schreiben recht gut nachvollziehen.

  14. loosy sagt:

    Es geht ja sogar noch weiter, nicht nur Fremdsprache = Mädchen, es wird sogar nach Sprache differenziert. In der 7. teilten sich unsere 3 Parallelklassen auf 3 Sprachen auf. In der Russisch- und der Lateinklasse gab es ein recht ausgeglichenes Geschwisterverhältnis. In der Französischklasse waren ca. 23 Mädchen und 7 Jungs, von denen 4 (und 2 Mädchen) zum Sprachunterricht rüber in die Lateinklasse wechselten. Von etwas über 90 Schülern entschieden sich gerade mal 3 Jungen für Französisch.

  15. loosy sagt:

    Geschlechterverhältnis, Gruß von der Autokorrektur!

  16. Birgit sagt:

    Dass Mütter ihren Töchtern erzählen, dass sie selber in Mathe schlecht waren und die Töchter dies dann ja auch sein „müssten“ sorgt dafür, dass mir meine Arbeit als Nachhilfelehrerin für Mathe und Physik nie ausgehen wird. Leider sind die Mädchen dann, wenn sie mich kennenlernen schon so sehr davon überzeugt, dass sie keine Mathe können, dass ich da auch nicht mehr viel ausrichten kann.
    Ich habe einen ähnlichen Werdegang wie Ihre Tochter zurückgelegt mit neusprachlichem Zweig und danach folgender naturwissenschaftlicher Ausrichtung bei den Leistungskursen (nur etwa 30 Jahre früher ;-)). Im darauffolgenden Physikstudium waren überproportional viele junge Frauen von reinen Mädchenschulen vertreten. Untersuchungen zeigen im Übrigen, dass Mädchen im naturwissenschaftlichen Unterricht davon profitieren, wenn sie unter sich sind. Das gleiche gilt für den Fremdsprachenunterricht bei Jungs. Trotz dieser merkwürdigen veraltet erscheinenden Vorgehensweise wäre das vielleicht eine Möglichkeit diese doofen Geschlechterrollen aufzubrechen.

  17. Jaelle Katz sagt:

    Ja, nicht nur die Mütter sind so. Es gibt auch Lehrerinnen, die nicht sehen, was sie anrichten (können): In einer oberfränkischen Hauptschule hängt das von der Lehrerin aufgehängte Blatt mit: „In Mathe bin ich Deko“ immer noch herum, wie mir der Mitbewohner berichtete.

  18. Frieda sagt:

    Oh, ja … wie gut ich das kenne. Das Tochterkind rechnete vor der Einschulung begeistert plus und minus und ein bisschen Multiplikation und konnte es gar nicht erwarten, endlich in die Schule zu kommen.
    Und dann kam der große Tag und mit ihm Frau Mahlzahn. Grundschullehrerin der alten, der ganz, ganz alten Schule und sie befand, dass das Tochterkind eben ein Mädchen ist und deshalb ganz offenkundig nicht rechnen kann. Stunde um Stunde musste sie Mengenpunkte malen und Striche abzählen, während eine Hand voll Jungs (und es waren wirklich nur und ausschließlich Jungen, denen dieses Privileg zuteil wurde) extra Blätter mit Subtraktionsaufgaben bekam. Aufgaben, die das Tochterkind schon lange ohne Finger rechnen konnte, aber an dieser Schule nicht rechnen durfte, weil „oh weh, das ist noch viel zu schwer.“ Da half kein Bitten, kein Flehen, keine elterliche Intervention. Frau Mahlzahn blieb hart und erklärte dem Kind, es wäre hier schließlich nicht die Prinzessin, die sich aussuchen darf, was sie machen will. Punkt.

    Inzwischen sind wir in der Oberstufe angekommen und das Tochterkind ist seit der 1. Klasse felsenfest davon überzeugt, Mathe aber mal sowas von überhaupt gar nicht zu beherrschen. Frau Mahlzahn hat ganze Arbeit geleistet, da kommste zu Hause nicht gegen an.

    Bitter.

  19. Rita sagt:

    Danke für diesen Beitrag. Für mich immer noch erschreckend, dass diese Gender-Einteilung so stark ist. Bzw. sogar weiter verstärkt wird (durch Eltern, Werbung etc.). Ich habe 1985 an einem Mädchengymnasium Abitur gemacht mit Englisch, Französisch und Mathe als LK. Nach einer Fremdsprachenausbildung habe ich noch Physik studiert (schnell und mit guten Abschluss) und arbeite seit über 20 Jahren in der medizinischen Forschung. Im Studium war ich eine von 3 Studentinnen in meinem Semester, die beiden anderen hörten dann aber schnell auf. In der Oberstufe hatte ich Physik abgewählt, weil die Lehrerin in der Mittelstufe doof war. Trotz 7 Jahren Physik-Abstinenz und 4 Jahren Mathe-Abstinenz war das Studium kein Problem. Frau muss halt auch an sich glauben und es ‚wollen‘.
    Ich bin sehr überzeugt, dass reine Mädchen/Jungs-Schulen die Sterotypie der Schwerpunktfächer und auch der späteren Berufswege aufbrechen können. Wäre interessant zu sehen, ob es einen Trend zu solchen Schulen gibt in der Zukunft.

  20. S. Rieder sagt:

    Ich liebe Sprachen. Deutsch-Abi mit 15 Punkten, Französisch 13 Punkte. Ich habe Chemie und Physik so schnell wie möglich abgewählt. In Bio musste ich mich dann dummerweise bis zum Abi durchquälen. Fürchterlich. Die Themen an und für sich sind ja interessant beim einmaligen hören – mehr aber nicht, ich wollte das nie lernen. Ist mir auch nie zugeflogen, im Gegensatz zu den Sprachen.
    Leider passe ich damit nicht in das schicke „hey Technik ist cool“ Frauenbild, sondern gelte als altmodisch, nicht zeitgemäß; mitleidige Zungen schieben das dann auf meine Eltern und rechnen mir hoch an, dass ich ja in der IT arbeite ….
    Ja, ich finde Naturwissenschaften doof (ausser Mathe). Warum habe ich das Gefühl, dass es politisch nicht korrekt ist, diese Abneigung zu haben? Warum darf ich nicht so sein wie ich bin, ohne als altmodisch, kokettierend etc. zu gelten? Warum sind technikbegeisterte Mädels schicker als tanzende? Backende Jungs cooler als skatende? Ist das nicht lediglich eine (z.T. alberne) Umkehrung der Rollenbilder?

  21. Strelizie sagt:

    Ich war an einem reinem Mädchengymnasium, meine Tochter zwar am gleichen, aber nach meinem Abi kam die Sintflut, äh die Koedukation. Uns hat niemand erzählt, Mädchen könnten kein Mathe oder keine Naturwissenschaften (ich muss aber erwähnen, wir hatten auch relativ viel weibliche Lehrkräfte). Bei meiner Tochter gab es durchaus auch Lehrer, die meinten, Mädchen sollten sich doch mit anderen Dingen beschäftigen…. Trotzdem hat sie sich für Physik-LK (und Geschichte) entschieden und lange überlegt, für welche Richtung sie sich entscheiden soll. Inzwischen studiert sie durchaus erfolgreich ein seeeeeehr männerlastiges Fach (Luftfahrttechnik). Im ersten Semester lag der weibliche Anteil noch bei ca. 10%, inzwischen sind noch weniger. Interessanterweise gab es noch keinen Dozenten, der der Meinung war, Mädchen könnten kein Mathe.
    Ich bin auch immer wieder überrascht, wieviel Geschlechter-Stereotypen es noch gibt…

  22. Wuzal sagt:

    Liebe Pia, ich bin eine stille Leserin – aber zu diesem Thema muss ich tatsächlich was schreiben.
    Ich bin so eine
    ….eine Maschinenbauingenieurin, seit über 20 Jahren mit dem Studium fertig, über den zweiten Bildungsweg, gelernte Technische Zeichnerin. Und ich kann viel berichten…
    1. bei mir ist und war das ganz klar eine Talentsache, ich hab mich immer dafür interessiert, ich wollte immer wissen, wie was geht und mir vielen alle naturwissenschaftlichen Fächer sehr leicht – im Gegensatz zu Sprachen, Geschichte usw.
    2. Ich habe aber auch viel Förderung bekommen, d.h. mein Papa hat mein Interesse geweckt und meine Fragen beantwortet
    3. niemals kam von meinen Eltern der Spruch, das ist nix für Mädchen
    4. ich brauchte und brauche viel Selbstbewußtsein in diesem Männerberuf, allein deshalb weil man (leider) immer nochwas besonderes ist, ich erinnere mich da an Situation im Studium, in meiner 50-Mann (!) starken Gruppe waren wir nur zwei Mädchen, heißt, wenn eine nicht da war, wußten es immer alle / ob’s nur 49 bei den Jungs waren, merkte keiner. Heute ist es eher so, dass ich bei Besprechungen die einzige Frau bin und bei sonstigen fachlichen Gelegenheiten, aber ich das gar nicht mehr merke.
    5. Mit der Ingenieursausbildung und meiner Berufserfahrung ging irgendwann auch sprachlich der Knopf auf und ich konnte schreiben, weil ich von der Sache was verstand, heute schreibe ich technische Texte, Anleitungen und Spezifikationen und plaudere in Englisch über mein Fachgebiet, aber wehe ich soll mich „normal“ auf Englisch mit jemanden unterhalten, dann hakt’s. (aber mehr Sprachen werden es nicht mehr werden, es fällt mir unheimlich schwer)
    6. Ich brenne für meinen Beruf und kann mir nix schöneres vorstellen, als meine Ideen umzusetzen und Maschinen zu bauen, die andere nutzen und die anderen nützen.

  23. Maryme sagt:

    Hallo,
    dieser Post spricht mir aus der Seele.
    Danke.
    Maryme

  24. Bele sagt:

    Noch eine ehemalige Besucherin einer reinen (und sehr konservativen) Mädchenschule, die glücklich mit ihrem Chemie-LK war…
    Ich habe meine Schule nicht wirklich geliebt, aber stets geschätzt, dass wir Mädchen unter uns waren und es in jedem Fach schlicht talentierte und untalentierte Schülerinnen gab. Und entsprechende Leistungskurse belegt wurden. Gelandet bin ich in einem typischen Frauenberuf, der Kunst UND Naturwissenschaften vereint, weil ich genau den ergreifen wollte.

    Dass Kindern vermittelt wird, aufgrund ihres Geschlechtes (oder des Sicherheitsdenkens ihrer Eltern) sei nur ein bestimmter Weg möglich, finde ich schlicht skandalös und dumm. Und wünsche allen Kindern genügend Selbstbewusstsein und Klarheit, eigene Entscheidungen zu fällen. Dann fällt es auch viel leichter, mit den Konsequenzen zu leben.

    LG, Bele

  25. Dmueller42 sagt:

    100% Zustimmung!
    Meine über zwanzig Jahre alte Anekdote dazu:
    Ich wollte nach dem Abitur Wirtschaftsinformatik studieren. Die Frage ob das etwas für Mädchen oder Jungs wäre hatte sich mir nie gestellt.
    Bis zum Tag der offenen Tür: Ca. 100 interessierte (Fast-)Abiturienten, eine Frau, ich. Der Professor war nicht hilfreich: „wir freuen uns natürlich besonders über Studentinnen.“ Der ganze Hörsaal drehte sich zu mir um, ich saß in der letzten Reihe und begann zu zweifeln.
    Als ich meiner Mutter (Mathe-Niete!) von meinen Zweifeln berichtete war Ihre Antwort: „warum sollten das nur Jungs studieren wollen, dass darf kein Kriterium für Dich sein!“ Tja, es blieb bei meiner Wahl und ich habe das Studium erfolgreich abgeschossen.
    Hat mich die sehr geringe Frauenquote im Studium gestört? Nein, nie, es hatte sehr viele Vorteile für mich.