Einleitende, erklärende Worte: bisweilen erreichen mich Werbeanfragen, die zwar nichts mehr oder nicht auch nur irgendwas mit unserem Leben zu tun haben, zu denen mir aber doch das eine oder andere Erzählbare einfällt, weswegen ich dann zusage. Im folgenden Text geht es um „Gesunde Pausenbrote“, denn die Firma LaVita* hat eine Aktion gestartet, mit der sie Eltern erklären möchte, wie wichtig ein nährstoffreiches Pausenbrot ist.

Pausenbrote sind erstaunlicherweise ein stark polarisierendes Thema im Internet. Es geht halt ums Essen, genauer: Essen für Kinder und darüber lässt sich vortrefflich streiten.

Ich gehe für meine Pausenbrotgeschichte ein ganzes Stück zurück, 35 Jahre etwa. Zu dieser Zeit kam ich an die weiterführende Schule, was bedeutete, dass ich jeden Tag mit dem Zug fuhr und den verlockenden Bahnhofskiosk voller Süßigkeiten für Pfennigbeträge entdeckte. Und den Pausenhofkiosk, an dem es Käse- und Fleischkäsbrötchen für 80 Pfennig, Brühwürstchen mit Senf und Brötchen für Einemarkfuffzich und das schnöde Senfbrötchen (das ich heute noch immer liebe) gab es für 30 Pfennig. Senfbrötchen schmeckten so viel besser als das Brot-mit-Belag, das mir Oma Eis mitgegeben hatte. Deshalb reisten die in Folie gewickelten Pausenbrote zur Schule und wieder zurück, bevor sie daheim im Bettkasten verschwanden. Einmal im Monat schmuggelte ich eine Tüte voll verschimmelter Brote aus dem Haus und schmiss sie in einen öffentlichen Mülleimer. Auf die Idee daheim zu erzählen, dass ich kein Pausenbrot mehr möchte, kam ich nicht.

Bisweilen nahm ich übrigens auch Obst mit. Bananen allerdings nicht mehr, nachdem eine über längere Zeit im Ranzen vergessene Banane fürchterliche Dinge mit meinen Schulbüchern anstellte, als mein Ranzen einmal aus dem Zug flog. (Damals konnte es nämlich passieren, dass sich Zugtüren während der Fahrt öffneten und letztendlich sind bananenvermatschte Bücher wirklich das kleinere Übel, wenn man bedenkt, dass nur das geistesgegenwärtige Zupacken eines Mitreisenden verhinderte, dass ich meinem Ranzen hinterherflog. Ich bekam sehr großen Ärger daheim, vermutlich wegen der Bananenmatsche und nicht wegen des beinahe-Sturzes, wie ich damals glaubte.)

Eine Banane in der Dose hätte nicht so viel Schaden verursacht

 

Irgendwann gab es keine Pausenbrote mehr und mein Taschengeld landete beim Metzger für ein belegtes Brötchen oder beim (Brezel)Ditsch für eine mit Käse überbackene Laugenstange. Ich scheine sehr viel Taschengeld bekommen zu haben.

Viele Jahre später.

Nach unkomplizierten Frühstückspausen im Kindergarten (ein paar Obststücke), glaubte ich, dass Pausenbrote für Schulkinder irgendwie toller sein müssen. Es gab liebevoll geschmierte Brote. Mit Käse oder Wurst, irgendwelches Obst oder Gemüsestreifen dazu und nach ein paar Wochen hatte wirklich niemand mehr Lust, die Hasenbrote (= die wieder mit heimgebrachten Brote) am Abend zu essen.

Zeichnung: Claus Ast

Der Große teilte schließlich mit, dass er eigentlich keinen Hunger in der Schule hat, höchstens ein bißchen Durst. Er zog also nur mit einer Wasserflasche los.

Die Tochter entschied sich recht bald für Apfelstücke. KEINEN Zauberapfel bitte, denn der läßt sich so schlecht essen. Apfelachtelchen lassen sich schnell weghappsen. Zum Apfel bitte nur eine Wasserflasche.

Zauberapfel, ungeliebter.

 

Einzig der Jüngste nahm so lange ein Erdnussbutterbrot mit, bis er sich erfolgreich den Ekel an Erdnussbutter gegessen hatte. Seitdem nahm und nimmt er Salamibrot mit. Dazu ein geachtelter Apfel und eine Wasserflasche.

Mit meiner eigenen Schulbroterfahrung und dem Vorsatz, dem Hungergefühl der Kinder zu vertrauen, bewegten wir uns also ganz und gar weg von dem, was als ausgewogene Pausenernährung empfohlen wurde und immer noch wird. Dass meine Kindelein mit dieser Ernährung nicht furchtbar mickrig blieben und trotzdem beachtliche Leistungen in der Schule erbrachten lässt sich leider auch nicht auf ein höchst ausgewogenes Frühstück daheim zurückführen. Sie haben nämlich die Vorliebe ihres Vater für doublefrosted sugarbombs (= „Frühstückscerealien“, von denen Cornflakes noch den geringsten Zuckergehalt haben) oder Toastbrot mit Konfitüre/Nußnougatcreme/Honig/ Schokostreuseln und dazu eine Tasse Milch, geerbt. Also genau das Frühstück, das den Energiepegel hochschnellen und rasch wieder abkrachen lässt. Trotzdem reichte dieses Frühstück und der eher magere Pausensnack bis es zwischen 13:30 und 14:00 Uhr Mittagessen gab.

Dass ich also Brote in Herzform, Eier in Autoform und Delfine in Bananenform (oder umgekehrt) nur müde belächele, können Sie jetzt womöglich verstehen. Der Sinn kann sich mir einfach nicht erschließen, weil meine Kindelein eben einfach keinen Hunger hatten. Und vielleicht auch kürzere Zeit außer Haus waren, wären sie Ganztagskinder gewesen, hätte die Futtersituation sicherlich auch anders ausgesehen. Und ja, ich habe niemals Formbrote angeboten, allenfalls das eckige Brot einmal diagonal statt senkrecht durchgeschnitten. Sie hatten einfach keinen Hunger.

Warum ich jetzt trotzdem an einer Aktion für „gesunde Pausenbrote“ teilnehme? Weil der beste Vater meiner Kinder Alternativen zum Kantinenessen sucht, die fern von belegten Bäckerbrötchen oder Kaffeestückchen sind. Oder auch weil wir gerne und viel wandern und uns gerne leckere, energiespendende Verpflegung mitnehmen. Bisher waren das Laugenbrötchen, ein Block Käse und ein Apfel. Da geht sicher noch mehr.

 

 

*LaVita produziert einen Zaubertrank, der sämtliche benötigte Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe enthält und ich frage mich halt, warum man, wenn man doch gesunde Pausenbrote verzehrt, diesen überhaupt zu sich nehmen muss. Das ist evtl. so ein „alle Kinder müsen Lebertran löffeln“-Überbleibsel aus der Zeit, als Zaubertrank löffeln wirklich wichtig war.

12 Kommentare zu “Gesundes Pausenbrot ***eine Aktion mit entferntem Werbelink!***”

  1. Jenny sagt:

    Liebe Frau Mutti,

    Ich habe so herzhaft über die „Stop Hasenbrot“-Grafik gelacht :-D Da kamen direkt Kindheitserinnerungen hoch. Wir Kindern haben abends immer ganz gespannt darauf gewartet ob mein Papa noch Hasenbrot für uns mit nach Hause gebracht hat und haben uns wie die Geier darauf gestürtzt um es zu verputzen…:-)

    Nur als Anekdote so am Rande.

    Ganz liebe Grüße,
    Jenny

  2. Liesi sagt:

    Oh ja, Brote im Bettkasten hatte ich oft, bis der Schimmelgeruch nicht mehr weg ging. Wenn ich heute bei meinen Eltern bin, meine ich den Geruch von den Broten immer noch zu riechen (20 Jahre später). Am schlimmsten waren immer die belegten Brötchen, wenn man in den Urlaub fuhr – abends gemacht, nachts im Kühlschrank und am nächsten Morgen ganz labbrig und feucht und eklig. Ich kann bis heute keine belegten Brote oder Brötchen essen, die älter als 10 Minuten sind.

  3. Katja sagt:

    Wenn wir zu meinen Eltern nach München reisen, mache ich vorsorglich mehr gesunde Reisebrote als nötig, weil sich mein Vater monatelang auf die Hasenbrote freut :)

  4. Ilka sagt:

    An anderer Stelle (Instagram) hatte ich das Zauberapfel-Bild schon kommentiert (die mit der jetzt großen Tochter, die ganz freiwillig auf ihren täglichen Apfel besteht)(ich persönlich kann Äpfel ja nicht leiden) und mich schon auf einen Blogeintrag gefreut.
    Irgendwie wußte ich das er in die Richtung geht.

    Kleine Geschichte noch dazu, Grundschule, erste Klasse.

    Mein Kind kommt ganz traurig und weinend nach Hause, weil in der Pause eine pädagogische Mitarbeiterin Brotbüchsenkontrolle gemacht hat und meiner Tochter erklärt hat, dass ihr Weißbrot mit Nutella absolut ungesund ist und in einer Pausenbrotbüchse überhaupt nix zu suchen hat!

    Ich hab der Brotbüchsenkontrolleurin dann einen Brief geschrieben und ihr erklärt, warum das Kind nun ein Nutellaschnittchen mitbekam, dass sie sonst sehr ausgewogen isst usw. blablub nur halt in der Schule so ein ausgetrocknetes, gesundes Vollkornschnittchen nicht runterrutscht.

    Ich hab noch angemerkt, dass sie doch bitte mal genauer auf die Zutatenliste ihrer in der Schule angebotenen Milch schauen sollten (Milchpause, kennt das noch jemand?). Das waren nämlich so kleine Kartons mit Kakao oder Fruchtmilch, die konnten es locker mit dem winzigen Nutellaschnittchen aufnehmen. :D

    Meine Tochter war schon immer sehr sehr schlank und groß, und ist ein sehr guter Esser, bei der setzt nix an (beineidenswert), nur sie hatte halt Schwierigkeiten sich aufs Pausenbrot umzustellen, im Kindergarten wurde das Frühstück frisch für alle zubereitet, zu Hause vorher Frühstücken war und ist nicht ihr Fall.

    Und dann kommt da so eine Brotbüchsenerklärtante (übrigens war sie nicht die schlankeste, ich entschuldige mich aber sofort hiermit für diesen Gedankengang) und bringt mein Kind zum heulen, ich war echt sauer. :D

    Die regelmäßige Brotbüchsenkontrolle gab es in der Klasse danach übrigens nicht mehr, keine Ahnug ob Zufall oder mein Verdienst.

  5. Alexandra sagt:

    Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich in die Pause bekommen habe, vermutlich Apfel in Stuecken. Ich lebe in den USA, wo die Schule ganztags (bis 15:30 h) stattfindet. Meine Tochter mag das Schulessen nicht, und sie bekommt (auf eigenen Wunsch) jeden Tag dasselbe: Brot (Vollkorntoast) mit Butter, Wurst und Kaese, dazu eine Karotte, Apfel und ein Joghurt mit zu viel Zucker … Pausenbrotkontrolle gibts hier nicht, nur Erdnussprodukte haben nix in der Brotbox zu suchen.

  6. Uschi sagt:

    Genau so sieht es hier auch aus, nach anfänglich schlechtem Gewissen, dass meine Kinder ihr Brot in der Grundschulzeit nicht verspeisten habe ich auf ihr Hungergefühl vertraut und sie selber entscheiden lassen, ob und was sie sich mitnehmen. Bei inzwischen bis zu 10 Stunden Schule wandert dann nun doch ab und zu ein Brot in die Tasche, auf jeden Fall aber immer etwas zu trinken. Wichtig war mir jedoch immer, dass sie mit gut gefülltem Magen losziehen und das ist hier morgens der Fall. Auch wenn sie früh aufstehen müssen, die Zeit für ein bis zwei Brote und meist noch einem Joghurt bleibt.

    Ich selber bin übrigens Pausenbrot geschädigt. Meine Mutter schmierte uns nämlich vor Jahren wahrscheinlich mit viel Liebe morgens die Brote und es war zu meiner Kindergartenzeit, als sie morgens leider das Brot meines Bruders in meine Brotdose legte. Mein Bruder liebte Leberwurst – ich leider so gar nicht. Nun saß ich also im Kindergarten und eine pädagogisch wertvolle Erziehungskraft meinte ich würde wohl verhungern und nötigte mich dieses Brot zu essen…verständlich, dass man da als Fünfjährige keine Chance des Entrinnens sieht! Noch heute habe ich leichten Würgereiz wenn ich Leberwurst nur rieche und schon damals habe ich mir geschworen, dass ich NIE im Leben Pausenbrote für Kinder schmieren werde ohne ihre Einwilligung und dass ich auch sehr genau darauf achten werde, dass jeder sein gewünschtes Brot einsteckt. Und so ist es hier auch, seit meine Kinder in der Lage sind sich selber Brote zu schmieren erledigen sie dies auch selber!

    Toll fände ich für Schulen übrigens ein morgendliches Frühstücksbuffet…vor allem für die Kinder die ohne Essen aus dem Haus gehen. Denn in Gemeinschaft schmeckt es immer besser und so wären auch die Kinder gut versorgt, bei denen zuhause das Geld fehlt, denn auch das gibt es leider allzu oft in deutschen Landen:-(. Aber das wird ein TRaum bleiben…

    Lieben Gruß Uschi

  7. NähING sagt:

    So eine schöner Blogpost. Ich liebe Ihre ehrliche und herzerfrischende Art zu schreiben immer wieder.

    Das ihre Kinderlein mit dieser Ernährungsweise groß, gesund und intelligent geworden sind beruhigt mich ungemein. Meine Kinder stehen auch unheimlich auf Apfelschnitze, schnödes Butterbrot, Frückstückscerealien, Laugengebäck und altmodische Salzbrezeln. Am Besten jeden Tag das Gleiche. Da darf nichts irgendwie dekoriert oder in Form geschnitten sein und mit diesem ganzen hippen Kram brauch ich auch nicht kommen. Isst keiner hier.

    PS: Die Hasenbrotgrafik ist einfach nur toll.

    Liebe Grüße Heike

  8. Susanne sagt:

    Oder immer dieses Bestehen auf Apfelschnitzen in allen Lebenslagen…
    Meine Tochter bekommt davon fiesen Ausschlag am Mund (auch bei Bio-Äpfeln) und alle Informationen meinerseits auf Allergielisten und dergleichen stoßen wirklich ständig auf taube Ohren. Äpfel sind jaaaa soooo gesund (Alternativen werden im offenen Ganztag nur selten angeboten) und ständig wird der Tochter ein Elterngespräch angedroht.
    Ich habe ihr klargemacht, dass sie nicht essen muss wenn sie nicht will und das es mich einen Sch***dreck interessiert was die in ihrem pädagogischen Wahn erzählen.

    LG Susanne

  9. Die Toni sagt:

    Ein tolles Thema für Kindheitserinnerungen…

    Mein Vater schmierte mir die all die Jahre tollste Brote (immer Vollkorn, immer guten Käse, immer Apfel oder Karotte dazu …), während meine Freundin von ihrer alleinerziehenden Mutter, die wirklich keine Zeit hatte (Klischee, ich weiß, war aber so) 50 Pfennig (Jaaa… PFENNIG!)bekam, um sich was zu kaufen.

    Und es gab da diesen tollen Minitüten Chips beim Schulbäcker für genau 50 Pfennig.

    Jahrelang haben wir regelmäßig getauscht; meine Freundin liebte die selbstgeschmierten Brote, wohl aus mehreren Gründen und ich liebte natürlich die total verbotenen Chips.

    Meinem Vater habe ich erst nach Jahren erzählt, für wen er meistens die Brote geschmiert hat. ;-)

    Und jetzt schmiere ich seit 5 Jahren jeden Tag total gesunde Vollkornbrote.

    Wer weiß, für wen …

  10. Madame Mim sagt:

    Ich bin wohl eine von den Müttern, die ihrem Kind ganz begeistert die Brotdose bestückt. Mit viel buntem Kiki und unnötigem Kram. :-D
    Meine Mama machte uns immer Brot, solange wir in die Grundschule gingen und ich fand das immer sehr rührend. Vielleicht mache ich das deshalb genau so gern.
    Aber gut: Mein Kind ist 3 Jahre alt. ;-)

  11. Ich sagt:

    Warum hast du es nötig Werbung zu machen?
    Wird das so gut bezahlt?
    Für mich ein Grund dieses Zeug was da beworben wird, von dem ich schon wieder den Namen vergessen habe, niemals zu kaufen. Bäää…

  12. Nadine sagt:

    Das finde ich wirklich toll geschrieben (und sehr elegant gelöst). Und für mich, die ich zum ersten Mal für die Pausenverpflegung verantwortlich bin ist schön, wenn jmd mit Erfahrung wie Sie so gelassen darüber schreibt. Vielen Dank!