Als ich erfuhr, dass es eine Fortsetzung der Gilmore Girls geben würde, stellte sich die Frage „ansehen oder nicht?“ erst gar nicht. Ich muss Fortsetzungen _immer_ sehen und werde mir vermutlich auch Terminator 8 und Stirb langsam Teil 24 anschauen, denn ich muss ja wissen, wie eine Geschichte weitergeht oder dann doch endlich endet. Vielleicht bin ich da ein bißchen zwanghaft, aber egal. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Fortsetzungen wirklich Müll sind (außer Terminator 2) und deshalb waren meine Erwartungen nicht wirklich hoch.
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Wer die neuen Folgen der Gilmore Girls noch sehen möchte, sollte dann ab hier nicht mehr weiterlesen!

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Enttäuscht bin ich nicht, denn ich hatte ja keine große Erwartungen. Entsetzt auch nicht, denn das wäre wirklich zu hoch geschraubt. Eigentlich bin ich erstaunt, dass diese neuen Folgen für mich kein bißchen funktionieren. Weder die Beerdigungsszene noch Lorelais Erinnerung an ihren 13?14?Geburtstag trieben mir Tränen in die Augen und ich habe wirklich nahe am Wasser gebaut. Stattdessen überlegte ich die ganze Zeit, wieviel Botox an welchen Stellen in Lorelais Gesicht für diese dramatische Unbeweglichkeit der Mimik führt und warum niemand ihr freundlich gesagt hat, dass ein paar Falten sie wirklich nicht entstellen. Und weil ich ja gelernt habe, dass man über Andere (und deren Aussehen) nicht urteilen darf, schämte ich mich ein bißchen, bis die kaum wiederzuerkennende Miss Patty ihren Auftritt hatte. (So darf Miss Patty einfach nicht aussehen!)

Überhaupt die Sache mit dem Aussehen: Lorelai trägt weiterhin die Kleidung, die ihr eine Nummer zu klein ist, Rory die kurzen Röckchen und Luke ist seinem karierten Flanell treu geblieben. Einzig Emily hat einen kurzen Jeans-Ausreißer, was evtl. das Bild für einen Nervenzusammenbruch sein soll, ich hab das nicht so recht verstanden. Ich habe so einiges nicht verstanden. Zum Beispiel dass die gewissenhafte, alles durchdenkende und analysierende Rory eine Affaire mit ihrem verlobten Exfreund hat und in einem Nebensatz „und ich bin schon eine Woche drüber“ sagt, ohne dem testend nachzugehen. Stattdessen gibt es jede Menge Alkohol, auch schon am Nachmittag, was als untrügliches Merkmal fürs endlich-Erwachsen-sein stehen soll. Die ganze Geschichte um Rory wirkt ein bißchen „stets bemüht“ auf mich, so als wolle man sie auf Biegen und Brechen aus ihrem „braves Mädchen“-Image befreien, in dem man sie in Affairen, Alkohol und One-Night-Stand packt. War für mich nicht stimmig, war eher wie eine schlechte Verkleidung, weil letztlich ist sie noch immer das kleine Mädchen, das sich sagen lässt, was es mit seiner Zukunft anstellen soll (und worüber es schreiben soll).

Lorelais Figur sollte sich wohl auch irgendwie weiterentwickeln, vielleicht ein bißchen tiefgründiger werden. Wer weiß das schon so genau, warum sie sonst zur Therapie gehen sollte oder gar auf eine lange Wanderung. Eigentlich hätte nur noch gefehlt, dass sie ihrem Kaffee abschwört und stattdessen auf Grünen Tee umsteigt. Die Geschichte mit der Überlegung eine Leihmutter anzuheuern, um mit 48 Jahren doch noch einmal Mutter zu werden – das war so grotesk, das ich gar nichts weiter dazu sagen kann. Vermutlich diente sie nur dazu um Paris in die Storyline zu bringen. Paris sieht zwar absolut großartig aus, durfte sich dann aber leider nicht zu einer gestanden, selbstbewussten Frau entwickeln, sondern zu einer Karrikatur der herrschsüchtigen, arroganten Jugendlichen, die immerhin noch glaubwürdig war.

Emily Gilmore hat nach dem Tod ihres Mannes ihr Leben komplett umgekrempelt. Ganz klar wurde mir nicht, warum sie jetzt ausgerechnet das neue „Hausmädchen“ so super findet, dass sogar dessen ganze Familie einziehen darf. Dass sie ihr Haus nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr als daheim empfindet und umzieht, kann ich nachvollziehen. Warum sie dann Kindern mit detaillierter, blutrünstiger Schilderung der Waljagd den Tag versaut … soll vielleicht witzig sein. Ich habe nicht gelacht, ich fand es nur doof.

Nicht nur doof, sondern wirklich schrecklich fand ich die Storyline um Kirk, der nun mit einem kleinen Schwein durch die Gegend läuft. Das Schwein, für das die ganze Stadt zusammengelegt hat, weil er und seine Frau über Kinder nachdachten. Da blieb mir wirklich der Mund offen stehen und mein Humor lag winselnd in der Ecke.

Viele, viele Charaktere aus den alten Staffeln sind zu sehen, manche wirken so, als habe man sehr, sehr lange nachgedacht, wie sie eingebaut werden können und schließlich wurden sie achselzuckend einfach reingeworfen. Luke bleibt farblos, um Sookie herum gibt es irgendeine Geschichte, die ich nicht richtig verstanden habe. Sie baut jetzt hauptberuflich Gemüse an? Warum sie nur kurz in der Küche auftaucht wird nicht näher erklärt. Dass Dean für mich jetzt eher Sam ist, liegt natürlich daran, dass ich zuviel Supernatural geschaut habe und dafür kann ja keiner was. Jess ist brav und langweilig, Logan grinst nur und der Auftritt der life and death brigade war für mich völlig überflüssig, weil ganz und gar an den Haaren herbeigezogen. Wie sehr mochte ich die Folge, in der Rory im Abendkleid mit Schirm von diesem Gerüst springt. So ein schönes Bild! Und die Nacht im Wald in diesen traumhaften Zelten. Dekadent, aber stilvoll. Der Auftritt von Finn, Colin und Robert hatte davon gar nichts.

Um hier doch noch zum Ende zu kommen: ich hoffe sehr, dass Rorys ach so überraschendes Outing am Ende nicht der Auftakt für weitere Folgen ist. Denn die muss ich ja schauen, Sie wissen schon. Und es wäre doch diesmal schon Zeitverschwendung gewesen, hätte ich nicht nebenbei die große Plätzchendose für Weihnachten befüllt. Manchmal ist es halt doch gut, wenn etwas einfach … aufhört. (auch dieser Text.)

5 Kommentare zu “Gilmore Girls – stets bemüht”

  1. Rinjah sagt:

    Ich sehe die Folgen wohl etwas positiver und würde mich auch über weitere freuen, aber je mehr ich über die Story nachdenke desto mehr stört mich auch.
    Was sollte diese ganze Paul Geschichte? Rory hat drei Jahre lang einen Freund, weil sie vergisst mit ihm Schluss zu machen?
    Und was wird nun aus Paris und Doyle? Ziehen sie die Scheidung durch oder ist sie nochmal schwanger?
    Und das Fatshaming am Pool hätte auch nicht sein müssen..

    PS: In der mobilen Ansicht scheint der „Senden“ Button bei längeren Kommentaren einfach zu verschwinden. Mir war es vom Smartphone nicht möglich diesen Kommentar abzusenden.

  2. Ruth P, sagt:

    Wir schauten die ersten beiden folgen, und obwohl ich alle wieder erkannte, ging es mir wie Ihnen. Außer der Idee mit botox. Ich wunderte mich die ganze Zeit über lorelays Gesicht, irgendwas stimmte nicht. Mund was uns abstoß, war die Szene mit Rory und Paris aus der Toilette, die endlos erschien. Und ohne Pointe.
    Fazit: im selben Boot, werde es auch zu Ende sehen.

  3. loosy sagt:

    Witzig, wie unterschiedlich die Wahrnehmung mancher Szenen ist – Sookies Abwesenheit und warum die dann doch zur Hochzeit kommt wird doch lang und breit ausgewalzt und erklärt, z.B. Und Rory hat sich in Staffeln 5-7 langsam aber sicher zu genau der Figur entwickelt, die sie jetzt ist. Und Paris fand ich großartig, die Szene auf der Toilette eine der besten überhaupt. Auch Emilys Storyline ist für mich absolut stimmig. Ich habe ein paar Kritikpunkte, aber es sind hauptsächlich andere als Deine und insgesamt bin ich sehr zufrieden und hoffe ein kleines bisschen auf ein Wiedersehen… ;)

  4. Bärbel Mothes sagt:

    Vor vielen Jahren muss ich eine Sendung erwischt haben, die mich nicht dazu gebracht hat, diese Serie zu schauen. Aber bei Ihren Schilderungen war ich auch „zwanghaft“ dabei! Muss ich es doch wieder mal versuchen…..wenn auch nur, um Botox-Mimiken auszumachen! Liebe Grüße von einer stillen Leserin links des Rheins

  5. Hanni sagt:

    Hab den ganzen Post hinweg eifrig genickt – ich hab das alles genau so empfunden wie Sie. Leider bin ich auch von der Sorte, die wissen muss, wie es weitergeht, egal wie furchtbar die x-te Fortsetzung ist. ;-)

    Liebe Grüße von einer stillen Mitleserin