Privilegien

6. Januar 2017

Neulich erwähnte jemand, ich solle mal einen Erziehungsratgeber schreiben. Daraufhin lachte ich eine halbe Stunde, denn ausgerechnet ich, die ich mich ständig über Erziehungsratgeber lustig mache, soll jetzt selbst …? Es ist zu witzig und deshalb: nein. Never ever. Was ich aber sehr gerne und immer wieder tue, sind kleine Plaudereien aus dem pädagogischen Nähkästchen, weil da gibts auch mit großen Kindern was zu erzählen. Bitte sehr:

Morgen werden wir im Wohnzimmer der Grünen Villa ein wenig umräumen, weil es ist Januar und im Januar packt es mich. (Das erwähnte ich bereits) Unser älteres Sofa, das derzeit im Zimmer des großen Sohnes steht, soll wieder ins Wohnzimmer, das neuere Sofa kommt ins Zimmer des Großen. Richtig begeistert ist er davon nicht, weil er a) mithelfen muss und b) das Sofa ziemlich groß ist und viel Zimmer schlucken wird. Da er aber seinen Auszug plant, bzw. plant zu planen, bzw. beinahe schon angefangen hat den Plan zu planen, beginne ich, um die Sache etwas voranzutreiben, das künftig leerstehende Zimmer nach eigenem Gutdünken zu gestalten. (Das ist ok, abgesprochen und keine Misshandlung!)

Da das neues, altes Sofa für neue Kissenbezüge begutachtet werden musste und ich vorsichtshalber nochmal probesitzen wollte, bevor wir womöglich umsonst Kram durch die Gegend schleppen, besuchten wir unangekündigten den großen Sohn in seiner Höhle seinem Zimmer. Das tun wir selten, meistens kündigen wir mit einer Stunde Vorlauf an, dass wir mal nachschauen wollen, ob noch alles ok ist. In einer Stunde erreichen die Söhne übrigens Erstaunliches!

Das Zimmer des Großen war … äh … unordentlich, das ist mir aber beinahe egal. Beinahe bedeutet, dass ich ein paar spitze Bemerkungen mache, aber nicht „SOFORT AUFRÄUMEN!!“ brülle. (Das tue ich nur innerlich, äußerlich setze ich ein, was mich Twitter gelehrt hat: atmen und lächeln)

Was aber heute sofortige Konsequenzen nach sich zog war die Tatsache, dass liebevoll von mir gefaltete Klamotten auf den Stuhl und aufs Sofa geknäult waren, vermengt mit ca. zehn Paar getragener Socken. („Mama, irgendwie hab ich keine frischen Socken mehr?!“ Ha.) Die Konsequenz ist, dass der große Sohn ab sofort seine Klamotten-zusammenleg-Privilegien verloren hat. Bedeutet: nach wie vor wird gewaschen was den Weg zur Waschmaschine findet, alles wird getrocknet oder aufgehängt, doch der finale Akt, das säuberliche Zusammenlegen, damit der Stapel nur noch in den Schrank geräumt werden muss – der fällt weg. Vor fünf Jahren hatten wir das zuletzt für knapp ein Vierteljahr, danach lief es prima. Jetzt halt wieder, tja. Der Jüngste hatte nach meiner sehr lauten Aussage plötzlich etwas in seinem Zimmer _nachzusehen_ und die Schranktür klappte. :)

Ich behaupte ja immer, dass die Erziehung mit etwa 14 Jahren abgeschlossen ist. Was bis dahin nicht irgendwie geklärt ist, passt nicht mehr in den Kopf. Oder so ähnlich. Was heute hier passierte ist, dass Regeln nicht befolgt wurden. Einer hat sich Mühe mit Etwas gemacht, ein anderer hat damit Mist gemacht. Da wird drüber geredet, beim nächsten Mal geschimpft und beim dritten Mal macht sich der eine für den anderen keine Mühe mehr. Es ist recht einfach, weil wenn Regeln befolgt werden, können Menschen super miteinander leben. (Erziehung ist, den Kindern beizubringen, das Regeln befolgt werden. Oder auch hinterfragt. Und diskutiert. Dass sie oft Sinn machen und sich jemand etwas dabei gedacht hat. Dass wenige Regeln allgemeingültig sind, aber einige absolut nicht verhandelbar sind. Und so weiter, und so fort.)

„Aber wenn ihm die Klamotten zusammengelegt egal waren, warum sollte es ihn kümmern, wenn sie nicht zusammengelegt sind?“, werden Sie vielleicht fragen. Das kann ich nicht erklären, es ist einfach so, vielleicht hat es was mit Einsicht zu tun. Als wir damals das erste Klamotten-Gate hatten, habe ich eventuell sehr wütend Sachen wie „ich bin doch nicht deine Dienerin“ und „Mach deinen Scheiß halt allein“ gesagt, bevor ich nach einer kleinen Abkühlungsphase erklärt habe, dass ich es sehr unschön finde, wenn meine Arbeit nicht wertgeschätzt wird und ich sie deshalb nicht mehr machen möchte. Und dass er jetzt eben diese Arbeit übernehmen kann um zu merken, was sie bedeutet und wieviel Zeit sie frisst. Vielleicht war es das. Vielleicht haben wir auch einfach nur Glück oder tolle Kinder. Oder beides.

Wenn das Spiel weitergehen sollte und die gewaschene Wäsche dann eben unzusammengelegt herumfliegt, werden wir nicht mehr waschen. Das heißt dann in Pädagogisch ausgedrückt: „Ab heute übernimmst du komplett die Verantwortung für deine Kleidung, du junger Erwachsener.“

Getreu nach unserem pädagogischen Konzept: „bestechen, bedrohen, erpressen“

12 Kommentare zu “Privilegien”

  1. Pia sagt:

    <3

  2. Ruth P. Newjerseyoma sagt:

    Das kann ich bestätigen.

  3. Antje sagt:

    Danke, ich hätte mich das nie getraut öffentlichen zu schreiben.
    Ich habe es genau so gemacht – bei meiner Tochter (der Bruder hat zugeschaut und zu schätzen gelernt) … übrigens macht die, jetzt ausgezogene Tochter, es jetzt genauso mit ihrem zusammen gezogenen Freund *leisefeix* ;)

    Wenn ich meine Wäscheerziehung im Bekanntenkreis erzählt habe, gab es nur konsterniertes Kopfschütteln – deshalb bin ich froh das ich das nicht alleine so gemacht habe – Danke :)

  4. Seifenfrau sagt:

    Gibt es Ihren Text zum Ausdrucken?
    Ich würde ihn gern einer bestimmten Person
    unter der Zimmertür durchschieben….
    ;-)
    beste Grüße!

  5. Andrea sagt:

    Oh, da bin ich ganz bei Ihnen. Meine wird 13 und wir haben ein großes Regelproblem. Erziehung ist das nicht mehr, sondern ein Erinnern an Regeln, Absprachen und Pflichten. Anstrengend, sehr anstrengend gerade.
    Den Wäscheluxus hat meine Tochter schon lange nicht mehr. Da ich alleinerziehend bin, wir einen Hund haben und ich arbeiten gehe, sehe ich es nicht ein zusätzliche Arbeit zu verrichten, die dann nicht gewürdigt wird und auch noch umsonst war. Weil die zusammengelegte Wäsche vermischt mit getragener Wäsche auf dem Boden liegt, wo sich die Hundehaare von einer Woche tümmeln. Nach wochenlanger Ankündigung sortiere ich nun nur noch die gewaschene und getrocknete Wäsche auseinander, werfe ihren Teil in einen Korb und stelle diesen ins Kinderzimmer. Steht der Korb am nächsten Waschtag noch unausgeräumt dort, muss ich leider alles aufs Bett kippen, weil wir nur zwei Körbe haben. Vorteil, ich muss mich nicht mehr aufregen, dass meine Arbeit, die ich in meiner wertvollen Lebenszeit erledige, umsonst ist. Und im Moment ist jeder Bereich, in dem ich mich nicht aufregen muss, sehr wertvoll.
    Im Moment kämpfen wir um die Handyregeln…ganz schwierig und die wirkliche Lösung mit der alle zufrieden sind, ist mir auch noch nicht eingefallen. Eigenverantwortung funktioniert momentan eher schlecht als recht. Phase…es ist hoffentlich nur eine Phase. LG

  6. Trude sagt:

    Meine Zustimmung haben Sie, das war hier auch so. Nun ist ausgezogen und scheinbar alles gut *feix*, wenn man es selber machen muss – macht man es gleich…..und richtig.
    Liebe Grüße, die Trude.

  7. Uschi sagt:

    Lach…wir scherzen schon, dass der Sohn zum Auszug ca. drei Wäschekörbe geschenkt bekommt, denn einen Kleiderschrank braucht er nicht.
    Immerhin bleiben hier die liebevoll zusammengelegten Kleidungsstücke in den Wäschekörben, werden aber nach Bedarf eben erst daraus entnommen, ohne den (Um)weg durch den Kleiderschrank zu machen.
    Einzige Problematik an der Sache…von Zeit zu Zeit gehen mir die Wäschekörbe aus;-).
    Und ja…so langsam freue ich mich zu sehen wie es ist, wenn er dafür ganz alleine verantwortlich ist! Es bleibt spannend!

    Lieben Gruß Uschi

  8. Cecilia sagt:

    Mein Weg macht mehr Mühe und kostet viel Zeit, aber innerlich fühle ich mich gut damit, und meine Kinder akzeptieren es einigermaßen.

    Meine Kinder sind 10 und 13. Seit gut 4 Jahren haben sie Wäschekörbe im Zimmer. Sind diese voll, helfe ich Ihnen die Waschmaschine anzustellen, helfe beim Aufhängen, helfe beim Zusammenlegen und Einräumen. Helfen heißt, am Anfang habe ich das meiste gemacht, aber sie waren immer dabei anwesend und haben immer mehr Handgriffe selbst übernommen. Es ist nervtötend, ich muss oft daran erinnern, und kostet viel von unsere knappe gemeinsame Zeit. Aber nach einiger Zeit verstehen Sie ihre Wäsche als Ihre Sache, ich erinnere schon noch das eine Wäscheladung fällig ist, da die Socken und Unterwäsche langsam knapp werden :-). Ich helfe gern, mache es aber nicht alleine.
    Mittlerweile muss ich beim Zusammenlegen kaum noch Helfen, beim Aufhängen nur noch damit es nicht so lange dauert, mein Großer kann durchhaus eine Maschine alleine anwerfen. *ja*
    Wie gesagt, Zeit spart man damit nicht, aber man kann versuchen das als teil der gemeinsamen Zeit zu sehen, Erziehungszeit sozusagen.
    Cecilia

  9. anabel sagt:

    Ich liebe Sie, Frau Mutti.
    Und bei diesem Erziehungsding sind wir uns sehr, sehr ähnlich.
    Die Idee mit dem Zimmer-umgestalten finde ich toll…. Wo bekomme ich nur ein weiteres Sofa her….. ?

    LG anabel

  10. FrauNebeL sagt:

    Liebe Frau Mutti,
    ich hatte heute abend ein Tochtergespräch zum Thema mit der großen Tochter, die zwar ziemlich viel jünger aber durchaus groß genug zum Wäsche verräumen und Schrank in Ornung halten ist. Finde ich. Sie leider nicht so. Und ich kam nicht umhin, ihr von diesem Artikel zu erzählen. Sie ist nämlich der Meinung, dass sie die Einzige zu sein scheint, die solche Pflichten zu verrichten hat. Mitnichten, Kindelein ;-). Ich meine, ich hätte am Ende des Gespräches so ein leises „Ich räum morgen mal meine Schränke auf. Und ein.“ gehört…
    Ich darf gespannt sein ;-)
    Liebste Grüße, FrauNebeL

  11. Gabi K sagt:

    Ich habe es ähnlich gehalten. Zuerst nur die Wäsche mitgewaschen und versorgt, die im Wäschekorb war.
    Dann gewaschene Sachen nur ins Zimmer gestellt. Irgendwann sogar nur noch davor ;-)
    Als ich dann feststellte, das manche Shirts oder Hosen nur aus dem Korb genommen wurden, um angesehen und dann irgendwohin geknallt zu werden, um mir dann irgendwann als „dreckig“ wieder untergeschoben wurden, habe ich diese Teile nicht mehr gewaschen, höchstens zum Schein gelüftet. Haben sie lange nicht bemerkt. Irgendwo in diesem Marathon habe ich dann auch das Bügeln eingestellt. Wer glatte Shirts und Hosen wollte, musste selber dafür sorgen. Und wer nölte, es wäre keine Kleidung mehr vorhanden (ach, wie konnte das passieren?), wurde in „Waschmaschinenkunde“ unterwiesen. Sehr früh konnten alle drei ihre Wäsche selber versorgen und haben das auch von sich aus dann gemacht. Bin ganz zufrieden mit dem Ergebnis :-)

  12. aprikaner sagt:

    *kicher*
    schlimmer als mein Kindelein, welches penibel ordentlich ist…ist leider mein Mann.
    Da ist Erziehung und Regelermahnung sinnlos, der macht das anderweitig wieder gut ,D

    liebe Grüsse
    anja