Und dann sagte der Sohn:

3. Februar 2017

„Ich hab mir früher gewünscht du würdest mal brüllen, statt immer so furchtbar ruhig zu sein.“ Es sei nämlich so gewesen, dass er (und seine Geschwister) oft ein sehr schlechtes Gewissen und Gefühl hatte, wenn ich ruhig und ernst erklärt habe, was gerade doof sei. Er (und seine Geschwister) hätte es gut gefunden, wenn ich einfach mal gebrüllt hätte, denn dann wäre zurückschreien eine Erleichterung gewesen.

Uff. Ich bin sehr erstaunt.

Erstmal darüber, dass mich die Kindelein als eher ruhig und besonnen beschreiben, wo ich doch selbst mich eher laut und ungeduldig vor mir sehe. Ich erinnere mich sehr gut an den erstaunten Blick der Nachbarin, als sie mich beim „Scheiße, warum immer ich?!“- Gebrüll aus dem Fenster erwischte. Ich sehe mich heulend unter der Dusche und in ein Kissen schreiend. Oder eben auch mit den Kindern herumzeternd.

Wie schön, dass ich meinen Erziehungsvorsatz „ruhig bleiben“ dann wohl umgesetzt habe, wie merkwürdig, dass die Kindelein das gar nicht immer so super fanden, wie ich mir das mal ausgemalt hatte.

Meine eigene Kindheit war übrigens geprägt von Straf-Schweigen. Über Wochen hinweg und irgendwann hatte ich genug bereut und geschmeichelt, dann war es wieder gut. Bis es das nicht mehr war.

Ich wusste sehr früh, was ich anders machen würde und was auf gar keinen Fall jemals würde passieren dürfen. Das ist mir gelungen, denn Schweigen, Unausgesprochenes und stumme Vorwürfe gab es nie. (und wie schwer das ist, es ganz anders zu machen, als man es gelernt hat, nicht in vertraute Verhaltensmuster zu fallen. Ach ja, und sich nicht immer schuldig zu fühlen, selbst wenn nur der Bauklotzturm eingestürzt ist.)

Vielleicht hätte ich sogar dem Schreiimpuls ab und zu nachgeben dürfen. Ach wenn ich das nur früher gewusst hätte!

7 Kommentare zu “Und dann sagte der Sohn:”

  1. Barbara sagt:

    Straf-Schweigen! Das gab es also auch in anderen Familien. Wie ätzend das war und wie sehr ich versuche das bei meinen eigenen Kindern niemals NIE „anzuwenden“.

  2. Brigitte sagt:

    Neulich hatte ich schon zum Thema Erziehung einen Kommentar geschrieben, aber habe dann nicht auf „senden“ gedrückt.
    Was ich sagen wollte ist, dass sich für uns demnächst eine völlig andere Sicht auf unsere Erziehung ergibt. Die Tochter erwartet die Tage ihr erstes Kind und ich bin wirklich gespannt, was sie aus ihrer Kindheit übernimmt und was sie komplett anders macht. Das ist dann nochmal ein feedback zu unserer Erziehung. Wobei ich mich mit der „Theorie der Erziehung“ nie groß auseinandergesetzt habe, muss ich ehrlicherweise sagen. „Mach das so wie die Eltern, was dir gefiel, ändere es da, wo du meinst, du machst es besser (anders) und behalte die Nerven!“
    Viele Grüsse, hoffentlich war es nicht zu schlimm beim Zahnarzt!

  3. Cornelia sagt:

    Ich würde mal sagen, das fällt in die Kathegorie „Wie man’s macht, macht man’s falsch“, perfekte Erziehung gibt’s wohl nicht. Und es geht darum, es nach eigenem Wissen und Gewissen so gut wie möglich zu machen. ;-)
    Bin schon neugierig, was mir meine Kinder später vorwerfen. Das, was du hier schilderst, könnte durchaus dabei sein…

  4. Iris sagt:

    Strafschweigen – auch ich kannte dies aus meiner Kindheit. Ich habe drunter gelitten, oft nachgegeben, und mir nichts dabei gedacht, weil es ja immmer so war. Dann plötzlich – meine Mutter war an Krebs erkrankt und lag im Krankhaus, kam die Erleuchtung: nicht durch meine Mutter, die stolz darauf war, statt schreien und schlagen zu ignorieren, sondern durch ihre Bettnachbarin, die ihr in meiner Gegenwart sagte, dass Strafschweigen Psychostrafen seien und daher viel schlimmer als ein kleiner Klaps. Nicht, dass ich Schläge toleriere oder gut heiße!! Wir haben unsere Kinder mit Liebe und Konsequenz – ohne Strafschweigen oder Schläge – erzogen. Das Gespräch im Krankenhaus hat leider meine Sichtweise auf meine Mutter verändert. Leider konnte ich ihr meine Sicht nicht mehr erzählen, denn sie hat die Krankheit leider nicht überlebt.
    Manchmal bin ich auch laut geworden. Das war mir zwar nicht angenehm – aber auch wichtig, damit meine Kinder lernten, dass auch ich Grenzen und Gefühle habe. Aber perfekt ist niemand. Wir wurden ja auch nicht als Eltern geboren, sondern sind in diese wunderbare Aufgabe hineingewachsen. Das wünsche ich allen Eltern und ihren Kindern…

  5. asty sagt:

    Liebe Frau…äh…Mutti

    meine Mutter war in meiner Erinnerung auch immer so ruhig. Fast weinerlich bat sie mich darum doch bitte, bitte mal mein Zimmer aufzuräumen.
    Das habe ich ihr auch später vorgeworfen.
    Und ich selbst? Ich schreie schon ab und zu mal rum. Wenn es ruhig und vernünftig nicht geht, dann schreie ich. (vorher prüfe ich, ob auch ja alle Fenster geschlossen sind…..)
    Allerdings immer weniger je älter sie werden. Mit dem Volljährigen habe ich schon lange nicht mehr herumgeschrien. :-)
    Liebe Grüsse
    asty

  6. creezy sagt:

    Hm, meine Mutter hatte gebrüllt. Aber da war das Verhältnis zueinander dann doch so (gesund?) gesetzt, dass ich mir ein sie anbrüllen nicht erlaubt hätte – obwohl ich es ganz oft gerne gewollt hätte. Vermutlich bin ich aber auch nur eine Nichtschreierin.

  7. Sabine sagt:

    ach, wie gerne wüsste ich, wie meine Kinder meinen Erziehungsstil wahrnehmen.
    Ich weiss auch ganz genau, was ich aus meiner Erziehung nicht übernehmen will und bin dann überrascht, wie oft ich denke: „Jetzt klingst/brüllst/Schimpfst Du wie deine Mutter!“