Vorsätze?
2. Januar 2019
Aber sicher! Die meisten beinhalten irgendwas mit „mehr“, viele beginnen auch mit „weniger“, alle so vage formuliert, dass sie mit reinem Gewissen einfach verschwinden können.
Tatsächliche Vorsätze sind:
- keinen einzigen Vorsorgetermin, sei er noch so unangenehm, zu schwänzen. Auch nicht den beim Zahnarzt im Juni.
- mich damit abfinden, dass ich kein kerngesunder Mensch mehr bin. (und das Jammern darüber möglichst gering halten)
- Kochbücher nicht mehr nur lesen und anschmachten, sondern tatsächlich ganz viel daraus zu kochen
- das Treppemhaus zu renovieren (Vorsatz seit etwa fünf Jahren, das Ding wird einfach nicht von allein hübscher)
- nachsichtiger mit Menschen zu sein (nun ja. Herausforderungen halten jung.)
- jeden Tag zu notieren, wieviele Kilometer ich mit dem Hund unterwegs war. Um es mal schwarz auf weiß zu sehen und um stolz darauf zu sein. Heute: null Kilometer. Der Gatte rennt die Morgenrunde, den Nachmittag übernimmt der Jüngste. Bisherige Kilometer in diesem Jahr: 5.07 km. (Migräne bremst mich)
- bloggen (und das erstmal nirgendwo zu erwähnen)
Um dem letzten Punkt direkt abzuarbeiten:
Am ersten Januar ziehen wir gemeinsam mit den Kindern los und besuchen die Verwandtschaft in Nierstein. Angeblich ist das altes Brauchtum, der Verwandtschaft so lange Böller vor die Haustür zu werfen, bis diese sich mit Silvestergeld freikauft. (und irgendwie werden auch noch ein paar böse Geister vertrieben) Wir machen das schon so lange mit den Kindelein, dass ich nicht mehr weiß, ob es sich tatsächlich um Brauchtum handelt oder ob nicht womöglich wir Eltern die sehr viel jüngeren Kindelein unter diesem Vorwand (Böllern! Gegen Bezahlung!) aus dem Haus lockten. Wie auch immer das Ganze entstand, es besteht bis heute und bereitet uns allen große Freude!
Wir beginnen die Runde stets mit einem Besuch bei dem Bruder meines Schwiegervaters, der direkt um die Ecke wohnt. Mit Hilfe einiger Knallfrösche wurden Schwiegervaterbruder, seine Frau und der älteste Sohn der beiden aus dem Haus gelockt und weil es leicht regnete, wurden die Neujahres-Wünsche und sonstigen Neuigkeiten nicht im Hof ausgetauscht, sondern wir wurden ins „Sauställsche“ gebeten. „Kummt emol erinn!“ Das Sauställsche wurde nach Verzehr der letzten Bewohnerin zu einem hübschen Raum umgestaltet, in dem sich prima feiern lässt. Der Ofen bollerte, Plätzchen wurden auf den Tisch gestellt und die ganz alten Geschichten ausgepackt. Die Hochzeitsreise im Motorrad mit Beiwagen, der Flieger, der über Nierstein abgeschossen wurde und wie es als absolut ausreichende Sicherheitsmaßnahme durchging, Phosgen auf dem Balkon vor dem Labor zu lagern. Nach sehr viel Gelächter und wieder auf dem neuesten Stand, was unser Leben und das der Nachbarn angeht, verabschiedeten wir uns uns. Leider habe ich vergessen zu fragen, ob auch in diesem Jahr wieder ein Skiurlaub ansteht. Letztes Jahr flitzte der Schwiegervaterbruder noch mit großer Begeisterung die schwarzen Pisten hinunter (runner laafts jo vunn selbscht). Noch mehr Freude als das Skifahren selbst bereiten ihm aber vermutlich die entgleisenden Gesichtszüge der Menschen beim Skiverleih, denen er seinen Ausweis vorzeigt. Er wird dieses Jahr 89.
Der nächste Halt ist bei meinem Schwiegervater. Auch wegen seiner Schwerhörigkeit klingeln wir, damit er auch ganz sicher mitbekommt, dass ihm Böller vor die Tür geworfen werden. Immerhin wohnt er im vierten Stock. Gestern abend gab es neben den allerbesten Neujahrswünschen, dicken Umarmungen und Silvestergeld für die Kindelein einen wirklich widerlichen Sekt, für den er sich aufrichtig entschuldigte. (ein Geschenk vom alten Arbeitgeber, der zwar bekannt ist, aber das mit dem Wein und dem Sekt trotzdem nicht hinbekommt) Wir kippten den Sekt weg und bekamen stattdessen ein Glas Wein. Und ein paar Cracker. Da mein Schwager samt Familie seine Anreise für den Abend angekündigt hatte, verabschiedeten wir uns bald, damit meine Schwiegervater die Wohnung weiterhin besuchsfein machen konnte. (morgen kommen alle zu uns zum Essen und danach setzten die vagen „mehr“- und „weniger“- Vorsätze hier ein).
Die nächste Station war beim Bruder meiner Schwiegermutter. Der hat mich vor vielen Jahren als erster ganz offiziell in der Familie aufgenommen, in dem er von mir verlangte, ich möge ihn Duzen und beim Vornahmen nennen, allenfalls hieße ich für ihn nur „Kloakinnerschulstande“ (Kleinkinderschulstante). Dem Wunsch kam ich gerne nach. Ein weiteres Glas Sekt später sprachen wir, die wir sonst beinahe dialektfrei reden, fließend Niersteinerisch, knabberten uns durch mehrere Tüten Chips, Flips und Zwiebelringe und hielt uns die Bäuche vor Lachen. Wir lernten zum Beispiel, dass man frisch erlegten Lappingen immer ordentlich den Urin ausdrehen muss und wer weiß, wenn die große Zombie-Apokalypse kommt, kann man das ja vielleicht gebrauchen. „Lapping“ ist vermutlich ein Sprachüberbleibsel aus der französischen Besetzung, den „Lapin“=“Kanninchen“. Ich freue mich jedesmal, wenn ich wieder eines dieser Wörter oder gar eine ganze Redewendung höre. Es gab Geschichten über getrennte Betten, Silberrücken im Reisebus und Elefantenfleisch in Dosen beim Nutzkauf. Dazu Multivitaminsaft für die Kindelein, den diese nicht mögen, aber einmal im Jahr gehört er dazu.
Mit über einer Stunde Verspätung erreichten wir schließlich unser letztes Ziel. Mme Ouvrage und Herr Skizzenblog hatten feines Essen, noch mehr Sekt, Espresso und Käsekuchen, neue und alte Geschichten für uns, wir noch drei Böller für oder gegen irgendwas. Egal.
Hauptsache nächstes Jahr wieder.