Fasten – erledigt

10. Februar 2022

Ein bißchen piekst es mich ja schon, dass der Gatte die Fasterei noch durchhält, während ich mich schon wieder fester Nahrung annähere. Kurz bevor ich völlig zitterig und erschöpft mein erstes Apfelstück verspeist hatte, saß ich heulend vor dem Gatten und erklärte ihm, dass er einfach alles besser kann als ich, sogar hungern. Nachträglich ausgesprochen witzig. Und auch sehr erschreckend, wie schlecht es mir gegangen sein muss, um solch einen Unsinn zu verzapfen. Diese Schwäche und Abgeschlagenheit hat mir übrigens einen astreinen flashback Richtung COVID-Infektion verpasst und im nachhinein bin ich ziemlich sicher, dass es nicht meine beste Idee war, mit noch immer anhaltendem Long-Covid-Scheiß zu fasten. Wie auch immer, abgehakt. Essen schmeckt großartig und tut mir gut. Der Gatte wird am Samstag morgen sein Fasten brechen, er freut sich darauf. Ich mich auch, denn ich habe jede Menge Ideen, was ich in nächster Zeit kochen will und außerdem habe ich heute viel Geld für zwei neue Töpfe ausgegeben.

Heute morgen wurde erneut eine große Fuhre Sperrmüll abgeholt, die Halle leert sich. Beim Sperrmüll dabei war auch mein Korbsofa. Unrettbar durchgesessen, der Rahmen durchgebrochen. Und trotzdem hatte ich einen Kloß im Hals, was ja zugegebenermaßen sehr albern ist, aber dieses Korbsofa war das erste Möbelstück, das ich mir selbst gekauft habe. Es steht für den Lebensabschnitt, in dem mein Vater endlich auszog, ich mich zum ersten Mal „frei“ fühlte. Ich bekam ein zweites Zimmer in unserem Haus und erstmalig die Gelegenheit „eigenen Geschmack“ zu testen. IKEA kannte ich damals noch nicht, wir fuhren zur Rheinmöve nach Worms. Dort stand das Zweisitzer-Korbsofa zusammen mit dem passenden Sessel, kurze Zeit später wurde es in mein Wohnzimmer geliefert. Ich habe sehr viel Zeit darauf verbracht, habe fürchterlich aromatisierten Tee darauf getrunken und dabei sehr schlechte, schwermütige Gedichte und Briefe geschrieben. All das, was ich halt gegen Ende der 80er so tat, wenn ich abends auf meinem Korbsofa saß.

Als ich ein paar Jahre später aus- und mit dem damals noch nicht Gatten zusammenzog, ließ ich es stehen. Vermutlich habe ich es dann vergessen, erst als wir das Wintergärtchen an die Grüne Villa bauten und feststellten, dass es sich darin prima sitzen ließe, gäbe es nur ein passendes, gemütliches Möbelstück, fiel es mir wieder ein. Zum Glück hat Oma Eis eine ähnlich ausgeprägte Wegwerfschwäche wie ich und das Korbsofa stand bei ihr. Mittlerweile mit in ein neues Haus gezogen.

Da ich in der Zwischenzeit nähen gelernt hatte, konnte ich für einen Ersatz des merkwürdig geblümten Polsterbezugstoffes sorgen und das Korbsofa im Wintergärtchen wurde ein Lieblingsplatz. Ein Mittagsschläfchen darauf war möglich, selbst der knapp zwei Meter große Älteste schaffte das. Vom Wintergärtchen zog das Korbsofa irgendwann in die Küche, wo sich die Sitzfläche unter Familien-, Besucher- und Tierhintern immer weiter durchbeulte und letztlich auch eine Mittelstrebe brach. Schon damals war es reif für den Sperrmüll, aber ich konnte mich noch nicht trennen und mit einem Polster ließ sich immer noch prima darauf sitzen. Deshalb schleppten wir es zum Rosa Gartenhüttchen in den Garten, wo es zum Bienen-Kaffee-Sofa wurde. Bis gestern. Der Gatte und ich trugen es aus dem Garten auf die Terrasse, dort übernahm der Jüngste meinen Part, um es die Treppe zur Halle hinunter und danach auf die Straße zu tragen. Heute morgen, als ich zur Hunderunde losging, habe ich ihm noch Tschüss gesagt und war ein bißchen traurig.

Und jetzt habe ich hier quasi einen Nachruf für ein Korbsofa geschrieben. Aber hey, das Ding war 33 Jahre alt! So stabile Möbel werden heutzutage gar nicht mehr gebaut! *Krückstockgefuchtel

(schniefend ab)

3 Kommentare zu “Fasten – erledigt”

  1. PaulineM sagt:

    Ich finde, man darf sehr wohl um Möbelstücke trauern, sie haben ja sehr viel Geduld mit uns und ziehen mit uns weiter, wenn wir sie lassen. Meine Couch habe ich 1978 gekauft. Sie ist mit mir in die USA und später wieder zurück nach Deutschland gezogen. Sie war und ist ein gutes Stück Heimat. Heute verschönt sie meinen Mittagsschlaf. Ihnen gute Besserung, essen Sie sich wieder zu Kräften!

  2. Natti sagt:

    Liebe Fr. Mutti,
    ich kann das so gut nachvollziehen! Bei mir ist/war es auch ein Sofa. Gefunden in der Fundgrube beim Schweden, daher bezahlbar für das 1. Semester Studium. Im Regen auf dem Parkplatz stundenlang gewartet, bis ein Freund mit VW-Bulli kam zum Transport – und dann füllte es den großen, leeren Raum (möbliertes Zimmer von 25qm, in dem ein Bett, ein Schreibtisch, ein kleiner Tisch mit Klappstuhl, ein klappriges Regal und ein Schrank standen – und jetzt auf einmal: ein Sofa!
    Das hat mich dann auf zig Umzügen begleitet; irgendwann habe ich es – großzügig wie ich bin :) – der Tochter in deren erste Studentenbude mitgegeben. Da sass sich immer noch ganz prima drauf, und auch der Bezug (blau mit kleinen Tupfen) war noch völlig okay.

    Und war zutiefst gekränkt als ich erfuhr, dass sie es vor zwei Jahren bei einem Umzug einfach so und ohne Rücksprache entsorgt hat (und noch nicht mal versucht hatte, es weiterzugeben). Da half nur, dass es angeblich auch nicht mehr benutzbar war… ich will es hoffen!

    Herzliche Grüße!

  3. Manuela Weimar sagt:

    Es ist so schön, dass es bei ihnen wieder regelmäßig etwas zu lesen gibt.Bei der Rheinmöve in Worms haben wir unsere erste Couchgarnitur gekauft. Das dürfte 1988 oder 1989 gewesen sein. Liebe Grüße und bleiben Sie so wie Sie sind.