nachgefragt:

25. September 2008

Liebe hier lesende Lehrer und Lehrerinnen, ich hätte da mal eine Frage:

Gibt es eine pädagogische Begründung für Tests?

Nicht die 10-Stunden-Tests, sondern die spontanen Ha-Üs. Die finde ich nämlich, mit Verlaub, zum Kotzen. Das Töchterlein kommt seit einer Woche jeden Mittag heim mit den Worten: „Boah, ich muss total viel lernen, wir schreiben einen Test in Mathe, in Musik UND in Deutsch. UND eine Arbeit in Französisch und wahrscheinlich einen Vokabeltest in Englisch.“

Tatsächlich schreibt sie dann eine Arbeit in Französisch und einen Grammatiktest in Deutsch. Lebt aber eine Woche lang in Druck und Sorge und Stress. Stress, bei einer 11jährigen. Das DARF doch eigentlich nicht sein!

Die Klassenlehrerin des großen Kindes, mit Leib und Seele Lateinerin, verweigert die spontanen, überraschenden Abfragen. Sie schreibt in schöner Regelmäßigkeit seit Beginn der siebten Klasse jeden Freitag einen Vokabel-Test. Aus sämtlichen gelernten Vokabeln werden zehn abgefragt. Mittlerweile ist das eine ziemliche Menge an Vokabeln, doch durch das regelmäßige Überprüfen, muss das große Kind tatsächlich nur die neuesten Vokabeln lernen.
Es ist SO großartig. Wir wissen genau: Donnerstag abend = Lateinvokabeln lernen. Ohne Sorge, ohne Stress. Die anderen Fachlehrer lieben ihre Überraschungstests.

Vielleicht ist meine Tochter ein etwas merkwürdiges Kind, weil sie sich selbst so wahnsinnigen Druck macht. Weil sie so hohe Anforderungen an sich selbst und ihre Leistungen hat und auch gerne mal verzweifelt, wenn es „nur“ eine drei geworden ist. Und trotzdem: Ich finde, auch in Zeiten, wo die Anzahl der Unterrichtsstunden wegen Lehrermangels gekürzt ist, die Klassen übervoll sind, Unterrichtsausfall an der Tagesordnung ist und gleichzeitig der politische Aufschrei wegen mangelnder Schulbildung durch das Land hallt, darf dennoch kein „Lernstress“ für die Kinder entstehen.
Meine beiden großen Kinder sind früher eingeschult und ich habe mir viele harsche Sprüche deswegen anhören müssen, habe immer dagegen argumentiert: dass Lernen für Kinder nichts Schlimmes (mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens … blabla) ist, vor allem dann, wenn Kinder wissbegierig sind. Die Wissbegierde, die Neugier, die Freude am Lernen … verliert die Tochter gerade, wegen der ständigen Ungewissheit und der drohenden Abfragen. MUSS das so sein?

6 Kommentare zu “nachgefragt:”

  1. Tina sagt:

    Ohweia, das hört sich nicht schön an.

    Allerdings kenne ich genau das Problem aus meiner eigenen Schulzeit, wobei sich bei mir zwei Probleme auftagen:
    1. Auf der einen Seite die Lehrer, die tatsächlich kurzfristig angekündigte Tests oder Arbeiten schrieben …
    2. Auf der anderen Seite mein eigener Perfektionismus (ich glaube ich bin da Ihrer Tochter ganz ähnlich) und den Druck den ich mir auferlegt habe und womit ich den Lernstress verdoppelt habe, außerdem habe ich die Worte der Lehrer manchmal falsch aufgefasst und nachher stellte sich hinaus, das alles nur halb so schlimm ist.
    Vielleicht liegt es bei Ihrer Tochter auch daran?
    Ich will hier auch keine gutgemeinten Ratschläge geben, ich weiß nur, dass meine Mutter mit mir eine bestimmte Zeit abgemacht hat in der ich Hausaufgaben machen muss – alles was ich in der Zeit nicht geschafft habe, musste ich dann nicht machen (allerdings muss ich dazu sagen, dass ich gewissenhaft meine Hausaufgaben gemacht habe und das Abkommen nicht ausgenutzt habe zum faulenzen).

    Ich wünsche Ihnen und Ihrer Tochter, dass sie trotz den Problemen momentan noch lange den Spaß am Lernen behält.

  2. Sabine Wilker sagt:

    Liebe Frau Mutti,
    NEIN! Das soll(te) so nicht sein!

    Auch wenn meine Kinder (17+19) nur noch die Berufsschulbank drücken, so kann ich ihre Sorgen ganz gut verstehen!
    In meinem Freundeskreis höre ich immer wieder, dass deren Kinder oft bis spät am Nachmittag an den HA sitzen und noch für Arbeiten/Tests üben müssen und ihre Freizeitaktivitäten (Sport, Verein) nur noch sporadisch oder überhaupt nicht mehr wahrnehemn können… Traurig,Traurig… :(
    Ich fühle mit ihnen.

  3. Lumi sagt:

    Was sind denn 10-Stunden-Tests? Die kenne ich hier (Saarland, 8. Kl. Gym) gar nicht.
    Bei uns werden angekündigte Klassenarbeiten geschrieben. Ansonsten gibt es die sogenannten Ha-Ü's … eben Hausaufgabenüberprüfungen in Fächern wie z. B. Biologie, Physik, etc.
    Den Kindern wurde das zu Beginn des Schuljahres mitgeteilt, wir Eltern bekamen es am ersten Elternabend gesagt… und auch, dass diese Bewertungen in die Gesamtnote mit einfliessen.
    Für die Ha-Ü lernt mein Sohn nicht extrem. Das ist Stoff der morgens in der Schule auf den Block geschrieben wird und nachmittags wird das eingetragen ins Heft. Also haben die es einmal mündlich und zweimal schriftlich aufgenommen. Nochmal durchlesen und gut ist. Das sollte doch genügen, dass ein Lehrer in der nächsten Stunde ein paar Fragen dazu stellen kann. Statt, dass er einzelne Schüler rauspickt und schaut ob die ihre Hausaufgaben gemacht haben, überprüft er eben alle. Finde ich eigentlich fairer.

  4. Daniela sagt:

    Hallo Frau Mutti,
    das ist anders. 10-Stunden-Tests (eben über eine Reihe) müssen in NRW eine Woche vorher angekündigt werden. Macht nicht jeder Lehrer, ist aber so. Davon darf man soviele im Halbjahr schreiben, wie das Fach Wochenstunden hat.
    „Schriftliche Überprüfungen des Inhalts der letzten Stunde“ sind genau das und werden nicht angekündigt. Ich mache solche Üs ganz gerne ab und zu, um die erarbeiteten Kernaussagen nochmal abzuprüfen, für eine weitere mündliche Note eben. Wenn ich mehr will (also irgendwas dargelegt haben oder so), dann sage ich das vorher durch die Blume schon, ich will ja nicht lauter 6er austeilen. Also sowas wie „Wenn ich in dieser Klasse wäre und am Donnerstag wieder Geschichte hätte, also ich würde dann dies und das nochmal ganz ganz gründlich anschauen. Bis ich es auswendig aufschreiben könnte.“ Das raffen alle :-)
    Und ganz manchmal mache ich es auch, wenn ich den Eindruck habe, dass mir mutwillig keiner zuhört. Ist aber selten :-) Und überhaupt bin ich ja in Elternzeit.

  5. orangata sagt:

    Eigentlich möchte man ja als Lehrer nicht Schüler völlig abwatschen, sondern Erfolgserlebnisse schaffen.Es ist zwar nicht immer die Realität, aber eigentlich doch das Ziel.
    Deshalb ist es ja schon mal von Vorteil, dass man den Test ankündigt.
    Somit besteht rein theoretisch die Möglichkeit eine besseren Vorbereitung.
    Unter Umständen wird mit den Tests aber auch nur gedroht, damit man die Klasse besser im Griff hat. Der Test müsste ja von dem Lehrer auch vorbereitet werden und das wurde dann von ihm/ihr bis zur nächsten Stunde vergessen.

  6. Doireann sagt:

    1. In Hessen gibt es für die Dauer der Hausaufgaben Richtzeiten.
    2. Ha-Ü's lasse ich nur schreiben, wenn eine Klasse trotz mehrfacher Ermahnung nicht bereit ist, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, eine Unart, die in den letzten Jahren leider immer mehr zunimmt. Das Ganze ist zeitraubend, wird zur mündlichen Note gezählt und sollte nicht inflationär gehandhabt werden. Dieguten sChüler haben damit kein Problem, denn es geht wirklich nur um den Stoff der letzten Stunde, die Unruhestifter triffts dann wie beabsichtigt.
    3. alles andere muss angekündigt werden, aber auch das ist für perfektionistisch veranlagte oder nervöse Schler eigetlich auch nicht so gut, wie ich finde.
    Gruß
    Dorothee