“ Sagen Sie mal, Frau … äh … Mutti, wann nähen Sie eigentlich?“, wurde ich vor einiger Zeit hier gefragt. Nun, ich will es Ihnen mal schildern.

Theoretisch hätte ich morgens alle Zeit der Welt. Die Kindelein haben ab 7:15 Uhr das Haus verlassen, im Idealfall ist bis dahin auch die Küche wieder ordentlich. Doch auch der Schweinehund ist bereits wach und zerrt mich Richtung Computer, gerne mit einem Pott Kaffee in der Hand. Das kann schon mal ein Stündchen kosten. Oder auch zwei, ich gestehe.
Danach ist der Haushalt dran. Wäsche gibt es immer, da sorgt schon das jüngste Kind für Nachschub. Saugen muss ich auch jeden Tag, weil die Katerviecher mein Parkett in einen Acker verwandeln, mit dem, was sie zwischen den Zehen hereintragen. Unter dem Küchentisch liegt das Frühstück für eine deutsche Durchschnittsfamilie, mundgerecht zerbröselt, und über Nacht huschen die Staubratten durch das Wohnzimmer. Saugen also. Und ein bißchen Staub wischen, geschickterweise VOR dem Saugen. Manchmal ist dann eines der Bäder dran, manchmal muss auch eingekauft werden.
Einkaufen gehen ist eine langwierige Geschichte, da an jeder zweiten Ecke mit flüchtig Bekannten oder wenigstens mit der Metzgersfrau ein Schwätzchen über das Wetter, das Leben, das Universum und den ganzen Rest gehalten werden muss.
Wieder daheim angekommen, müssen Einkäufe verstaut werden und meistens ist es auch schon Zeit zum Kochen. Manchmal ist noch ausreichend Zeit, um einen traurigen Blick über das wohlgefüllte Stoffregal gleiten zu lassen. Und eine Idee zu pflanzen.
Um 13 Uhr kommt das erste Kind nach Hause, eine halbe Stunde später das zweite. Heute war das nicht so. Die Mittlere hatte sich zum Essen bei der Freundin eingeladen und so saß nur der Große mit am Tisch.
Als der Große Hausaufgaben erledigte, brachte ich die Küche auf Vordermann. Wir waren etwa gleichzeitig fertig. Es folgte ein eindringliches Gespräch über das Lernen für Tests, für die Schule und für das Leben. Daraufhin verschwand der Große wieder in seinem Zimmer um zu lernen (brav) und ich hatte Zeit für einen Kaffee und ein paar Blogrunden. Und das Bedürfnis kreativ zu werden wurde größer.
Schnell noch ein Brot in den Ofen geschoben, dem großen Kind Computer spielen erlaubt und einen Stapel Stoffe hervorgezogen. DIe Idee war bereits da, die Auswahl der Stoffe im Kopf schon getroffen – so ging das Zuschneiden recht schnell. Beim Umzacken war der Unterfaden aus und das ist extrem nervig, weil das kostet Zeit einen neuen aufzuspulen! Endlich waren alle Teile umzackt und die Außentasche nahm schon Form an. Das große Kind schlurfte mit Bärenhunger in die Küche und wurde mit freundlichen Worten zur Obstschale geleitet. Die Innentasche war fertig. Und in der Zwischenzeit war mir auch eine schöne Lösung für die Träger eingefallen. Rascher Zuschnitt und Umzacken, genauso schnell zusammen heften – es klingelt, 16:00 Uhr, das jüngste Kind ist da. Mit einem zusammengehefteten Träger, der mühsam auf rechts gedreht werden musste, leistete ich dem jüngsten Kind im Bad Gesellschaft, gab ausreichend gute Ratschläge zur gründlichen Reinigung eines verkackten Hinterns, legte den Träger beiseite, um eine vekackte Unterhose auszuwaschen, duschte letztendlich das jüngste Kind ab und irgendwann hatte ich dann den zu wendenden Träger wieder in den gewaschenen Händen.
Während sich das jüngste Kind in frische Kleider packte, heftete ich rasch den zweiten Träger zusammen, weil Nähen ging jetzt nicht mehr, das Kind musste Hausaufgaben machen. Er las mir einen langen Text vor, während ich am Träger rumknippelte, danach musste er abschreiben.
„Hallo!“, rief die Mittlere an der Haustür, „Ich bin wieder dahaheim!“ Die Mittlere wurde freundlich begrüßt, nach dem geschriebenen Diktat und dem Gefühl dazu befragt und dann kam die bösesete aller Fragen: „Hast du Sachunterricht für morgen gelernt?“ Klar, hatte sie, logisch. Fünf Bundesländer samt ihrer Hauptstädte muss sie können. Ich persönlich finde das völlig behämmert, nur fünf Bundesländer zu kennen, immerhin gibt es ein paar mehr, und so nötigte ich das Kind, mir ein paar mehr als diese fünf aufzuzählen. Beim achten Bundesland gab sie auf, das jüngste Kind schrie aus der Küche, dass es vergessen habe, wie man ein kleines „p“ schreibt und der Große kündigte an, dass er nun zum Fingernagel schneiden ins Bad geht.
Ich malte kurz ein kleines „p“ in die Luft und verzog mich mit der Mittleren ins Arbeitszimmer, Bundesländer und Hauptstädte aufschreiben.
Die Mittlere machte sich ans Auswendiglernen, der Große jaulte ein paarmal aus dem Bad und der Jüngste war bei der letzten Zeile angelangt.
„Kann ich dich abfragen?“
„Klar!“, sagte die Mittlere und schaffte auf Anhieb alle Hauptstädte zu den Bundesländern. Umgekehrt klappte das nicht und deshalb flossen Tränen und meine Nerven wollten sich verabschieden. Mittlerweile war übrigens auch der zweite Träger auf rechts gedreht und der Wunsch, einen sehr langen Blogeintrag zu schreiben, geboren.
„Ich bin fertig!“, jubelte das jüngste Kind in der Küche und ich kontrollierte rasch, ließ ein Komma und zwei I-Punkte setzen, räumte noch eben die Spülmaschine aus und setzte mich dann an den Computer, um eine Frage zu beantworten.

Die angefangene Tasche ist noch nicht fertig, aber ich hätte sie ja locker jetzt noch fertigstellen können, statt hier zu tippen. (in der Zwischenzeit, während ich dies schrieb, hat sich das jüngste Kind den Rücken gestoßen, hat geweint und ist getröstet worden. Die Mittlere hat gefragt, ob sie einen Fahrradkorb bekommt und der Große wollte wissen, wann es Abendessen gibt und ob man brotsüchtig werden kann.)

Alles in Allem ganz normal und ich habe eigentlich keine Zeit zum Nähen. Eigentlich.

Abendessen, jetzt.

3 Kommentare zu “Aus dem Nähkästchen geplaudert”

  1. Tanja sagt:

    Der ganz normale Wahnsinn also ;-) Bei uns geht es ähnlich zu, nur eben mit einem Kind weniger.
    Übrigens liebe Frau…äh…Mutti, lese ich so zwischen den Zeilen, dass Sie dringend eine Overlock gebrauchen könnten, dann würden Sie sich das ständige Umzacken sparen *flohinsohrsetz*…
    Liebe Grüße
    Tanja

  2. Ines sagt:

    Ähm. Frau Tanja, Sie immer noch hier und nicht im Kreissaal? [Jetzt hab ich doch glatt den Faden verloren. Mist. Ach so!]

    Ja, Frau Pia: Ich zolle Ihnen meine aufrichtige Bewunderung! :ok: Wie Sie das Nähen so einfach nebenbei machen… Wobei ich mir einbilde, dass SIE wohl dringender ein Nähzimmer [in dem man schön alles stehen lassen kann, wenn man mal schnell Essen machen- trösten- ect. muss] bräuchten, als ich. Ich komme ja noch weniger zum Nähen…

  3. Dana sagt:

    Ach, Frau…äh…Mutti, wie gut Sie das Alltagsleben beschreiben. Sie sprechen mir echt aus dem Herzen.Und diese unplanbaren Dinge machen ja unser Leben sooooooo spannend. Ich habe mich über Ihre Plauderei köstlich amüsiert und fragende Blicke meiner drei Jungen erhalten.