16. Juni 2020 – Nachtrag
17. Juni 2020
Morgens klingelt mein Lieblings-DHL-Mensch (gänzlich unironisch, ein sehr freundlicher Mensch, der mir Pakete hier und im Weltladen von A nach B schleppt oder auch mal unterwegs überreicht, weil er mich daheim nicht antraf. Ein echter Schatz!). Er hat ein irrsinnig schwere, sehr großes Paket und als ich nach dem Klingeln öffne, strahlt er mich an und sagt: „Jetzt kann der Honig geschleudert werden!“ Da er mir in regelmäßigen Abständen Imkerzubehör bringt, wusste er, dass ich darauf warte.
Der Gatte nutzt seine Mittagspause um mit mir zusammen die Schleuder auszupacken. Ich plante, das erste unbedingt-Video meines Lebens zu drehen, doch irgendwann fiel mir auf, wie unsagbar langweilig unser Gehampel um den braunen Karton und kurz darauf um die Sperrholzkiste für andere sein musste. Außerdem trug der Gatte Birkenstockschlappen mit Socken und das ist ja auch modisch ein absolutes no-go.
Wir befreiten die Schleuder von allen Polstermaterialien und schraubten sie zusammen. Toll wäre es gewesen, wenn sie auch funktioniert hätte. Doch die Achse ist zu kurz, wenn sie in der Führung steckt, greift oben die Kurbel nicht und nichts dreht sich. Der Gatte musste wieder arbeiten, ich wieder nähen und die Schleuder blieb erstmal stehen.
Auf der Terrasse passierte nichts. Der Plattenlegermensch war am Morgen kurz da, hatte ein paar Handgriffe getan und dann klatschnass geregnet wieder abgefahren. Verständlich. Und so sehr ich den Regen für unseren Garten und überhaupt alles begrüße, so unpassend finde ich ihn derzeit, ganz egoistisch, für uns. Ich WILL JETZT diese Terrasse fertig haben. Geduld ist meine Kernkompetenz. Nicht.
Der Gatte und ich machten gleichzeitig Feierabend und beschlossen während des Feierabendkaffees, dass wir nach Oppenheim radeln könnten. Nach den Bienen schauen, vielleicht gibt es im Ablegervolk schon eine Königin? Um die Spannung nicht zu überstrapazieren: gibt es nicht. Das weisellose (=ohne Königin) Volk brummte laut und ungehalten, als ich Rähmchen auf der Suche nach Stiften (=Eier) zog. Nichts zu sehen, aber Futter war eingelagert und alles sah so aus, als stehe es in den Startlöchern. Eine rückgebaute Weiselzelle (eine größere, zapfenförmige Zelle, in der eine Königin wächst, die nach dem Schlupf derselben wieder abgebaut wird) war gut zu erkennen und vielleicht ist es ja am Wochenende so weit. Daumen drücken! Wenn Bienenvölker keine Königin haben, sind sie eher unentspannt. Das bekam der Gatte zu spüren, der neben unserem ebenfalls noch weisellosen Volk im Garten den Boden einebnen wollte. Obwohl er nicht in der Einflugbahn war, wurde er attackiert und auch gestochen. Sobald eine Königin da ist, beruhigt sich die Lage wieder.
Das andere Volk in Oppenheim wächst und gedeiht. Schon als ich den Deckel abhob wusste ich, dass alles in Ordnung war. Friedliches Gewusel, gemütliches Summen. Ausreichend Futter ist vorhanden, jede Menge Stifte und Brut in verschiedenen Stadien. Die Königin lief huldvoll an uns vorbei und ja, sie ist besonders hübsch und macht einen guten Job. Hoffentlich können wir das Volk bald heimholen. Das geht aber nur, wenn wir den Boden einebnen können und dazu braucht es … ich schrieb es ja … eine Königin, damit die Bienen friedlich werden.
Nach der Durchsicht der Beuten (=Bienenkästen), ließen wir uns von der Oppenheimer Freundin, in deren Garten die Bienen stehen, zum Abendessen einladen. Nach einer gemeinsamen Flasche Wein konnte sie ihre Sorgen und Ängste mit uns teilen und weil es manchmal sein muss, tranken wir auch noch ein Gin zusammen. Unsere Kinder sind groß, stehen auf eigenen Füßen und jetzt müssen wir uns wieder um unsere Eltern kümmern. Für die Oppenheimer Freundin, deren Mutter eben nicht um die Ecke wohnt, ein ewiges Hin- und Herpendeln auf der Autobahn. Und jedesmal ein Abschiednehmen.
Bedrückt und ein wenig angesäuselt radelten wir heim. Dieses Altwerden ist ein ganz großer Mist.