Bittere Erkenntnis

29. April 2016

Der beste Vater meiner Kinder und sein holdes Weib fahren nach Berlin zur re:publica. Das ist schon lange so geplant und wenn man schon mal in Berlin ist, kann man gleich noch ein paar Tage Urlaub dranhängen. Wir freuen uns sehr!

Der große Sohn, der sein Studium wirklich nur noch zur Überbrückung bis zum Ausbildungsbeginn sieht und nicht mehr ernst nimmt, erklärte sich bereit, zusammen mit seinem Bruder den gar nicht mehr so kleinen Hund zu versorgen und auch dafür zu sorgen, dass der Bruder pünktlich bei der Arbeit und in der Schule erscheint. Kochen und anfallende Hausarbeiten würden sie teilen. So war der Plan.

Gestern allerdings teilte uns der Arzt mit, dass sich das linke Bein des Jüngsten in einer „Überlastungssituation“ befände. Ganz offensichtlich ist das Wachstum noch nicht abgeschlossen und durch die starke Belastung bei der Arbeit, durch das Schleppen von Werkzeugkisten und Materialien, sei es zu einer Reizung gekommen. Das Bein des Jüngsten wurde in einen Zinkleimverband und eine hübsche, blaue, elastische Binde gepackt und es gab ein strenges Sportverbot, was auch das Gehen längerer Strecken einschließt. Eine Hunderunde mit dem gar nicht mehr so kleinen Hund beträgt mindestens fünf Kilometer, was unter längere Strecke fällt und deshalb nicht erlaubt ist. Der große Sohn war nur mäßig begeistert, zusätzlich zu den Morgenrunden nun auch noch die am Abend übernehmen zu müssen. Und obendrein seinen Bruder zur Schonung anhalten zu müssen. Er knirschte ein wenig mit den Zähnen, aber das ist jetzt nun mal so.

Heute morgen ließ ich den Großen extra ausschlafen, denn ich brauchte ihn, am Liebsten mit wunderbar-ausgeschlafener Laune. Der rote Kater hatte nämlich in der Nacht einen Revierkampf und ich bin mir nicht ganz sicher, ob er den Sieg davon getragen hat. Ein tiefer Kratzer zieht sich über Auge und Wange, dazu kommen einige Löcher, als sei er kräftig in die Schnauze gebissen worden. Das Auge war verklebt und zugeschwollen, das sollte sich der Tierarzt ansehen. Unser Tierarzt praktiziert im Nachbarstädtchen, der Große übernahm die Chauffeurdienste dorthin und begleitete mich.

Die Wunden des Katers wurden gespült, es gab eine prophylaktische Spritze mit Antibiotikum und die Ansage, dass das -zum Glück relativ unverletzte – Auge dreimal am Tag getropft werden müsse. Da wir nicht da sind, muss das der Große übernehmen, genauso wie die Nachkontrolle am Dienstag. Er knirschte ein wenig mehr mit den Zähnen, aber das ist jetzt nun mal so.

Wieder daheim fassten wir kurz den künftigen Tagesablauf zusammen: Mit dem Jüngsten aufstehen, ihn zur Schule oder Arbeit schicken, den Hund füttern, den Kater versorgen, die (lange) Morgenhunderunde erledigen, danach das bißchen Haushalt. Am Mittag nicht verhungern, den Kater versorgen, die Zeit rumkriegen, bis die Schule aus oder die Arbeit vorbei ist, die (kürzere) Abendhunderunde erledigen, für eine gesunde, ausgewogene Mahlzeit sorgen, den Kater versorgen, den Hund füttern, nochmal mit dem Hund zum Pinkeln gehen und den Hund ins Bett stecken. Den Jüngsten an seine Berichte erinnern, am Dienstag zum Tierarzt fahren. „Willkommen in der wunderbaren Welt der Erwachsenen!“, jubelten wir ihm zu und er teilte uns mit, dass er sich das irgendwie anders vorgestellt habe, irgendwie freier.

„Nein, freier bist du als Erwachsener nicht.“, erklärte ihm sein Vater, „Du musst Rechnungen bezahlen, Steuererklärungen machen, einkaufen, dein Leben organisieren.“

„Nur als Kind bist du frei.“, ergänzte ich.

„Ja. Und als Kind weiß man das nicht.“, sprach der große Sohn. *Groschenfallgeräusch*

10 Kommentare zu “Bittere Erkenntnis”

  1. Katharina sagt:

    So ist ! Und ich habe es auch nicht geglaubt und die 13 und 15 jährigen pubertäter hier im Haus glauben es auch nicht. Never ending Story ;-)

  2. Maufeline sagt:

    Jep. Genau so.
    (Trotzdem hat der Große ein wenig mein Mitleid, meine Studentenzeit war TATSÄCHLICH etwas freier, so allgemein ;-) )

  3. Antje sagt:

    Wieder mal sehr schön geschrieben :)
    Das Erlebnis hatten wir mit unseren auch schon *g*

  4. Ilka sagt:

    Auch nicht so schön, für den Großen und Gedanken macht man sich dann als Eltern ja trotzdem.(Hört das irgendwann mal auf, nee, oder?) Aber ich denke doch die Beiden werden das schon hinbekommen. Gute Besserung auch an den armen Franz. ;)

  5. Katja sagt:

    Die jungen Männer kriegen das bestimmt gut hin, wenn auch nicht alles so, wie man es selbst machen würde (gesunde und ausgewogene Mahlzeit ;-))
    Verantwortung übernehmen verleiht Flügel.

  6. Seifenfrau sagt:

    Ja, so kann das kommen, wenn man groß ist.

  7. Uschi sagt:

    Tja, das ist nun mal so mit dem Erwachsen sein:-).

    Die Beiden werden das toll machen, da habe ich gar keine Sorge und vielleicht wird es dem Großen dann ja doch ganz bald etwas unbequem zuhause…so sollte es ja auch sein.

    Gruß Uschi

  8. Gabi K sagt:

    tja, so ist es im Leben. Der Große wird das Kind schon schaukeln / den Hund ausführen / den Bruder erinnern / den Kater versorgen / gesundes Essen zubereiten (Ok, hier dürfen Zweifel erlaubt sein)
    Viel Spaß in Berlin!

  9. Sigrid sagt:

    Danke für diesen Lacher!
    Bis dieser Groschen bei meinen Kindern fällt wird es noch eine Weile dauern – sie sind ja noch nicht einmal Teanes.

  10. frau siebensachen sagt:

    armer kater, armer großer, armer jüngster. habt eine gute zeit miteinander, ihr drei, ihr schafft das!