Überraschungsgäste

7. Mai 2018

„In deinem Kompost sitzt eine Ente mit Küken!“, teilte mir die Nachbarin an der Haustür mit und tatsächlich. Eine Entenmutter mit etlichen, wild wuselnden Küken, mindestens acht, eher zehn.

Ui. So ein naturnaher Garten ist ja was Feines, aber leider mangelt es doch an ausreichendem Gewässer für eine Entenschar. Stattdessen gibt es eine Menge jagdlustiger Katzen, der Ringelfranz begeistert vorne mit dabei.

Mit der Nachbarin beratschlagten wir kurz, wie wir jetzt vorgehen können. Die Mutter fangen, dann kommen die Jungen automatisch hinterher. Oder umgekehrt? Letztlich waren wir unsicher und ich rief den Vogelexperten des hiesigen NABU an. Er versprach sofort zu kommen.

Die Nachbarin ging wieder heim und der Große behielt Straße und Haustür im Blick. Ich bewachte die Entenfamilie. (und verliebte mich immer mehr in diese entzückenden Federbällchen!)

Der Vogelexperte rückte mit Katzentransportbox und großem Kescher an. Er und der Große kennen sich aus der Zeit, als der Große sein FSJ im Waldkindergarten absolvierte. Freundliche Begrüßung, kurzer Smalltalk und dann verschaffte er sich einen Überblick. Es sei gut, wenn man die Entenmutter in einen Schuppen locken könnte, dann ließe sie sich leichter fangen. Auf keinen Fall dürfe sie auffliegen. Sollte sie das tun, müssten wir warten, bis sie wieder zu ihrer Brut zurückkehrt.

„Wie ist sie eigentlich in dem Kompost gelandet?“, versuchten wir zu rekonstruieren, denn dass sie dort gebrütet hat ist völlig ausgeschlossen. Eine Stunde zuvor hatte ich noch Dürres auf den Kompost geworfen. Eine Ente wäre mir aufgefallen.

„Wahrscheinlich kamen sie aus dem Garten obendrüber.“, vermutete ich.

Unser Garten ist ein langer Schlauch, daran grenzen, zwei Meter über uns, vier Nachbarn. Das Haus auf dem Grundstück hinter/über dem Kompost steht seit Wochen leer, der Garten hinter den Backsteinen ist verwildert. Wahrscheinlich hat die Ente dort gebrütet und sehr erfolgreich ihre Brut ca. eine Woche gegen sämtliche Katzen verteidigt. Eine Heldin!

Auf der Suche nach Wasser oder auf dem Weg zum Bach, der zwei Grundstücke unter unserem fließt, ist sie dann wohl bei mir hängen geblieben.

Einen Schuppen zum Hineinlocken gibt es bei uns in diesem Gartenstück nicht, nur der Weg in die eine Richtung, der zweieinhalb Meter über der Straße endet oder der in die andere Richtung, der in dichten Brennnessel-Holunder-Gestrüpp endet. Alles nicht optimal, deshalb wollte er die Ente direkt im Kompost fangen.

Ich holte die größte Tischdecke aus dem Haus, damit der Große und ich damit eine Begrenzung bilden konnten. Wir spannten die Decke zwischen uns und glaubten, den einen Weg zu versperren. Aber Enten können fliegen und als der Kescher im Kompost landete, flog die Ente über unsere Absperrung in den Apfelbaum und von dort hinunter in meine Waldrebe. Quiekend wuselten sämtliche Küken aus dem Kompost ihrer Mutter hinterher und wir mussten neu planen.

„Im Rosa Gartenhüttchen gibt es immerhin zwei feste Wände, vielleicht können wir sie dort fangen.“, schlug ich vor und so versuchten wir es.

Der Große und ich versperrten mit unserer Enten-Durchgang-verboten-Tischdecke den Weg und die offene Gartenhüttchenseite, während der Vogelexperte die Schar mit zärtlichen „nag-nag-nag“-Rufen vor sich hertrieb. Mitten durch meine Echinaceen, auf die ich so stolz bin, weil sie dem harten Winter trotzten.

Statt ins Gartenhüttchen zu fliehen, kuschelten sich Entenmutter und Küken unter meine wunderschöne Ramblerrose und schienen sich gut und sicher zu fühlen.

Jedenfalls so lange, bis sie mit dem Kescher liebevoll gestupst wurden und sich doch herauswagten. Direkt vor meinen Füßen, die ich rasch hinter der Absperrungstischdecke versteckte.

Ein beherzter Schwenk mit dem Kescher …

… und eine höchst empörte Ente war gefangen. Jedenfalls bis zu dem Moment, da sie in die Transportbox gesetzt werden sollte. Dabei entfleuchte sie laut schnatternd und wir starteten das fang-die-Ente-Spiel erneut. Etwas routinierter und tatsächlich saß sie ein paar Minuten später in der Box, während die Küken aufgeregt piepsend durch meine Minze marodierten. Der Versuch, die Küken zu ihrer Mutter laufen zu lassen, wurde abgebrochen, weil die Mutter nicht lockte.

Also fingen wir die Küken und das ist jetzt leichter getippt als getan.

Der Vogelexperte fing ein Küken, der Große öffnet die Box, der Experte stopfte das Küken hinein, das Küken quetsche sich durch das Gitter wieder hinaus. Wir hatten mittlerweile die Küken gezählt und wussten, dass wir dreizehn Küken in die Box packen mussten. Mitzählen war unmöglich, wir fingen etwa zwanzig Küken :)

Ich holte eine Decke aus dem Gartenhüttchen. Die drückte der Große vorsichtig auf das Gitter der Transportbox und ließ immer nur ganz kurz los, um ein gefangenes Küken hineinzulassen.

Mittlerweile krochen der Vogelexperte und ich auf Knien durch die Minze. Der Experte rief beruhigend „wi-wi-wi-wi-wiii“, die Küken antworten fröhlich und rannten hinter die große Zinkwanne. Mit dem Kescherstiel wurden sie freundlich aufgefordert in meine Richtung zu rennen, was sie dann auch taten. Ich fing sie und leider war keine Zeit für genaue Betrachtung. Ein ein Wochen altes Entenküken ist winzig, kleiner als ein gebratener Hühnerflügel, mit sehr viel zartem Plüsch drumherum. Und kleinen, ledrigen und sehr kalten Füßen. Entzückend!

Irgendwann piepste es nur noch in der Transportbox und nicht mehr in der Minze. Trotzdem wollten wir sicherheitshalber nachzählen, dies aber möglichst in einem sicheren Raum.

Den Deckel abzuheben wagten wir dann aber doch nicht. Ich flitzte noch einmal rasch in den Garten, doch kein Piepsen war zu hören. Wir besprachen, wo ein evtl. doch zurückgelassenes Küken zwecks Familienzusammenführung hinzubringen sei und entließen Vogelexperten samt Entenfamilie.

Schweißgebadet übrigens, denn die Entenjagd ist ziemlich nervenaufreibend.

Eine Stunde später erreichte mich per whatsapp ein kleines Filmchen. Eine glückliche Entenfamilie, die in den Sonnenuntergang schwimmt.

Ente gut, alles gut.

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