Reden ist silber und so
7. Juli 2009
Immer wenn dieses längere Schweigen aus dem Telefonhörer kommt, glaube ich, jetzt doppelt soviel reden zu müssen.
Wahrscheinlich doppelt soviel Blödsinn, denn meistens folgt dann ein gedehntes: „ach sooo“, gerne kombiniert mit einem Lachen, das klingt, wie grünes Apfelshampo riecht.
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Ich kann das einfach nicht, dieses Telefonierding. Ich rede mit Händen und Füßen, nicke mit dem Kopf und ziehe süffisant die linke Augenbraue hoch. Das ist am Telefon so einseitig.
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Der ideale Einstieg in ein „Ich bring dich in Verlegenheit, damit du Müll erzählst“-Gespräch ist die Erwähnung, dass meine Stimme ganz anders klingt, als man sie sich vorgestellt hat. Frau Antonmann sprudelte damals im Mai frisch, frei, fröhlich von der Leber weg: „HA! SIE haben ja eine komische Stimme!“ Ich fürchte, es folgte sinnloses Gestammel meinerseits.
Gestern am Telefon erfuhr ich, dass ich irgendwie „anders als ich schreibe“ klinge, worauf ich mich genötigt sah, wirre Sätze von mir zu geben.
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Es geht mir aber auch so. Ich lese ein Blog und habe die Stimme der Autorin im Kopf. Manchmal bin ich dann sehr erstaunt, dass diese „in ehecht“ ganz anders klingen, als sie das in meinem Kopf tun. Noch manchmaler kommt es dann vor, dass ich trotz bekannter Originalstimme, das entsprechende Blog immer mit der Kopfstimme lese. Das ist oft so, wenn Menschen Dialekt sprechen.
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Wenn ich sehr verlegen bin, rede ich zwar keinen Dialekt, aber ich verhaspele mich, fange an zu stottern oder packe Buchstaben an Stellen wo sie nicht hingehören. Und ich überlege während ich rede, ob das jetzt einigermaßen sinnvoll ist, was ich da rede, ob ich „als und wie richtig“ gebraucht habe und was verdammt nochmal der Unterschied zwischen „der gleichen und der selben Hose“ ist. Dies ist üblicherweise der Moment, auf den dann die längere Telefonpause folgt. Oder im Gespräch das Gegenüber die Sauberkeit seiner Nägel kontrolliert oder interessiert in den wolkenlosen Himmel stiert.
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Schreiben ist einfacher. Schweigen eigentlich auch.
7. Juli 2009 um 17:44
Sie schreiben mir aus der Seele, Frau … äh … Mutti. Momentan muss ich mit lauter fremden Leuten telefonieren und Termine ausmachen und es ist ein einziger Krampf. Positiv ist nur, dass die mich anrufen und sich vorher wohl keine Gedanken darüber machen, wie ich klinge.
LG,
Melanie
7. Juli 2009 um 17:51
Worauf hab ich mich da nur eingelassen??? Gestikulieren beim Reden, wahrscheinlich auch noch lebhaftes *kopfschüttel*
7. Juli 2009 um 17:52
*pruuust* – genau!
schweigend
Frau Suppenklar,
die nur Businessgefasel am Telefon drauf hat, sonst aber eher nur unsicheres Zeug labert
7. Juli 2009 um 17:57
Noch abgesehen vom Telefonieren stelle ich auch bei normalen Vis-à-vis-Gesprächen fest, wie sehr das, was ich von mir gebe, davon abhängt, wie ich mit meinem Gegenüber harmoniere. Ich kenne dieses ständige Verhaspeln, Versprechen, manchmal bis hin zu Wortfindungsstörungen etc. auch, merke aber neuerdings, wie es mir mit manchen Leuten immer, mit anderen nie passiert. Auch meinen Dialektgrad kann ich stufenlos verstellen, wobei die Tendenz etwa so ist: Je hochdeutscher desto mehr Kühle und Distanz, je mehr Dialekt, desto harmonischer.
Viele Grüße!
7. Juli 2009 um 18:09
hach, liebe frau mutti, für menschen wie uns (ich = gestikulierfreudig und grimassenschneidend) wurde (glaube ich) sowas wie video-telefonieren erfunden :DD wobei ich persönlich da eigentlich noch verunsicherter bin, weil nicht wissend wo hin schauen und so.
sich um kopf und kragen reden ist aber noch unliebsamer, wenn man dabei angeschaut wird und daraufhin anläuft wie eine überreife tomate. immerhin blieb ihnen das somit erspart ;))
herzliche grüße aus dem überhitzten hannover, th.
7. Juli 2009 um 18:26
Das beruhigt mich sehr- dass es anderen auch so geht, dass es auch Menschen so geht, die schon viel im Leben erreicht haben und überhaupt, dass ich nicht alleine bin mit „Ich-kann-einfach-nicht-Telefonieren“.
deswegen tue ich es auch fast nie außer mit der engsten Familie. Ansonsten- alles schriftlich.
Was bin ich froh, im Zeitalter von mails und SMS leben zu dürfen! Ich könnte keine Termine ausmachen, keine Freundschaften pflegen ohne.
Aber ich würde doch ganz gerne was daran ändern- so geht das doch nicht ein Leben lang. Zumal ich im Beruf sicher viel werde telefonieren müssen.
Irgendwelche Tipps, wie man das besser auf die Reihe kriegt?
Vielen Dank Frau…äh…Mutti für diesen offenen Beitrag, der mir mal wieder zeigte, dass ich nicht ganz so hart mit mir selbst ins Gericht gehen muss, weil ich so telefonierfeindlich bin ;-)
7. Juli 2009 um 19:02
Ich mag grünes Apfelshampoo!
(Wir haben auch mal telefoniert- wissense noch?- und ich wusste, dass sie es nicht mögen. War für mich auch komisch.)
LG Dorsi
7. Juli 2009 um 19:15
Entschuldigung.
(Dafür höre ich hier beim Lesen seit Mai manchmal Ihre Stimme. Ich mag Ihre komische Stimme nämlich.)
7. Juli 2009 um 19:34
Sehr beruhigend, dass es auch anderen so geht. Mir geht es ähnlich, wenn ich mit fremden Leuten plötzlich am Telefon kommunizieren muss und noch schlimmer ist es, wenn ich sie schon vom Internet her kenne. Dann hat man ja doch schon Vorstellungen, wie der/diejenige ist und auch vielleicht wie er/sie redet. Und wenn man dann wirklich mit demjenigen redet, muss man erstmal alle aufgebauten Vorstellungen verschwinden lassen und Platz für die Wirklichkeit machen…und in der Zeit redet man dann halt blödes Zeug :)
7. Juli 2009 um 20:40
Ach, Frau-Mutti,
wenn Sie „nur“ zu den zwanghaften „Lückenfüllersprechern“ gehören, haben Sie noch Schwein gehabt. Ich bin ein zwanghafter „Gesprächsrettungsscherzer“, wobei meine Scherze als Angehörige einer Humorminderheit so gut wie immer dazu führen, dass es dann erst RICHTIG peinlich wird. Weil keiner lacht. Nämlich. Was dann wiederum dazu führt, dass ich meine, auf meinen nicht belachten Scherz einen weiteren setzen zu müssen…nun ja, das ist dann insgesamt auch nicht wirklich schön…
Ich kann aber ein bißchen trösten: Gestik und Mimik vermitteln sich in der Regel sehr wohl am Telefon, der Klang der Stimme transportiert das. Weswegen man auch nicht darauf verzichten braucht.
Anteilnehmende Grüße: Finchen :-)
7. Juli 2009 um 20:47
Wenn ich auf Ämtern anrufe, schreibe ich mir manchmal vorher auf und lese mir mehrmals durch, was ich am Telefon eigentlich sagen will.
7. Juli 2009 um 22:18
Ich leide unter Wortfindungsstörungen.
Das ist auch manchmal höchst peinlich.
8. Juli 2009 um 09:34
Ich bin auch eine Dummeszeugamtelefonsabblerin und Extremgestilkuliererin. Ein Fotograf sagte mal zu mir, dass ich expressionistische Gesichtszüge hätte und man mich am Telefon völlig falsch einschätzt und ich eigentlich nicht telefonieren dürfte. WAS wollte mir dieser Mensch damit sagen?
Frau…äh…Mutii Du bist nicht allein!
8. Juli 2009 um 11:11
danke liebe frau…äh…mutti. es tut gut zu lesen, dass eine so tolle wortakrobatin nicht gerne telefoniert! ;0) ICH HASSE ES ZU TELEFONIEREN!!! gestern kam unsere telefonrechnung…jetzt dürfen sie einmal raten, wie die aussah?!?! -grins- genau…7 gesprächsminuten auf zwei monate verteilt und die waren nicht einmal von mir, sondern von den töchtern die mit ihren „gschbänlis“ telefoniert haben! ihre worte sind auch meine worte in diesem post ;0) lieben dank dafür!
8. Juli 2009 um 12:43
Ich muß zugeben seit den Zeiten des Internets telefoniere ich höchst selten. Bei wichtigen Gesprächen lege ich mir ein kleines Zettelchen mit den wichtigsten Stichpunkten bereit…sonst kommt da eben auch nur Müll.
Was per Mail erledigt werden kann, wird auch so erledigt.
Ein komisches Gefühl hatte ich das erste mal mit meinem jetzigen Mann telefoniert habe. Wir haben uns nämlich über das Internet kennengelernt;-))))
LG und einen schönen Tag ohne komische Telefongespräche
Andrella
8. Juli 2009 um 12:43
Also ich sags ganz ehrlich, als ich das erste Mal Ihre Stimme hörte war ich auch (positiv) überrascht, als ich Ihre Stimme das erste Mal live hörte. So wie Sie schreiben, so teilweise zynisch, sehr direkt und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, hätte ich gefühlsmäßig eher mit einer tieferen, etwas „ruppigen“ Stimme gerechnet. ;-)
Lieben Gruß vom Platypus