Wieder daheim!

22. November 2006

Allerdings nur bis morgen früh um acht. Zwischen neun und elf irgendwann wird es ernst. Danke für Wünsche und Krankenhausmodetipps, ich habe immer noch nicht gepackt und werde dies auch nur sehr sparsam tun … WEIL: ich wahrscheinlich nur EINE Nacht im Krankenhaus bleiben muss. Wenn nicht eines der vielen „Wenns“ eintritt.

Wollen Sie lesen, wie mein Tag heute war? Na gut.

Als engagierte Patientin stand Frau … äh … Mutti um halb neun, eine halbe Stunde vor Termin, im Foyer der Klinik.
„Was muss ich denn jetzt machen?“, fragte sie die freundliche Dauergewellte an der Information.
„Sie misse in de dritte Stock nuff!“, sagte diese und Frau … äh … Mutti stieg in den Aufzug.
Im dritten Stock rannte Frau … äh … Mutti prompt in die Stationsschwester hinein und wurde daraufhin wieder nach unten geschickt, zur Anmeldung.
Die dunkel gefärbte Dame mit der komischen Unterlippe an der Anmeldung befragte zu solch intimen Daten wie Familienstand, Beruf und Konfession und erklärte Frau … äh … Mutti nun als hochoffiziell aufgenommen: „Morgen müssen sie dann direkt auf Station!“
Zurück auf Station bot man Frau … äh … Mutti einen Platz an der Sonne an, einen Stuhl vor dem bodentiefen Fenster, durch dessen Ritzen es wie Hechtsuppe zog. „Sie müssen einen Moment warten, die Ärzte sind noch bei der Visite.“
Mittlerweile war es Viertel nach neun.
Um halb zehn kam eine Schwesternschülerin mit einem Fragebogen: Wieviel trinken Sie am Tag? Welche Speisen bevorzugen Sie? Wie groß sind Sie? Wie schwer? Welchen Beruf üben Sie aus? Welcher Konfession gehören Sie an? … Moment! Kann die das nicht nachlesen? Das wurde doch schon beantwortet?!
Der Blutdruck war ok, der Puls auch.
Frau … äh … Mutti durfte wieder Platz nehmen. Viertel nach zehn kam ein zwar junger, aber nicht allzu attraktiver, Arzt mit einem schwächlichen Händedruck.
Wie alt sind Sie? Wie groß sind Sie? Wie schwer sind Sie?
Ausser diesen originellen Fragen musste Frau … äh … Mutti Auskünfte über vorangegangene Operationen geben und erklären, warum sie überhaupt da ist. (Äh. Lesen Sie doch einfach den Überweisungsschein?!) Anzahl der Geburten, Anzahl der Fehlgeburten, erster Tag der letzten Regelblutung, Allergien, Herz, Nieren, Leber, Lunge vorhanden?
Er zapfte einen guten Liter Blut, drückte Frau … äh … Mutti einen Pinkelbecher und einen Zettel für´s EKG in die Hand und sagte. „Bis später!“
Frau … äh … Mutti suchte die Besuchertoilette, pinkelte beim zweiten Anlauf in den Becher, trat den Becher beim Anziehen fast um, balancierte die Plörre ins Schwesternzimmer und machte sich auf den Weg nach unten zum EKG.
Nach nur zwanzig Minuten Wartezeit und anderthalb Brigitte-Heften durfte Frau … äh … Mutti Pulli und BH nach oben strippen. Saugnäpfe wurden aufgepappt, tief Luft holen, Luft anhalten, weiteratmen, fertig. (Holla, das geht ja schnell, ich bin fast fertig.)
Zurück auf Station drei und auf den harten Stuhl am zugigen Fenster. Halb elf.
Viertel vor elf wurde eine wimmernde Frau durch den Flur geführt (laaangsaaaam, immer schön einen Fuß vor den anderen!) und die große Vorfreude auf die Operation veflüchtigte sich schlagartig. Halb zwölf.
Eine Anästhesistin drückt Frau … äh … Mutti einen Narkoseaufklärungsbogen in die Hand, ein Fragebogen ist auszufüllen. Frau … äh … Mutti verrät ihr Geschlecht, ihr Alter, ihre Größe und ihr Gewicht und kreuzt ansonsten meistens nein an. Die Sache mit dem Zahnersatz bringt sie kurzzeitig ins Schleudern, weil da doch einige Kronen sind. Viertel vor zwölf.
Die Anästhesistin holt Frau … äh … Mutti in ein stilles Kämmerlein, befragt sie zu Alter, Größe und Gewicht, hört Herz und Lunge ab und vertieft sich dann in den ausgefüllten Fragebogen. Einen Blick in den Mund möchte sie werfen, sie will das viele Gold glänzen sehen. „Wie weit können Sie denn den Mund öffnen?“, fragt sie und Frau … äh … Mutti überlegt kurz, ob der Weg zur Achselhöhle durch den Hals führt, aber das hat was mit der Beatmung zu tun. Mund so weit auf wie es geht und der Kiefer knackt so, wie er es dann immer tut. „WAS WAR DENN DAS?“, keucht die Anästhesistin und Frau … äh … Mutti erzählt die lange Geschichte von Kieferorthopäden, zerstörten Zähnen und Luxationen. Die Anästhesistin vermerkt: Achtung: Kieferluxation möglich. („Hatte ich noch nie!“, sagt sie, aber das dient nur ihrer Beruhigung.)
Zurück auf´s Stühlchen.
Eine Krankenschwester bietet Frau … äh … Mutti ein Mittagessen an, aber die denkt ja immer noch, dass sie gleich fertig ist. Nein, danke.
Viertel nach zwölf ist der Chirurg eingetroffen und bittet ins Gynäkologenzimmer. (wie alt, wie groß, wie schwer) Frau … äh … Mutti macht nach Aufforderung den Oberkörper frei, legt sich auf die Liege und wird geultraschallt. „Das kennen Sie ja schon!“, sagt der Chirurg und dann sagt er lange Zeit nichts mehr. Das war etwas unheimlich. Schließlich sagt er: „Oha!“ und das war noch unheimlicher.
„Sie haben eine tischtennisballlgroße Wucherung des Drüsengewebes, das muss raus!“
(richtig, deshalb die Anwesenheit hier)
„Aber das ist sehr selten, da muss ich mich beraten.“ Sprach´s und Frau … äh … Mutti ging an´s Fenster.
Viertel vor eins wird Frau … äh … Mutti vom jungen, nicht so attraktiven Arzt zur OP-Besprechung gerufen:
„Solch eine Wucherung ist sehr selten,“, sagt er, „da muss sorgfältig gearbeitet werden, von einem erfahrenen Arzt, weil man nicht weiß, welche anatomischen Veränderungen darunter stattgefunden haben.“ Frau … äh … Mutti verfärbt sich. „Wir schneiden die Achselhöhle längs auf, schälen großzügig aus und geben die Wucherung dann in die Pathologie. Die schauen, ob das Gewebe verändert ist.“ Frau … äh … Mutti verliert die Farbe. „Derzeit sieht das nicht so aus, aber die können auch sagen, ob sich das vielleicht irgendwann verändern könnte.“
Desweiteren erzählt er, was alles NICHT garantiert werden kann: unter anderem, dass das Ding nicht wieder wächst. Und dass kein Taubheitsgefühl im Arm auftritt. Und dass es nicht zu Lähmungen kommt. (aber das ist ganz selten!).
„Wie ist es denn mit den Nähten?“, fragt Frau … äh … Mutti, „Ich bin da nämlich ein bißchen empfindlich und habe da immer fiese Entzündungen. Ich glaube, ich bin da allergisch oder so.“
„Das gibt es eigentlich nicht, Allergien auf Nahtmaterial.“, behauptet der Arzt, „Die Entzündungen kommen durch die Verletzung an unsauberen Gegenständen. Bei einer Kopfplatzwunde, zum Beispiel, wenn man sich den Kopf anhaut, wimmelt es da ja von Bakterien.“
„Und warum war dann mein Knie nach beiden OP´s heftig entzündet? Da wurde doch sauber genäht?“, stichelt Frau … äh … Mutti, „Oder bei der Krampfadern-OP. Da war auch jeder Stich das ganze Bein runter entzündet.“
„Hm,“ sagt der Arzt kleinlaut, „Dann sind sie wohl gegen Nahmaterial allergisch. Das ist aber selten. SEHR selten. Wir werden das berücksichtigen. Wurde eigentlich schon ein EKG geschrieben?“ versucht er abzulenken. Als Frau … äh … Mutti dies bejaht und ihm anbietet, ihm ihr Alter, ihre Größe und ihr Gewicht zu verraten, verabschiedet er sie bis morgen. Da war es dann Viertel nach eins.

Fazit: Frau … äh … Mutti hat was Seltenes (nein ein paar Seltene!), das/die sie nun bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit erzählen kann. (Weißt du noch, damals, als ich diese Wucherung hatte). Aber das ist irgendwie auch nix Neues, weil mit dem Knie, das war damals auch so selten, dass der Arzt sogar ein Plastikknie zu Hilfe nehmen musste und später veröffentlichen durfte. Aber das ist eine andere, mindestens genauso spannende Geschichte, die ich Ihnen erzählen werden, wenn ich a) dies
e OP überlebe, b) die Geschichte dieser OP ausgiebigst im Blog reflektiert habe und c) mal gar nicht weiß, was ich sonst noch schreiben könnte.

Bis vielleicht Freitag. Oder so.

14 Kommentare zu “Wieder daheim!”

  1. dasMiest sagt:

    Frau…äh…Mutti sollte Patientenführer für kleine Patientinnen mit vielen „ganz selten“ schreiben :).

    Ein klein wenig kenne ich das, denn jeder Orthopäde, der bisher die Röntgenbilder von Sohn Nummer zwei gesehen hat (und das waren schon ein paar), wollte sie mal ausleihen für einen Vortrag, den er demnächst hält, weil: „das ist echt selten“. Seufz.

    Ich wünsche dir morgen schöne Narkose-Träume, dass du nicht solange nüchtern warten musst (ohne Kaffee, o Graus) und alles gut läuft. Und wenn dein Gatte morgen mal kurz bloggt, dass alles ok ist, dann hat auch niemand was dagegen ;).

    Alles Liebe vom Miest und Anhang

  2. Anna sagt:

    Ich wünsche Dir alles Gute für Deine OP!
    Hoffe, daß Du bald wieder fit bist und fleißig weiterbloggst, z.B. über die OP.
    ;)

    Lieben Gruß, Anna

  3. Frau Waldspecht sagt:

    Vergiss bei der Narkoseeinleitung nicht das Rückwärtszählen :)
    Frau … äh … Mutti, ich erspare mir und dir und deinen Lesern weitere Einzelheiten.
    Es geht oftmals sehr lustig im OP zu.
    Wie wäre es mit einen mit Filzstift auf deine Brust geschriebenen Satz:
    „Habt ihr euch auch ordentlich die Hände gewaschen?“
    Toi, toi, toi… es wird schon.
    Ich denke an meine (fast) ersten Worte nach der letzten OP:
    „Ich hättt' jetzt gerne eine Puddingschnecke“
    Liebste Grüße, Anette

  4. Louffi sagt:

    Ja, ich wäre auch dankbar für einen kurzen Hinweis von Herrn … ääh … Vati, ob alles klar ist mit Ihnen.

    Liebe Grüße nochmal und viel Daumendrück!!!

  5. Anneka sagt:

    Liebe Grüsse aus Schweden und bis Freitag. Anneka

  6. silverfuxx sagt:

    Der Tip von Frau Waldspecht ist nicht schlecht :)
    Er könnte noch erweitert werden, wenn auf die andere Seite geschrieben würde:“Hier sind sie falsch“

    Et es noch immer jot jejange, würde man bei uns sagen

    :ok:

  7. Anonym sagt:

    liebe frau…äh…mutti, ich finde ihren humor ausgesprochen respektabel angesichts der sicherlich dennoch beunruhigenden schnippelei. passen sie bloss auf, dass die nicht ihren zynismus mit rausschnippeln! der würde sehr fehlen! gutes gelingen und gute besserung.

  8. janin sagt:

    oopps. da waren die finger mal wieder schneller als das hirn. ich wars!

  9. Marlis sagt:

    Ach du liebes Lottchen,
    was wollen die Dir abschnibbeln? Hoffentlich wissen sie das dann auch noch, nach solch einem Patientengespräch!
    Sach mal, wozu brauchen „die“ denn Deine Konfession? *jetztdochnachgrübel
    Ich drück Dir morgen jedenfalls die Daumen.
    Lg Marlis
    :ok:

  10. Marlis sagt:

    ups, eben erst die Brille aufgesetzt,
    morgen ist ja schon heute.
    :ok: drück

  11. Sternenstaub sagt:

    ich hoffe mal, dass alles gut gegangen ist, und die Jungs und Mädels das richtige Nahtmaterial verwendet haben. Bei so einer OP hat man richtig was zu erzählen. Ich könnte da auch mithalten.
    Alles Liebe, gute Besserung und nicht gleich übertreiben.
    Bis Freitag vielleicht
    Sternenstaub

  12. Anydream sagt:

    Extrem gedrueckte Daumen auch aus dem ir(r)en Land, hoffentlich ha'm se alles gut ueberstanden, liebe Frau…aeh…Mutti!

  13. Eva sagt:

    hoffentlich ist alles glatt verlaufen …. gute Besserung wünscht Eva :)

  14. Kathi sagt:

    Alles Gute und bitte, bitte nicht diesen wundervollen Galgenhumor verlieren!
    Liebe Grüße aus Dänemark von Kathi