Kaffeepause

15. April 2009

Die Tochter reist morgen früh bis Sonntag ins Trainingslager der Leichtathleten und muss deshalb ihre Tasche packen.

„Mamaaa? Wo ist …?“

„Mama, wo sind eigentlich …?“

„MAMAAA, hast du … gesehen?“

„Mama, brauche ich …?“

Ich hätte die Tasche schon dreimal gepackt. Und es kostet mich wesentlich mehr Energie, milde zu lächeln und hin und wieder auf den „Das brauchst du alles“ -Zettel des Sportvereins zu verweisen. Und zu sagen, wo sie frische Waschlappen findet. (ohne mich darüber zu wundern, wie man von gestern abend auf heute mittag vergessen kann, wo die frischen Waschlappen üblicherweise liegen)

Ich bin so was von entspannt und ruhig.

Vor allem auch deshalb, weil das große Kind, dem heute morgen die Cousins bis morgen abend entführt wurden, das Haus gegen elf Uhr verlassen hat. Nach dramatischen Szenen, die sich allesamt um das nichtvorhandene coole Outfit drehten. Sprüche der Mutter:  „aber du gehst doch nur zu einem Freund und ihr seid HOFFENTLICH nur draußen und nicht die ganze Zeit am Computer und reisst keine Mädchen auf und nicht auf einer Modenschau“ wurden mit verächtlichen Blicken gestraft. Als die Mutter dann das Outfit des Knaben, das aus grüngemusterter Hose und blaugraugestreiften Hemd bestand, bekicherte, war das Drama perfekt: „Ich HAB´ nun mal nix anzuziehen!“, jaulte das Kindelein und verließ beleidigt das Haus. Bis heute Abend sind die Wogen geglättet und wir werden den Kleiderschrank auf gravierende Lücken hin untersuchen. Die gibt es wahrscheinlich, da das Kind nicht mit dem Wachsen aufhören will.

Ich bin noch entspannter im Hier und Jetzt …

denn auch das jüngste Kind hat sich gerade verabschiedet. (übrigens das am Besten gekleidete Kind, da immer mal wieder coole Klamotten vom großen Bruder der liebsten Tochterfreundin abfallen). Das jüngste Kind ist ein gar wonniges und fröhliches. Leider ist es mit einer eher tiefen, seltsam unmodulierten Stimme bedacht worden und mit sehr mangelndem Gespür für Text, Reim und Rhythmus. Dies hindert ihn, aufgrund seiner Fröhlichkeit, allerdings nicht am lauten Trällern munterer Weisen. Sein derzeitiges Lieblingslied ist garantiert nicht meines und es löst schrecklichen Juckreiz bei mir aus. Es singt nämlich voller Inbrunst: „Ei kän fli, ei kän flei.“ (ein englischer Text, hier in Lautschrift. Und nicht ganz originalgetreu. Und obendrein eine schreckliche Schnulze. Sie können ja mal raten)

Vor lauter Entspannung hatte ich die Idee, dass ein wenig Nähen auf der Terrasse vielleicht eine gute Idee sei. Und da die Sonne so hübsch lacht und die Vögelein so lieblich zwitschern, soll es ein leichtes Sommerröckchen sein. Die allerliebste Freundin brachte mir einen zauberhaften Kissenbezug, der ein perfektes Röckchen werden könnte. Leider habe ich mich beim Auftrennen des Kissens bereits so verausgabt, dass an Zuschneiden, geschweige denn Nähen, nicht mehr zu denken ist. (=ich hab keine Lust mehr, nur hübscher ausgedrückt, irgendwie)

Die Tochter hat das Packen beendet und ein neues Drama nimmt seinen Lauf. Es ist nicht die leidliche Klamottenfrage (Töchterlein ist da nicht so), sondern vielmehr der Mangel an Lesestoff. Von vorgestern auf gestern hat sie rasch zwei Bände von Artemis Fowl gelesen, den dritten hat sie auch schon beinahe durch. Danach wird sie in das tiefe Loch des „Ich hab nix mehr zum Lesen!“ fallen und das wird sehr schmerzhaft. Auch für mich.

(Sie las in den letzten zwei Wochen: „Der Schrecksenmeister“ (Walter Moers), zwanzig  „5 Freunde“-Bände“ (Enid Blyton), „Nur Du kannst sie verstehen“, „Nur Du hast den Schlüssel“, „Nur Du kannst die Menschheit retten“ (alle drei Terry Pratchett), „Mieses Karma“ (keine Ahnung von wem, es lag halt so herum hier), „Unten am Fluss“ (Richard Adams), die Tageszeitung, diverse Lucky Luke, Marsipulami und Clever&Smart – Comics … was bleibt da noch? Ich gebe nun sämtliche Scheibenwelt-Bücher frei, das gewährt uns ca. drei Wochen Ruhe. Vielleicht.)

„Mama“, spricht das Töchterlein gerade; „Ich habe eigentlich gar keine Laufschuhe die mir passen mehr.“

Nun. Somit ist das weitere Nachmmittagsprogramm entschieden. Fein. Und die Kaffeetasse ist ja auch leer.

(Nachtrag: reduzierte Laufschuhe gefunden. Töchterlein lebt auf großem Fuße: 39 !!)

12 Kommentare zu “Kaffeepause”

  1. danielle sagt:

    I believe I can touch the sky ? Wuuuahh gruselig geht es bei Ihnen zu

    LG Dane

  2. Susanne sagt:

    Ich sage nur: Leihbücherei. Denn das „Ich habe nichts mehr zu lesen“-Problem ist wirklich gravierend, das kann ich nachvollziehen.

    (Und schönen Dank für den Ohrwurm auch.)

  3. fraumutti sagt:

    Susanne, die Leihbücherei auf´m Dorf hat in den Ferien zu. Und hat obendrei eine eher begrenzte Auswahl. Bücher gibt´s ja hier daheim eine Menge, doch das Kind ist erst elf, allerdings mit weit höherem Lesealter … DAS ist die Grätsche, die es zu bewältigen gilt :-)

  4. EvilEnte sagt:

    das töchterlein hat einen gar wundervollen buchgeschmack. ich bin begeistert :D

  5. MaiRose sagt:

    Oh ja, das „Ich hab nix mehr zum Lesen!”Loch kenne ich zu genau, schönerweise bin ich inzwischen ja alt genug um alles lesen zu können.
    Falls das herzige Tochterkind folgende Bücher noch nicht kennt würde ich ihr zum einen die „Pizza Bande“ Bücher empfehlen (bei eBay z.T. als Komplettpaket erhältlich, im Handel wohl nicht mehr) und wenn es auch ernster zugehen darf sämtliche Bücher von Gudrun Pausewang. Was mich damals auch sehr berührt hatte war „Wie Spucke im Sand“ von Klaus Kordon.
    Falls da etwas brauchbares bei sein sollte, habe ich gern einen Tipp gegeben.

  6. Kruemel sagt:

    Bei der Menge und der Auswahl würde ich mal vermuten, dass sie die von MaiRose vorgeschlagenen Bücher bereits kennt, oder sehr sehr fix verschlungen hat ;)

    Die Scheibenweltromane sind denke ich ne gute Idee. Ich bin irgendwann auf Grund des zu schnellen verschlingends auf fremdsprachige Literatur ausgewichen, da brauch ich dann etwas länger (aber ich schlag auch eher in die Lesegeschwindigkeit Ihrer Tochter).

    Wenn mir was gutes einfällt werd ichs vermelden, wenn Sie mögen :)

  7. Andrea sagt:

    Mein Gott, liest das Kind schnell.
    Weiß sie hinterher auch noch, was sie da gelesen hat, oder überfliegt sie nur und vergisst die Hälfte wieder?
    Ich bin beeindruckt. So fix bin ich nicht. Bei Weitem nicht.

  8. lilli marlen sagt:

    Oh, da werden Erinnerungen wach… Als Kind mit einem Beutel voller Bücher aus der Leihbücherei nach Hause gerannt (aber nur ein Beutel, nicht mehr!) und dann gelesen, gelesen, gelesen… Und nach ein, zwei Tagen schon wieder fertig. Schönster Traum damals (auch als Erwachsene noch manchmal geträumt: Ich bekomme ein neues Kinderzimmer, in dem ein Bücherregal steht, und alle Bücher darin kenne ich noch nicht… Inzwischen gehen meine Träume mehr in die Richtung: Ich bekomme ein neues Bücherregal, und da steht noch gar nichts drin ;-)

  9. Kat sagt:

    Oh, wie ich das kenne. Ich hab in der Schulbücherei morgens eine Ladung Bücher ausgeliehen und am nächsten Tag zurückgebracht. Schlimm war das Wochenende, da musste ich 2 Tage irgendwie überbrücken.

    Töchterlein ist genau so. Sie kommt mit den Büchern aus der Bibliothek heim und könnte am nächsten Tag die nächste Ladung gebrauchen. *umpf*

    Liebe Grüße, Kat (bekennender Lesejunkie – ohne Buch geht gar nichts)

  10. Garnprinzessin sagt:

    Ich befürchte, ich habe bereits vor vielen Monaten von Tad Williams geschwärmt, nicht? Ist aber auch eher in englischer Sprache zu empfehlen, eine Goth-Band ist halt eben keine Boy-Band… Die „A Game of thrones“-Reihe von George R.R. Martin taugt für das Alter vermutlich noch nicht, zu explizit in Sachen Todesarten (und vermutlich auch vereinzelt eingesprengselter sexueller Aktivitäten). Bartimaeus hat sie vermutlich schon alle durch, eben so die Geschichten über Septimus Heap… „Teuflisches Genie“ von Catherine Jinks war nett, aber halt eben recht kurz. Aber sonst? Möh. Das Nix-zu-lesen-Loch kenne ich. Es ist garstig, gemein und saudoof. Weswegen ich in wilder Verzweiflung damals mit King angefangen habe… Möh. Na ja, wenigstens hat er VIEL geschrieben. :-)

    Mitfühlende Grüße von der

    Garnprinzessin

  11. Dani sagt:

    hallo liebe frau…äh…mutti

    da lese ich so gerne ihren blog, schmunzel vor mich hin, lache auch des öfteren lauthals auf, will sagen, amüsiere mich köstlich…und dann stell ich auch noch fest, dass das töchterlein fast meinen kompletten geschmack teilt, was bücher angeht…schön!!:)..

    lg, dani

  12. PiaPessoa sagt:

    Kennt ihr Töchterlein die Bücher von Eva Ibbotson? Jugendbücher, die ich (als Erwachsene) sehr nett fand. Einige gehen in die Richtung Walter Moers (der ja noch so einiges geschrieben hat, aber das werden Sie wissen).
    Eragon und Bartimäus sind ja bekannt (und vielleicht eher Jungsliteratur).