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10. November 2008
Telefonieren ist furchtbar.
Wenn es sich irgendwie vermeiden und umgehen lässt, wenn ich persönliche Gespräche führen kann oder zur Not auch eine mail schreiben kann …
Ging heute nicht. Dafür war es wohl zu schräg.
9:20 Uhr: klingeling.
Frau … äh … Mutti, genervt, weil eigentlich der Installateur kommen sollte und bereits Verspätung hatte und nun garantiert anruft, um sich für eine Stunde später anzukündigen: „Hallo?!“
Frauenstimme: „Hallo! Hier ist Frau Soundso, ich rufe an, weil die Mutter einer Freundin meiner Ärztin gesagt hat, dass ich Sie mal anrufen soll.“
Frau … äh … Mutti: „Äh? Um was geht´s?“
Frauenstimme: „Also ich habe einen dreijährigen Sohn der nicht sprechen kann und ich habe gehört, dass ihr Sohn das auch nicht konnte und in einen Kindergarten in Mainz gegangen ist, wo er sprechen lernte.“
FäM: „Das ist jetzt sooo nicht ganz richtig. Fakt ist: ja, ich habe/hatte einen Sohn, der nicht richtig sprechen kann oder konnte. Der ist in Mainz in die Astrid-Lindgren-Schule gegangen. Dort hat er nicht Sprechen gelernt, sondern den normalen Schulstoff für Erst- und Zweitklässler.“
Frauenstimme: „Oh, dann ist das ja doch ein bißchen anders. Also wir haben jetzt einen Termin im KNZ (Kinderneurologisches Zentrum)“
FäM: „Prima.“
blablabla. Das Gespräch zog sich. Mit den Ohren sei ja alles in Ordnung, er würde auch auf Aufforderungen reagieren und kleinere Aufträge erledigen. Man habe halt immer sofort reagert, wenn das Kind etwas haben wollte, das sei wohl ein Fehler gewesen. Drei-Wortsätze würde er sprechen, klar artikuliert, aber eben nur so Kleinigkeiten. Danke für das Gespräch und Entschuldigung für die Belästigung.
okeee. Ungefähr kann ich rekonstruieren, wie es zu der Empfehlung kam, mich anzurufen, mich die ultimative Fachautorität in Bezug auf Kinder mit Sprachstörungen. (ich hab´ eins und kenn´ noch eins) Doch wie soll ich denn da bitte helfen? Ich kenne weder Kind noch Mutter, weiß nichts über Erziehungsziel und -stil.
Wie verzweifelt die Mutter auch sein mag (dass sie wildfremde Menschen anruft), ich kann ihr nicht helfen. Ich kann mich nicht mal mehr erinnern, ab welchem Alter meine Kinder was und wieviel sprechen konnten. Töchterleins erste Worte waren „Mama, Papa, NEIN!“, da war sie ungefähr zwei. Wie es weiterging? Keine Ahnung. Der Große sprach „Mama, Papa, Waschmaschinenablaufschlauch“, er war etwas über zwei. Der Jüngste sprach lange nichts, dann in eigener Sprache. Mit drei? Oder vier? Ich weiß es nicht mehr. Und selbst wenn ich es wüsste, so ist doch kein Kind wie das andere, diese ganzen „in welchen Alter muss das Kind was können“-Schemata sind doch auch nur Anhaltspunkte und nicht Ziele, die es zu erreichen und zu bestehen gilt.
Ich hätte mit dieser besorgten Frau gerne einen Kaffee getrunken und ihr zu mehr Gelassenheit geraten. Aufmerksam sein, ja. Aber auch Zeit geben. Die Verwandten und Bekannten würden Druck machen, sagte sie und ich konnte spüren, dass DAS eigentlich der Punkt ist, an dem sie Hilfe braucht.
Solche Geschichten bringen mich immer wieder an einen Punkt: Warum haben viele Mütter kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten? Warum wird auf Freunde, Verwandte, Bekannte gehört? Warum haben viele Mütter Angst, ihre Kinder könnten das Leben nicht bestehen? (SONST kann er aber Kopffüssler malen, weiß gar nicht, warum er das heute nicht tut. Sie singt sonst ganz toll das Weihnachtslied, mit allen Strophen. Weiß auch nicht, warum sie sich heute nicht traut.)
Müssen unsere Kinder alle herausragende Leistungen bringen und ganz besonders intelligent, oder – falls sie es tatsächlich nicht sind- wenigsten niedliche Locken oder Kulleraugen haben? Müssen sie unbedingt den Mütterwettkampf „meiner hat mit drei Monaten schon gesessen. Und meiner lief mit acht Monaten. WAS? Meine hat neulich Luftmaschen mit der Spieluhrkordel gehäkelt obewohl sie erst vier Monate jung ist“ bestehen?
Wäre es für diese Mutter und für ihren kleinen Sohn nicht sehr viel entspannter und entspannender, wenn sie, mit der Gewissheit, dass organisch alles in Ordnung ist, einfach warten? Sich unterhalten, miteinander spielen und leben?
Warum geht das nicht? Warum trauen sich das so wenige?
Ach Mensch, es könnte alles so leicht sein.
10. November 2008 um 10:58
na wenn ich gewußt hätte, das sie telefonische Seelsorge für schlechtsprechende Kinder betreiben…dann hätte ich sie doch auch gern mal belästigt ;) … Neee—scherz. Aber schon ulkig auf was für Ideen manch verzweifelte Menschen doch kommen. Und ich kann mich auch nicht mehr erinnern was meine Kinder wann zuerst gesprochen haben ich weiß nur das der kleine Mann auch altersmäßig etwas hinterher ist, aber zu 99 % aus faulheit und nervös machen lass ich mich bestimmt nicht aus dem näheren Umfeld…da wird man ja völlig kirre im Kopf und macht sich mehr Gedanken als nötig.
Eine schöne Woche wünsche ich trotzdem… :)
10. November 2008 um 11:43
Weil Mutter sein so eine anspruchsvolle Aufgabe ist, da das Leben eines anderen davon abhängt. Weil man oft verunsichert ist und Angst hat falsche Entscheidungen zu treffen oder besser Störungen (die es ja nunmal gibt) nicht rechtzeitig wahrnimmt und darum falsch handelt. Das wäre wohl eine Erklärung warum man oft nicht entspannt bleiben kann.
Auf der anderen Seite fand ich das ewige Vergleichen und Angeben auch immer eher anstrengend. Aber habe ich schon erwähnt wie gut mein kleiner puzzeln kann, mit 2,5 ;)
10. November 2008 um 11:54
Vielleicht wollte sie einfach mal von jemandem, der sein Kind angeblich schon im XY-Kindergarten hatte, wissen, wie es dort ist. Und dachte, dass sie sich bei der Gelegenheit austauschen kann.
Das muss ja nichts mit Unsicherheit zu tun haben.
Meine Kinderärztin „vermittelt“ ab und zu Problemfälle an mich, aber sie ruft vorher an und fragt mich, ob sie meine Nummer weitergeben darf. Hintenrum einfach über den Buschfunk fände ich das ziemlich grenzwertig.
Gruß, Sylvia
10. November 2008 um 11:55
wie sibylle schreibt. zumindest gehts mir so – oft….ich bemühe mich um gelassenheit, aber das einbinden von freunden und bekannten in den entscheidungsprozess oder eben als mit-ratgebende, das brauch ich und hilft mir dann meine eigene entscheidung (bez. mit meinem mann) zu treffen. ich finde das auch in ordnung. vielleicht ist die verunsicherung in diesen zeiten auch deshalb so groß, weil der informationsgehalt immer größer wird und damit das aussortieren von müll-inofs schwieriger wird. früher, da wurde die gelassenheit und dieses „wart ma ab wird schon“ einfach weiter gegeben – von mutter zu tochter zu tochter……wer hat das heute schon so? ich nicht. dafür blogge ich zb:))
(ich hab übrigens auch mit 4,5 jahren erst sprchen gelernt und sprach vorher nur meine sprache. und? merkt man das heute noch? :))
10. November 2008 um 12:55
Meine Mutter war damals fast krank vor Kummer, da ich mit 3 Jahren noch nicht gesprochen hatte und die Kinderärztin mich als „schwachsinnig“ bezeichnet hatte (gut, anderes Land-andere Sitten, aber trotzdem). Allerding habe ich kurz darauf gleich in richtigen Sätzen angefangen zu sprechen. Da war ich bei derselben Ärztin auf einmal das „intelligente“ Kind. Meine Mutter war aber fertig mit den Nerven.
10. November 2008 um 13:44
Sibylle hat alles gesagt, was gesagt werden kann.
Ansonsten: Wenn sie sich noch einmal meldet, einfach wirklich zum Kaffee einladen, das wäre wohl die beste Idee und Sie sind ja auch schon drauf gekommen :-).
Über Andere zu urteilen, das habe ich mir abgewöhnt, denn so lange ich nicht in ihren Schuhen gelaufen bin, will ich das nicht machen, alles andere ist Mutmaßung.
Sie haben recht: alles könnte so leicht sein, ist es aber nicht.
Ich wünschte, ich hätte jemandin anrufen können, als ich zutiefst verunsichert war und sich alles, was ich fühlte und fürchtete, bewahrheitete … ich wäre mehr als glücklich gewesen, mich austauschen zu können und hätte sich auch nur ein Strohhalm geboten, ja, dann hätte auch ich eine andere Mutter angerufen, obwohl sie mir wildfremd gewesen wäre. Leider hatte ich dieses Glück nie und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr das noch immer schmerzt und wohl auch immer schmerzen wird!
Herzliche Grüße von der Ev
10. November 2008 um 13:59
Weil es beim dritten Kind leichter ist als beim ersten, abzuwarten.
Weil, auch wenn der Kopf etwas weiß, der Bauch sich trotzdem Sorgen machen kann.
Weil eine Menge Selbstbewußtsein dazu gehört, nicht nur zu sagen „ich bin anders“, sondern auch „mein Kind ist anders“.
Sehr liebe Grüße ;)
10. November 2008 um 14:24
ach ja, es könnte wirklich alles so leicht und einfach sein, wenn.. ja wenn man nicht in luxemburg leben würde..
in D würd ich mir ganz sicher keinen stress machen..
gut habt ihrs..
lg, zarabina die für ihren 8 monatigen (!!) sohn heut eine überweisung zum orthophonisten bekommen hat..
10. November 2008 um 19:19
Bei meiner Tochter stellte sich heraus, dass sie taub ist (links gehörlos und rechts schwerhörig)Sie sprach immer so.. verwaschen. Auf meiner Odyssee durch verschiedene arztpraxen hörte ich mehr als einmal, ich sei hysterisch, es sei doch alles in Ordnung und ich solle mein Kind nicht mit den anderen vergleichen. Ich BIN gelassen, aber hätte ich mich darüber nur mit EINER Mutter ausgetauscht, hätte ich vielleicht schon viel früher von einem Facharzt namens Pädaudiologen gehört, denn was man nicht kennt, kann man auch nicht suchen. So wurde die Schwerhörigkeit erst in der zweiten Klasse diagnostiziert, was mittlerweile dazu führte, dass mein Kind (laut Tests hochbegabt) eine Klasse wiederholt.
Ok. is jetzt auch nicht soo schlimm. Ich glaube, wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte: die Augen nicht verschließen (lassen) aber sich auch nicht verrückt machen.
Viele liebe Grüße
erzangie
10. November 2008 um 20:05
Puh, das ist eine gute Frage! Und-ich hab sie mir auch schon oft gestellt…
Ist so ein Bauch-Gefühl verlorengegangen? Druck von aussen? Keine Ahnung!
Aber schön zu lesen, dass auch andere Mütter sich das fragen, dachte schon ich bin die einzige…
Und wenn sogar die Ärztin ratlos war, dann wars ja auch ein Kompliment auf dich zu verweisen.
11. November 2008 um 13:43
Frau wird auf die Geburt vorbereitet, es gibt danach Anleitungen zur richtigen Ernährung, usw. Aber es gibt kaum Hilfe zum Verstehen, dass jedes Kind seine eigene Norm hat.
Mütterclubs sind an und für sich eine gute Sache, soferne sie nicht zu einem Wettbewerb ausarten, was leider oft geschieht.
Das setzt sich dann in der Schule fort, wo manche Eltern mit Erfolgen prahlen. Dabei bleibt oft die Zufriedenheit und das Wohlfühlen des Kindes auf der Strecke.
Auch wir Eltern müssen ein Leben lang lernen und dürfen dabei nie übersehen, dass jedes Kind ein Wesen ist, das mit Vorsicht und viel Liebe geformt werden will.
Lieben Gruß
Lemmie