Schwätzchen am Gartenzaun
23. August 2006
„Wissen Sie, Frau … äh … Mutti“, sagt die über 80jährige Nachbarin, „ich verstehe die Leute nicht mehr. Schauen Sie mal, ich habe so viel zu ernten und weiß nicht wohin damit. Aber wenn ich etwas verschenken will, dann lehnen die Leute ab. Gehen in den Supermarkt und kaufen Mangold, von dem ich hier ein großes Beet habe. Warum sind die Menschen so? Warum nimmt niemand mehr ein Geschenk an?“
„Hm“, sagt Frau … äh … Mutti, „vielleicht hat das etwas damit zu tun, dass man sich sofort verpflichtet fühlt, eine Gabe zu vergelten. Sie haben mir gerade 20 Erdbeerpflanzen geschenkt. Ich weiß, dass Sie sie sowieso ausrupfen mussten, aber dennoch könnte ich mich verpflichtet fühlen, Ihnen im Gegenzug etwas dafür aus meinem Garten zu geben.“
„Ach!“, winkt sie ab, „Wenn ich etwas gebe, dann will ich doch nichts zurück! Ich will doch nur, dass ich es nicht wegwerfen muss! Heute morgen habe ich anderthalb Kilo Himbeeren geerntet, zum Glück hatte ich noch Gelierzucker. Nur – ich mag keine Marmelade und die Kinder wohnen so weit weg und wollen auch keine. Oder schauen Sie mal meine Spargel an. Im Frühjahr weiß ich nicht wohin damit, ich mag ja selbst gar keine!“
„Dann reissen Sie die Spargel doch raus“, schlägt Frau … äh … Mutti vor.
„Wissen Sie, Spargel machen kaum Arbeit. Die schneide ich im Herbst zurück und sehe zu, dass der Boden drunter sauber bleibt. Ich kann ja auch nicht mehr so, wie ich will. Schauen Sie sich doch um, es wuchert zu.“
Frau … äh … Mutti schaut sich um und sieht den Garten ihrer Träume. Zwischen den Karotten blüht die Cosmea, Ringelblumen leuchten zwischen Petersilie und Schnittlauch. Die Herbstastern knospen, in den Apfelbäumen hängen dicke, rote Äpfel, das Spargelkraut sieht so fedrig aus und die Beete sind säuberlich mit Feldsteinen begrenzt. Darauf wachsen Moos und Dachwurzen. Jede Ecke blüht oder duftet oder sieht einfach nur zum Anbeissen aus.
„Ich wünschte, mein Garten sähe so aus wie Ihrer!“, seufzt Frau … äh … Mutti.
„Ach was“, winkt die Nachbarin ab, „Sie schaffen das auch noch. Übrigens, wollen Sie ein bißchen Mangold haben? Morgen lege ich Ihnen welchen auf´s Mäuerchen.“
„Gerne!“, sagt Frau … äh … Mutti und beschließt die Nachbarin zu adoptieren.
23. August 2006 um 10:36
GENAU !!!
das ist die schönste Gegengabe – in Gedanken adoptieren, mal ein Schwätzchen, mal zum Kaffee rüberwinken, mal was schweres aus dem Supermarkt mitbringen – so halte ich es hier auch und die adopierten „Omas“ mag ich nicht missen ….
LG MOnika
23. August 2006 um 10:46
Leider sind diese Omas Raritäten, deswegen muß man sie hegen und pflegen ;)
Unsere hat leider Ihren Garten aufgeben müssen, nichts desto trotz gehört sie trotzdem irgendwie zur Familie :ok:
Grüßle Silly
23. August 2006 um 13:25
Das ist ja goldig… so ne liebe Nachbarin… würde ich auch gerne adoptieren… *ggg*
LG Petra
23. August 2006 um 15:55
Ich denke auch, den älteren Herrschaften reicht es manchmal schon, wenn jemand Zeit für ein Gespräch hat.
Ist hier auch so in der Nachbarschaft.
Zum Mangold: da gibts ein tolles Rezept für Mangold mit Ricotta ( ähm wird das so geschrieben?) in Caneloni. Hmmm…
muss ich auch mal wieder machen
lieben Gruß
Donna
24. August 2006 um 12:16
Genau so eine Oma hatten wir auch nebenan… nun kann sie nach 3 Schlaganfällen leider wirklich gar nicht mehr und lebt im Heim.