Adventsbloggen, 3. Dezember
3. Dezember 2025
Am kommenden Wochenende stehe ich für und mit der Bürgerinitiative „Nierstein gegen Rechtsextremismus“ in einem Stand auf dem Niersteiner Adventsmarkt. Darauf freue ich mich sehr! Vielleicht gelingt es mir sogar noch, mich von dem Gedanken zu befreien, dass ich alleine den Stand mit tollen Sachen befüllen muss?
Muss ich nämlich wirklich nicht. Es wurde gestrickt und gehäkelt, Fröbel- und Transparentsterne gefaltet, Mandeln und Cashewkerne gebrannt, Quittengelee gekocht, Erdnußfudge und Christmas Crunch gerührt, Kräuter- und Chilisalz gemischt, Schneeflocken ge-3D-druckt und jede Menge Plätzchen gebacken!
Letztere haben wir heute in meiner Küche in 200g-Portionen gepackt und selbstverständlich auch gekostet, es soll ja nur höchste Qualität verkauft werden!

Unsere Bürgerinitiave wurde „nach Potsdam“, also nach den Enthüllungen von Correctiv gegründet. Nachdem wir alle auf etlichen Demonstrationen waren, sogar im beschaulichen Nierstein demonstriert wurde. Als uns Sorge und Wut trieben und der Wunsch, irgendetwas zu tun, der Hilflosigkeit entgegenzuwirken. irgendetwas zu bewirken. Zur ersten Sitzung kamen 90 Menschen.
Mittlerweile sind das etwas weniger, zu den regelmäßig stattfindenden Plenumssitzungen kommen aber immer noch zwischen 20 und 30 Menschen zusammen. (weniger aktiv, aber interessiert und unterstützend sind es weitere 80 Menschen)
Wir haben uns stark gegen die Eröffnung des A*D-Büros gemacht, haben einen „Marktplatz für Demokratie“ organisiert (und planen gerade den zweiten), haben das Strickbüro eröffnet, informieren, erklären und zeigen Präsenz an unseren Ständen bei jedem kulturellen Ereignis der Stadt, haben drei Open-Air-Kinoveranstaltungen, Vorträge und Diskussionsrunden angeboten und zu einem kleinen Grillfest eingeladen. Wir sind im Austausch mit politischen Parteien, verschiedensten Vereinen und Initiativen, helfen Menschen dabei, selbst aktiv zu werden und sich zu organisieren und haben alle viel zu wenig Zeit und Kraft, um die unzähligen Ideen zu realisieren, wie wir weiterhin und noch effektiver aufklären und Menschen erreichen können.
Es ist eine großartige, sehr fordernde Arbeit, die mich sehr glücklich macht. Irgendwann vor ein paar Monaten wurde ich eine der vier Sprecherinnen der Initiave, was mich einerseits ein bißchen stolz macht, andererseits auch ständig am Rand der Überforderung tanzen lässt. Macht nix, ich wachse da rein.
Es ist eine tolle Gruppe unterschiedlichster Menschen, verschiedenster Herkunft, Bildung, Lebensweise und Temperament. Und alle eint der Wunsch nach einem Leben in einer stabilen Demokratie ohne Rechtsradikalismus, dafür arbeiten wir ehrenamtlich. (und haben, neben all den Sorgen und der Wut auch richtig viel Spaß. Wie toll ist das denn?)
Wir hoffen, beim Adventsmarkt ein bißchen Geld zu verdienen, denn die nächsten geplanten Aktionen sind groß (und teuer).
Sollten Sie also zufällig nächstes Wochenende in Nierstein oder in der Nähe sein … unser Stand ist auf dem Fronhof, Sie erkennen uns an unserem Logo:

Adventsbloggen, 2. Dezember
2. Dezember 2025
Vermutlich wiederhole ich mich, aber ich muss es nochmal sagen: ich mag meinen Geburtstag und das Älterwerden tut mir nicht weh. Ein bißchen wehmütig vielleicht, weil ich mich damals, als ich jung, stark, straff und unbeschwert war, selbst nicht so mochte. Aber jetzt mag ich mich um so mehr. Faltig, mit den ersten silbernen Fäden im Haar und naja, es wackelt und wabbelt überall, wenn ich mich bewege.

Ich habe den Tag sehr gemütlich verbracht, habe die Familie zu Kaffee&Kuchen und die Freunde zum Abendessen begrüßt. Die Kindelein schenkten mir die Blumenvase, die mir seit zwei Jahren gefällt und die ich der Tochter in Berlin zeigte. Und die ich mir beinahe letzte Woche wegen Black Dingsbums und 35% Rabatt selbst gekauft habe. Dann zum Glück doch nicht, weil ich sie mir zur neuen Küche nächstes Jahr schenken wollte.
Die Freundin überreichte mir ein Blümchen zum Anstecken, der Gatte buk mir köstlichen Kuchen und schenkte mir einen neuen Akku für mein Fahrrad. (den hätte ich sowieso bekommen, er kam halt passend an)
Viele, viele, SEHR viele Glückwünsche trudelten auf verschiedensten Kanälen ein und nach dem dritten Glas Sekt fühle ich mich jetzt sehr wohlig und gut. Danke Ihnen da draußen!
Während des Kaffeetrinkens klingelte das Telefon. Doch statt der erwarteten Gratulation wurde ich von der MFA der Hausärztin meines Schwiegervaters gefragt, ob ich die Frau sei, die immer die Rezepte bestellen würde? Es sei nämlich vermutlich bei einem Medikament eine höhere Dosis nötig und ich solle doch mit meinem Schwiegervater zum Blutdruck messen vorbei kommen. Sie wisse, dass er das ungern täte, aber besser wäre es schon. Mein Schwiegervater geht nicht gerne zum Arzt (wer tut das schon), doch da es sein Ziel ist, gesund zu sterben, geht er halt mit. Zack, hat der Dezember einen neuen Termin, denn zu Arztbesuchen begleite ich ihn. Zum einen weil er fast vollständig gehörlos ist, zum anderen weil er vor lauter Peinlichkeit und „sich nicht wohlfühlen vor fremden Menschen“ so viele Witzchen und Sprüche von sich gibt, dass ein Arztgespräch kaum möglich ist.
Ich bin seit April übrigens offiziell als pflegende Person für meinem Schwiegervater eingetragen. Als er Ende März für ein paar Tage auf der Kippe stand und es nicht klar war, ob und wie er wieder allein leben kann, mussten wir Lösungen finden. Ich habe entschieden, dass es an der Zeit ist, die viele, viele Zeit, die meine Schwiegereltern uns und unseren Kindern schenkten, „zurückzuzahlen“. Und so begleite ich ihn zu Arztbesuchen, räume bei ihm auf, sortiere seine Schränke aus (auf seinen Wunsch natürlich), putze was anfällt, werfe einen Blick in seinen Kühlschrank, kaufe ab und zu ein und leiste ihm Gesellschaft. Die Putzerei bräuchte ich nicht, die macht mir daheim schon keinen Spaß, aber die Gesellschaft genieße ich sehr.
So. Komplett abgeschweift. Aber so geht ja dieses Tagebuchbloggen :)
Adventskalenderbloggen, 1.Dezember
2. Dezember 2025
„Könnte ich doch mal wieder machen“, hab ich mir gedacht und es dann direkt wieder vergessen. Jetzt tue ich halt einfach so, als sei noch der erste Dezember.
Traditionell nehme ich mir am ersten Dezember vor, die Vorweihnachtszeit dieses Jahr etwas ruhiger angehen zu wollen, ganz ohne Plätzchen-, Dekorations- und Basteldruck. Nicht weniger traditionell wird das nicht klappen. Immerhin habe ich fast alle Termine auf den Januar geschoben. Dass dieser damit ebentuell ein kleines Bißchen anstrengend ist … versuche ich zu ignorieren.
Erstmal Dezember also. Was steht denn an?
Zuerst natürlich mein Geburtstag, familienintern als der höchste Feiertag des Jahres zelebriert. (ja, ich mag meine Geburtstag sehr, Alter ist eh nur eine Zahl und 55 obendrein eine sehr hübsche!)
Das zweite Adventswochenende verbringe ich auf dem Niersteiner Advensmarkt. Diesmal nicht privat, ich habe den Stand für die Bürgerinitiative „Nierstein gegen Rechtsextremismus“ angemeldet. Zur Initiative habe ich eine Menge zu erzählen, das werde ich in den kommenden Tagen auch tun.
Mit dem Gatten plane ich einen Besuch der Landeshauptstadt, weil ich mir einbilde, dass das irrsinnig viel Spaß macht, in der glitzernden, besinnlichen Vorweihnachtszeit durch die Geschäfte zu schlendern. Wir haben aber beide von Outdoorausrüstungsladen unseres Vertrauens lohnende Gutscheine und wollen die dieses Jahr nicht verfallen lassen.
Irgendwann trudelt die Tochter für ein paar Tage ein, der Große wird sicherlich auch über die Feiertage bei uns übernachten und die allerbeste Freundin ist eingeladen. Mit letzterer habe ich das Weihnachtsmenü bereits geplant und siehe da, ich bin nicht mehr gestresst deswegen.
Vor Weihnachten werden die Neffen und vermutlich auch die Schwagerfamilie beim Opa eintreffen. Die Neffen kochen sehr gut und gern, wir laden uns also beim Opa zum Essen ein. (Opa besorgt den passenden Wein, die Aufgabe lässt er sich nicht nehmen)
Am 23. Dezember treffen wir die Freunde im Stadtpark zum „Weihnachsblasen“ und Glühwein trinken. Und natürlich um uns die ganz alten Geschichten, jene, die mit „wisst ihr noch …“ beginnen, zu erzählen.
(„Wisst ihr noch, wie wir nach dem Weihnachtsblasen ziemlich angetrunken bei euch im Wohnzimmer saßen und alle überhaupt keine Lust auf den Familienstress an Heilig Abend hatten? Auf die Kocherei und das Aufräumen hinterher und wie wir uns so sehr in unseren Weihnachtsunwillen hineinsteigerten, dass wir beschlossen, den nächsten Flug nach Barcelona zu buchen?“ Beinahe hätten wir das getan, doch dann kam die damals noch recht kleine Tochter der Freunde ins Wohnzimmer, sah die aufgerufene Buchungsseite im aufgeklappten Rechner und rief uns mit ihrem aufgebrachten „Aber es ist doch WEIHNACHTEN!“ in die Realität zurück.)
So blieb es bei „beinahe Barcelona“. Die Gesschichte vom doch nicht englisch sprechenden Nachbarn der Freunde und den ausgekippten „Fischlis“ gewinnt auch keinen Blumentopf und trotzdem werden wir sie uns sentimental, rühr- und glühweinselig erzählen.
Nach Weihnachten feiern wir den runden Geburtstag des Schreinerfreundes und auch dieses Jahr werden wir es an Silvester nicht krachen lassen sondern mit den Haustieren auf dem Sofa unter vielen Decken vielleicht bis Mitternacht wachbleiben. Wir Partylöwen.
Mehr isses nicht, vorläufig.
Egoistisch und narzisstisch, Teil XVII
1. Januar 2024
Das letzte Jahr war eigentlich ein grauer, trüber Brei voller Sorge, Krankheit, Mutlosigkeit, Rumhängerei und allgemeinem „Wääh!“, garniert mit bunten, glitzernden Streusel aus Liebe, Freundschaft, Viecherei, Natur, „einfach machen“ und „Mut haben“. Was dann letztlich ein ganz okay-ishes Ganzes ergab.
Für den ganz langen Rückblick fehlt mir das Erinnerungsvermögen und derzeit auch die Energie, weil -um dem Ende vorzugreifen- wir das Jahr nur knapp genesen beendet haben.
Januar:

Das Hundekind lernt Schnee kennen und lieben, braver Hund.
Ich klapperte diverse Ärzte ab, um diesem Long/PostCOVID- Mist vielleicht doch endlich zu entkommen. Nur um zu schauen, ob ständige Kopfschmerzen vielleicht andere Ursachen haben, wurde ein Schädel-MRT angefertigt. Eine Sorge weniger, das sieht in meinem Kopf so aus, wie es im Kopf eine knapp über 50jährigen auszusehen hat und da wächst auch nix, was nicht da wachsen soll. Immerhin.
Die Wucherung an Lolas Bein ist ein Lipom, das können wir vernachlässigen, das entzündete Ding am anderen Bein muss beobachtet werden, fällt aber wahrscheinlich von alleine ab (das Ding, nicht das Bein) , sprach der Tierarzt. Und so war es dann auch.
Den Rest des Monats verbrachte ich mit Hunderunden und damit, dem Hundekind beim rasanten Wachstum zuzusehen. (vermutlich gab es noch zwei, drei andere Sachen, aber ach. Mein Siebhirn.)
Februar:

Zwangsläufig, weil Hunderunde, verbringe ich viel Zeit draußen, obwohl ich das nicht wirklich will. Das trübe Wetter zerrt an meinen Nerven und ich kann den Frühling kaum abwarten. Die blühenden Mandelbäume am Wartturm sind eine leise Vorahnung, aber wirklich nur sehr, sehr leise, denn der Frost kam natürlich zurück und hey! Ist halt Winter. Aber diesmal war er hart.
Wir feierten den 24. Geburtstag des Jüngsten, zum ersten Mal in dessen hübscher, kleiner Wohnung. Noch gibt es eine Nabelschnur in Form der Wendeltreppe zu unserem Wohnbereich, doch die Tage der Treppe sind gezählt (im Mai wurde sie abgebaut!) und dann muss ich es aushalten, dass das Baby ganz alleine sein Leben stemmt.
Apropos alleine:
„Ich würde gerne mal alleine durch den Wald ziehen“, vertraute ich dem Gatten an, woraufhin dieser loszog und mir ein kleines Zelt kaufte. „Mach!“, sagte er.
März:

Während hier endlich, endlich der Frühling aus den Löchern kroch, reiste ich zur Tochter nach München. Die zeigte mir Münchner Highlights und, zum Ausgleich, ein bißchen „ihre“ Berge. So kam ich tatsächlich nochmal in den Genuss von echtem Schnee. Also Schnee, der höher als dreieinhalb Zentimeter liegt. Das war ganz wunderbar!
Gegen Ende des Monats brauten sich sehr dunkle Wolken zusammen. Nicht über unserem Haus, aber über dem von Freunden. Bis heute sind sie nicht verschwunden, das werden sie auch nie wieder tun. Ein bißchen heller ist es immerhin, aber letztlich bleibt zu sagen: Depressionen sind ein Arschloch.
April:

Frühjahrsputz! Es stellte sich als äußerst befriedigend heraus, die Terrasse mit diesem Hochdruckreiniger auf Hochglanz zu bringen und ich fürchte, ein weiteres Hausfrauenlevel wurde freigeschaltet. Zum Ausgleich schliff ich Küchenschränke ab und lackierte neu. Und gleich wieder um, denn das gewünschte Senfgelb deckte nicht. Die Küche wurde anthrazit und mintgrün, ungewohnt seriös, weswegen ich mir sehr sicher bin, dass das nicht lange so bleiben wird.
Ich begann durch den Garten zu robben, um gigantische Ernten vorzubereiten. Und, Sie wissen es ja, je dreckiger meine Hände sind und je lauter der Rücken jammert, desto glücklicher bin ich.
Mai:

Ich kroch weiterhin durch den Garten. Nicht nur wegen der zukünftigen Ernte, sondern auch um eine ordentliche Garty-Party-Location vorzeigen zu können. Letztere fand Ende des Monats stand. Ich habe sie sehr genossen und ich glaube, den meisten Gästen ging es genauso.
Um das mit dem Zelten ein bißchen zu üben, baute ich mein Zelt im Garten auf und wollte danach eigentlich direkt losziehen! Zuerst schliefen wir aber mit den Hunden eine Nacht im Wingert, Neuland für Lutz. Wir stellten fest: das Hundekind ist bereit für Wanderabenteuer und unser großes Drei-Personen-Zelt reicht knapp für das Hundekind allein, wir dürfen uns am Rand dazuquetschen.
Juni:

Der Wandermonat!
Der Gatte, die Hunde und ich zogen mit zwei Zelten auf dem Soonwaldsteig los. Zuerst gemeinsam, dann trennten wir uns. Der Gatte fuhr mit den Hunden wieder heim, ich wanderte drei Tage alleine weiter. Schlief alleine in meinem Zelt auf Trekkingplätzen, lief alleine auf (perfekt ausgeschilderten) Wanderwegen, langweilte mich nicht, hatte keine Angst und war danach total bereit für den großen Weg. der Westweg. Den kannte ich schon, deshalb rechnete ich nicht mit allzu großen Überraschungen. Dass meine Wanderschuhe an Tag vier unbrauchbar wurden und ich das bereits am zweiten Tag hätte feststellen können, als sich die ersten Blutflecken in den Wandersocken zeigten, war dann doch sehr überraschend. Noch überraschender war es, dass mich meine unschön zerfleischten Füße daheim fast zwei Wochen ins Bett zwangen, bis ich wieder einigermaßen schmerzfrei laufen konnte.
Immerhin gab es von der Wanderschuhfirma eine schöne Entschädigung und das Ersatzmodell wird bereits eingelaufen, für das nächste Solo-Abenteuer. Der Westweg will beendet werden.
Juli:

Der Sommer ist da, die Hunderunden finden sehr früh und sehr spät statt, dazwischen liegen alle Tiere, auch die Katzen, in kühlen Ecken herum und schlafen.
Ich genoß die Schattenecken im Garten und kümmerte mich um Gemüsebeete, Beerenernte und das Gewächshaus.
Der Gatte reiste mit den Söhnen zur Tochter. Gemeinsam kletterten sie auf ein paar Gipfel und als krönenden Abschluss auf die Zugspitze. Klettersteige sind nicht meine Wohlfühlorte, ich war nicht traurig, mit dem ganzen Viehzeug daheim zu bleiben.
August:

Der Gatte hatte erneut Stellplatz auf den Trekkingplätzen entlang des Soonwaldsteiges gebucht, doch nachdem wir erst im Juni dort waren und ihn auch im Jahr vorher komplett gewandert waren, überließ ich dem Jüngsten (und den Hunden) meinen Platz im Zelt und blieb daheim. Ich bin nämlich sehr gern allein daheim. Trotzdem war ich dann doch ein bißchen neidisch auf die Zeit im Wald, logisch.
Wir planten den nächsten Wanderurlaub. Diesmal mit deutlich mehr Anteil am Meer und ich hoffe wirklich sehr, dass das alles so klappt, wie wir uns das vorstellen.
Das Hundekind wurde ein Jahr alt und ist definitiv kein kleiner, niedlicher Fellflausch mehr. Ganz im Gegenteil: die Pubertät kickt schwer rein und das Tier fängt an zu stinken. Und der pubertäre Hörverlust macht immer häufiger den Gebrauch der Schleppleine nötig.
September:

Es gab eine Zeit, da war ich hier „die bunte Frau“. Das verliert sich immer mehr, aber ich arbeite am Titel „verrückte Hundefrau mit Hut“, das könnte mir gefallen.
Tatsächlich lässt es sich nicht leugnen: es herbstelt. Die Trauben, die zuerst prall und gesund und in großen Mengen an den Reben hingen, werden durch heftigen, langen Regen sauerfaul. Tag und Nacht fahren die Vollernter und retten, was zu retten ist.
Mein Garten ist unbeeindruckt vom Wetter. Er ist grüner als im Frühling und ich freue mich über reichlich Gießwasser für die Tomaten im Gewächshaus.
Oktober:

Wir starten den Monat mit Freunden in Freiburg. Bummeln durch das entzückende Städtchen, speisen und trinken hervorragend und genießen unseren Miniurlaub.
Danach … wird es grau. Ich krache mit voller Wucht ins PostCOVID-Tal und sehe mir von außen dabei zu. Völlig hilflos trudele ich immer weiter runter und überlasse es letztlich dem Gatten, daheim alles zu stemmen. Es gab über das Jahr hinweg immer wieder Einbrüche, aber dieser ist wirklich heftig. Ich deaktiviere meine Social Media Kanäle, weil sämtlich Reize zu viel sind. (bastele mir einen kleinen Instagramaccount, auf dem ich meine Hunderunden festhalte. Und ja, wer Hashtags nutzt, wird dann halt auch schnell wieder gefunden.)
Der Geburtstag des Gatten geht vorbei, die Tage schwimmen ineinander. Durch die Depression des Freundes sensibilisiert sprechen wir lange, auch im Freundeskreis, über das „was wäre wenn“ und „ab wann“.
November:

Nach langer Planung, vielem Hin und Her und einigen „uppsi“s seitens der Solarplattenfirma ging es dann zackig: auf dem Dach liegen jetzt sehr viele Solarplatten, in der Halle hängen zwei Wechselrichter. Der eine speist den größten Teil des Stromes ins Netz ein, der andere versorgt uns selbst. Haken dran. Nächster Plan: eine Wärmepumpe. Und ein Zisterne im Gewölbekeller. Weil dann kann die große Zombieapokalypse kommen.
Vermutlich waren das schon die Novemberhighlights, ich hing nämlich immer noch rum. Der Gatte hielt weiterhin alles am Fliegen, zusätzlich zu einem durch ein hirnrissiges Projekt heftig angestiegenes Arbeitspensum. Ich beobachtete, wie angesterngt und gehetzt er war und konnte nichts dagegen tun. Was mich noch tiefer trudeln ließ. Aber irgendwann wurde es wieder besser. Einfach so.
Dezember:

Ich sag ja immer, dass wir im Dezember das allerwichtigste Fest feiern, nämlich meinen Geburtstag. Und so ungern der Gatte den seinen feiert, so begeistert mag ich meinen zelebrieren. Und so geschah es. Der Große hatte die obligatorische Binzessinnenkrone gebastelt, es gab Besuch, Glückwünsche auf allen Kanälen, Alkohol und sehr viele Brownies, denn ich hatte zur Brownieparty geladen. Sehr, sehr toll, sehr anstrengend.
Mit mir ging es immer weiter aufwärts, das Stresslevel des Gatten sank, doch meine Weihnachtsfeierlust bewegte sich gegen null. Mit der allerbesten Freundin und der Tochter plante ich ein köstliches Weihnachtsessen und war dann sehr traurig, als die Freundin am 23. erkrankte und absagen musste. Als der Jüngste ein paar Stunden später hustend vor mir stand, irgendwas von Schnupfen sagte und kurz darauf die zweite Linie im Teststäbchen erschien, war ich gar nicht so traurig Weihnachten absagen zu müssen. Erst als es den Gatten erwischte und kurz darauf die Tochter hörte der Spaß auf. Ich spielte dann eben auch mit und einzig der Große hielt weiterhin die Stellung, verbannte uns in unsere Quarantänezonen, die wir nur mit Maske verlassen durften und versorgte uns mit ausgezeichnetem Essen. Wir fieberten, husteten, schnupften und fühlten uns elend, der Große übernahm die Hunderunden und langweilte sich dazwischen auf dem Sofa.
Mittlerweile sind alle Tests wieder negativ, die Kinder wieder in ihren Wohnungen in den verschiedenen Städten verschwunden. Richtig gesund sind wir noch nicht, weswegen wir den Jahreswechsel nicht wirklich rauschend gefeiert haben. Es gab nicht mal Sekt.
(dafür aber eine tote Ente am Morgen, damit hat das scheidende Jahr uns nochmal so richtig eine Nase gedreht.)
Das war also dieses 2023. Ich sags mal so: da ist für 2024 noch Luft nach oben.
Vorsichtshalber habe ich mal keine Vorsätze formuliert. Kein Vorsatz sondern eine Notwendigkeit: die überzähligen Kilos wieder loszuwerden. Ich neige leider sehr zum Frustessen und in Verbindung mit „kann nicht, will nicht, geht nicht“-PostCOVID führt das zu unschönen Ergebnissen. Nicht nur zu kneifenden Klamotten, sondern halt auch zu „ich mag mich so nicht“ und das ist ja eh kontraproduktiv.
Fertig!
Alles Liebe und Gute, Glück und Gesundheit Ihnen da draußen. Sie wissen ja: immer die Ihre.
Egoistisch und narzisstisch, Teil XVI
30. Dezember 2022
Januar

Wie könnte es anders sein: das Jahr beginnt mit einer neuen Farbe für die Küche. Diesmal wählte ich ein leuchtendes Blau. Der Gatte beantwortete mein besorgtes Nachfragen „Ist das ok für dich?“ mit seinem üblichen „Mach nur!“, denn es ist ihm tatsächlich völlig egal, welche Farbe die Küchenmöbel haben. Zwei Tage dauerte das „Blau machen“, das Ergebnis begeisterte mich nur so mittel, denn ich stellte fest, dass (kobalt)blau nicht meine Farbe ist und hätte ich einen Blick in meinen Kleider- oder Stoffschrank geworfen, hätte ich da schon früher drauf kommen können. Ich nähte neue Vorhänge, lackierte das alte Küchenbuffet zartrosa und beschloss, die blaue Küche toll zu finden. (auch wenn kein einziges Geschirrstück den richtigen Blauton hatte! Skandal!)
Außer Lackrollen zu schwingen, verbrachte ich sehr viel Zeit draußen. Ich entdeckte die ersten Knospen der Mandelblüte, begrub die Hoffnung auf Schnee und brach einen Vorsatz, indem ich mir bereits im Januar den ersten Tulpenstrauß auf den Tisch stellte. Sonst verweigere ich Tulpen bis in den März hinein. Zu meiner Verteidigung sei gesagt: der Strauß war ein Danke-Geschenk für eine Korrektur gelesene Bewerbung, die dann erfolgreich war.
Wir trafen uns regelmäßig mit unseren Freunden, nach wie vor draußen. Wir spazierten durch die Wingerte, saßen um Feuerschalen und -töpfe herum und tranken mehr Glühwein, als wir uns, wie jedes Jahr zum Jahreswechsel, vorgenommen hatten. Diese Treffen und Feiern im Freien führten dazu, dass ich endlich die ganz dicken Klamotten aus der hinteren Ecke des Kleiderschrankes hervorholte, in der sie seit Jahren liegen, weil die Winter einfach nicht mehr richtig kalt werden. Zwei Stunden im Freien sitzen verlangt aber nach dicker Wolle.
Insgesamt ein guter Jahresbeginn. Ich mag den Januar gern, weil ich Neuanfänge mag. (jaja, super albern, es ist ja nur ein Monat. Ist aber halt so.)
Februar

Zum ersten mal seit vielen Jahren lief ich wieder regelmäßig bei Demonstrationen mit. Die „Spaziergänger“ marschierten durch das Nachbarstädtchen und waren sehr empört, weil sie in die rechte Ecke gestellt“ wurden, sie wollen doch nur Meinungs- und Entscheidungsfreiheit. Ich hatte ein paar spannende Diskussionen, vor Ort aber vor allem im Netz zum Thema. Letztlich blieben diese aber fruchtlos und tatsächlich spare ich mir mittlerweile meine Kräfte und überlasse diese Kämpfe kompetenten und hartnäckigeren Menschen.
Der Gatte und ich fasteten eine Woche. Ich, weil ich das schon zweimal getan hatte und ich, siehe oben!, den Neuanfang der Nahrungsaufnahme toll finde und meine Ernährung danach für längere Zeit sehr viel mehr genieße und schätze. Der Gatte, weil er ausprobieren wollte, was mit ihm passiert, wenn er eine Woche lang nichts isst und wie leistungsfähig er bleibt. (alles super, er ging sogar joggen) Ich brach das Fasten zwei Tage vor ihm, weil ich auf dem Weg in ein Long COVID-Tal war, die gute Stimmung des Fastens verließ mich sehr schnell. Und weil ich während des Fastens in meiner Lieblingsküche sowieso nicht kochen konnte und das Blau immer noch nicht mein Blau war, lackierte ich sie rasch türkis. Und war damit dann endlich sehr, sehr glücklich. Das war der kürzeste Zeitraum einer Küchenfarbe. :)
Am Ende des Monats verschlossen wir zwei Tage Ohren und Augen vor entsetzlichen Nachrichten und feierten stattdessen den 23. Geburtstag unseres jüngsten Sohnes. (Ein Stück des Geburtstagskuchen stellten wir dem großen Sohn vor der Wohnungstür, hinter der er in Quarantäne lebte.) Zwei Tage später feierten wir unser Kreppelfest, diesmal sogar mit echten Gästen in der Küche. (in der hübschen, türkisfarbenen Küche!)
Danach … war wieder Platz für Fassungslosigkeit, Wut und ein bißchen Angst. Krieg in der Ukraine.
März

Im März begann die Gartensaison! Ich erntete den letzten Rosenkohl und jätete die ersten Hochbeete frei. Im Gewächshaus wuchsen die ersten Jungpflanzen und mein grüner Daumen begann zu kribbeln.
Eine Nacht schliefen wir im Wingert, als Test, wie Lola kühlere Temperaturen im Zelt aushalten kann. Alles in Hinblick auf den Sommerurlaub. Nach diesem Wochenende änderte sich aber erstmal sehr viel.
Wir boten Wohnraum für Flüchtlinge aus der Ukraine an und zwei Tage später bekam ich eine lange Liste, von der ich mir „unsere Familie“ aussuchen konnte. Mit tatkräftiger Unterstützung der Söhne verwandelten wir den großen Raum unter der Terrasse, der leer stand, weil er Küche und Wohnzimmer für den Jüngsten werden sollte, in eine gemütliche Unterkunft für eine 33jährige, ihren anderthalb jährigen Sohn und ihren 11 Jahre alten Neffen. Eine große Welle der Hilfsbereitschaft schwappt über mich, ich musste unzählige Angebote sogar absagen oder weiterleiten, noch heute bin ich sehr gerührt davon und möchte mich auch an dieser Stelle nochmals herzlich für Ihre Spenden und Unterstützung bedanken! Vielen, vielen Dank! <3
Das Zimmer wurde fertig und noch bevor wir fertig überlegt hatten, wie wir die Aufteilung der Küche regeln könnten und wie das wohl mit der Sprachbarriere laufen würde, fanden wir uns im Gemeindehaus wieder, wo wir unsere Gäste in Empfang nahmen und zu uns nach Hause führten.
Was auch immer wir geplant hatten, ich weiß es nicht mehr. Wir wuchsen zusammen. Unsere Gäste lernten, dass Flugzeuge und Sirenen hier keine Gefahr bedeuten, wir lernten mehr über deutsche Behörden und Ämter, als wir je wollten. Wir fuhren unsere Gäste von A nach B, meldeten an und um und wurden zum Dank üppigst bekocht und versorgt. Übersetzungsapps wurden wichtigstes Hilfmittel, gleichzeitig lernten die Gäste deutsch und ich ein paar Brocken ukrainisch. Ich trocknete einige Tränen, nicht nur fremde und verzieh dem Gatten sein „Hamster-Gen“, das ihn quasi nichts wegwerfen lässt. Alle Kindersicherungen, die schon längst abgebaut waren, lagen noch in der Werkstatt und wurden sehr schnell wieder eingebaut. Ein Anderthalbjähriger ist wuselig.
Ich suchte meine Deutsch-Unterricht-Utensilien wieder heraus, zuletzt brauchte ich die 2016 für „unsere Syrer“. (falls Sie fragen wollen: denen geht es gut)
Unser Umgang miteinander wurde entspannter, wir waren wie eine gut funktionierende WG, nur ohne den gammeligen Kühlschrank und das versiffte Bad.
April

Ein neuer Alltag war da. Zu abendlichen Hunderunde hatte ich einen Kinderwagen dabei, nachmittags ab drei Uhr gab es Deutschunterricht am Küchentisch. Meine Küche trat ich ab, denn Kochen und Backen waren Therapie und Ablenkung und ja, alles was hilft ist gut.
Das Wetter zeigte sich von seiner allerbesten Frühlingsseite und brachte hohe Temperaturen. Unsere Gäste hatten nur Winterkleidung mitgebracht, doch die nächste Welle der Hilfsbereitschaft sorgte auch hier für Verbesserung. (Danke, danke!!) Frühlingswetter zog mich in den Garten, rupfen und zupfen, meine Therapie, mein Rettungsanker bei Stress und Überforderung. Wut, Sorge und Hilflosigkeit in den Boden graben und mit dreckigen Fingernägeln und Rückenschmerzen wieder Kapazität für fremde Ängste und Tränen zu haben.
Anfang des Jahres hatte der Gatte sich und dem Jüngsten Zeltstellplätze auf Trekkingplätzen im Pfälzer Wald gebucht. Zusammen mit Lola wollte sie über Ostern dort wandern und ich sollte ein Wochenende ganz für mich allein daheim genießen dürfen. Ganz alleine war ich dann nicht, dafür durfte ich nach vielen Jahren mal wieder Ostereier im Garten verstecken. Und weil Freundinnen ebenfalls Gäste aufgenommen hatten, feierten wir gemeinsam ein deutsches Osterfest.
Eine Woche später feierten wir erneut, diesmal das ukrainische Osterfest. Im Stadtpark zusammen mit allen anderen Gästen, die zusammen mit unseren in einem Bus angekommen waren und hier in Nierstein bei ihren Gastfamilien lebten.
Mai

Auch der Mai zeigte sich wettertechnisch sehr freundlich! (natürlich regnete es besorgniserregend wenig und war viel zu warm, doch ganz egoistisch betrachtet war das halt super) Wir begannen unser „draußen leben“. Spielten, lasen, lebten auf der Terrasse, schleppten jeden Abend das Abendessen nach draußen und blieben sitzen, bis es in der Dämmerung doch zu kühl wurde.
Der Garten gedieh prächtig und war noch nie in solch gutem Zustand wie in diesem Mai, in dem er mir Zufluchtsort und Erholungsplatz gleichermaßen war. Dort konnte ich allein sein, ein Hörbuch in den Ohren und die Hände in der Erde. Im Rosa Gartenhüttchen legte ich mich zum Schlafen hin, wenn mich die Kräfte verließen und es im Haus kein ruhiges Plätzchen gab.
Mittlerweile hatte die Schule für den Elfjährigen begonnen und weil er Platz für sich brauchte, räumte ich mein Nähzimmer aus, der Jüngste zog mit seinem Kram dort hinein und stellte sein Zimmer, das kleinere neben dem großen Gästezimmer unter der Terrasse, zur Verfügung. Mit dem eigenen Zimmer kamen Schulfreunde zu Besuch und je mehr sich der Elfjährige einlebte und akklimatisierte, desto größer wurde das Heimweh seiner Tante.
Der Gatte und ich nahmen uns einen Abend frei und feierten unseren 27. Hochzeitstag. 27 Jahre, wow. Und ja, ich nehme die nächsten 27 Jahre gemeinsam mit ihm gerne in Angriff! (den langen, rührseligen Text darüber, wie dankbar ich bin, dass er meine spinnerte Spontaneität mitträgt usw, usf lasse ich aus, das habe ich ihm alles nach einer gemeinsamen Flasche Primitivo gesagt.)
Juni

Letztes Jahr hatte ich mir eine gemeinsame Trekkingtour mit allen Kindern gewünscht, zwei Nächte im Zelt, zusammen wandern, am Feuer sitzen, so ein Familiending halt. Doch dann war ich nicht richtig fit und ich glaube, es gab auch irgendwas mit dem Wetter. Die längere Tour zusammen ließen wir aus, stattdessen wanderten wir nur einen Tag durch den Wald und testeten bei dieser Gelegenheit gleich in Ruderbooten auf der Nahe, wie „seesicher“ Lola ist, denn der anstehende Wanderurlaub in Schweden würde uns auch in Booten über Seen schicken. Wie sich zeigte, war Lola von Booten kein bißchen begeistert. Sehr energisch stemmte sie sich mit allen vier Pfoten in den Boden und verweigerte wacklige Holzboote. Und fand es obendrein sehr empörend, als wir abwechselnd trotzdem hin- und herruderten, ebenfalls als Übung für Schweden, denn weder der Gatte noch ich hatten je ein Boot bewegt. Nachdem Lola nicht ins Boot zu bewegen war, sahen wir der Wanderung mit ihr nicht mehr ganz so optimistisch entgegen. Am Ende des Tages hatten die Kinder einen Plan ausgearbeitet, wie sie Lola übernehmen können, damit wir unseren Traumurlaub doch erleben dürften. Diese tollen Kinder!
Daheim hatte das Heimweh seinen Höhepunkt erreicht, gefüttert von whatsap-Nachrichten der Freundinnen, die Bilder aus Cafés und von Spielplätzen schickten, „hier ist alles gut, wir vermissen euch sehr“. Mitte des Monats fuhren wir unsere Gäste nach Mainz, wo sie in einen Bus Richtung Kiew stiegen. Nach 38 Stunden kamen sie gesund dort an. Um den Ereignissen vorzugreifen. es geht ihnen nicht mehr gut dort und mein Herz bricht, wenn ich es zulasse, zu viel daran zu denken. Wir können nicht helfen, werden aber sofort unsere Tür öffnen, wenn sie klingeln.
Nach der Abreise unserer Gäste war das Haus sehr groß und leer. Wundervoll leer und leise. Es dauerte ein paar Tage, bis ich es zuließ es wieder zu genießen, ganz ohne schlechtes Gewissen, dass wir wieder unter uns waren.
Dann wurde es herrlich langweilig. Wir feierten einen 50. Geburtstag. Ich glaube, das war der letzte im engsten Freundeskreis. Jetzt beginnen demnächst die 60. Geburtstage. Herrje, was sind wir alt geworden.
Es wurde heiß, wir schliefen auf der Terrasse und kehrten in unser kleines, normales, langweiliges Leben zurück.
Juli

Die erste Hälfte des Monats dörrte ich Obst und Gemüse für Trekkingmahlzeiten, buk Müsliriegel und packte meinen Rucksack mindesten zehnmal ein und wieder aus, immer auf der Suche nach überflüssigem Kram. Wenn man seinen Rucksack einen Monat lang jeden Tag tragen will, zählt jedes Gramm. Als alles passte, jede Wetterlage berücksichtigt war, Kinder, Freunde, Tiere, Haus und Garten verabschiedeten waren, brachten uns zwei Flugzeuge nach Hemavan. Dort startete für uns der Kungsleden, Schwedens bekanntester Fernwanderweg. Für knapp 500 Kilometer (wir planten ein paar Schleifen) hatten wir uns vier Wochen Zeit genommen, unser bisher längster Urlaub!
Uns erwartete eine spektakuläre Landschaft, mehr Schnee als den gesamten letzten Winter bei uns, Regen, Sturm, Matsch, Morast, Steine, Felsen, morsche Holzplanken, Mücken und eine Weite, die mich fast zu Tränen rührte. Kennen Sie den Ausdruck „das Herz geht auf“? So war das. Stehen bleiben, rundum schauen und einfach nur Gegend sehen. Keine Häuser, keine Straßen, keine Zivilisation. Wenige Menschen, doch die, die wir trafen, empfanden wir als Bereicherung. Wir bekamen Trailnamen, erzählten uns unsere Erlebnisse und diskutierten über DAS THEMA der Fernwanderer: gear. Wieviel wiegt der Kram, was kann er, was kostet das.
Die Etappen, die uns im Vorfeld teilweise lächerlich kurz erschienen („Wie? Nur elf Kilometer? Das ist eine längere Hunderunde, da können wir garantiert noch was dranhängen!), erwiesen sich als sehr, sehr anstrengend. Jeder Schritt musste wohlüberlegt gesetzt werden, um nicht im Morast zu versinken oder von Steinen oder Holzplanken zu rutschen. Den Blick schweifen zu lassen ging nur, wenn wir ganz bewusst stehen blieben und uns Zeit dafür nahmen.
Wir fanden wunderbare Zeltplätze und ich schlief tief und fest, erwachte erholt. Meine Muskeln wurden stärker und der Long COVID-Schub, der mich kurz vor der Abreise runtergerissen hatte, verabschiedete sich. Ein toller Urlaub …
August

… bis ich diesen Lachsbagel aß. Mit großem Appetit und sehr, sehr hungrig. Danach noch ein Zimtbrötchen, denn die folgende Etappe sollte lang und anstrengend sein. Eine Stunde nach der Mahlzeit ging es mir nicht mehr gut und um die folgenden unschönen Ereignisse nicht allzu detailliert zu beschreiben: es wurde schlimm. Wir schafften den Weg in strömenden Regen bis zu einer Hütte, in der wir uns zum Schlafen legten, zusammen mit anderen Wanderern. Diese Hütten sind nur für den Notfall zum Übernachten freigegen, doch das heftige Gewitter in der Nacht rechtfertigte die Übernachtung. Ich fieberte hoch, doch Ibuprofen in höherer Dosis ließ mich am nächsten Morgen beinahe beschwingt in die nächste Ortschaft laufen. Dort brach ich aber zusammen und blieb drei Tage im Bett. Fiebernd und völlig fertig. Als sich Besserung abzeichnete, wanderten wir wieder los. Zehn Kilometer und eine geruderte Seelänge kamen wir weiter, dann ging nichts mehr. Zwei Tage lag ich erneut heftig fiebernd und mit blutigem Durchfall im Zelt. Kein Zustand, befand der Gatte. Gerettet werden wollte ich aber nicht, das ließ mein doofer Stolz nicht zu. Wir schlichen sehr, sehr langsam den Weg zur Ortschaft zurück und als ich vor Anstrengung in die Blaubeeren kotzte und beinahe umkippte, schleppte der Gatte beide Rucksäcke. Wir kamen an, fanden ein Zimmer. Ich duschte und schlief. Zwei Tage dauerte unser abenteuerlicher und tatsächlich auch toller Heimweg in Bussen, der tollen Inlandsbanan und drei Flugzeugen. Daheim kam ich recht schnell und zehn Kilo leichter wieder auf die Beine. Eine heftige Lebensmittelvergiftung hatte mich außer Gefecht gesetzt und hat mir Schweden ein bißchen verleidet. Auch wenn ich weiß, dass weder der Kungsleden noch das Wetter etwas für den ganzen Mist können … den Weg fertig zu laufen kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen. Wenn ich an Schweden denke, sehe ich mich im Zelt liegend, nicht wissend, wie ich wieder aus dem Wald kommen soll.
Als ich wieder gesund war, öffnete ich dreimal in der Woche die Türen des Gemeindehauses für Flüchtlinge. Eine Begegnunsstätte sollte geschaffen werden, mit juristischer Beratung im Haus, falls nötig. Ein lockeres Treffen, mit Kaffee und Keksen. Doch der Sommer war zu heiß, das Interesse nicht vorhanden, trotz eifrig gerührter Werbetrommel. Mein Minijöbchen endete …
September

… im September schon wieder.
Ganz langweiliger Alltag kehrte ein. Äpfel und Birnen wurden reif und verlangten Verarbeitung, der gesamte Garten wollte endlich wieder meine Aufmerksamkeit. Die Tochter reiste zu ihrem Geburtstag an und blieb ein paar Tage. Nicht nur um zu feiern, sondern auch um bei der beginnenden großen Umräumerei und Renoviererei zu helfen. Ich bekam mein Nähzimmer zurück, nachdem im kleineren Raum unter der Terrasse der Boden abgeschliffen und neu versiegelt worden war. Der Jüngste zog wieder runter und ich sortierte sehr glücklich Garne und Stoffe zurück in Regale und Schränke.
Das bereits in Schweden muckende Knie wurde gleich zwei Orthopäden gezeigt. Der erste erklärte mir, ich sei nun eben nicht mehr die Jüngste und müsse mich mit zunehmender Bewegungslosigkeit abfinden (WTF?!), der zweite fand eine Entzündung und ein den Umständen entsprechendes (bereits sechsmal operiertes) ganz fittes Knie. Er empfahl moderate, sich stetig steigernde Bewegung und entließ mich mit den beruhigenden Worten, dass ein künstliches Gelenk derzeit nicht angezeigt sei.
Wir feierten ein kleines Federkuchenfest mit Freunden und ich bewegte moderat mein Knie, begeistert darüber, dass die Cortisontherapie anschlug. Es sieht so aus, als müsste ich den großen Trekkingrucksack nicht an den Nagel hängen.
Oktober

Der Winter wird kalt, weil wir müssen alle Energie sparen. Außerdem wird das Gas teuer. Ein willkommener Anlass für mich, um jede Menge Restequilts nähen. Im Nähzimmer stapelten sich bunte Haufen, die Nähmaschine lief heiß und trotzdem schrumpften die Stoffberge im Nähzimmer kaum merklich.
Mein fast voll einsatzfähiges Knie wurde endlich wieder bei Hunderunden gefordert. Wir wagten eine längere Wanderung und außerdem legte ich etliche Kilometer im blaugelben Möbelhaus zurück. Der Jüngste suchte sich eine Küche und ein Sofa aus, das Projekt „eine Wohnung in der Grünen Villa“ wird immer konkreter. Wir verhandelten mit dem Fliesenleger und dem Installateur für unser neues Bad und den neuen Flur, machten Aufträge fest und legten den Start fest: 2. November!
Den letzten Zwetschgenkuchen der Saison teilten wir mit den Freunden und planten dabei sehr spontan ein gemeinsames Wochenende in Hamburg. Dorthin brachen wir nach dem Geburtstag des Gatten auf. Ein paar wunderbare Tage waren das! Wir klapperten eine Menge touristische Attraktionen ab, der Gatte und der Schreinerfreund kletterten in die Takelage der Rickmer Rickmers und den Rest der Zeit speisten wir hervorragend.
November

Wie vereinbart startete am 2. November der Abriss unseres Bades und des Flurs. Es gab sehr viel Krach und Dreck und das blieb mit kurzen Pausen den ganzen Monat so. Vier neue Fenster wurden eingebaut, gewollte und ungewollte Löcher für neue Leitungen wurden in Boden und Wände geklopft, wunderschöne Wand- und Bodenfliesen wurden verlegt, wir bekamen ein neues Waschbecken und eine neue Toilette, leider nicht den von uns gewählten Heizkörper und eine schöne Dusche, die wir derzeit nicht nutzen können, weil die Duschwandfirma nicht in die Pötte kommt.
Einen schrecklichen Abend lang war der Wasserabfluss von Spüle, Waschbecken und Toilette verstopft, der Jüngste bekam, beim Versuch das zu richten, die schlimmste Dusche seines Lebens. Wir lernten am folgenden Tag vom Profi, was ein Urinsteingerüst ist und dass ein solches durch Bohrarbeiten und deren Erschütterungen zusammenbrechen und einfach alles verstopfen kann. Jetzt läuft alles wieder ab!
Dreck und Krach waren anstrengend und belastend, wir machten aber das Beste daraus. Feierten den Geburtstag des Großen, übten die für meinen Geburtstag geplante Feier mit den Freunden (die Cocktails müssen ja schmecken) und weil das Chaos nicht groß genug war, ging die Renoviererei in der künftigen Küche des Jüngsten weiter. Neue Fliesen, ein abgeschliffener Boden, der versiegelt wird, Wände streichen, Abwasser- und Wasserleitungen und Strom legen. Ziemlich viel, sehr, sehr anstrengend, dieser November.
Ich zauberte Weihnachten in die Schaufenster des Weltladens und tat dann das, was ich schon sehr lange tun wollte. ich schrieb einen langen Blogartikel über Long COVID und was es mit mir anstellt. Das hatte ein bißchen was von „auf der Straße nackig machen“, doch die allermeisten Reaktionen verletzten oder verspotteten nicht, ich fühlte mich verstanden, getröstet und getragen.
Dezember

Endlich Dezember! Der Dezember ist der wichtigste Monat des Jahres! Nicht wegen Weihnachten und Besinnlichkeit und Plätzchen und nur ein bißchen wegen glitzerigem Weihnachts-Schnickeldi. Im Dezember habe ich Geburtstags und ich mag meinen Geburtstag sehr. Dieses Jahr feierten wir ein rauschendes Fest, die Fiesta Méxicana. Tolles Essen, tolle Getränke und als ich am nächsten Morgen äußerst verkatert in die Küche kroch, stand der Große bereits Gläser spülend darin. Sehr, sehr großartig!
Mit den Freundinnen verbrachte ich einen tollen Tag in Mainz. Das hat mittlerweile auch schon Tradition! Wir frühstücken irgendwo und bummeln so lange durch sämtliche Schnickeldilädchen, bis wir Abendessenhunger haben. Den stillen wir in einem Restaurant, bevor wir satt vom Stadttrubel wieder heimfahren.
Mitte Dezember trudelte nicht nur der Tochter zum Weihnachtsbesuch ein, unser hauseigener Zoo vergrößerte sich! Lutz zog ein. Lutz ist mittlerweile 18 Wochen jung, hat ein flauschiges, schwarzes Fell, zu dem er weiße Socken und ein weißes Lätzchen trägt. Er ist ein hinreißender Welpe, wir sind sehr, sehr verliebt. Die Größe seiner Pfoten lässt uns etwas unsicher zurück. Er wird entweder riesig oder einfach nur sehr breit. Vermutlich Letzteres, seine Mutter ist eine Bracke, der Vater allerdings unbekannt. Er hat an den Hinterpfoten überzählige Zehen, eine weiße Schwanzspitze und bringt Schwung nicht nur in unser Leben. Lola wird genauso gefordert. Sie füllt ihre Tantenrolle perfekt aus, spielt und tobt mit dem Kleinen und rügt ihn, wenn er zu wild ist. Noch müssen wir nachts raus, damit er rechtzeitig zum Pinkeln in den Garten kommt, aber das ist hoffentlich bald vorbei. Unfassbar, wie sehr Schlafmangel schlaucht, noch unfassbarer, dass wir das jahrelang mit den Kindelein ausgehalten haben. (ok, wir waren drei, vier Jahre jünger)
Um Lutz dreht sich jetzt quasi alles, trotzdem hatten wir ein feines, kleines Weihnachtsfest. Eigentlich drei Feste. Das erste war vor Heilig Abend zusammen mit den Neffen, die endlich mal wieder zu Besuch da waren, das zweite an Heilig Abend zusammen mit Oma Eis, ihrem Lebensgefährten und der allerbesten Freundin und das dritte am ersten Feiertag, nur die Kindeleien, die allerbeste Freundin und wir (und ein paar Cocktails, Musik und Tanz). Wir haben dieses Jahr „das Fest ohne Geschenke“ ausprobiert. Das war in Ordnung, aber auch komisch. Ich packe eben genauso gerne Geschenke aus, wie ich welche mache. Mal sehen, wie wir das nächstes Jahr handhaben.
Für Silvester gibt es keine Pläne. (wir haben ja ein Baby im Haus!)
Wir werden uns den Kalender für nächstes Jahr vornehmen und für jeden Monat eine Wanderung heraussuchen. Da mit Hundekind eine größere Wanderung über Wochen nicht möglich sein wird, wollen wir Mehrtagestouren in den hiesigen Mittelgebirgen machen. (Hauptsache Wald, im Zelt schlafen und draußen leben.) Vielleicht schaffen wir es sogar, bis Mitternacht aufzubleiben und anzustoßen. Notfalls schlafen wir früh und wünschen wir uns gegen drei ein gutes, neues Jahr, wenn uns der kleine Hund zur Pinkelpause weckt.
Ob und wie es hier im neuen Jahr weitergeht, wer weiß das schon.
Rutschen Sie gut ins neue Jahr und bleiben Sie mir gewogen.
Immer die Ihre.