Blutige Details

24. November 2006

Aufgrund bohrender Nachfragen wird Frau … äh … Mutti einen Blick in ihr Krankenhausköfferchen gewähren: zwei pinkfarbene (Frau Jette, ich musste an Sie denken) Höschen, ganz ohne String dafür mit angedeutetem Bein und Snoopy auf dem Hintern. Zwei Paar dicke Socken (Frau Miest, ein Paar von Ihnen). Eine pinkfarbene Schlumberhose. Zwei T-Shirts vom besten Vater meiner Kinder, weil schön weit. Zwei Trägerhemden, falls das mit den T-Shirts nicht geht. Kulturbeutel, zwei Bücher (Moers, „Die Stadt der träumenden Bücher“ und Hornby, „A long way down“), Handtücher, den iPod, Geldbeutel, Handy.

Donnerstag morgen,
7:00 Uhr:
Frau … äh … Mutti quält isch aus ihrem kuscheligen Bett, in dem sie die ganze Nacht lustige Träume von sämtlichen Krankenhausserien hatte, die sie jemals in ihrem Leben sah. (die etwas intensivere Szene mit George Clooney wird hier allerdings nicht anschaulich beschrieben)
Unfairerweise serviert der beste Vater meiner Kinder keinen Kaffee und eine gewisse Mürrischkeit macht sich breit.

7:15 Uhr:
Mit dem Köfferchen im klammen Händchen steht Frau … äh … Mutti mit ihrem jüngsten Kind am Straßenrand und wartet auf die Schulbusfahrerin, die sich just an diesem Morgen verspätet. „Stau!“, entschuldigt sich die Busfahrerin fünf Minuten später.

7:54 Uhr:
Das war jetzt die achte rote Ampel.

8:06 Uhr:
Frau … äh … Mutti betritt Zimmer 310 und betrachtet die erotische Krankenhauskleidung, die für sie bereit gelegt wurde: ein in unschuldigem weiß gehaltenes Hemd mit sündigem Rückenausschnitt, nur gehalten von einer neckischen Schleife im Nacken. Dazu ein weißes Nylonhöschen in Pantieform, verbirgt nichts. Ausserdem weiße, halterlose Strümpfe mit einer neckischen Öffnung an der Fußspitze (Zeh-ouvert).
Leider lag die Kamera daheim, so dass es kein aufregendes Bild gibt.

8:45 Uhr:
Frau … äh … Muttis Magen knurrt. Und das ist sehr affig von ihm, weil er sonst auch nichts um diese Zeit bekommt. Ausser dem zweiten Viertelliter Kaffee. Der Magen des besten Vaters meiner Kinder knurrt solidarisch mit.

9:30 Uhr:
Die Tür öffnet sich und eine Schwester teilt mit, dass die Operation etwa kurz nach elf stattfinden wird.
Sie führt eine Frau ins Nachbarbett und hängt ihr einen Chemotropf an. Frau … äh … Mutti fühlt sich sofort sehr viel gesünder.

10:00 Uhr:
„Dann geh halt was essen!“, sagt Frau … äh … Mutti zum betsen Vater meiner Kinder, als dessen Magen immer lauter knurrt. Und tatsächlich lässt der treulose Mann sein leidendes Weib zurück.

10:30 Uhr:
Es geht los. Eine asiatische Schwester, die knapp über das Bett schauen kann, schiebt Frau … äh … Mutti in den Aufug. Im Aufzug befinden sich drei weitere weißgekleidete Menschen, die sich um das Bett drängen und freundlich auf Frau … äh … Mutti herablächeln. Der Aufzug fährt zwei Stockwerke nach oben und drei weitere Menschen drängen sich um das Bett. Vier Stockwerke nach unten, aber da wollte niemand hin. Ein weiteres Stockwerk nach unten und zwei Leute steigen aus. Und dann geht es nochmal ganz nach oben, die asiatische Schwester hat diesen Knopf garantiert nicht gedrückt, kalauert Frau … äh … Mutti äusserst schwarzhumorig und völlig lautlos vor sich hin.
Irgendwann ruckelt der Aufzug ins richige Stockwerk und das Bett samt schlechtgelauntem Inhalt wird in den Vorraum des Vorraums des OP-Raumes geschoben.

10:45 Uhr:
Die asiatische Schwester verabschiedet sich und Frau … äh … Mutti muss auf eine Art Servierplatte aus Edelstahl klettern. Die Platte war aber beheizt, so dass das nicht so schlimm war.

10:47 Uhr:
Kaum auf der Servierplatte heimisch gefühlt, musst Frau … äh … Mutti runter auf eine schmale Pritsche. Die Schwester, die beim Rüberrollen assistierte, verhinderte mit vollem Körpereinsatz, dass Frau … äh … Mutti schwungvoll von der Pritsche auf den Boden krachte. Mutti samt Pritsche wurden in den Vorraum gefahren.

10:49 Uhr:
„Hallo, wir sind für die Narkose zuständig!“ sagten zwei Augenpaare über grünem Papier zu Frau … äh … Mutti.
„Wollen Sie andere Musik im OP?“, fragte das eine Augenpaar.
„Äh? Höre ich denn überhaupt Musik in der Narkose?“, Frau … äh … Mutti war verwirrt.
„Nö, aber es steht zwei zu zwei. Wir wollen was Fetzigeres und wir dachten, dass SIE die entscheidende Stimme geben würden.“
Mozart war eigentlich ganz hübsch, aber da Frau … äh … Muttis Leben buchstäblich in den vier Händen dieser Männer liegen sollte: „äh, fetzig ist gut?“, stammelt Frau … äh … Mutti und bekam zur Beruhigung ein kleines Becherchen voll BÄH!-Saft zur Neutrlisierung der Magensäure.
Eine Blutdruckmanschette wurde um den rechten Knöchel geschnallt, ein Zugang in die rechte Hand gebohrt, ein Pulsmesser über den rechten Zeigefinger gestülpt und EKG-Saugnäpfe auf die Schulterblätter geklebt. „Dann mal los!“, sagte eines der Augenpaare und schob Frau … äh … Mutti in den OP. Und bevor diese richtig Angst bekommen konnte, wurde über den Zugang etwas gespritzt, das ein wunderbar warmes, weiches Gefühl machte und alles war gar nicht mehr schlimm. Dann kam das zweite Mittel und Frau … äh … Mutti schlief ei …

12:45 Uhr:
„Ah, da sind sie ja!“, sagte die Schwester im Aufwachraum.
„hmmm“, nuschelte Frau … äh … Mutti.
„Geht es ihnen gut? Ist ihnen übel?“
„n-n, hmm.“, Kopfschütteln ist auch nicht leicht.
„Alles ist gut gegangen, in zehn Minuten bringen wir sie auf Station“
„rüh-ück?“, Frau … äh … Muttis Stimme kommt noch nicht mit ihren Wünschen mit.

13:00 Uhr
Zurück auf Station und der beste Vater meiner Kinder behauptet, Frau … äh … Mutti sei nicht verwirrter als sonst.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Frau … äh … Mutti im Krankenbett nahezu verhungert, in Schwesternbegleitung die Toilette aufsucht, sich der Krankenhauskleidung entledigt und weitere „spannende“ und „mitreissende“ Geschichten. Jetzt erst eine kurze Pause.

(ist das schön, wieder eine Tastatur auf dem Bauch zu haben!)

6 Kommentare zu “Blutige Details”

  1. jette sagt:

    Ich mußte kurz unterbrechen, um zur Toilette zu gehn, ich war ganz aufgeregt. Habe nun kalte Hände vom Lesen.

    Und wie nett, daß Sie an mich … äh … dachten.

    (Päckchen schon da?)

  2. Sternenstaub sagt:

    ist das schön von Frau … äh … Muttis-Erfahrungen zu lesen. Bin gespannt auf die Fortsetzung.
    Liebe Grüße und gute Besserung
    Sternenstaub

  3. Anydream sagt:

  4. Anydream sagt:

    Sorry, war ganz zappelig nach dem Lesen, und da war der erste (leere) Kommentar auch schon weg! Schoen, das Sie wieder da sind, und das alles soweit sogut gegangen ist, bin mal gespannt auf den Rest des „Abenteuers Krankenhaus“, der dann auch hoffentlich bald zu lesen ist :D

  5. MANU sagt:

    Liebe Frau … äh … Mutti, ich mag Ihre Art zu schreiben und komme immer wieder gerne…

    Viele Grüße

  6. dasMiest sagt:

    Bei solch' netten Berichten könntest du ruhig öfter mal ins Krankenhaus… Nee? Na gut.

    Aber auch ich freu' mich, dass du wieder da bist und auf den zweiten Teil. Kam denn wenigstens noch einer, der wie Clooney oder Kova… (wie auch immer der geschrieben wird) aussah?