Mutter und Tochter im Krankenhaus
7. November 2006
mal wieder
Ein neuer Termin stand an, diesmal in der Kommunikationsklinik. Es sollte ausgeschlossen werden, dass ausser dem Tinnitus (ich berichtete) eine Schädigung des Innenohrs vorliegt.
Töchterlein verschwand recht pünktlich zum Hörtest. Dieser zog sich eine gute Stunde hin und ich hatte somit Gelegenheit, die weiteren anwesenden Patienten im Wartezimmer zu beobachten. Ja, mein jüngstes Kind hat Hör- und Sprachprobleme. Aber eine gute Stunde im Wartezimmer einer Kommunikationsklinik relativiert da doch Vieles. Dies aber nur nebenbei.
Töchterlein kam strahlend vom Hörtest zurück, gute Mitarbeit wird mit Gummibärchen belohnt. Kurze Zeit später folgte ein weiterer Hörtest, der fünfte in knapp drei Wochen. Dabei hat das Kind nur zwei Ohren.
Und dann begann die Warterei, denn mit einer Ärztin sollte der Hörtest besprochen werden. Schon nach etwa einer Stunde wurden wir in einen Untersuchungsraum gebeten. Ein Anamnesebogen musste ausgefüllt werden. (Das große Fragezeichen auf meinem Gesicht ist noch nicht ganz verblasst, denn noch immer verstehe ich das Verwaltunssystem der Unikliniken nicht. Mit jedem Stationswechsel muss ein neuer Bogen ausgefüllt werden?!). Töchterlein ließ sich brav in Ohren, Nase und Hals schauen, durfte von der Mischung zwischen Piepsen und Brummen in ihren Ohren erzählen und auch mal wieder, seit wann sie das Geräusch hört.
„Hm“, sagte die Ärztin, „Ich bin mir nicht so sicher, ich möchte erstmal die Chefin dazu befragen, Sie warten bitte hier.“
Wir warteten und erfuhren eine halbe Stunde später, dass man da nix machen kann. Allenfalls ein Ginkopräparat könne verschrieben werden. Ob dieses Präparat nun aber helfe oder nicht, könne nicht gesagt werden, da die Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei. Ein Ärzte-Mütter-Beruhiggungspräparat sozusagen.
„Gehen Sie dann bitte in die HNO-Klinik, zum Abschlussdiagnosegespräch“, sagte die Ärztin.
Wir fuhren acht Stockwerke nach unten, gingen durch drei Gänge und um zwei Ecken und meldeten uns brav an.
„Wissen Sie was?“, sagte die Dame an der Rezeption, „Ich gebe Ihnen mal die Akte von Ihrer Tochter und die geben Sie am Schwesternzimmer ab.“
„Ah!“, sagte die Schwester am Schwesternzimmer, „Ich gebe die Akte direkt dem Doktor, warten Sie bitte einen kurzen Moment!“
Der kurze Moment zog sich dann doch etwas länger hin. Töchterlein und ich unterhielten uns derweil mit dem Verzehr der mitgebrachten Kekse und Kaubonbons und machten uns gegenseitig komische Geräusche ins Ohr. Die neben uns sitzende ältere Herr warf uns bisweilen strenge Blicke zu, die wir aber gekonnt übersahen. Nach eienr halben Stunde zückte Töchterlein ihren Gameboy und ich musste mich alleine weiter langweilen. Gerade als Töchterlein das schwierige Level fast geschafft hatte, wurden wir in Behandlungsraum 3 gebeten. Töchterlein leierte erneut die Landeanflug-wehes-Ohr-Geschichte herunter, Mutter fasste kurz die bereits stattgefunden Untersuchungen zusammen und der Arzt las die mitgebrachte Akte.
„Oh!“, sagte er, „Das würde ich gerne mit meinem Chef besprechen! Bitte nehmen Sie so lange noch im Wartezimmer Platz, das dauert nicht lange.“
Wir aßen einen weiteren Keks, tranken einen Schluck Wasser, kauten ein Kaubonbon und vertrieben uns die Zeit mit dem Herausknobeln von neuen Wörtern aus dem Wort „besetzt“. Ausserdem malten wir uns Worte auf den Rücken, zählten die Kaugummis, die unter die Stühle geklebt waren und flochten uns die Haare. Nach einer Dreiviertelstunde bat man uns in das Chefzimmer, wor wir, nach kurzer Begrüßung, kurz erzählten, wie das Geräusch klingt, seit wann es klingt und welche Tests schon durchgeführt worden waren. Zudem war der Chef persönlich einen Blick in Töchterleins Ohren, die Nase und den Hals, um uns dann mitzuteilen, dass Töchterlein unter einem Tinnitus leidet. Diese Diagnose war uns nicht wirklich neu.
„Behandeln kann man da nix.“, sagte der Chef, „Bei einem Erwachsenen würde man eine Infusionstherapie einleiten, doch das macht man bei Kindern nicht. Es gäbe da allerdings dieses Ginkopräparat …“
„… dessen Wirksamkeit aber nicht wissenschaftlich erwiesen ist.“, ergänze ich.
„Wie ich sehe sind sie gut informiert“, schmunzelt der Chef und entschuldigt sich für die lange Wartezeit. Ausserdem erklärt er, warum so gründlich untersucht werden musste:
„Tinnitus bei Kindern ist eher selten und da sollte schon nachgeschaut werden, wo die Ursachen zu finden sind.“
„Naja,“, sage ich, „Töchterlein hat großen Druck, leidet unter Stresse und wird täglich mehrmals geschlagen. Ganz klar psychische Ursachen.“
„Und genau deshalb kann ich Sie nun beruhigt nach Hause schicken, in spätestens einem halben Jahr sollten die Ohrgeräusche abgeklungen sein, dann wenn das Ohr komplett geheilt ist. Ansonsten sehen wir uns eben nochmal.“
So nett der Chef auch war, für´s Erste reicht das. Anfang nächsten Jahres starten wir das Programm allerdings erneut, diesmal mit dem jüngsten Kind. Ich freu mich jetzt schon drauf.
7. November 2006 um 22:38
Das hast Du echt gesagt????
Entsetzt-amüsierte Grüße
anabel
8. November 2006 um 08:53
Na, da weiß Mutter, was sie den ganzen Tag getan hat :(
Ich hoffe sehr für Euch, daß der Tinnitus bald verschwindet und vielleicht hilft das Gingkopräparat wirklich.
Einen Versuch ist`s wert.
Liebe Grüße und gutes Erholen
Susanne
8. November 2006 um 09:00
Jaaa, HNO-Unikliniken sind soooo prima. Diese Wartezimmerodyssee scheint da überall gleich zu sein. Ich darf Ende des Monats wieder mit dem Kinde hin, hach, was freu' ich mich.
Sehr mitfühlende Grüße vom Miest
8. November 2006 um 10:28
Na, toll… ich wurde nach dieser (allerdings erfolglosen) Gingkopräparat- und einer Infusionsbehandlung als unheilbar entlassen. Das ganze hatte auch tolle Nebenwirkungen, Rotwein kann niemals nicht so tüddelig machen ;-). Man hat mir erklärt, dass eventuell innerhalb eines halben Jahres noch Hoffnung für mich bestünde. Supi! Aber, oh Wunder, nach 2 Jahren ohne eine Therapie, nerviges Ärztehopping und Geräusch-als-mir-zugehörig-betrachten verschwanden die Geräusche von selber. Weg! In meinem Ohr pfeift und klingelt vorläufig keiner mehr :-))). Gebt nur die Hoffnung nicht auf!
LG Jana
8. November 2006 um 13:46
Ich hatte letzten Dezember auch einen Hörsturz mit Tinnitus.
Die Infusionstherapie (10 Tage stationär im Krankenhaus) hat nichts gebracht und die Gingko-Präparate auch nicht. Letztere fördern die Durchblutun des Gehirns.
Ich lebe mit meinem Tinnitus. An guten Tagen ist er leise und wenn ich erkältet bin oder im Stress wird er schon mal lauter (ein gutes Alarmsignal) – man muss den Dingen ja auch mal was positives abgewinnen, wenn man schon damit leben muss. Aber für Kinder ist das sicher schwerer zu ertragen und vor allem die Behandlung in der Klinik ist unter aller Kanone. Können die sich nicht besser organisieren. Da weiß doch die linke Hand nicht was die rechte tut und als Patient muss man ständig aufpassen, dass da alles richtig läuft. Fachkompetenz nennt man das wohl.
Liebe Grüße und gute Besserung für alle Ohren
Sternenstaub
8. November 2006 um 14:53
Mir hat das Gingko auch nichts gebracht… ich habe wegen meines Gehörs demnächst eine Hypnosesitzung, vielleicht kriege ich da raus, woran es liegt. Wenn nicht, dann werde ich mich an die
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in Bad Arolsen wenden, die behandeln auch Beschwerden, die kein Tinnitus sind.
Und dieses Warten und zigmal mit dem gleichen Mist rumgeschickt werden ist sooo ätzend :(
Liebe Grüße an das Kind und wenn ich Reiki schicken soll, bitte einfach Bescheid geben.