Frau … äh … Mathelehrerin
9. November 2009
Frau … äh … Mutti sitzt mit zwei zehnjährigen Knaben am Küchentisch. Heute ist nämlich schulfrei und weil am Donnerstag eine Mathearbeit geschrieben wird, haben die Jungs eine Liste von Aufgaben, die sie zur Übung rechnen können/sollen.
„Runde sinnvoll und schreibe Überschlagsrechnungen auf.“ So steht es im Buch.
„Weisst DU was man da machen soll?“, wispert es am Tisch.
„Neee, hab ich NOCH NIE was von gehört!“, flüstert die andere Stimme.
Ganz schlechte Vorraussetzungen für konzentriertes Arbeiten.
Frau … äh … Mutti schreitet mit motivierendem Lächeln an den Tisch, lässt sich das Problem zeigen und erklärt geduldig das, worüber bereits eine Arbeit geschrieben wurde: das Runden. Bis vier abrunden, ab fünf aufrunden.
„Ach soo! Stimmt ja!“, schallt es zweistimmig vom Tisch und eifrige Kindelein neigen ihr Haupt erneut über die Aufgaben und beginnen … nicht zu rechnen.
„Blöde Aufgaben“, murmelt der eine.
„Stimmt“, bestätigt der andere.
„Immer soll man genau rechnen …“, schimpft der eine.
„…und dann aufeinmal so uuungefääähr.“, ergänzt der andere.
„Wir haben es immer noch nicht verstanden!“, erklären beide einstimmig.
27.402 – 27.223 =
so lautet die Aufgabe.
Geschickt gerundet haben die Jungs:
27.000 – 27.000 = 0
hm. Das ist sehr geschickt, aber wie erkläre ich nun, dass sie vielleicht ein bißchen ungeschickter runden sollen?
Während ich noch überlege und nach freundlichen Worten der Erklärung suche, sind die beiden längst auf Seite 28 angelangt. Eine Menge Minusaufgaben. „Entscheide vor dem Lösen der einzelnen Aufgaben, ob du schriftlich oder im Kopf lösen möchtest.“
Entschuldigung, aber … hä?
Die beiden eher schreibfaulen Jungs entscheiden sich umgehend für die Kopflösung und beginnen vor sich hinzubrabbeln. Die ersten Ergebnisse sind in Ordnung, dann schleichen sich Fehler ein. „Was spricht denn gegen schriftliches Rechnen?“, frage ich.
„Eigentlich nix“, finden beide.
Dagegen spricht evtl., dass beide nicht mehr so recht wissen, wie das geht, das schriftliche Subtrahieren. Deshalb kratze ich meine Engelsgeduld zusammen und beginne zu erklären. Selbstverständlich hat das die Mathelehrerin in der Schule ganz anders erklärt. Und natürlich kann sie das viel besser erklären. Klar, dass ich einfach zu doof zum Erklären bin. Und völlig logisch, dass ich SCHULDSCHULDSCHULD an allem bin. Immer. Und ewig.
Vor allem aber bin ich froh und dankbar, keine Mathelehrerin zu sein.
(Noch drei Aufgaben, dann dürfen sie spielen gehen. Und ich einen Kaffee trinken.)
9. November 2009 um 12:13
Ich muss nur lächelnd nicken oder? Tue ich hiermit…
9. November 2009 um 12:14
Wo nehmen Sie bloß die Engelsgeduld her? Wir schaffen das nie ohne das wir uns erstmal anschreien, dann fließen Tränen (auf beiden Seiten) und dann plötzlich können wir gelassen zusammen arbeiten.
9. November 2009 um 12:56
„Und natürlich kann sie das viel besser erklären. Klar, dass ich einfach zu doof zum Erklären bin. Und völlig logisch, dass ich SCHULDSCHULDSCHULD an allem bin. Immer. Und ewig.“
Kenne ich. Absolut vertraut. Täglich begegnet man mir so. In den Stunden des Tages nämlich, in denen ich als Mathelehrerin durchs Leben gehe ;-))
Mit „sie“ ist dann in der Regel die Mutter gemeint.
Sie sollten sich mal kundig machen, ob die Kindelein nicht gleiche Rede über Sie führen, gegenüber der Lehrerin? Wäre doch selbstbewusstseinsfördernd für Sie, vielleicht.
Schimpfen gehört zum (Schüler)Geschäft, müssen wir uns immer sagen. Und ich wiederum ziehe meinen Hut vor dem nachmittäglichen Mütterjob bei Schulaufgaben, denn ganz sicher: Mathelehrerin zu sein ist einfacher. Bin ich doch den Emotionen nie länger als 90 Minuten am Stück ausgesetzt …
Und eins schwöre ich mir: Nie nie nie werde ich mich in die Mathe-Hausaufgaben meiner eigenen Kinder einmischen. Sage ich jetzt. Denn so sehr ich meinen Hut vor der altäglichen Mütterarbeit ziehe, so sehr hasse ich den Spruch: „Meine Mutter ist Lehrerin, und die hat gesagt …“ Nee, ein no go. Da paart sich Mütter-Unsolidarität mit Lehrerinnen-Unsolidarität … aber das ist wieder ein anderes Thema.
Herzliche Grüße und gutes Durchhalten bis Donnerstag!
Uta
9. November 2009 um 15:24
Hallo, das kommt mir doch alles so bekannt vor. Ich mache seit etlichen Jahren Hausaufgabenhilfe an einer Grundschule mit überwiegend Kindern aus Elternhäusern mit Migrationshintergrund. Da geht dann auch ständig die Diskussion los, das die Lehrerin es angeblich ganz anders erklärt hat. Es gibt Tag da mache ich wirklich drei Kreuze und will eigentlich nur noch nach Hause. Aber am nächsten Tag geht man doch wieder hin und manchmal läuft dann auch alles viel besser. Ich habe 2 Kinder die erwachsen sind im Studium und habe das wo sie klein waren auch alles mitgemacht. Manchmal mit Nerven wie ein Gummiband. Also Kopf hoch irgenwann geht auch diese Zeit vorbei und dann freut sich das Muttertier wenn die Kinder mal wieder zu Besuch kommen. Tschau Christel
9. November 2009 um 16:09
Hach, und ich bin soo froh, dass ich deinen drittletzten Satz genau andersrum formulieren kann ;-) Aber noch froher bin ich über geduldige MÜtter, übende Kinder und deinen drittletzten Satz!!!
Btw: Überschlagsrechnungen sind klasse, aber die Schüler lassen sich nur ungern dazu herab ;-)
LG
9. November 2009 um 17:11
köstlich, wie geschickt die Jungs gerundet haben….
(und div Lern-Szenarien kenne ich freilich auch…
wir haben hier einen 5.-Klässler im Haus)
grins
9. November 2009 um 17:16
Ach die Berichterstattung ist köstlich und der Sachverhalt ist in diesem Hause auch wohlbekannt. Und wie bei allem im Leben gibt es gute Tage (da bin ich megagelassen) und schlechte Tage (da reißt mir schnell die Geduld) und dann gibt es dann noch die Tage wo der Sohn anderst rechnet, wie die Lehrerin erklärt bzw. ich erkläre und damit dann auch noch schneller ist.
LG
Annette
9. November 2009 um 19:34
Also wir haben uns ganz schnell nach einer Hausaufgabenhilfe umgeguckt, sonst wäre der häusliche Frieden völlig drauf gegangen … Ich beneide Sie um Ihre Geduld, Frau…äh…Mathelehrerin!
9. November 2009 um 20:20
Wenn Sie noch einen dritten (fast 10jaehrigen) im Bunde brauchen, sagen sie mir bitte Bescheid.
Ich schicke Ihnen den dann umgehend zu. Aber ich muss sie warnen, es koennte sein, dass er ihren Akzent nicht mag. Er hat naemlich empfindliche Ohren und kann nur mit vernuenftigem Englisch leben ::))
9. November 2009 um 21:18
Überschlagsrechnung??? Was zur Hölle ist das?
Himmel, bin ich froh, dass ich nie wieder in die Schule muss.
(Oh. Moment. Shit. Ich BIN in der Schule. Ich mache eine Heilpraktikerausbildung. *räusper* Ehm…ichgehmalabendessnmachn… -ab-)
9. November 2009 um 22:51
Naja, es gibt sehr wohl Fälle, in denen bestimmte Dinge heute anders erklärt werden, als sie früher wurden. Deswegen kann es durchaus richtig sein, wenn ein Kind meint, das sei in der Schule ganz anders erklärt worden. Im reiferen Alter kann man dass dann nicht mehr unbedingt nachvollziehen, weil das alles doch irgendwie so~o einfach ist und beide Rechenwege absolut klar.
(Geht mir persönlich zB mit den x-Rechnungen so, als ich das vor knapp 10 Jahren in der 5ten Klasse nicht noch in derselben Sekunde perfekt konnte, hab ich meine Eltern gefragt – die nur leider vor 40 Jahren einen völlig anderen Rechenweg gelernt hatten. Das wurde auch offiziell von meiner Mathelehrerin bestätigt, sonst würd ich das selber nicht mehr glauben…)
Ich bezweifle stark, dass das hier zutrifft, da der Jüngste ja eben 2 ältere Geschwister hat, die vor kurzer Zeit ebenfalls geschickt runden sollten, aber ich wollts mal gesagt haben.
10. November 2009 um 01:40
Ach jaaaa… ich kenne das leider auch nur ZU gut! Falls es Sie tröstet: Ich bin auch nicht fähig, irgendwas richtig und verständlich zu erklären und schuld bin ich auch immer und an allem ;-)) Und böse sowieso und außerdem…
Ich bin der ARGE sehr dankbar, daß die mich „gezwungen“ hat, den Kleinen in den Hort zu geben… Die Mittlere ist in einer Ganztagesklasse (auf eigenen Wunsch!) Das entspannt die häuslichen Hausaufgabenkämpfe doch sehr – aber nicht daß Sie denken, ich habe hier die himmlische Ruhe… hier gehts schon noch des öfteren so zu wie bei Ihnen beschrieben – nur nicht mit so einer Engelsgeduld von meiner Seite her ;-))
10. November 2009 um 15:25
Oje… wenn ich das hier so lese, erinnere ich mich mit Schrecken an meine Mathe-Übungen zu Hause… oder harre der Dinge, die da kommen, wenn mein Kind nächstes Jahr eingeschult wird. Wird bestimmt… aufregend… und so ;)