Wildpferde galoppieren durch die freie Natur
17. Mai 2010
erzählt das jüngste Kind und das ist zwar beinahe poetisch, aber leider auch noch meilenweit weg von dem, was es wissen müsste. Morgen nämlich wird eine Arbeit in Sachunterricht über das Thema „Pferde“ geschrieben und da muss noch eine Menge gelernt werden.
Zum Glück im Unglück ist das Kind heute nach seinem gestrigen Übelkeitsanfällen fast wieder genesen und kann lernen. Oder so tun, als würde es lernen. Denn lernen muss gelernt werden und wir stehen noch ganz am Anfang. Doch wie bringt man jemanden bei, wie „lernen geht“? Der Große liest sich etwas durch und weiß es dann – meistens. Die Mittlere liest es sich mehrmals durch und murmelt vor sich hin – und der Kram sitzt. Der Jüngste hingegen … liest sich die Hälfte durch, schaut sich Bilder an und sagt: „ok Mama, jetzt kann ich´s.“ Was dann eben nicht so ist. Leider.
Er tut sich schwer. Auswendiglernen ist eine Qual. Wenn die Hausaufgabe lautet: Lerne das Gedicht xyz auswendig, dann möchte ich heulen. Er erfasst nämlich das Konzept Reim nicht. Sinngemäß wird ein Gedicht verstanden, doch den Rhythmus der Sprache und den Klang der Reime findet er nicht. Singen und Melodien wiedergeben kann er übrigens auch nicht. Das erschwert das Lernen so unsagbar, denn die berühmten Eselsbrücken fallen komplett weg. Wir müssen neue Brücken bauen und das bis zur Erschöpfung von Kind und Mutter.
Mündliches Abfragen klappt deutlich besser als ein geschriebener Test. Denn der Weg vom Wissen über die Füllerfeder auf´s Papier ist zu lang. Vielleicht auch zu anstrengend. Ich kann es beinahe verstehen, wenn ich mit Kugelschreiber oder Füller schreibe, werden meine Texte deutlich kürzer. Mit der Tatstatur schreiben dürfte er, laut Schule. Wir würden es auch erlauben und ihn in einem Schreibmaschinenkurs einschreiben. Doch für die hier angebotenen Kurse ist er zu jung, die „do it yourself“-Kurse in Spielform bauen auf Geschwindigkeit, doch wir entdecken die Langsamkeit :)
Mündliche Abfragen mit geduldigem Warten auf Antworten – das wär´s. Denn das Wissen ist da, eine Menge Wissen ist da. Doch die Zeit um herauszufinden, was dieses Kind kann und weiß, die kann sich kaum einer nehmen.
Leider. Wir üben also weiter so zu sein, wie man sein muss, um zu bestehen. Vor Gleichaltrigen, in der Schule und wohl auch im Leben. (frustig, das.)
17. Mai 2010 um 10:07
Mir schwant auch mehr Zeit am Küchentisch, wenn ich deine Zeilen so lese. Ab August geht unsere Nummer 6 ja dann in die Schule. Unser Joker für „Pisa“. O.k. er wird Integrationskind und durch seine Hemiparese ist ein Computer zum schreiben auch möglich, aber das ist alles Theorie. In der Praxis sehe ich auch schon viele Tränen fliessen ! Ich werde mich auch umstellen müssen, denn bei den 5 Brüdern davor lief und läuft es auch von alleine. Viele Grüße Ute
17. Mai 2010 um 10:20
Bekommt er sonderpädagogische Förderung im Rahmen eines GU? Ich meine, haben Sie Kontakt zu einer Förderschule für Hören und Kommunikation? Bei meiner Jüngsten war die Frage, ob sie eine solche Schule besucht (die ist aber 70 km von zuhause entfernt) oder ob sie im Rahmen eines Gu (gemeinsamer Unterricht) in einer Regelschule beschult wird. Seitdem sie ihren GU-Lehrer hat, haben sich Tonnen von unseren Schultern gehoben… eine Offenbarung! Sie ist allerdings einseitig taub und bei Ihrem Jüngsten hört es sich nach auditiver Wahrnehmungsstörung an…aber auch dafür ist eine Schule für Hören und Kommunikation zuständig.
Vielleicht wissen Sie das ja auch schon alles. Ich würde nur so gern helfen, vor allem dem Jüngsten! Er wird noch soo lange zur Schule müssen, und es ist so eine Schande, wenn das für ihn solch eine Qual bedeutet. Er ist halt ein besonderes Kind, wie Sie immer so schön schreiben.
Trotzdem: Kopf hoch. Auch wenn´schwieriger ist als bei den anderen beiden: er wird es schaffen. Auf einem besonderen Weg eben.
Viele Grüße
Angie
17. Mai 2010 um 10:38
Liebste Frau .. äh .. Mutti, ich kann Ihnen gerne aus der Firma ein zehn Finger programm zukommen lassen per Mail. Es ist sehr Kinderfreundlich aufgebaut, klein im Anhang und geht damit um den Nutzern zu zeigen welche Finger man wo gebraucht. Schnelligkeit ist reine nebensache dann. Wenn Sie Interesse haben, wenden Sie sich an die Mail Adresse aus diesem Kommentar ich schicke es dann sofort los. Ach ja, es kann von jedem Windows System genutzt werden von 95 bis heute. :)
17. Mai 2010 um 11:04
hallo fraumutti!
braucht der jüngste denn unbedingt einen kurs? es gibt doch auch heute schon so programme, mit denen man das lernen kann… oder zur not mit nem buch?!
oder einfach nur durch üben? ich schreibe auch wahnsinnig schnell, allerdings nicht mit den zehn fingern so wie es sich gehört.
kann man das nicht zu hause irgendwie üben?
glg
17. Mai 2010 um 12:44
ich habe mich lange mit der theorie der multiplen intelligenzen auseinandergesetzt und habe im rahmen dessen, eine methode oder einen ‚trick‘ gefunden, der für menschen mit einer stärke/ intelligenz im räumlich-visuellen bereich super funktioneren kann:
verschiedene aspekte des themas auf einzelne blätter notieren (ggfs durch bilder oder illustrationen unterstützt) und diese an eine wäscheleine (die beispielsweise in einem quadrat gespannt ist) hängen. nun diesen ‚wissensweg‘ ablaufen und blatt für blatt lesen bzw. später einer anderen person erklären.
(hilft z.b. auch, um eine geschichte flüssiger zu erzählen).
viele grüße!
mirjam
17. Mai 2010 um 14:37
Liebe FrauMutti!
Das mit dem Lernen lernen kenn wir hier zugut, gepaart mit LRS ist alles schriftliche eine Qual und mir graut schon vor dem Gymnasium ab September.
Hab leider auch kein Rezept und bin manchmal mehr als traurig, dass solche Kinder durchs 08/15-Raster fallen oder immer wieder mühselig aufgebaut werden müssen.
Liebe Grüße
Annette
17. Mai 2010 um 14:59
Oh weia, das klingt wirklich schwierig für Sie beide. Ich kenne das Gefühl des nicht verstehens von mir selber, ich habe auch mehr versucht, anhand der Bilder zu lernen. Alles was man liest bleibt nicht hängen, egal, wie oft man es versucht. So wie Mirjam es oben beschrieben hat , mit dem Wissensweg, hat mir auch gut geholfen. Leider hatte ich keinen, der mir lernt, denn meinen Eltern wurde gesagt, Kinder sollen ganz alleine Hausaufgaben machen. Für mich ganz schwierig, denn so konnte mir mit dem Visualisieren keiner helfen. Am Anfang ann man sich das noch nicht selber erarbeiten.
Ich kann aber nur Mut zusprechen: ein Abi hab ich trotzdem geschafft, in einem Rutsch, zwar mit mäßiger Note, aber immerhin ;-)
17. Mai 2010 um 16:27
p.s.: ich hatte aber KEINE LRS, „nur“ Lernschwierigkeiten. Bestimmt gibts da heutzutage auch nen Fachausdruck für ;-)
17. Mai 2010 um 18:28
jetzt kommen mir aber echt fast die Tränen.
Ich weiß genau was Sie meinen, bei uns ist es der Mittlere, bis zur Einschulung immer das glücklichste Kind der Welt, nichts und niemand konnte ihn betrüben.
Die Schule mit ihrer Gleichmacherei hat ihn so getroffen, dass wir beide oft geweint haben.
Wir mussten zum IQ-Test, ADS-Test und so weiter.
Letztendlich hat er eine Klasse wiederholt und sich den schulischen Anforderungen angepasst.
All die Therapeuten haben uns gesagt, dass er eigentlich ein ganz „normales“ Kind ist, der einen überdurchschnittlichen Verbal-IQ hat und einen durchschnittlichen Handlungs-IQ , er spricht halt viel mehr als die meisten hören wollen.
„Sachen machen“ ist nicht so sein Ding, er will jetzt später mal Bundeskanzler werden, denn da braucht man kein Abitur und kann jeden Tag einen Anzug anziehen!
Ich finde ihn übrigens ganz besonders Wunderbar.
glg Doreen
17. Mai 2010 um 19:12
Nur so ganz auf die Schnelle, ohne die oben geschriebenen Vorschläge durchgelesen zu haben: Ich empfehle meinen Schülern (bei denen wohl auch der Weg vom Kopf bis zum Papier meist zu lang ist oder die behaupten \ich hab aber gelernt\ und dies mit einfach nurmal durchlesen verwechseln) folgendes:
Mach dir ne Mindmap zum Thema oder
Schreib deinem besten Freund /Freundin einen Brief, in dem es um das betreffende Thema geht oder
Erstelle ein Quiz für deine Freunde / deine Familie oder
Wandle ein bekanntes Spiel so ab, dass das Thema darin vorkommt (es geht hier von Memory bis Uno so einiges) oder
Mach Fotos von den Stichworten / Gestalte die Stichworte in Schönschrift und lege ein Fotoalbum an oder
Lies dir die verschiedenen Sachtexte, in denen das GElernte vorkommt, selbst vor und nimm sie auf dem handy / DIktiergerät auf oder oder oder.
Es klappt komischerweise ganz gut, obwohl der Zeitaufwand groß erscheint.
Vielleicht ist ja was für den Sohnemann dabei – ich fühle mich Ihnen und finde die Aussage mit den Wildpferden total poetisch!
LG Jule
17. Mai 2010 um 22:03
Haben Sie einen Reiterhof in der Nähe? Als Junge wäre er dort der Held unter Mädchen, die ihm wahrscheinlich alle die Hausaufgaben abnehmen. Weil die Lehrerin bestimmt auch Pferde mag, wird sie ihm verzeihen.
Später muss er dann keine Gedichte mehr auswendig lernen und kann in Deutsch-Leistung mit Interpretationen und Wildpferdeprosa glänzen.
Dann studiert er Kunst und verkauft seine Bilder für schweinisches Geld und kauft Ihnen eine Villa + Gärtner….
Gedichte auswendig lernen könnte ich übrigens auch nicht und in den Schulchor wurde ich noch nicht einmal aufgenommen. Und geht trotzdem alles ganz gut heute :)
Also, nur Mut!
17. Mai 2010 um 23:45
Gerade am Wochenende hat uns ein Ehepaar von den Sorgen mit ihrem hochbegabten Sohn erzählt. Er ist musisch begabt. Müsste eigentlich zu den 13 bis 14-Jährigen, ist erst 9. Ist in der normalen Schule furchtbar unglücklich. Sie wollen es jetzt mit der Waldorf-Schule versuchen.
Ihnen und Ihrem Jüngsten wünsch ich, dass Sie den richtigen Weg finden, dass ihm die Schule Spaß macht und er Erfolg hat.
18. Mai 2010 um 08:28
Och menno. Ich kann auch sehr gut mitfühlen, hab hier auch so ein wundervolles Kind(12), das den Anforderungen der Schule, wie sie hierzulande praktiziert wird nicht gewachsen ist. Dazu dann noch Legasthenie und ein Klassenumfeld, das zum Ko… (entschuldigen Sie diesen Ausdruck)ist. Dafür ist es auf ganz, ganz vielen anderen Gebieten, begabt, ausdauernd, klasse, dass man einfach immerwieder nur Bewunderung hat, wie dieser kleine Mann jeden Tag erneut den Weg zur Schule überhaupt auf sich nehmen kann, ohne bisher daran zerbrochen zu sein. Erst gestern abend saß er weinend am Küchentisch und erzählte von Schikanen seines Mitschülers, gegen sich(während des Unterricht´s). Jedoch heute Morgen ist er ohne Anstand wieder losgezogen in den täglichen Kampf. (Als er in der 2. Klasse war hat er mal gesagt: Die Schule ist für mich wie ein Monster, dass mich verschluckt und am Ende des Schultages wieder ausspuckt.) Seitdem und auch davor haben wir zig Ergo-,Legasthenietherapien und auch Logopädie, sowie Förderunterricht gemacht, bis wir alles aufgehört haben, denn mittlerweile sind wir der Meinung, das unser wunderbares Kind seinen Weg auch so finden und gehen wird. Ihnen wünsche ich viel Geduld und Gelassenheit im Umgang mit Ihrem jüngsten. Übrigens, das andere Kind(8)von uns kam 1 Jahr früher in die Schule und macht alles mit Link´s.
LG Diana
18. Mai 2010 um 11:01
Sag es bloß nicht – dieses Wort – Hausaufgaben. Nicht ist schlimmer, wenn man Mutter ist und es gibt immer wieder Streit. „Nein, die Lehrerin hat aber gesagt so …“ höre ich von dem einen, der andere hat ein enormes Konzentrationsproblem. Heute finde ich die Hausaufgaben sogar schlimmer, als damals als ich sie selbst machen musste.
Ich finde es so furchtbar, dass Schule so ist, dass nur die Kinder nicht durchfallen, die genau ins Schema passen. Alles was anders ist, muss gleich gemacht werden. Ich will aber nicht, dass mein Kind gleich ist, sondern so wie es ist. Schade, dass Schulen dem selten Raum bieten.
Ich glaube, so mache ich es zumindest, rausfinden, wie das Kind gut lernt und im die Möglichkeit geben in Abstimmung mit den Lehrern, das auch so zu tun. Ich habe bei meinem Sohn schon viele Sachen ausprobiert und beim Lesenlernen und der Lernmotivation und auch schon Erfolge erzielt. Kopf hoch. Liebe Grüße, nik
18. Mai 2010 um 19:26
Zu dem, was Sie gesagt hatten, von wegen der Jüngste hat das Problem, dass er sich die Dinge nur halb durchliest, und es dann nicht kann: Haben Sie einmal einen Lerntyptest mit ihm gemacht? Vielleicht würde es ihm leichter fallen, den Stoff zu hören, und ihn sich so zu merken, anstatt es zu lesen. Das bedeutet (leider), dass man es ihm permanent vorliest, oder mit dem Webcammikro aufnimmt und dann auf den mp3-player packt, und er es sich anhören kann.
Für das andere habe ich leider keinen Ansatz. Wie er es schafft, die Dinge schneller zu Papier zu bringen. Viel Training, aber dass wird mit Sicherheit auch nur bedingt helfen. Bei uns gab es immer welche, für die die Zeit bei den Klassenarbeiten/Klausuren nicht gereicht hat. War bei mir nur dann der Fall, wenn ich nicht gelernt hatte, und die Fragen sowieso nicht hätte beantworten können.
Ich wünsche Ihnen viel Geduld und Ausdauer.