Maschinchen und ich
8. Januar 2011
„Die Frau Mutti lässt ja gar nix von sich lesen“, werden Sie vielleicht denken, „aber die hat ja auch diese neue Nähmaschine. Wahrscheinlich prahlt sie dann demnächst wieder mit so genähtem Zeugs rum. Kennt man ja.“
Nun. Sie haben da nur bedingt recht.
Neue Nähmaschine: stimmt.
Genähtes Zeug: weit entfernt.
Heute saß ich zum allerersten Mal vor dem Maschinchen, obwohl es doch schon die ganze Woche im Nähzimmer steht. Doch irgendwie war da keine Zeit. Die eine Wand im Nähzimmer brauchte rasch eine neue Farbe und wegen des neuen Regals musst ich nebenbei noch alles umstellen. Und wegen der Weihnachtsferien gab es hier sowieso keinen Rhythmus und somit kein fest einplanbares Stündchen (oder zwei oder drei) für das Maschinchen.
Heute also: Maschinchen und ich.
Ich erwähnte es womöglich schon desöfteren an dieser Stelle: ich will´s nicht lernen, ich will´s können. Dass ich mit dieser Einstellung nur bedingt vorankomme, musste ich mir eingestehen und diesmal sollte alles besser werden. Ich hatte mir ein Käsebrötchen geschmiert, eine Packung salziger Lakritzfische aus dem blaugelben Möbelhaus zurechtgelegt und anderthalb Liter Kräutertee in der Thermoskanne. Die Familie flüchtete zum Opa, vorsichtshalber. Alle Voraussetzungen für konzentriertes, intensives Lernen waren geschaffen.
Die Gebrauchsanweisung, die dazu passende CD-ROM und echte Fachliteratur lagen auf dem Nähtisch. Und schon das Aufsetzen des Garnrollenhalter klappte tatsächlich hervorragend!
Die Maschine wurde eingefädelt geliefert und das war ein Segen, denn wenn ich mein neues Maschinchen aufklappe, habe ich das Innenleben eines Terminators vor mir: unzählige Hebel, Ösen, Federn und Schienen, versehen mit hübschen bunten Punkten. Statt mir mühsam einen Weg durchs Metalllabyrinth zu suchen, konnte ich einfach mein Garn an das bereits eingefädelte knoten und lässig ziehend an Ort und Stelle bringen. Die erste Nähprobe auf Baumwolle und die zweite auf Jersey klappten reibungslos und deshalb wurde ich übermütig. Mit nur ungefähr sechsunddreissig Handgriffen lässt sich mein Maschinchen nämlich von der Overlock- in eine Coverlockmaschine umbauen. Irgendwann werde ich hinlänglich verstanden haben, wofür man was braucht und dann kann ich Ihnen, die Sie womöglich auch keine Ahnung haben und nur ehrfürchtig staunen, diesen Unterschied erklären.
Ich wollte mich nicht auf meine Intuition beim Umbau verlassen und zog stattdessen die Gebrauchsanweisung zu Rate. Die ist aber genau so aufgeteilt und geschrieben, dass mir nach drei Sätzen große Fragezeichen in den Augen stehen. Und die Bildchen darin sind auch eher unübersichtlich. Vor allem dann, wenn man ganz schnell, husch, husch, was hinkriegen will, was man a) noch nie gemacht und b) sich auch nicht so recht traut.
Somit zog ich den zweiten Ratgeber hinzu: die Fachliteratur. Die konnte mir immerhin sehr anschaulich zeigen, welche Auswirkungen falsch eingestellte Spannungen auf die einzelnen Fäden hat. Sehr bunt, sehr aufschlussreich, aber eindeutig viel zu viele Schritte weiter.
Ich fuhr den Rechner hoch und legte die CD ein. „Unbekanntes Format“, schimpfte der Rechner und ich versuchte das andere Laufwerk. (vorher las ich aus Frust noch etwa fünfundzwanzig Blogs von begabten Näherinnen, die allesamt mit Overlockmaschinen nähen und bei denen immer alles klappt. Nur bei mir nicht. Nie.)
Im anderen Laufwerk startete die CD und zu allerliebster Fahrstuhlmusik ploppte ein Filmchen in Spielkartengröße auf. Zunächst suchte ich verzweifelt nach dem „Vollbildschirm“-Knopf, ergab mich dann aber meinem Schicksal und folgte konzentriert auf das Minifilmchen schielend der Umbauanleitung „Overlock zu Coverlock“.
Alles kein Problem, Maschine und Mensch überlebten ohne Blessuren.
Eine breite Coverlocknaht hatte ich mir ausgesucht, denn für die muss man nur drei Fäden einfädeln. Kann ja nicht so schwer sein, erst den Faden zu den lila Punkten, dann den Faden zu den roten Punkten, den letzten Faden zu den blauen Punkten. Lila ist Unterfaden, die anderen beiden sind Oberfäden. Das Filmchen zeigte mir eine hübsche Animation, in der ein lila Strich in rasantem Tempo durch das Terminator-Innenlebten sauste und mit einem Schwung irgendeines Hebels wieder aus der Maschine auftauchte. Die Oberfäden schlängelten sich in eleganten Linien vorne an der Maschine entlang und landeten, wie von Zauberhand, eingefädelt hinter den Nadeln.
Ein Klacks. Ich fädelte und zog und zurrte und entdeckte, dass die mitgelieferte Pinzette, die ich beim Auspacken höhnisch lächelnd beiseite gelegt hatte, mein allerbester Freund ist.
Der erste Coverlocknähversuch wäre beinahe mit einem Nadelbruch geendet. Der zweite bastelte ein dickes Fadenknäuel, der dritte trieb mir Wuttränen in die Augen, der vierte ließ mich nach der Rechnung suchen, weil das Scheissding können die wieder haben und der fünfte Versuch war genauso mies wie der sechste, siebte und zwanzigste. Zwischen den Versuchen fädelte ich neu ein, streichelte die Maschine, sprach zärtlich, streng und pampig zu ihr und tauschte weißes Garn gegen rotes. Irgendwann stellte sich heraus, dass es sinnvoll ist, den Faden unter dem Griff der Nähmaschine hindurch einzufädeln. Und das dieser Hebelschwung aus dem Animationsfilmchen in der Gebrausanweisung beschrieben wurde und dass die eine Oberfadenspannung wirklich nicht gut eingestellt war.
Bereits nach vier Stunden, zwei Metern Stoff und ca. 600 Metern Garn hielt ich eine wirklich brauchbare Naht in Händen, sauber von beiden Seiten und sogar dreifarbig.
Völlig größenwahnsinnig ob des raschen Erfolges baute ich die Coverlockmaschine wieder zur Overlockmaschine um, fädelte neu und was soll ich sagen: der Terminator ist besiegt.
Wann ich aber erste genähte Sachen zeigen kann, die über „Stofffetzen mit beinahe geraden Testnähten“ hinausgehen … wer weiß. Gekauft habe ich mir jedenfalls dieses Schnittmuster und einen allerliebsten Ringeljersey. Wobei ich leise ahne, dass das Vernähen von geringeltem Jersey auch eine Disziplin ist, die noch ein paar Stufen zu hoch ist.
Ich bleibe dran.
(Frau … äh … Mutti, Terminatorbezwingerin)
8. Januar 2011 um 22:20
Glückwunsch! Zum Maschinchen, zum ambitionierten Versuchen und besonders zum Erfolg beim Bezwingen! Wie viel Teile gibt es von „Terminator“? Sehen Sie, das braucht wohl seine Zeit…
Viel Erfolg weiterhin,
Brausefrau
8. Januar 2011 um 22:29
Ach, der Ringeljersey ist nicht das Problem – aber die Kurven zu nähen, das hat mich anfangs in den Wahnsinn getrieben!
Merke: nicht unbedingt mit Mützen beginnen ;-)
LG Tina
8. Januar 2011 um 22:39
Sie haben mein tiefstes Mitleiden… Mir geht’s mit neuen Maschinchen auch immer so. Das muss funktionieren, auch ohne dass ich zuvor die Bedienungsanleitung auswendig lernen muss.
Bisher habe ich mir immer mit einem Trick beholfen und einfach immer die Maschinen gekauft, die meine liebste Nähfreundin auch bereits hatte. Die Gute ist technisch hochgradig versiert und gehört zu denen, für die die Bedienungsanleitungen eigentlich geschrieben wurden. Wenn ich also Problemchen mit einer Maschine hatte, musste ich nur zum Hörer greifen und mir wurde geholfen. Im Notfall kam die liebe Freundin sogar über’s Wochenende hier an, um mir bei hartnäckigen Diskrepanzen mit der Maschine beizustehen.
Aber nun sind die goldenen, bedienungsanleitungslosen Zeiten für mich vorbei, denn zum ersten Mal seit JAHREN haben wir uns für verschiedene Maschinen entschieden…und nun komme ich um’s Bedienungsanleitungselberlesen leider nicht mehr herum…
Aber – wir schaffen das! YES – WE CAN!
8. Januar 2011 um 23:26
Ich kann Ihnen nachfühlen, sehr gut.
Ich besaß eine Pfaff CoverStyle und habe Ähnliches mit ihr durchlebt.
Nach etwa zwei Jahren des Umbauens habe ich sie wieder ziehen lassen und zwei getrennte Maschinen gekauft, davon eine von der sozusagen selbsteinfädelnden Sorte.
Das wollten Sie vermutlich aber nicht hören, nicht?
Aber wenn der Terminator erstmal entgültig besiegt ist, ist alles halb so schlimm – ich nur zu ungeduldig, denn es dauert halt eben seine Zeit und muß passen, da sonst mit unsauberer Naht die Strafe auf dem Fuße folgt.
8. Januar 2011 um 23:27
das erinnert mich sehr an meine frühere Pfaffkombimaschine, die ich liebend gern zum Fenster hinausgeworfen hätte, wäre da nicht die Sorge um ahnungslos vorbei spazierende Menschen gewesen. Ich habe sogar noch eine Pfaff hier, die mit den zehn Fäden, ich hab sie wegen der schönen Zierstiche behalten, mach sie aber auch nicht. Ich habe die Babylock und empfehle eigentlich nur dieses Fabrikat. Einfach zu handhaben und perfekt im Ergebnis. Damit hätten Sie uns heute schon mindestens etliche oder noch mehr Shirts präsentiert – garantiert!!!!!
Das habe ich nach 5 Vorgänger Kombimaschinen erkennen müssen, den Hype um die Babylocks versteh ich erst seitdem und ich freu mich täglich über diese Sahneteilchen. Lästig ist mir nur das Wechseln der Farben, das dauert noch am längsten. Lieber ist mir nur mein iPad, aber mit dem kann ich nicht nähen oder ich bin noch nicht draufgekommen, wie es geht, denn auch ich lese grundsätzlich keine Bedienungsanleitung.
Lg
Petra
9. Januar 2011 um 00:09
*hüstel*
Danke für die ausführliche Beschreibung.
Jetzt weiß ich,dass ich KEINE Overlock- oder Coverlock Maschine brauche… Wenn ich vor solche Schwierigkeiten gestellt werde gebe ich immer ziemlich schnell auf. Deswegen kann ich auch noch LÄNGST nicht alle Funktionen meiner normalen Nähmaschine… Hauptsache, ich kann Sinnvoll damit nähen *gg*
(Argh. mir fällt grade auf, dass ich hier noch eine ungetestete Strickmaschine rumfliegen habe *seufz*)
9. Januar 2011 um 08:31
Ja herzlichen Glückwunsch zur Ovi-Covi! Oder so.
Ich habe auch eine Ovi (ohne Covi) und bin sehr zufrieden damit. Wenn Sie allerdings prnzipieller Bedienungsanleitungverweigerer sind, würde ich eher nach dem Prinzip „Thing Big, start small“ vorgehen. Also erstmal overlocken bis es sitzt und dann covern mit dazu nehmen. Die Antonella in Ringeljersey ist sehr mutig, mit gewissem Frustpotenzial, wie Sie schon geunkt haben … lassen Sie sich nicht entmutigen, Übung macht die Meisterin – das sieht man nämlich auch an Ihren tollen Taschen und dem Weihnachtsschnickeldi, davon bin ich noch ziemlich weit weg, habe ich das Gefühl! Geben Sie sich genug Zeit, setzen Sie sich nicht so sehr unter Druck – dann wird die Maschine vom Terminator zum Freund ,,, :-))
9. Januar 2011 um 10:32
Glückwunsch zum neuen Maschinchen!
Ja, so in etwa hab ich auch vor dem einfädeln gesessen, das war allerdings noch im Nähmaschinenladen. Und der gute Mann, der mich „betreute“ ließ mich auch nicht eher gehen, bis ich nicht alle 4 Fäden einmal allein engefädelt hatte! Uui, da hatte ich aber rote Ohren ;o)
Aber es macht schon spaß, so schöne Nähte, alles so einfach !!!
Ich hab allerdings nur eine reine Overlock, bin also ein bischen neidisch auf Ihre Coverlock ;o) Ich freu mich schon sehr auf Ihre Ergebnisse!
Ich hab jetzt noch die Einführungsstunde im Nähmaschinenladen vor mir, und dann macht mir keiner mehr was vor :o)
Einen schönen Sonntag für Sie!
9. Januar 2011 um 10:34
Na da wünsche ich Ihnen doch glatt was!! So eine Maschine muß auch bezwungen werden, was glaubt die sonst wer sie ist??^^
Ich bin bei solchen handwerklichen Dingen leider absolut „Talent-frei“ und kaufe sie mir lieber als ich diese selber mache!
LG
MarsMam
9. Januar 2011 um 10:57
Liebste Frau Mutti!
Sie haben meinen allergrössten Respekt.
Nun weiss ich wirklich endgültig, warum ich bisher mit der Näherei absolut nichts am Hut hatte (und auch nienichts haben werde).
Ich bewundere die Menschen, die mit solchen hochkomplizierten Maschinen mühelos umgehen können. Eine Welt für sich.
LG Conny
9. Januar 2011 um 11:07
…äh…ja, die Babylock kann ich auch nur allerwärmstens empfehlen… aber das ist jetzt ja wohl leider zu spät…
9. Januar 2011 um 12:09
Hallo Frau…äh…Mutti, ich war dann gestern in ihrem Mainzer Nählädchen und hab mir ein feines kleines neues Maschinchen gekauft!Der Kauf hat mir sehr viel Freude bereitet,seeeehr nette Verkaufsdame! Und nun bin ich richtig glücklich! Sie hoffentlich auch!!!! Das wird-gut Ding muss Weile haben!!!!! liebe Grüsse- und zeigen Sie doch mal ein paar scheppe Nähte!!! Anna
9. Januar 2011 um 14:07
Wenn Sie fleißig nähen, sehen die Ringelshirts schon ganz bald ganz gut aus. Des Teufels ist lediglich der Halsausschnitt!!! Nach zig verhunzten Shirts („Kann man zum Schlafen anziehen….“) klappts bei mir nun endlich. Ich wünsche Ihnen viel Zeit zum Probieren und lassen Sie sich nicht frusten. Und Ringeljersey ist gar nicht so streßig.
9. Januar 2011 um 15:10
Wie lustig, mit der Antonella hab ich auch angefangen :) Das wird schon gehen, meine hält auch immer noch – und wem fällt das schon wirklich auf, ob die Ringel alle richtig aufeinandertreffen, wird völlig überbewertet dieses Perfektionsdenken!
Mein Maschinchen müsste übrigens ebenfalls neu befädelt werden… wollen Sie vielleicht vorbei kommen, jetzt, wo Sie es doch schon so perfekt beherrschen?!
Ich drücke mich schon seit Wochen davor und ziehe ehrfürchtig meinen Mut vor all denen, die nicht nach einer Stunde Frust alles aufgeben!
9. Januar 2011 um 18:17
Tagchen!
Meinen Glückwunsch zur Maschine.
Aber was ich mich beim Lesen frage:“Gab es keine anständige Einführung incl. Testnähen beim Händler Ihres Vertrauens?“
So ein neues Maschinchen will doch probegefahren werden.
Man muss doch wissen ob man sich verträgt.
Und Hut ab vor der Entscheidung zur Kombimaschine. Bin gespannt wie Ihre Partnerschaft weitergeht. ;o)
LG und weiter viel Erfolg
Die NähMa!
9. Januar 2011 um 22:51
Oh du meine Güte!
Da hätte ich wohl längst die Flinte ins Korn geworfen.
4 Stunden lesen, probieren, gucken, suchen, probieren.
Ich würde längst am Rad drehen.
Aber Sie haben es geschafft, eine Hochachtung!
Ich kann nur sagen: Weiter so!
9. Januar 2011 um 23:52
Ich habe auch ein neues Maschinchen – eine Brother Innovis 900. Und ich bin auch ganz schön am kämpfen :-)
Aber es wird jeden Tag besser.
10. Januar 2011 um 06:19
Die Bestie ist besiegt,es lebe die Bestie.Super Beschreibung,ich habe
mich morgens um 6Uhr gut amüsiert.Klingt aufregend und vielversprechend.Da geht noch was ,nehme ich an.Ich wünsche Ihnen einen super Start in den Montagmorgen mit möglichst wenig Verwirrungen!!Danke für die schöne Beschreibung!!
SilkeSchmidt!