Maschinen ergreifen die Macht!
28. Januar 2012
Jedenfalls in meinem Nähzimmer.
Ich habe nämlich die Theorie, dass Näh- und Stickmaschinen keine schnöden, teuren Plastik/Metall/Sonstswas-Nutzgeräte sind, sondern Maschinen mit einer Seele. Möglicherweise ist das Fertigungsgelände der Pfaffmaschinen über einem Indianerfriedhof errichtet, man weiß ja nie.
Heute beschloss ich, wenn ich schon Frust, weil ich nicht in Berlin bin, kann ich mir auch noch den Frustrationsoverkill holen, indem ich das Coverlockmaschinchen auspacke und versuche, ihm ein paar Nähte zu entlocken. Der treue Leser mag sich erinnern: es ist ziemlich genau ein Jahr her, seit ich das Coverlockmaschinchen für den heimischen Fuhrpark adoptierte. Seit dem habe ich damit zwei Kissenbezüge, einen Rock und jede Menge Murx genäht. Für den Maschinenpreis zu wenig positives Ergebnis, das muss sich ändern.
Mehrere Dinge geschahen gleichzeitig:
– ich entschied mich für quietschroten Nickystoff und diesen Antondingsbumsschnitt von Farbenmix, weil den kann jeder
– ich belud die Speicherkarte der Stickmaschine mit diesem riesigen Drachen von Frau Maki
– ich schnitt dunkelbraunen Walk zu, um ihn besticken zu lassen
Die Stickmaschine wurde in Gang gesetzt, der Zuschnitt des quietschroten Nickys ging weitestgehend flott und die Coverlockmaschine war beinahe nicht zugestaubt. Das Einfädeln für einen dreifädigen, schmalen Overlockstich, der mir laut Gebrauchsanweisung für dünnen und mitteldicken (hä? WTF?) Stoff empfohlen wurde, nahm dann doch etwas Zeit in Anspruch. In Stickzeit für die Leserinnen, die sich auskennen: der Drache war fast fertig, acht Farbwechsel inklusive. Ich behaupte, wer eine Overlockmaschine einfädeln kann, kann auch einen Herzkatheder legen. Oder eine Athroskopie am Knie durchführen. Ständig sind die Finger zu dick, die Fäden zu ausgefranst, das Licht zu dunkel, der Schattenwurf zu ungünstig und wenn man den letzten Faden einfädelt, zupft man aus Versehen den ersten wieder raus.
Ich nähte eine Naht auf einem Probeläppchen, während die Stickmaschine an der Umrandung des Drachen arbeitete. Zwei Maschinen, die gleichzeitig arbeiten, das geht nicht, da gibt es Eifersüchteleien, da beginnt der Kampf um ungeteilte Aufmerksamkeit. Der Oberfaden an der Stickmaschine riss, die Fäden der Overlockmaschine verknoteten sich zu einem imposanten Gebilde.
Nach weiteren Oberfadenrissen gönnte ich der Stickmaschine eine neue Nadel, mit der sie glücklich und fröhlich weiterratterte. Die Coverlock, wegen so viel Zuwendung, die nicht ihr galt, verstimmt, verweigerte sämtliche Dienste. Eine Naht ließ sich gut anbringen, sogar mit sauberem Ergebnis, doch das Stoffstück den Nadeln und Greifern zu entreissen – schier unmöglich. Vorsichtes Ziehen, beharrliches Zupfen, kräftiges Zerren – nichts. Behutsames Drehen des Handrades nach hinten, vorne, viertel, halb, ganz – nichts. Irgendwann löste sich das Genähte doch und ich durfte zwei Fäden neu einfädeln.
Der Drache war fertig und sah wunderbar aus, weswegen ich spontan beschloss, einen weiteren zu sticken, in anderer Farbkombination. Ein weiteres Stück Walk musste zugeschnitten werden, Stickvlies eingespannt und die Farben für die neue Kombination herausgekramt werden. Die Stickmaschine wurde gestartet.
Nach dem Einfädeln der Coverlock wagte ich einen weiteren Versuch, die zweite Schulternaht meines künftigen Lieblingskuschelpullis musste geschlossen werden. Die Naht: ohne Probleme und sauber, das Herausziehen des Stoffes: neu einfädeln nötig. Frust.
Die Stickmaschine ratterte sich dem fünften Farbwechsel entgegen und gerade als ich den ersten Ärmel einsetzte, verwandelte sich das Rattern in komisches Knattern. Der Oberfaden der Stickmaschine war aus seiner Führung gesprungen und hatte ein dickes Fadengewurschtel unter der Stickplatte verursacht. Ich konnte retten, gerade noch, bevor der Stickrahmen der Spannung nachgegeben hätte und ich das begonnene Motiv nur noch in den Mülleimer hätte feuern können.. Weil es gelingt nie, wieder so einzuspannen, dass das Motiv sich nicht verschiebt.
Als ich am Ende des Ärmels anlangte, stellte ich fest, dass noch eine Menge Rückenteil übrig war. Und beim Wegziehen des Nähstückes von der Maschine … Sie ahnen es: neu einfädeln.
Ich habe nicht neu eingefädelt. Stattdessen habe ich das quietschrote Nickyzeugs zu einem hübschen Ball geformt und in meinen Schrank geworfen. Die Covermaschine darf sich unter ihrer Abdeckung ausruhen, bis auch meine Nerven das Flattern aufgegeben haben. Die Stickmaschine rattert, während ich dies schreibe, einen dritten Drachen, derzeit Farbe drei.
Ich werde im Anschluss ein paar Zuschnitte machen und erst wenn die Stickmaschine fertig ist, die dritte Maschine des Fuhrparks in Betrieb nehmen, um die Drachen auf Walk in hübsche Taschen zu verwandeln. Weil „normal“ nähen kann ich ja. Und wenn nur eine Maschine läuft, dann kann es ja keine Schwierigkeiten geben. Oder?
28. Januar 2012 um 18:27
Was für eine Geschichte! Geschmunzelt, mich wiedererkannt, kopfgeschüttelt, als wäre ich dabei gewesen. Ein Buch von Frau Mutti, das wünschte ich mir als Abendlektüre, jeden Tag 1-2 Seiten solcher Anekdoten! Das wäre eine Bereicherung!
GLG aus dem kalten Wien,
Andrea
28. Januar 2012 um 18:28
o, wie ich das kenne – Sie haben mein ungeteiltes Mitleid. Solche Frusttage habe ich auch schon zu viele hinter mir. Maschinenverschwörung.
28. Januar 2012 um 18:56
Ob ich mich demnächst im städtischen Krankenhaus bewerbe? Weil, ich kann meine Overlookmaschine einfädeln *g*.
LG
Elke
28. Januar 2012 um 19:04
Ganz viel Ärger ersparen Sie sich, wenn sie nicht am Stoff zerren und ziehen, sondern entspannt 5 cm über den Stoffrand hinaus weiternähen. So quasi „Luftnähen“. So ergibt sich eine Raupe aus Faden die bequem abgeschnitten werden kann und ein Neueinfädeln erübrigt sich. Hm, hatten Sie keine Einführung bei der Maschine?
lg, Anne
28. Januar 2012 um 19:05
Ähem…Sie ziehen das Nähgut aus der Maschine? Wie bei der normalen Nähmaschine? Wie soll ich es jetzt sagen…da machense was falsch, meine Liebe.
(Herrje, ist mir das peinlich.) Sie müssen immer weiter nähen, ein paar Zentimeter über das Nahtende hinaus und dann abschneiden. Die Fäden sehen dann so ähnlich aus wie eine Luftmaschenschlange und das bleibt auch immer so.
Ganz liebe Grüße,
Dorsi
28. Januar 2012 um 19:08
Dorsi, Anne, doch, doch. Ich nähe tolle Luftmaschendinger. Und während die Maschine quasi „leer“ näht, veruwrschtlen sich sämtliche Fäden und reissen.
28. Januar 2012 um 19:17
Ach Menno…
28. Januar 2012 um 19:32
Tipp zum Einfädeln:
Fäden des neuen Fadens an die abgeschnittenen alten Fäden dranknoten und durchziehen? Oder wussten Sie das schon?
Wenn nicht dann habe ich hierzu ein kleines bebildertes Tutorial geschrieben:
http://babska-bloggt.blogspot.com/2010/08/tutorial-fadenwechsel-bei-overlock.html
Aber: irgendwas scheint nicht zu stimmen mit Ihrer Maschine. Haben Sie denn gar keinen Einführungskurs bekommen?
LG
Barbara
28. Januar 2012 um 19:50
Das wirst du jetzt nicht gerne hören aber sagen muss ich es trotzdem: Mach beim nächsten Mal alle anderen Maschinen einschl. Computer, Radio und Ipad-Iphone aus und mach nur das eine bis es geht. Oder lad Dorsi für ein Coverlock-Wochenende ein. Ich werde nie Chirurgin das weiß ich.
28. Januar 2012 um 21:05
Ich krieg meine auch eingefädelt. Aber ich hab ja nur die ganz Kleine von Pfaff :) Wir haben uns aneinander gewöhnt. Jetzt. Nach 20 Monaten und irgendwas um die 50 genähten Teile rum… Wirklich geholfen hat nur das, was die allerbeste Freundin auch sagt. Alle anderen Störungen ausschalten, Mann rausschicken, üben, einfädeln, Anleitung lesen, zusätzlich gekauftes Buch studieren, üben, Zeit nehmen… leider (ich weiß, ich will sowas genau wie sie auch lieber sofort können *g*)
Aber wenn’s dann funzt, ist es wahre Glückseligkeit! :)
Alles Liebe
Sandra
28. Januar 2012 um 21:12
Endlich weiß ich, dass ich mit meiner Verzweiflung vor der Overlock nicht allein bin…
Ich habe wirklich keine allzu dicken Finger. Und auch ganz viel Geduld. Aber die Maschine bringt mich an den Rand meiner Möglichkeiten. Meine darf auch zugedeckt in der Ecke stehen. Bis ich das nächste Mal wieder meine „Jetzt schaffen ich das ganz bestimmt, ohne Zeitdruck und nicht an einem wertvollen Stoff und mit ganz viel Ruhe und noch mehr Geduld.“
Den Unverdrossenen gehört die Welt (und bis dahin eben auch ohne schicke Nähte)
Unverdrossene Grüße
aus
HansensGasse
28. Januar 2012 um 21:58
Eigentlich dachte ich, ich hätte auch gerne so eine tolle Maschine. Eigentlich. Ich glaube, ich lasse es :)
Viele Grüße,
Frau Mena.
28. Januar 2012 um 23:27
Oh, meine Overlock steht auch noch ziemlich neu (und das nach bald 2 Jahren…) fast originalverpackt in einem hinteren Eckchen.
Vielleicht sollte ich erst üben einen Herzkatheder zu legen, danach sollte dann ja nichts mehr schiefgehen.
Mit lieben Grüßen
Bettina
29. Januar 2012 um 00:35
Ich fädele nicht ein.Ich schneide die Fäden groszügig an den Spulen ab,knote die neuen Spulen an und ziehe die Fäden durch.Klappt so gut wie immer.
Liebe Grüße
Helga
29. Januar 2012 um 06:56
Liebe Frau Mutti,
Kleiner Tipp am Rande TIVED http://www.ikea.com/de/de/catalog/products/50169690/
löst das Lichtproblem. Licht genau da wo man es gerade braucht.
29. Januar 2012 um 09:59
Ähm, da will ich mal zugeben, dass ich es wie Helga mache, jedefalls bei den beiden Unterfäden. Das klappt prima :-))
GLG
Elke
29. Januar 2012 um 10:01
Wenn ich hier so die Kommentare lese, habe ich das Gefühl dass in den Kleinanzeigen recht viele (C)overlookmaschinen „selten gebraucht, fast neu“ zu verkaufen sind.
Frau…äh…Mutti, gibts eigentlich ein zu erwerbendes Schnittmuster für die Pompadura? Oder ist das Ihr eigenes Werk?
29. Januar 2012 um 10:23
guten Morgen, dass ist ja wirklich ein Fiasko mit deiner Overlock. Hier ein kleiner Tip: Frau näht nach der Stoffnaht einfach weiter, es bildet sich eine Fadenkette, die dann durchschnitten wird. das stoffstück ist befreit alle fäden bleiben in den nadeln :)) und frau hat gleich fäden zum Anziehen, wenn die nächste Naht ruft. lieben gruss sabine Die auch an Seelen in den Maschinchen glaubt!!
29. Januar 2012 um 16:21
So ähnlich wie Ihnen, liebe Frau.. Mutti, ging es mir auch- nur, dass meine Overlock immer sehr unschöne zusätzliche Schnörkel machte.
Als es sich nun begab, dass unser roter Kater sich just den Tag heraussuchte um mit den Konen zu spielen, den ich für mich ausgesucht hatte, um sie mal wieder auszuprobieren, musste auch ich neu einfädeln.
Da das letzte Mal schon fast ein Jahr her war, schnappte ich mir das Einführungsvideo und schon war alles klar – DIE Zusatzschnörkel waren ein simpler Bedienfehler meinerseits, den ich ohne den Kater nie entdeckt hätte!
Seit 3 Tagen sind meine Overlock und ich beste Freunde und wir haben schon das ein oder andere zusammen geschafft!
Also CHAKKA – Sie schaffen das (auch)!
29. Januar 2012 um 18:02
Gut zu wissen, dass es andern auch so geht…
Beim Einfädeln hift mir eine Pinzette, die vorne spitz und gebogen ist. Ohne die hätte ich meine Overlook bestimmt schon längst aus dem Fenster geworfen…
Dann freu ich mich mal jetzt schon auf den nächsten Berlin- Termin, da wäre ich gerne dabei.
Liebe Grüße von
Petra.
29. Januar 2012 um 18:42
Ja die Overlook. Wenn Sie läuft herrlich und ein großes nicht wieder hergeben. Aber wehe ein Faden passt nicht. Neu einfädeln tu ich auch nach möglichkeit nicht. Aber sie hat auch mir schon Stunden Nerven gekostet. Da hilft wirklich alle wegschicken. Alles ausstellen.
Dann ganz von vorne mit Anleitung alles neu einfädeln.
Meist klappt es dann. Leider kommt keine Routine auf, weil zu selten benutzt. Daher ziehe ich meinen Hut vor ihnen, daß Sie auch noch den Umbau zu Coverlook lernen und beherschen wollen.
Liebe Grüße
Hilke
29. Januar 2012 um 19:51
Ich habe meine Over-/Coverlock bei Meitner in Darmstadt gekauft. Incl. gab es zwei Mal zwei Stunden Einführung bei einer Mitarbeiterin, die ihre Kleidung selber näht und die Vermittlung eines Nachmittagskurses bei einer erfahrenen Näherin.
Außerdem habe ich jetzt meiner Nählehrerin mal beim Nähen über die Schulter geschaut. Bevor sie das Nähgut entfernt (zB beim Covern von Bündchen und Halsausschnitten) dann zieht sie mit der Pinzette oberhalb vom Öhr den Faden nach, zieht diesen vorsichtig durch die Öhre und schneidet sie dann ab. Jetzt kann man das Füßchen hochmachen und vorsichtig das Nähgut rausziehen und man hat nur noch die Greiferfaden zum Abschneiden. Wenn frau jetzt weiternäht, dann ist alles prima.
LG Katja(quilt), die heute endlich ihr Ottobre-Shirt fertig genäht hat. Mal sehen, ob es das diese Woche noch in Blog schafft.
30. Januar 2012 um 07:44
Jetzt weiß ich wieder, warum ich meine Overlockmaschine, welche ich zu Weihnachten geschenkt bekam, noch nicht in Betrieb genommen habe. Es würde wohl im gleichen Chaos enden und vielleicht sogar einen Nervenzusammenbruch nach sich ziehen. ;-)
Liebe Grüße und starke Nerven bei weiteren Nähprojekten!
Ulrike
4. Februar 2012 um 13:26
Für die Einfädelei hätte ich da eine Lösung …
http://dieblaueorange.blogspot.com
Gruss
Ein Bayer