Wechselhaft

27. Februar 2017

Eigentlich wollte ich ja etwas über den Tod schreiben. Das verschiebe ich aber auf einen anderen Zeitpunkt, denn viel lieber will ich über Wechseljahre schreiben. Da ich nämlich näher an der 70 als an der 20 bin, stecke ich da mittendrin. Ziemlich früh, aber ändern kann ich das ja nun auch nicht.

Vorneweg: folgend werden Körperflüssigkeiten, weibliche Geschlechtsorgane und ihre Funktionen benannt und beschrieben. Ohne Bilder, ohne Skrupel.

Die ganze Chose fing vor ein paar Jahren an, als mein Körper „Fehlfunktionen“ hatte. Die Eier sprangen nicht so wie sie das tun sollten, sondern erst einen oder zwei Zyklen später, verbunden mit schlimmen Schmerzen und Blut. Meine Zyklen verkürzten sich immer weiter, so dass ich von Ei-oder-doch-nicht-Eisprung nahtlos zur Blutung marschierte, mit schmerzhaften auf-keinen-Fall-berühren-Brüsten und Pickeln einer 13jährigen im Gesicht. Mein Eisenwert sank zu meiner Laune in den Keller, denn die Blutungen bewegten sich deutlich außerhalb dessen, was uns in Form von blauer Beispielflüssigkeit im Werbefernsehen gezeigt wird. Halbstündliches Wechseln der Supermegatampons an zwei Tagen und sämtliche Aktivitäten bitte so planen, dass sie in der Nähe von Toiletten stattfinden, mit gut gepolsterter Unterhose und niemals während dieser Zeit auf fremden Matratzen schlafen. Behaupte nochmal einer, die Monatsblutung schränkt die Lebensqualität nicht ein.

Um den Eisprung herum war ich ein sehr fröhlicher Mensch, sehr interessiert an zwischenmenschlichen Begegnungen mit dem besten Vater meiner Kinder. Kurz nach dem Eisprung und somit dem Ende der fruchtbaren Tage, verwandelte ich mich in etwas eher Kratzbürstiges. Die Brustschmerzen setzten derart heftig ein, dass ich den BH am Liebsten liegend auszog und natürlich nicht mehr auf dem Bauch schlafen konnte. Drei Tage vor der nächsten Blutung erlitt ich eine Art Nestbautrieb. Ein Aktivitätsschub, der mich putzen, herumwirbeln, nähen, gärtnern und das Haus renovieren ließ. Gleichzeitig. Am nächsten und übernächsten Tag lag ich Chips futternd und heulend im Bett. Bis die Bauchschmerzen einsetzten.

So war das etwa fünf Jahre lang. Nicht immer ganz so heftig, aber nie wieder der bequeme 28-Tage-zwei-handvoll-Tampons-und allerhöchstens-eine-400er Ibu-Ablauf.

Ich bekam Schlammfruchtgedöhns in Tablettenform an das ich nicht glaubte und das mir nicht half.

Ich machte Sport wegen der schlechten Laune und gegen Schmerzen.

Ich ließ mir Gebärmutterschleimhaut abätzen und ließ diese binnen eines halben Jahres wieder auf saftige Dicke wachsen.

Und gerade als ich mit dem Gedanken spielte, mir die Gebärmutter entfernen (und die Blase nach oben zurren) zu lassen, änderte sich etwas.

Meine Blutung blieb aus. Da der Gatte zu Verhütungszwecken schon vor sehr langer Zeit durchtrennende Maßnahmen ergriffen hatte, sparte ich mir den Kauf eines Schwangerschafttests und spielte auch nur ganz heimlich nachts das „was wäre wenn“ mit allen „um HIMMELSWILLEN, NEIN!“ durch. Nach sechs Wochen kam eine Schmierblutung. Zwei Wochen später eine Springflut, die mich beinahe ins Krankenhaus geschwemmt hätte. Danach Normalität. Fast vier Wochen Zyklen, beinahe wenig. 

Vor sieben Wochen das letzte Mal. Seitdem sitze ich im Trägerhemd auf der Terrasse und hoffe, dass die Temperaturen noch lange einstellig bleiben, gerne in Kombination mit diesem wunderbar kalten Wind.

Seitdem renne ich zweistündlich auf Toilette, weil meine Blase plötzlich kein Volumen mehr hat. 

Meine Brüste schmerzten bis vor drei Wochen in bekannter „bald geht es los!“-Manier, das hörte plötzlich wieder auf.

Statt mich darüber zu freuen, möchte ich entweder heulend im Bett liegen oder irgendjemanden erwürgen. Manchmal lache ich auch ohne Grund und vielleicht werde ich auch einfach nur verrückt.

Es gibt kein Deo mehr, das nicht nach zwei Stunden versagt.

Dafür wachsen Haare und Nägel in rasantem Tempo, als wollten sie so schnell wie möglich Abstand zu meiner dauererhitzten Haut erlangen.

Ich hatte „vorher“ eine normale Betriebstemperatur von 35,8 Grad, jetzt laufe ich ein halbes Grad wärmer. Und mein Blutdruck ist ebenfalls nicht mehr im Keller. Gut so.

Nicht gut ist, dass mir das Herz dauernd stolpert. Es setzt einen Schlag aus und galoppiert dann, um den Fehler auszubügeln. Nicht gefährlich oder bedrohlich, aber sehr, sehr merkwürdig. Und ich muss sehr bewusst atmen, damit alles wieder normal klopft.

Pickel habe ich immer noch. 

Erwähnte ich die Hitze? Der Gatte darf sich im Bett nur noch kurz anlöffeln, weil ich sonst in einer Pfütze liege. Aus Schweiß natürlich.

Sex … ist super. Wenn sich das Bedürfnis danach während angemessener Situationen meldet und dann auch befriedigt werden könnte. Heißt: wenn der Gatte da und willens ist und wir ungestört sind. Abends/nachts muss ich schlafen, denn wenn ich nicht grundlos lache, heule, schwitze oder jemanden töten will, muss ich schlafen. Nach drei Seiten, allerspätestens um halb elf.

Bis halb eins, weil dann muss ich pinkeln. Danach bin ich äußerst schlecht gelaunt und schwitze.

Hoffentlich trinke ich genug, um Schwitzen und Toilettengänge auszugleichen.

Oma Eis sagt, dass es auch ein bißchen Einstellungssache ist, wie eine Frau die Wechseljahre erlebt. Dass es wie mit den Periodenkrämpfen ist: wenn man sich drauf konzentriert, tut es viel mehr weh. Wenn man sich auf die ganzen Wechseljahrbegleiterscheinungen konzentriert, belasten sie stärker. Das habe ich bis vor Kurzem abgenickt, genauso gesehen. Seit letzter Woche aber, seit ich unter klimakterischer Erwärmung und Stimmungsschwankungen aus der Hölle leide, ist die Gelassenheit verdampft und ich hadere sehr mit meinem Schicksal.

Irgendwelche Hormone, die unterdrücken oder „leichter machen“ darf (und will) ich nicht nehmen. Dafür möchte ich bittebitte von Ihnen hören, dass der Spuk ganz bestimmt ganz schnell vorbei ist, weil bei Ihnen hat das dann auch höchstens noch ein Jahr gedauert. Das war doch so, oder? 

Oder wir klopfen uns virtuell tröstend gegenseitig auf die Schulter. Wir sind nicht allein. Lesen Sie mal hier, eine Leidensgenossin!

Durchgespielt!

24. Februar 2017

Der jüngste Sohn feiert heute seinen 18. Geburtstag.

Traditionell habe ich am Abend vorher den Küchentisch mit der entsprechenden Anzahl Geburtstagskerzen geschmückt, die eine zum Älterwerden steht in der Mitte. Da die Tochter beim Feiern fehlt, legte ich immerhin die Servietten, die sie uns geschenkt hat, auf die Teller.


Die Geschenke hatte ich schon tagsüber verpackt. Nur eine einzige große Überraschung war dabei: Konzertkarten für Santiano. (man muss den Musikgeschmack der eigenen Kinder weder lieben noch verstehen. Aber ab und zu mit ihnen zelebrieren, weil es ein echtes Fest ist, das Leuchten auf ihren Gesichtern zu sehen. Deshalb gehen wir mit zum Konzert.)

Es gab das blaue Kochbuch, den das bekam jedes unserer Kinder zum 18. Geburtstag. Und wie seinen großen Geschwister auch, schenkten wir dem Jüngsten ein Photobuch voller Bilder und kurzer Stichworte zu und über seine 18 Lebensjahre. (außerdem bekam er eine Packung Chips und eine Tüte Flips, eine Anspielung auf alte Geburtstagswunschzettel, auf denen das ganz oben stand)

Der beste Vater meiner Kinder hat einen Chocolat Fudge Cake und einen Käsekuchen gebacken, der Große sorgt dafür, dass die Geburtstagsparty demnächst rund läuft.

Heute nachmittag kommen die Geburtstagsgäste, Familie und Freunde, zum gemeinsamen Kuchen essen und feiern.

Mittlerweile sind wir wirklich routiniert und entspannt, selbst wenn die Feier größer wird, weil der Anlass ein besonderer ist!

Gerührt und ein bißchen wehmütig bin ich trotzdem, aber das haben Sie sicher schon vermutet. Es ist ja auch etwas ganz  Besonderes, dass jetzt alle drei Kinder erwachsen sind! Passend dazu gab es gestern in meiner Twitterblase einige Gedanken zum Kinderhaben und damit hadern. Ich bleibe dabei: gehadert habe ich nie, aber wenn ich zur Beruhigung nur ein paar Minuten lang in die Zukunft hätte spicken können … das wäre was gewesen!

So schaue ich in die Vergangenheit und freue mich über den Weg, den wir gegangen sind.


Die ersten Lebensjahre, in denen es manchmal so schwer war zu akzeptieren, dass die Entwicklung des Jüngsten langsamer und anders als bei den beiden größeren Kindern sein würde. Diese Jahre, in denen wir auf der Suche nach Ursachen, Diagnosen und Hilfe waren, diese Jahre in denen wir schwankten zwischen „wenn es doch etwas Eindeutiges wie eine Trisomie 21 wäre, damit man einfach den irritierten Mitmenschen erklären kann, was Sache ist“ und „joa, er ist wie er ist und es wird schon werden, geht keinen was an“. Das war schwer. Gleichzeitig unsagbar witzig und bereichernd. Und für die älteren Geschwister die beste Lehre in Sachen Geduld und Toleranz.

Für den Jüngsten war es eine weitestgehend unbeschwerte Zeit. Er war einfach unfassbar niedlich und fröhlich, alle Herzen flogen ihm zu.


Die ersten drei Jahre in der Sprachheilschule waren wunderbar für ihn. Klassen mit zehn Schülern, von denen jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hatte, so dass ein etwas langsamerer, komisch redender Junge kein Exot war. Das kam dann in den Jahren danach, als der Wechsel in die Regelbeschulung stattfand. In Klassen von 30 Kindern, in denen eine Lehrkraft allen gleichermaßen gerecht werden wollte, den Nachzüglern, den Überfliegern und denen, die unbemerkt im Mittelfeld vor sich hintreiben. In der Grundschule gab es eine pädagogische Fachkraft, die die „besonderen Kinder“ fangen und fördern sollte. Zwei Stunden in der Woche, eingesetzt in zwei Grundschulen. Eine Farce und ich könnte mich in Rage schreiben. Doch wir haben das überstanden, der Jüngste hat das überstanden und seine Sache prima gemacht! Seine Unbefangenheit verlor er trotzdem immer mehr, denn eine Entwicklungsverzögerung ist eben doof, wenn man damit irgendwie viel jünger (langsamer und naiver) als Klassenkameraden ist. Kinder sind nicht mit Absicht grausam, aber sie suchen sich Freunde, mit denen sie sich messen können. Keiner mag sich über längere Zeit mit einem Schwächeren messen.

Und so gingen die nächsten Jahre dahin. Der Jüngste fand seinen Platz und sein Glück im CVJM. Überstand die Schulzeit, fand einen Ausbildungsplatz, Sie wissen das, Sie lesen ja schon lange mit. Seine körperliche Entwicklung ist abgeschlossen, dafür steckt er jetzt psychisch mitten in der Pubertät. Das äußert sich unter anderem darin, dass er puterrot wird, wenn seine Eltern sich unziemliche Dinge sagen. Mit einer gehörigen Portion Selbsthumor kann er aber darüber kichern und wahrscheinlich ist er in ein paar Monaten durch. Ich bin sehr gespannt, welchen Sprung er dann nochmal getan haben wird!

Das fasst es übrigens ganz gut zusammen: wir waren immer gespannt, welchen Sprung er tut. Wir hatten niederschmetternde, kaum Zukunft bietende Diagnosen, aus denen ist er lachend herausgesprungen. Es gab Situationen, in denen wir kapitulierten und mit trotzig gerecktem Kinn sagten: dann wird er das halt nicht können, na und? Bis er einen Sprung tat und es doch konnte. Er machte vom mühsamen Buchstabieren einen Sprung zum Lesen von Terry Pratchetts Büchern, er sprang von „eins, zwei, viele“ bis zu den Berechnungen, die er während seiner Ausbildung und später im Beruf können muss.

Ich möchte immer noch für fünf Minuten zehn Jahre weiter spicken, würde zu gerne wissen, ob es da eine Beziehung geben wird, vielleicht sogar Kinder. Doch die Dringlichkeit, damals geboren aus Entmutigung und Erschöpfung, ist reiner Neugier gewiechen. Und die kann ich aushalten, denn ich weiß ja jetzt, dass letztlich doch alles irgendwie gut wird. Möglicherweise ganz anders, als ich das je vermutete.


Herzlichen Glückwunsch, Felix.

Trendsetterin!

17. Februar 2017

Endlich bin ich mal eine Trendsetterin! Damit meine ich nicht, dass Sie jetzt plötzlich alle geringelte oder quietschbunte Strumpfhosen tragen, sondern die Tatsache, dass es seit letztem Jahr total in sein soll, sich ein sogenanntes „She Shed“ in den Garten zu stellen. Oder einen vorhandenen Schuppen zu einem solchen umzubauen. Ein Shed ist nichts anderes als ein Gartenhaus/Schuppen/Unterschlupf, ein She Shed ist ein von Frauen gepimptes und geschmücktes Gartenhaus. Für Frauen.

Ein Trend der aus den Staaten schwappte, den aber eigentlich ich vor zweieinhalb Jahren setzte, als ich das Rosa Gartenhüttchen baute. (bauen ließ, ich lackierte und richtete ein)


Die She Sheds sollen der Gegenpart zu den Man Caves sein, den Bastelkellern und Hobbyräumen oder eben auch den klassischen Gartenschuppen voller Werkzeug, die angeblich als letzte Männerdomaine gelten.


Das Ganze wird spottend beobachtet, manch einer sieht den Untergang des Abendlandes nahen, weil es jetzt plötzlich Gartenhäuser für Männer oder Frauen geben wird und ja, natürlich könnte das merkwürdige Blüten treiben, doch der klassische deutsche Garten lässt ja neben Schaukel und Trampolin kaum noch Platz für einen Minigeräteschuppen.

Aber was treibt denn die Frauen jetzt dazu, sich Rückzugsorte zu schaffen, Platz für Yoga oder einen Platz zum Lesen, Malen oder Handarbeiten? Vielleicht auch zum Schnitzen, Töpfern, Kiffen oder Pornos lesen, die Vorlieben sind ja unterschiedlich.

Hier kann ich nur von mir sprechen, denn was andere Frauen bewegt … geht mich ja auch erstmal nix an, habe ich nicht zu beurteilen.

Ich wollte ein Gartenhüttchen ganz hinten im Garten, da wo ein unverbauter Blick in den Wingert und auf den Sonnenuntergang möglich ist. Und ich wollte es in der Farbe streichen, die mir am Schönsten zum vielen Grün drumherum erschien. Ich wollte gemütlich sitzen, mit Polstern, Decken und Kissen. Ich entdeckte, dass auch ich eine romantische Ader habe, als ich mich für Spitzenvorhänge entschied. Dass diese eine prima Mückenschutz sind zeigte sich erst später.


Ich wollte Platz für liebgewonnene Dinge und für das Schnickeldi, das auch in der Grünen Villa verteilt ist. Gemütlichkeit, Ruhe, Leichtigkeit, Entspannung wollte ich, den kleinen Urlaub am hintersten Gartenende.


Rosa herrscht vor und ich merke jedesmal wenn ich im Gartenhüttchen sitze, wie glücklich mich die Stimmung dort macht. Dass ich einen Hang zu Kitsch habe, kann ich nicht abstreiten. Dass es einen Ort gibt, an den ich ihn ausleben kann, ist großartig und ein Privileg.


Das Rosa Gartenhüttchen ist die Entschädigung dafür, dass ich mir als Kind/ Jugendliche niemals mein Zimmer so gestalten durfte, wie ich es wirklich wollte. Albern, vielleicht. Doch das ist letztlich egal, weil es eben mein Beweggrund ist.


Wir verbringen sehr viel Zeit im Rosa Gartenhüttchen. Wir alle, auch die Männer der Familie. Obwohl es rosa ist. Und blumig. Und zart. Und kitschig. Weil aus „meinem“ Rosa Gartenhüttchen eben „unser“ Rosa Gartenhüttchen wurde und ich bestimme, was dort wie verändert wird.

Ich kann nicht verstehen, dass gespottet werden muss über eigene Räume, die sich Frauen und Männer schaffen, es irritiert mich sogar sehr, dass der Spott über Männerhobbykeller eher liebevoll ist, der über Frauengartenhäuser aber voller Häme. Und auch hier habe ich heute hauptsächlich von Frauen gelesen, wie albern und überflüssig dieser Trend doch ist. Keinen einzigen Kommentar der in Richtung „wie cool, da verwirklichen sich Frauen und leben ihre Träume!“ ging.

Wie traurig.

Wetter.

16. Februar 2017

Nachts frostig, morgens diesig, aber rasch aufhellend. Im Verlauf des Tages frühlingswarm, gegen Abend wieder empfindlich abkühlend.

Bestes Wetter für ausgedehnte Hunderunden, beste Voraussetzungen für schweifenden Gedanken.

Ich habe vorgestern eine Situation geschildert, die mir unangenehm war, weil ich sie nicht einschätzen konnte. Ich bekam folgende Reaktionen:

– ja, unangenehm und übergriffig .

– unprofessionelles Verhalten des Arztes

– vielleicht witzig gemeint, aber halt unangemessen

– du bist eh zu alt für dein Outfit

– bunte Strümpfe sind super, vor allem bei den Beinen

– du kannst anziehen was du willst, Hauptsache du fühlst dich wohl

– freu dich doch, dass man dir was Nettes sagt, wo du doch eher nicht so gut aussiehst

– Männer haben es eben auch schwer, weil sie sofort in Schubladen landen

– die muss sich ja nicht wundern, wenn sie so zum Arzt geht

– Sie sind wahrscheinlich eher an der 70 als an der 20, da können Sie die „Übergriffe“-Reflexe einmotten

Schön ist, dass ein Großteil der Kommentare sich tatsächlich auf den Text bezog, auf diesen einen, überschaubaren Blogartikel. Schön ist die Rückmeldung, dass mein Unbehagen eventuell doch gerechtfertigt war. Denkanstoßend ist, dass meine Tagesform vielleicht „empfindlich“ war, beinahe verständnisvoll bin ich nach dem Einwand, dass sich der Arzt schlicht im Ton vertan hat. Keiner kam übrigens auf die Idee mal nachzufragen, ob ich den Arzt in seine Schranken gewiesen habe und wenn nicht, warum nicht? Habe ich nämlich nicht und das ärgert mich eigentlich am Meisten.

Wirklich sehr unschön ist die ganze Klischeepalette, die man aus wirklich schlimmeren Zusammenhängen kennt: selbst schuld, kurzer Rock, Männer habens eben auch nicht leicht und sei doch froh, dass du in deinem Alter … ! Da weiß ich leider gar nicht mehr, in welchem Jahrhundert wir uns gerade befinden und vor allem frage ich mich, warum VERDAMMT NOCH MAL schon wieder Frauen anderen Frauen ans Bein pinkeln? Eine hat was für sie Doofes erlebt und vier weitere stehen parat, um die Geschichte richtig ätzend werden zu lassen. Das ist unfassbar.

Ich habe in diesem Artikel übrigens nicht nachgefragt, ob meine Kleidung angemessen ist, ob bunte Strumpfhosen und kurze Röcke ok sind, ob ich nicht vielleicht doch wenigstens ein klitzekleines Bißchen hübsch bin und ob meine Beine wirklich, echt immer noch total schön sind.

Das tat ich ein paar Stunden vorher auf Instagram und das war eindeutig fishing for compliments, erfolgreich übrigens.


Vielleicht warf da die eine oder andere mir auf vielen Kanälen folgende Leserin etwas durcheinander.

Es hieß ja immer, man solle die Trolle nicht füttern. Mittlerweile gibt es da laute Gegenstimmen die fordern, dass man Trollen sehr wohl die Stirn bieten soll, um unsicheren Lesern zu zeigen: es gibt andere, eventuell fundiertete Meinungen. Und weil sich Trolle sehr schnell selbst als ziemlich lächerlich erweisen, wenn sie Gegenwind bekommen. Die Kommentare zum letzten Artikel kamen nicht von Trollen. Das waren andere Meinungen, manche auch einfach nur Bemerkungen, die man, ein klitzekleines Gespür für Nettikette vorausgesetzt, einfach nicht gemacht, sondern vielleicht verächtlich schnaubend und „die nun wieder“ murmelnd die Eingabemaske wieder geschlossen hätte. Weil wenn ich nix zum Thema zu sagen habe, dann halte ich halt meine Klappe und schicke höchstens meiner Freundin eine Direktnachricht, ob sie es auch so lächerlich findet …

Mittlerweile scheint die Sonne in dasWintergärtchen und heizt dieses kuschelig auf. In spätestens fünf Wochen wird es darin zu heiß werden, doch bis dahin kann ich ja schon wieder mit nackten Füßen und Schultern draußen Kaffee trinken. Frühling! Bald!

Komplimente

14. Februar 2017

Heute habe ich die Abschlussuntersuchung der Venengedöhmsgeschichte hinter mich gebracht. Alles sieht prima aus, sehr, sehr gut verheilt, Narben sind kaum sichtbar. Letzteres ist ein echter Bonus, denn 42 deutlich sichtbare Narben über das Bein verteilt hätten mir dann doch nicht gut gefallen. So werden die Schnitte zu weißen Strichen verblassen, die irgendwann nur noch ich sehe.

Ich erzählte dem Arzt vom anstehenden 11-Stunden-Flug, woraufhin er mir zwei Thrombosespritzen verschrieb. Und ein Rezept für Kompressionsstrümpfe Klasse 1 mitgab. Viel trinken soll ich während des Fluge und öfter auf und ab gehen. Und wo es denn hinginge? „Nach Kapstadt“, antwortete ich und er erwiderte, dass es dort schöne Strände gäbe, wo ich meine tollen Beine zeigen könnte.

Ein Kompliment vom Venenarzt, wie nett.

Ich zog mich an und dann wurde es komisch.


„Oh, das ist aber farblich perfekt abgestimmt.“, sagte der Arzt und rollte seinen Stuhl zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und musterte mich eingehend. „Das sieht toll aus, das gefällt mir.“ Dass aber die einzig wahren Strümpfe an Frauen schwarze mit roten Strapsen seien.

Und zack! Aus dem „wie nett, ein Kompliment!“ wurde ein „uh, das war unangenehm.“

Auch mit einigen Stunden Abstand bin ich mir nicht sicher, ob ich einfach nur keine Komplimente annehmen kann oder ob da doch die Grenze zur Unprofessionalität überschritten wurde.

Merkwürdig.