Egoistisch und narzisstisch, Teil XVII
1. Januar 2024
Das letzte Jahr war eigentlich ein grauer, trüber Brei voller Sorge, Krankheit, Mutlosigkeit, Rumhängerei und allgemeinem „Wääh!“, garniert mit bunten, glitzernden Streusel aus Liebe, Freundschaft, Viecherei, Natur, „einfach machen“ und „Mut haben“. Was dann letztlich ein ganz okay-ishes Ganzes ergab.
Für den ganz langen Rückblick fehlt mir das Erinnerungsvermögen und derzeit auch die Energie, weil -um dem Ende vorzugreifen- wir das Jahr nur knapp genesen beendet haben.
Januar:
Das Hundekind lernt Schnee kennen und lieben, braver Hund.
Ich klapperte diverse Ärzte ab, um diesem Long/PostCOVID- Mist vielleicht doch endlich zu entkommen. Nur um zu schauen, ob ständige Kopfschmerzen vielleicht andere Ursachen haben, wurde ein Schädel-MRT angefertigt. Eine Sorge weniger, das sieht in meinem Kopf so aus, wie es im Kopf eine knapp über 50jährigen auszusehen hat und da wächst auch nix, was nicht da wachsen soll. Immerhin.
Die Wucherung an Lolas Bein ist ein Lipom, das können wir vernachlässigen, das entzündete Ding am anderen Bein muss beobachtet werden, fällt aber wahrscheinlich von alleine ab (das Ding, nicht das Bein) , sprach der Tierarzt. Und so war es dann auch.
Den Rest des Monats verbrachte ich mit Hunderunden und damit, dem Hundekind beim rasanten Wachstum zuzusehen. (vermutlich gab es noch zwei, drei andere Sachen, aber ach. Mein Siebhirn.)
Februar:
Zwangsläufig, weil Hunderunde, verbringe ich viel Zeit draußen, obwohl ich das nicht wirklich will. Das trübe Wetter zerrt an meinen Nerven und ich kann den Frühling kaum abwarten. Die blühenden Mandelbäume am Wartturm sind eine leise Vorahnung, aber wirklich nur sehr, sehr leise, denn der Frost kam natürlich zurück und hey! Ist halt Winter. Aber diesmal war er hart.
Wir feierten den 24. Geburtstag des Jüngsten, zum ersten Mal in dessen hübscher, kleiner Wohnung. Noch gibt es eine Nabelschnur in Form der Wendeltreppe zu unserem Wohnbereich, doch die Tage der Treppe sind gezählt (im Mai wurde sie abgebaut!) und dann muss ich es aushalten, dass das Baby ganz alleine sein Leben stemmt.
Apropos alleine:
„Ich würde gerne mal alleine durch den Wald ziehen“, vertraute ich dem Gatten an, woraufhin dieser loszog und mir ein kleines Zelt kaufte. „Mach!“, sagte er.
März:
Während hier endlich, endlich der Frühling aus den Löchern kroch, reiste ich zur Tochter nach München. Die zeigte mir Münchner Highlights und, zum Ausgleich, ein bißchen „ihre“ Berge. So kam ich tatsächlich nochmal in den Genuss von echtem Schnee. Also Schnee, der höher als dreieinhalb Zentimeter liegt. Das war ganz wunderbar!
Gegen Ende des Monats brauten sich sehr dunkle Wolken zusammen. Nicht über unserem Haus, aber über dem von Freunden. Bis heute sind sie nicht verschwunden, das werden sie auch nie wieder tun. Ein bißchen heller ist es immerhin, aber letztlich bleibt zu sagen: Depressionen sind ein Arschloch.
April:
Frühjahrsputz! Es stellte sich als äußerst befriedigend heraus, die Terrasse mit diesem Hochdruckreiniger auf Hochglanz zu bringen und ich fürchte, ein weiteres Hausfrauenlevel wurde freigeschaltet. Zum Ausgleich schliff ich Küchenschränke ab und lackierte neu. Und gleich wieder um, denn das gewünschte Senfgelb deckte nicht. Die Küche wurde anthrazit und mintgrün, ungewohnt seriös, weswegen ich mir sehr sicher bin, dass das nicht lange so bleiben wird.
Ich begann durch den Garten zu robben, um gigantische Ernten vorzubereiten. Und, Sie wissen es ja, je dreckiger meine Hände sind und je lauter der Rücken jammert, desto glücklicher bin ich.
Mai:
Ich kroch weiterhin durch den Garten. Nicht nur wegen der zukünftigen Ernte, sondern auch um eine ordentliche Garty-Party-Location vorzeigen zu können. Letztere fand Ende des Monats stand. Ich habe sie sehr genossen und ich glaube, den meisten Gästen ging es genauso.
Um das mit dem Zelten ein bißchen zu üben, baute ich mein Zelt im Garten auf und wollte danach eigentlich direkt losziehen! Zuerst schliefen wir aber mit den Hunden eine Nacht im Wingert, Neuland für Lutz. Wir stellten fest: das Hundekind ist bereit für Wanderabenteuer und unser großes Drei-Personen-Zelt reicht knapp für das Hundekind allein, wir dürfen uns am Rand dazuquetschen.
Juni:
Der Wandermonat!
Der Gatte, die Hunde und ich zogen mit zwei Zelten auf dem Soonwaldsteig los. Zuerst gemeinsam, dann trennten wir uns. Der Gatte fuhr mit den Hunden wieder heim, ich wanderte drei Tage alleine weiter. Schlief alleine in meinem Zelt auf Trekkingplätzen, lief alleine auf (perfekt ausgeschilderten) Wanderwegen, langweilte mich nicht, hatte keine Angst und war danach total bereit für den großen Weg. der Westweg. Den kannte ich schon, deshalb rechnete ich nicht mit allzu großen Überraschungen. Dass meine Wanderschuhe an Tag vier unbrauchbar wurden und ich das bereits am zweiten Tag hätte feststellen können, als sich die ersten Blutflecken in den Wandersocken zeigten, war dann doch sehr überraschend. Noch überraschender war es, dass mich meine unschön zerfleischten Füße daheim fast zwei Wochen ins Bett zwangen, bis ich wieder einigermaßen schmerzfrei laufen konnte.
Immerhin gab es von der Wanderschuhfirma eine schöne Entschädigung und das Ersatzmodell wird bereits eingelaufen, für das nächste Solo-Abenteuer. Der Westweg will beendet werden.
Juli:
Der Sommer ist da, die Hunderunden finden sehr früh und sehr spät statt, dazwischen liegen alle Tiere, auch die Katzen, in kühlen Ecken herum und schlafen.
Ich genoß die Schattenecken im Garten und kümmerte mich um Gemüsebeete, Beerenernte und das Gewächshaus.
Der Gatte reiste mit den Söhnen zur Tochter. Gemeinsam kletterten sie auf ein paar Gipfel und als krönenden Abschluss auf die Zugspitze. Klettersteige sind nicht meine Wohlfühlorte, ich war nicht traurig, mit dem ganzen Viehzeug daheim zu bleiben.
August:
Der Gatte hatte erneut Stellplatz auf den Trekkingplätzen entlang des Soonwaldsteiges gebucht, doch nachdem wir erst im Juni dort waren und ihn auch im Jahr vorher komplett gewandert waren, überließ ich dem Jüngsten (und den Hunden) meinen Platz im Zelt und blieb daheim. Ich bin nämlich sehr gern allein daheim. Trotzdem war ich dann doch ein bißchen neidisch auf die Zeit im Wald, logisch.
Wir planten den nächsten Wanderurlaub. Diesmal mit deutlich mehr Anteil am Meer und ich hoffe wirklich sehr, dass das alles so klappt, wie wir uns das vorstellen.
Das Hundekind wurde ein Jahr alt und ist definitiv kein kleiner, niedlicher Fellflausch mehr. Ganz im Gegenteil: die Pubertät kickt schwer rein und das Tier fängt an zu stinken. Und der pubertäre Hörverlust macht immer häufiger den Gebrauch der Schleppleine nötig.
September:
Es gab eine Zeit, da war ich hier „die bunte Frau“. Das verliert sich immer mehr, aber ich arbeite am Titel „verrückte Hundefrau mit Hut“, das könnte mir gefallen.
Tatsächlich lässt es sich nicht leugnen: es herbstelt. Die Trauben, die zuerst prall und gesund und in großen Mengen an den Reben hingen, werden durch heftigen, langen Regen sauerfaul. Tag und Nacht fahren die Vollernter und retten, was zu retten ist.
Mein Garten ist unbeeindruckt vom Wetter. Er ist grüner als im Frühling und ich freue mich über reichlich Gießwasser für die Tomaten im Gewächshaus.
Oktober:
Wir starten den Monat mit Freunden in Freiburg. Bummeln durch das entzückende Städtchen, speisen und trinken hervorragend und genießen unseren Miniurlaub.
Danach … wird es grau. Ich krache mit voller Wucht ins PostCOVID-Tal und sehe mir von außen dabei zu. Völlig hilflos trudele ich immer weiter runter und überlasse es letztlich dem Gatten, daheim alles zu stemmen. Es gab über das Jahr hinweg immer wieder Einbrüche, aber dieser ist wirklich heftig. Ich deaktiviere meine Social Media Kanäle, weil sämtlich Reize zu viel sind. (bastele mir einen kleinen Instagramaccount, auf dem ich meine Hunderunden festhalte. Und ja, wer Hashtags nutzt, wird dann halt auch schnell wieder gefunden.)
Der Geburtstag des Gatten geht vorbei, die Tage schwimmen ineinander. Durch die Depression des Freundes sensibilisiert sprechen wir lange, auch im Freundeskreis, über das „was wäre wenn“ und „ab wann“.
November:
Nach langer Planung, vielem Hin und Her und einigen „uppsi“s seitens der Solarplattenfirma ging es dann zackig: auf dem Dach liegen jetzt sehr viele Solarplatten, in der Halle hängen zwei Wechselrichter. Der eine speist den größten Teil des Stromes ins Netz ein, der andere versorgt uns selbst. Haken dran. Nächster Plan: eine Wärmepumpe. Und ein Zisterne im Gewölbekeller. Weil dann kann die große Zombieapokalypse kommen.
Vermutlich waren das schon die Novemberhighlights, ich hing nämlich immer noch rum. Der Gatte hielt weiterhin alles am Fliegen, zusätzlich zu einem durch ein hirnrissiges Projekt heftig angestiegenes Arbeitspensum. Ich beobachtete, wie angesterngt und gehetzt er war und konnte nichts dagegen tun. Was mich noch tiefer trudeln ließ. Aber irgendwann wurde es wieder besser. Einfach so.
Dezember:
Ich sag ja immer, dass wir im Dezember das allerwichtigste Fest feiern, nämlich meinen Geburtstag. Und so ungern der Gatte den seinen feiert, so begeistert mag ich meinen zelebrieren. Und so geschah es. Der Große hatte die obligatorische Binzessinnenkrone gebastelt, es gab Besuch, Glückwünsche auf allen Kanälen, Alkohol und sehr viele Brownies, denn ich hatte zur Brownieparty geladen. Sehr, sehr toll, sehr anstrengend.
Mit mir ging es immer weiter aufwärts, das Stresslevel des Gatten sank, doch meine Weihnachtsfeierlust bewegte sich gegen null. Mit der allerbesten Freundin und der Tochter plante ich ein köstliches Weihnachtsessen und war dann sehr traurig, als die Freundin am 23. erkrankte und absagen musste. Als der Jüngste ein paar Stunden später hustend vor mir stand, irgendwas von Schnupfen sagte und kurz darauf die zweite Linie im Teststäbchen erschien, war ich gar nicht so traurig Weihnachten absagen zu müssen. Erst als es den Gatten erwischte und kurz darauf die Tochter hörte der Spaß auf. Ich spielte dann eben auch mit und einzig der Große hielt weiterhin die Stellung, verbannte uns in unsere Quarantänezonen, die wir nur mit Maske verlassen durften und versorgte uns mit ausgezeichnetem Essen. Wir fieberten, husteten, schnupften und fühlten uns elend, der Große übernahm die Hunderunden und langweilte sich dazwischen auf dem Sofa.
Mittlerweile sind alle Tests wieder negativ, die Kinder wieder in ihren Wohnungen in den verschiedenen Städten verschwunden. Richtig gesund sind wir noch nicht, weswegen wir den Jahreswechsel nicht wirklich rauschend gefeiert haben. Es gab nicht mal Sekt.
(dafür aber eine tote Ente am Morgen, damit hat das scheidende Jahr uns nochmal so richtig eine Nase gedreht.)
Das war also dieses 2023. Ich sags mal so: da ist für 2024 noch Luft nach oben.
Vorsichtshalber habe ich mal keine Vorsätze formuliert. Kein Vorsatz sondern eine Notwendigkeit: die überzähligen Kilos wieder loszuwerden. Ich neige leider sehr zum Frustessen und in Verbindung mit „kann nicht, will nicht, geht nicht“-PostCOVID führt das zu unschönen Ergebnissen. Nicht nur zu kneifenden Klamotten, sondern halt auch zu „ich mag mich so nicht“ und das ist ja eh kontraproduktiv.
Fertig!
Alles Liebe und Gute, Glück und Gesundheit Ihnen da draußen. Sie wissen ja: immer die Ihre.
Egoistisch und narzisstisch, Teil XVI
30. Dezember 2022
Januar
Wie könnte es anders sein: das Jahr beginnt mit einer neuen Farbe für die Küche. Diesmal wählte ich ein leuchtendes Blau. Der Gatte beantwortete mein besorgtes Nachfragen „Ist das ok für dich?“ mit seinem üblichen „Mach nur!“, denn es ist ihm tatsächlich völlig egal, welche Farbe die Küchenmöbel haben. Zwei Tage dauerte das „Blau machen“, das Ergebnis begeisterte mich nur so mittel, denn ich stellte fest, dass (kobalt)blau nicht meine Farbe ist und hätte ich einen Blick in meinen Kleider- oder Stoffschrank geworfen, hätte ich da schon früher drauf kommen können. Ich nähte neue Vorhänge, lackierte das alte Küchenbuffet zartrosa und beschloss, die blaue Küche toll zu finden. (auch wenn kein einziges Geschirrstück den richtigen Blauton hatte! Skandal!)
Außer Lackrollen zu schwingen, verbrachte ich sehr viel Zeit draußen. Ich entdeckte die ersten Knospen der Mandelblüte, begrub die Hoffnung auf Schnee und brach einen Vorsatz, indem ich mir bereits im Januar den ersten Tulpenstrauß auf den Tisch stellte. Sonst verweigere ich Tulpen bis in den März hinein. Zu meiner Verteidigung sei gesagt: der Strauß war ein Danke-Geschenk für eine Korrektur gelesene Bewerbung, die dann erfolgreich war.
Wir trafen uns regelmäßig mit unseren Freunden, nach wie vor draußen. Wir spazierten durch die Wingerte, saßen um Feuerschalen und -töpfe herum und tranken mehr Glühwein, als wir uns, wie jedes Jahr zum Jahreswechsel, vorgenommen hatten. Diese Treffen und Feiern im Freien führten dazu, dass ich endlich die ganz dicken Klamotten aus der hinteren Ecke des Kleiderschrankes hervorholte, in der sie seit Jahren liegen, weil die Winter einfach nicht mehr richtig kalt werden. Zwei Stunden im Freien sitzen verlangt aber nach dicker Wolle.
Insgesamt ein guter Jahresbeginn. Ich mag den Januar gern, weil ich Neuanfänge mag. (jaja, super albern, es ist ja nur ein Monat. Ist aber halt so.)
Februar
Zum ersten mal seit vielen Jahren lief ich wieder regelmäßig bei Demonstrationen mit. Die „Spaziergänger“ marschierten durch das Nachbarstädtchen und waren sehr empört, weil sie in die rechte Ecke gestellt“ wurden, sie wollen doch nur Meinungs- und Entscheidungsfreiheit. Ich hatte ein paar spannende Diskussionen, vor Ort aber vor allem im Netz zum Thema. Letztlich blieben diese aber fruchtlos und tatsächlich spare ich mir mittlerweile meine Kräfte und überlasse diese Kämpfe kompetenten und hartnäckigeren Menschen.
Der Gatte und ich fasteten eine Woche. Ich, weil ich das schon zweimal getan hatte und ich, siehe oben!, den Neuanfang der Nahrungsaufnahme toll finde und meine Ernährung danach für längere Zeit sehr viel mehr genieße und schätze. Der Gatte, weil er ausprobieren wollte, was mit ihm passiert, wenn er eine Woche lang nichts isst und wie leistungsfähig er bleibt. (alles super, er ging sogar joggen) Ich brach das Fasten zwei Tage vor ihm, weil ich auf dem Weg in ein Long COVID-Tal war, die gute Stimmung des Fastens verließ mich sehr schnell. Und weil ich während des Fastens in meiner Lieblingsküche sowieso nicht kochen konnte und das Blau immer noch nicht mein Blau war, lackierte ich sie rasch türkis. Und war damit dann endlich sehr, sehr glücklich. Das war der kürzeste Zeitraum einer Küchenfarbe. :)
Am Ende des Monats verschlossen wir zwei Tage Ohren und Augen vor entsetzlichen Nachrichten und feierten stattdessen den 23. Geburtstag unseres jüngsten Sohnes. (Ein Stück des Geburtstagskuchen stellten wir dem großen Sohn vor der Wohnungstür, hinter der er in Quarantäne lebte.) Zwei Tage später feierten wir unser Kreppelfest, diesmal sogar mit echten Gästen in der Küche. (in der hübschen, türkisfarbenen Küche!)
Danach … war wieder Platz für Fassungslosigkeit, Wut und ein bißchen Angst. Krieg in der Ukraine.
März
Im März begann die Gartensaison! Ich erntete den letzten Rosenkohl und jätete die ersten Hochbeete frei. Im Gewächshaus wuchsen die ersten Jungpflanzen und mein grüner Daumen begann zu kribbeln.
Eine Nacht schliefen wir im Wingert, als Test, wie Lola kühlere Temperaturen im Zelt aushalten kann. Alles in Hinblick auf den Sommerurlaub. Nach diesem Wochenende änderte sich aber erstmal sehr viel.
Wir boten Wohnraum für Flüchtlinge aus der Ukraine an und zwei Tage später bekam ich eine lange Liste, von der ich mir „unsere Familie“ aussuchen konnte. Mit tatkräftiger Unterstützung der Söhne verwandelten wir den großen Raum unter der Terrasse, der leer stand, weil er Küche und Wohnzimmer für den Jüngsten werden sollte, in eine gemütliche Unterkunft für eine 33jährige, ihren anderthalb jährigen Sohn und ihren 11 Jahre alten Neffen. Eine große Welle der Hilfsbereitschaft schwappt über mich, ich musste unzählige Angebote sogar absagen oder weiterleiten, noch heute bin ich sehr gerührt davon und möchte mich auch an dieser Stelle nochmals herzlich für Ihre Spenden und Unterstützung bedanken! Vielen, vielen Dank! <3
Das Zimmer wurde fertig und noch bevor wir fertig überlegt hatten, wie wir die Aufteilung der Küche regeln könnten und wie das wohl mit der Sprachbarriere laufen würde, fanden wir uns im Gemeindehaus wieder, wo wir unsere Gäste in Empfang nahmen und zu uns nach Hause führten.
Was auch immer wir geplant hatten, ich weiß es nicht mehr. Wir wuchsen zusammen. Unsere Gäste lernten, dass Flugzeuge und Sirenen hier keine Gefahr bedeuten, wir lernten mehr über deutsche Behörden und Ämter, als wir je wollten. Wir fuhren unsere Gäste von A nach B, meldeten an und um und wurden zum Dank üppigst bekocht und versorgt. Übersetzungsapps wurden wichtigstes Hilfmittel, gleichzeitig lernten die Gäste deutsch und ich ein paar Brocken ukrainisch. Ich trocknete einige Tränen, nicht nur fremde und verzieh dem Gatten sein „Hamster-Gen“, das ihn quasi nichts wegwerfen lässt. Alle Kindersicherungen, die schon längst abgebaut waren, lagen noch in der Werkstatt und wurden sehr schnell wieder eingebaut. Ein Anderthalbjähriger ist wuselig.
Ich suchte meine Deutsch-Unterricht-Utensilien wieder heraus, zuletzt brauchte ich die 2016 für „unsere Syrer“. (falls Sie fragen wollen: denen geht es gut)
Unser Umgang miteinander wurde entspannter, wir waren wie eine gut funktionierende WG, nur ohne den gammeligen Kühlschrank und das versiffte Bad.
April
Ein neuer Alltag war da. Zu abendlichen Hunderunde hatte ich einen Kinderwagen dabei, nachmittags ab drei Uhr gab es Deutschunterricht am Küchentisch. Meine Küche trat ich ab, denn Kochen und Backen waren Therapie und Ablenkung und ja, alles was hilft ist gut.
Das Wetter zeigte sich von seiner allerbesten Frühlingsseite und brachte hohe Temperaturen. Unsere Gäste hatten nur Winterkleidung mitgebracht, doch die nächste Welle der Hilfsbereitschaft sorgte auch hier für Verbesserung. (Danke, danke!!) Frühlingswetter zog mich in den Garten, rupfen und zupfen, meine Therapie, mein Rettungsanker bei Stress und Überforderung. Wut, Sorge und Hilflosigkeit in den Boden graben und mit dreckigen Fingernägeln und Rückenschmerzen wieder Kapazität für fremde Ängste und Tränen zu haben.
Anfang des Jahres hatte der Gatte sich und dem Jüngsten Zeltstellplätze auf Trekkingplätzen im Pfälzer Wald gebucht. Zusammen mit Lola wollte sie über Ostern dort wandern und ich sollte ein Wochenende ganz für mich allein daheim genießen dürfen. Ganz alleine war ich dann nicht, dafür durfte ich nach vielen Jahren mal wieder Ostereier im Garten verstecken. Und weil Freundinnen ebenfalls Gäste aufgenommen hatten, feierten wir gemeinsam ein deutsches Osterfest.
Eine Woche später feierten wir erneut, diesmal das ukrainische Osterfest. Im Stadtpark zusammen mit allen anderen Gästen, die zusammen mit unseren in einem Bus angekommen waren und hier in Nierstein bei ihren Gastfamilien lebten.
Mai
Auch der Mai zeigte sich wettertechnisch sehr freundlich! (natürlich regnete es besorgniserregend wenig und war viel zu warm, doch ganz egoistisch betrachtet war das halt super) Wir begannen unser „draußen leben“. Spielten, lasen, lebten auf der Terrasse, schleppten jeden Abend das Abendessen nach draußen und blieben sitzen, bis es in der Dämmerung doch zu kühl wurde.
Der Garten gedieh prächtig und war noch nie in solch gutem Zustand wie in diesem Mai, in dem er mir Zufluchtsort und Erholungsplatz gleichermaßen war. Dort konnte ich allein sein, ein Hörbuch in den Ohren und die Hände in der Erde. Im Rosa Gartenhüttchen legte ich mich zum Schlafen hin, wenn mich die Kräfte verließen und es im Haus kein ruhiges Plätzchen gab.
Mittlerweile hatte die Schule für den Elfjährigen begonnen und weil er Platz für sich brauchte, räumte ich mein Nähzimmer aus, der Jüngste zog mit seinem Kram dort hinein und stellte sein Zimmer, das kleinere neben dem großen Gästezimmer unter der Terrasse, zur Verfügung. Mit dem eigenen Zimmer kamen Schulfreunde zu Besuch und je mehr sich der Elfjährige einlebte und akklimatisierte, desto größer wurde das Heimweh seiner Tante.
Der Gatte und ich nahmen uns einen Abend frei und feierten unseren 27. Hochzeitstag. 27 Jahre, wow. Und ja, ich nehme die nächsten 27 Jahre gemeinsam mit ihm gerne in Angriff! (den langen, rührseligen Text darüber, wie dankbar ich bin, dass er meine spinnerte Spontaneität mitträgt usw, usf lasse ich aus, das habe ich ihm alles nach einer gemeinsamen Flasche Primitivo gesagt.)
Juni
Letztes Jahr hatte ich mir eine gemeinsame Trekkingtour mit allen Kindern gewünscht, zwei Nächte im Zelt, zusammen wandern, am Feuer sitzen, so ein Familiending halt. Doch dann war ich nicht richtig fit und ich glaube, es gab auch irgendwas mit dem Wetter. Die längere Tour zusammen ließen wir aus, stattdessen wanderten wir nur einen Tag durch den Wald und testeten bei dieser Gelegenheit gleich in Ruderbooten auf der Nahe, wie „seesicher“ Lola ist, denn der anstehende Wanderurlaub in Schweden würde uns auch in Booten über Seen schicken. Wie sich zeigte, war Lola von Booten kein bißchen begeistert. Sehr energisch stemmte sie sich mit allen vier Pfoten in den Boden und verweigerte wacklige Holzboote. Und fand es obendrein sehr empörend, als wir abwechselnd trotzdem hin- und herruderten, ebenfalls als Übung für Schweden, denn weder der Gatte noch ich hatten je ein Boot bewegt. Nachdem Lola nicht ins Boot zu bewegen war, sahen wir der Wanderung mit ihr nicht mehr ganz so optimistisch entgegen. Am Ende des Tages hatten die Kinder einen Plan ausgearbeitet, wie sie Lola übernehmen können, damit wir unseren Traumurlaub doch erleben dürften. Diese tollen Kinder!
Daheim hatte das Heimweh seinen Höhepunkt erreicht, gefüttert von whatsap-Nachrichten der Freundinnen, die Bilder aus Cafés und von Spielplätzen schickten, „hier ist alles gut, wir vermissen euch sehr“. Mitte des Monats fuhren wir unsere Gäste nach Mainz, wo sie in einen Bus Richtung Kiew stiegen. Nach 38 Stunden kamen sie gesund dort an. Um den Ereignissen vorzugreifen. es geht ihnen nicht mehr gut dort und mein Herz bricht, wenn ich es zulasse, zu viel daran zu denken. Wir können nicht helfen, werden aber sofort unsere Tür öffnen, wenn sie klingeln.
Nach der Abreise unserer Gäste war das Haus sehr groß und leer. Wundervoll leer und leise. Es dauerte ein paar Tage, bis ich es zuließ es wieder zu genießen, ganz ohne schlechtes Gewissen, dass wir wieder unter uns waren.
Dann wurde es herrlich langweilig. Wir feierten einen 50. Geburtstag. Ich glaube, das war der letzte im engsten Freundeskreis. Jetzt beginnen demnächst die 60. Geburtstage. Herrje, was sind wir alt geworden.
Es wurde heiß, wir schliefen auf der Terrasse und kehrten in unser kleines, normales, langweiliges Leben zurück.
Juli
Die erste Hälfte des Monats dörrte ich Obst und Gemüse für Trekkingmahlzeiten, buk Müsliriegel und packte meinen Rucksack mindesten zehnmal ein und wieder aus, immer auf der Suche nach überflüssigem Kram. Wenn man seinen Rucksack einen Monat lang jeden Tag tragen will, zählt jedes Gramm. Als alles passte, jede Wetterlage berücksichtigt war, Kinder, Freunde, Tiere, Haus und Garten verabschiedeten waren, brachten uns zwei Flugzeuge nach Hemavan. Dort startete für uns der Kungsleden, Schwedens bekanntester Fernwanderweg. Für knapp 500 Kilometer (wir planten ein paar Schleifen) hatten wir uns vier Wochen Zeit genommen, unser bisher längster Urlaub!
Uns erwartete eine spektakuläre Landschaft, mehr Schnee als den gesamten letzten Winter bei uns, Regen, Sturm, Matsch, Morast, Steine, Felsen, morsche Holzplanken, Mücken und eine Weite, die mich fast zu Tränen rührte. Kennen Sie den Ausdruck „das Herz geht auf“? So war das. Stehen bleiben, rundum schauen und einfach nur Gegend sehen. Keine Häuser, keine Straßen, keine Zivilisation. Wenige Menschen, doch die, die wir trafen, empfanden wir als Bereicherung. Wir bekamen Trailnamen, erzählten uns unsere Erlebnisse und diskutierten über DAS THEMA der Fernwanderer: gear. Wieviel wiegt der Kram, was kann er, was kostet das.
Die Etappen, die uns im Vorfeld teilweise lächerlich kurz erschienen („Wie? Nur elf Kilometer? Das ist eine längere Hunderunde, da können wir garantiert noch was dranhängen!), erwiesen sich als sehr, sehr anstrengend. Jeder Schritt musste wohlüberlegt gesetzt werden, um nicht im Morast zu versinken oder von Steinen oder Holzplanken zu rutschen. Den Blick schweifen zu lassen ging nur, wenn wir ganz bewusst stehen blieben und uns Zeit dafür nahmen.
Wir fanden wunderbare Zeltplätze und ich schlief tief und fest, erwachte erholt. Meine Muskeln wurden stärker und der Long COVID-Schub, der mich kurz vor der Abreise runtergerissen hatte, verabschiedete sich. Ein toller Urlaub …
August
… bis ich diesen Lachsbagel aß. Mit großem Appetit und sehr, sehr hungrig. Danach noch ein Zimtbrötchen, denn die folgende Etappe sollte lang und anstrengend sein. Eine Stunde nach der Mahlzeit ging es mir nicht mehr gut und um die folgenden unschönen Ereignisse nicht allzu detailliert zu beschreiben: es wurde schlimm. Wir schafften den Weg in strömenden Regen bis zu einer Hütte, in der wir uns zum Schlafen legten, zusammen mit anderen Wanderern. Diese Hütten sind nur für den Notfall zum Übernachten freigegen, doch das heftige Gewitter in der Nacht rechtfertigte die Übernachtung. Ich fieberte hoch, doch Ibuprofen in höherer Dosis ließ mich am nächsten Morgen beinahe beschwingt in die nächste Ortschaft laufen. Dort brach ich aber zusammen und blieb drei Tage im Bett. Fiebernd und völlig fertig. Als sich Besserung abzeichnete, wanderten wir wieder los. Zehn Kilometer und eine geruderte Seelänge kamen wir weiter, dann ging nichts mehr. Zwei Tage lag ich erneut heftig fiebernd und mit blutigem Durchfall im Zelt. Kein Zustand, befand der Gatte. Gerettet werden wollte ich aber nicht, das ließ mein doofer Stolz nicht zu. Wir schlichen sehr, sehr langsam den Weg zur Ortschaft zurück und als ich vor Anstrengung in die Blaubeeren kotzte und beinahe umkippte, schleppte der Gatte beide Rucksäcke. Wir kamen an, fanden ein Zimmer. Ich duschte und schlief. Zwei Tage dauerte unser abenteuerlicher und tatsächlich auch toller Heimweg in Bussen, der tollen Inlandsbanan und drei Flugzeugen. Daheim kam ich recht schnell und zehn Kilo leichter wieder auf die Beine. Eine heftige Lebensmittelvergiftung hatte mich außer Gefecht gesetzt und hat mir Schweden ein bißchen verleidet. Auch wenn ich weiß, dass weder der Kungsleden noch das Wetter etwas für den ganzen Mist können … den Weg fertig zu laufen kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen. Wenn ich an Schweden denke, sehe ich mich im Zelt liegend, nicht wissend, wie ich wieder aus dem Wald kommen soll.
Als ich wieder gesund war, öffnete ich dreimal in der Woche die Türen des Gemeindehauses für Flüchtlinge. Eine Begegnunsstätte sollte geschaffen werden, mit juristischer Beratung im Haus, falls nötig. Ein lockeres Treffen, mit Kaffee und Keksen. Doch der Sommer war zu heiß, das Interesse nicht vorhanden, trotz eifrig gerührter Werbetrommel. Mein Minijöbchen endete …
September
… im September schon wieder.
Ganz langweiliger Alltag kehrte ein. Äpfel und Birnen wurden reif und verlangten Verarbeitung, der gesamte Garten wollte endlich wieder meine Aufmerksamkeit. Die Tochter reiste zu ihrem Geburtstag an und blieb ein paar Tage. Nicht nur um zu feiern, sondern auch um bei der beginnenden großen Umräumerei und Renoviererei zu helfen. Ich bekam mein Nähzimmer zurück, nachdem im kleineren Raum unter der Terrasse der Boden abgeschliffen und neu versiegelt worden war. Der Jüngste zog wieder runter und ich sortierte sehr glücklich Garne und Stoffe zurück in Regale und Schränke.
Das bereits in Schweden muckende Knie wurde gleich zwei Orthopäden gezeigt. Der erste erklärte mir, ich sei nun eben nicht mehr die Jüngste und müsse mich mit zunehmender Bewegungslosigkeit abfinden (WTF?!), der zweite fand eine Entzündung und ein den Umständen entsprechendes (bereits sechsmal operiertes) ganz fittes Knie. Er empfahl moderate, sich stetig steigernde Bewegung und entließ mich mit den beruhigenden Worten, dass ein künstliches Gelenk derzeit nicht angezeigt sei.
Wir feierten ein kleines Federkuchenfest mit Freunden und ich bewegte moderat mein Knie, begeistert darüber, dass die Cortisontherapie anschlug. Es sieht so aus, als müsste ich den großen Trekkingrucksack nicht an den Nagel hängen.
Oktober
Der Winter wird kalt, weil wir müssen alle Energie sparen. Außerdem wird das Gas teuer. Ein willkommener Anlass für mich, um jede Menge Restequilts nähen. Im Nähzimmer stapelten sich bunte Haufen, die Nähmaschine lief heiß und trotzdem schrumpften die Stoffberge im Nähzimmer kaum merklich.
Mein fast voll einsatzfähiges Knie wurde endlich wieder bei Hunderunden gefordert. Wir wagten eine längere Wanderung und außerdem legte ich etliche Kilometer im blaugelben Möbelhaus zurück. Der Jüngste suchte sich eine Küche und ein Sofa aus, das Projekt „eine Wohnung in der Grünen Villa“ wird immer konkreter. Wir verhandelten mit dem Fliesenleger und dem Installateur für unser neues Bad und den neuen Flur, machten Aufträge fest und legten den Start fest: 2. November!
Den letzten Zwetschgenkuchen der Saison teilten wir mit den Freunden und planten dabei sehr spontan ein gemeinsames Wochenende in Hamburg. Dorthin brachen wir nach dem Geburtstag des Gatten auf. Ein paar wunderbare Tage waren das! Wir klapperten eine Menge touristische Attraktionen ab, der Gatte und der Schreinerfreund kletterten in die Takelage der Rickmer Rickmers und den Rest der Zeit speisten wir hervorragend.
November
Wie vereinbart startete am 2. November der Abriss unseres Bades und des Flurs. Es gab sehr viel Krach und Dreck und das blieb mit kurzen Pausen den ganzen Monat so. Vier neue Fenster wurden eingebaut, gewollte und ungewollte Löcher für neue Leitungen wurden in Boden und Wände geklopft, wunderschöne Wand- und Bodenfliesen wurden verlegt, wir bekamen ein neues Waschbecken und eine neue Toilette, leider nicht den von uns gewählten Heizkörper und eine schöne Dusche, die wir derzeit nicht nutzen können, weil die Duschwandfirma nicht in die Pötte kommt.
Einen schrecklichen Abend lang war der Wasserabfluss von Spüle, Waschbecken und Toilette verstopft, der Jüngste bekam, beim Versuch das zu richten, die schlimmste Dusche seines Lebens. Wir lernten am folgenden Tag vom Profi, was ein Urinsteingerüst ist und dass ein solches durch Bohrarbeiten und deren Erschütterungen zusammenbrechen und einfach alles verstopfen kann. Jetzt läuft alles wieder ab!
Dreck und Krach waren anstrengend und belastend, wir machten aber das Beste daraus. Feierten den Geburtstag des Großen, übten die für meinen Geburtstag geplante Feier mit den Freunden (die Cocktails müssen ja schmecken) und weil das Chaos nicht groß genug war, ging die Renoviererei in der künftigen Küche des Jüngsten weiter. Neue Fliesen, ein abgeschliffener Boden, der versiegelt wird, Wände streichen, Abwasser- und Wasserleitungen und Strom legen. Ziemlich viel, sehr, sehr anstrengend, dieser November.
Ich zauberte Weihnachten in die Schaufenster des Weltladens und tat dann das, was ich schon sehr lange tun wollte. ich schrieb einen langen Blogartikel über Long COVID und was es mit mir anstellt. Das hatte ein bißchen was von „auf der Straße nackig machen“, doch die allermeisten Reaktionen verletzten oder verspotteten nicht, ich fühlte mich verstanden, getröstet und getragen.
Dezember
Endlich Dezember! Der Dezember ist der wichtigste Monat des Jahres! Nicht wegen Weihnachten und Besinnlichkeit und Plätzchen und nur ein bißchen wegen glitzerigem Weihnachts-Schnickeldi. Im Dezember habe ich Geburtstags und ich mag meinen Geburtstag sehr. Dieses Jahr feierten wir ein rauschendes Fest, die Fiesta Méxicana. Tolles Essen, tolle Getränke und als ich am nächsten Morgen äußerst verkatert in die Küche kroch, stand der Große bereits Gläser spülend darin. Sehr, sehr großartig!
Mit den Freundinnen verbrachte ich einen tollen Tag in Mainz. Das hat mittlerweile auch schon Tradition! Wir frühstücken irgendwo und bummeln so lange durch sämtliche Schnickeldilädchen, bis wir Abendessenhunger haben. Den stillen wir in einem Restaurant, bevor wir satt vom Stadttrubel wieder heimfahren.
Mitte Dezember trudelte nicht nur der Tochter zum Weihnachtsbesuch ein, unser hauseigener Zoo vergrößerte sich! Lutz zog ein. Lutz ist mittlerweile 18 Wochen jung, hat ein flauschiges, schwarzes Fell, zu dem er weiße Socken und ein weißes Lätzchen trägt. Er ist ein hinreißender Welpe, wir sind sehr, sehr verliebt. Die Größe seiner Pfoten lässt uns etwas unsicher zurück. Er wird entweder riesig oder einfach nur sehr breit. Vermutlich Letzteres, seine Mutter ist eine Bracke, der Vater allerdings unbekannt. Er hat an den Hinterpfoten überzählige Zehen, eine weiße Schwanzspitze und bringt Schwung nicht nur in unser Leben. Lola wird genauso gefordert. Sie füllt ihre Tantenrolle perfekt aus, spielt und tobt mit dem Kleinen und rügt ihn, wenn er zu wild ist. Noch müssen wir nachts raus, damit er rechtzeitig zum Pinkeln in den Garten kommt, aber das ist hoffentlich bald vorbei. Unfassbar, wie sehr Schlafmangel schlaucht, noch unfassbarer, dass wir das jahrelang mit den Kindelein ausgehalten haben. (ok, wir waren drei, vier Jahre jünger)
Um Lutz dreht sich jetzt quasi alles, trotzdem hatten wir ein feines, kleines Weihnachtsfest. Eigentlich drei Feste. Das erste war vor Heilig Abend zusammen mit den Neffen, die endlich mal wieder zu Besuch da waren, das zweite an Heilig Abend zusammen mit Oma Eis, ihrem Lebensgefährten und der allerbesten Freundin und das dritte am ersten Feiertag, nur die Kindeleien, die allerbeste Freundin und wir (und ein paar Cocktails, Musik und Tanz). Wir haben dieses Jahr „das Fest ohne Geschenke“ ausprobiert. Das war in Ordnung, aber auch komisch. Ich packe eben genauso gerne Geschenke aus, wie ich welche mache. Mal sehen, wie wir das nächstes Jahr handhaben.
Für Silvester gibt es keine Pläne. (wir haben ja ein Baby im Haus!)
Wir werden uns den Kalender für nächstes Jahr vornehmen und für jeden Monat eine Wanderung heraussuchen. Da mit Hundekind eine größere Wanderung über Wochen nicht möglich sein wird, wollen wir Mehrtagestouren in den hiesigen Mittelgebirgen machen. (Hauptsache Wald, im Zelt schlafen und draußen leben.) Vielleicht schaffen wir es sogar, bis Mitternacht aufzubleiben und anzustoßen. Notfalls schlafen wir früh und wünschen wir uns gegen drei ein gutes, neues Jahr, wenn uns der kleine Hund zur Pinkelpause weckt.
Ob und wie es hier im neuen Jahr weitergeht, wer weiß das schon.
Rutschen Sie gut ins neue Jahr und bleiben Sie mir gewogen.
Immer die Ihre.
Blau machen, draußen sein und der ganze Rest
9. Januar 2022
Fast zwei Jahre lang sah die Küche aus, als sei sie in Erdbeerjoghurt getunkt, fast zwei Jahre lang gefiel mir das auch ausgesprochen gut. Dann aber irgendwie nicht mehr und deshalb wusch ich alle Küchenmöbel sehr gründlich ab (auch von innen, denn wie sich zeigte, hatte der Große beim nicht so Festhalten des Cocktailshakers an Weihnachten, den Zombie nicht nur quer durch die Küche, sondern auch in die Schubladen verteilt), klebte Wände und Arbeitsplatte ab und „machte blau“. Zwei Anstriche später sieht die Küche jetzt so aus:
Jetzt bin ich wieder sehr glücklich und muss nur noch ein paar neue Bilder aufhängen. Oh ja, und neue Topflappen muss ich finden, da der Gatte das letzte intakte und farblich einigermaßen stimmige Paar in die Gasflamme unseres Herdes gelegt hat. Topflappen brennen übrigens sehr schnell. Gestern machte ich mich auf die Suche nach Topflappen und Abgründe taten sich auf. Es gibt nämlich nicht nur Shirts und Schürzen mit, ich sage mal vorsichtig „schwierigen Sprüchen“, sondern auch Topflappen. Ich klagte in einer (na gut, in einigen) Instagramstory mein Leid und bekam einige nette Tipps, unter anderem auch den, was ich in die Suchleiste eintippen soll, um ansprechende Suchergebnisse zu erhalten. („Bunte Topflappen“ Ach?!)
Vermutlich werde ich selbst nähen und damit ist jetzt aber auch wirklich Schluss mit diesem Thema.
Gestern Abend waren wir zum Grillen eingeladen und es ist ja tatsächlich so, dass dieses „sich mit Freundinnen draußen treffen“ zur Gewohnheit wird. Mittlerweile halten wir es im Freien genauso lange miteinander aus wie drinnen an Küchentischen oder auf Sofas. Obendrein haben wir endlich einen guten Grund, unsere wirklich dicken Wintersachen zu tragen, denn die brauchte es in den letzten Wintern bei Hunderunden oder Spaziergängen wirklich nicht mehr. Jeder Freundeshaushalt ist nun im Besitz einer Feuerschale oder einer Feuerstelle, der Schreinerfreund hat erfolgreich getestet, ob sich in einem alten Emaille-Einkochtopf ebenfalls Feuer machen lässt. Um das Feuer herum, auf Fellen sitzend und in Decken gewickelt, das eine oder andere heiße Getränk in der Hand, ist es dann eigentlich ganz schön. Mittlerweile harren wir auch stoisch aus, ob der leichte Regen vielleicht doch wieder verschwindet. Wir härten ab.
(Der Ordnung halber: Treffen nur mit maximal sechs Leuten, alle geboostert, frisch getestet und umarmt wird auch nicht mehr. Was ich wirklich vermisse, also das Umarmen. Hätte ich vor zwei Jahren noch vehement abgestritten und behauptet, dass ich nicht so „touchy“ bin. Bin ich aber wohl und ach. Es könnte doch jetzt einfach alles vorbei sein)
So lange wir unsere ausschweifendes Sozialleben (haha) nicht wieder aufnehmen können, räumen wir halt in der Grünen Villa rum. Die Halle, unsere gruselige „ich stelle da mal eben hier ab und vergesse es“-Hölle, wird langsam immer übersichtlicher! Wir haben nämlich Schwerlastregale im Gegenwert einer Maledivenreise gekauft und im Gegenzug alle alten Regale, Kommoden und Schränke, die auf „falls irgendwann ein Kind sie haben möchte“ (sie möchten alle drei nicht) warteten zum Sperrmüll gegeben, haben uns von wichtigen Dokumenten (z.B. der Fahrradführerschein des Gatten), jede Menge Betroffenheits-Lektüre (Der Tod des Märchenprinzen etc.) und Brettspielen getrennt und damit begonnen, das gut erhaltene Spielzeug zum Mitnehmen vor das Hallentor zu stellen. Es aufzuheben, weil vielleicht irgendwann mal ein Enkelkind damit spielen könnte, ist genau der Kern unseres Hallen-Hamster-Problems. Wir haben Kisten mit Lego, playmobil und Briobahn aufgehoben, außerdem das wirklich große, tolle selbstgebaute Puppenhaus samt Möbeln. Diese Sachen allein würden schon einige Enkelkinder glücklich machen. (nebenbei: ich finde ja dieses Enkelkinder-Thema genauso nervig und übergriffig wie früher jeden Kommentar zu unserer Familienplanung. Somit ärgert mich, möglicherweise auch überreagierend, jeder „Aber die Enkelkinder…!!- Spruch beim Erwähnen von entrümpelten Spielzeugkisten.)
Sollten wir jemals mit der Halle fertig werden … und das kann sich noch sehr lange ziehen, denn wer viel entrümpelt, muss auch viel loswerden. Mülltonnen sind aber verflixt schnell voll, Sperrmüll darf nur zweimal beantragt werden und auch da gibt es eine Mengenbegrenzung und Wertstoffhöfe haben merkwürdige (Winter)Öffnungszeiten. Außerdem passt zu wenig auf den Fahrradanhänger. Ich träumte neulich von einem Container und das bereitet mir ernsthaft Sorgen. … also sollten wir jemals fertig werden, dann geht es mit der Wohnung für den Jüngsten weiter. Das kann natürlich nicht gleichzeitig passieren, da Wasserleitungen für seine Küche gelegt werden müssen und der Raum, durch den diese Leitungen laufen werden, noch mit Hallenkram zugestellt ist. Das führt jetzt aber hier zu weit.
Erstmal die Halle fertig machen. Und Topflappen nähen.
Egoistisch und narzisstisch, Teil XV
30. Dezember 2021
Januar
Auf ein Neues und dieses Jahr wird alles besser! Vorsätze hatte ich die üblichen: vage Formulierungen nach Weihnachtsfressereien, die alle in Richtung „weniger hiervon, weniger davon und mehr vom Rest“ gingen, denn die Hunderundeklamotten saßen etwas spack und wurden unbequem.
Ein bißchen Schnee lockte nach draußen zu ausgiebigen Spaziergängen mit Lola und erstem Gewusel im Garten, der Rest des Monats war so grau, dass ich mich am Liebsten im Nähzimmer aufhielt. Dort füllte sich meine Liste der Dinge, die ich nähen und sticken wollte, außerdem die Liste der Dinge, die am und im Haus erledigt werden wollten. Große Ideen, große Pläne und dafür evtl. zu wenig Zeit. Oder Geld. Oder beides.
Den Kindelein ging es gut, der Gatte und ich zogen unseren Vorsatz, jedes Wochenende irgendwo draußen zu frühstücken, durch. Auch das „einmal im Monat draußen schlafen“ schafften wir, wir übernachteten im endlich fertig gestellten Gewächshaus, bevor dort wegenn üppigster Tomaten- und Paprikapflanzen kein Platz mehr für uns ist. (es war nass und kalt und im Zelt schlafen macht mehr Spaß, so ein Zelt ist auch deutlich schneller irgendwo aufgebaut :))
Februar
Der Februar brachte weiterhin ein bißchen Schnee im Wechsel zu sehr milden Temperaturen, die unsere Bienen nach draußen lockten. Uns auch! Ich begann im Gewächshaus herumzugraben, hätte am Liebsten mit dem Bepflanzen begonnen, aber das wäre natürlich viel zu früh gewesen.
Wir feierten mit den Freunden eine online-Cocktailparty, für die wir uns gegenseitig Leckereien vor die Haustüren stellten. Wir versicherten uns gegenseitig und sehr tapfer, dass diese Pandemie vielleicht doch irgendwie erträglich ist, weil wir weder kleine Kinder noch Jobsorgen haben. Dafür funktionierendes Internet und Lieferdienste.
Und dann erwischte es uns halt auch. Der Jüngste steckte sich auf der Baustelle während des Frühstücks an und nach Feierabend dann uns. Die „britische Variante“, die gerade auf dem Vormarsch war. Ich weiß noch, wie mir die Knie zu Wasser wurden, als der Jüngste mit seinem Testergebnis auf dem Handydisplay aus seinem Zimmer kam und „ich hab Corona“ sagte. Und weil der Gatte schon matt und fiebrig auf dem Sofa hing und ich vor mich hin fröstelte, waren unsere positiven Ergebnisse einen Tag später keine Überraschung mehr.
Wir waren noch fit genug, um unsere Grundversorgung zu organisieren und Lolas Hunderunden zu verteilen, danach ging für fast drei Wochen nichts mehr. Wir waren so krank, wie noch nie in unserem Leben zuvor, zu schwach für einfach alles. Ein milder bis mittelschwerer Verlauf wurde uns diagnostiziert und bis heute vermag ich mir nicht vorzustellen, wie sich ein schwerer Verlauf anfühlt.
Unzählige Päckchen, Blumen und Grüße erreichten uns in dieser Zeit, wir wurden bekocht und mit frischen Broten und Kuchen versorgt und dafür auch hier noch einmal festgehalten: vielen, vielen Dank dafür! Das hat uns aus manchem Tief gerettet!
Der Geburtstag des Jüngsten war dann dieses Jahr auch kein ganz so rauschendes Fest. Nächstes Jahr wieder, versprochen! (kleine Anekdote am Rande: „Schmeckt ihr schon wieder was oder kann ich einen Geburtstagskuchen backen?“, fragte uns der Opa am Tag vor dem Geburtstag. <3)
März
Mitte des Monats war unsere Virenlast endlich so niedrig, dass wir nach drei Wochen aus der Quarantäne entlassen werden konnten. Der Jüngste hatte schon die letzte Quarantänewoche als freie Woche gefeiert, weil er sich vollständig erholt hatte, der Gatte benötigte die vollen drei Wochen.
Ich … hing durch, nach wie vor. Hunderunden waren nicht möglich, Haushaltsgedöhns schaffte ich nur mit langen Pausen dazwischen. Kochen? Ein Kraftakt. An manchen Tagen war Aufstehen und Duschen so anstrengend, dass ich den Rest des Tages heulend auf dem Sofa saß, weil ich diese Mattigkeit so hasste. An einzelnen Tagen hatte ich Kraft. Für sehr kleine Runden im Wingert, einen Einkauf mit dem Rad, ein paar Handgriffe im Garten.
Ein Untersuchungsmarathon begann und am Ende stand: Long Covid. Und: nichts Genaues weiß man nicht, es ist ja neu und niemand kann sagen, ob es wieder verschwindet.
Aber hey! Frühling! Ich färbte mir die Haare knallig rot, löschte meinen Twitter-Account und ließ das schreiende Internet ein paar Tage sein. Selbstschutz, Selbstfürsorge, Heilen.
April
Der Frühling war endlich, endlich da! Mein Garten schrie nach Aufmerksamkeit und ich widmete ihm so viel davon, wie ich aufbringen konnte. So viel Angst und Wut konnte ich in der Gartenerde verbuddeln oder beim Jäten loswerden, ein wunderbare Therapie für mich! Es galt weiterhin: alles tun was ich kann und wenn nichts mehr geht, muss ich kein schlechtes Gewissen haben.
Frühling bedeutet auch Bienenzeit. Wir fingen unseren ersten Schwarm! Und weil wir uns dabei sehr, sehr dilettantisch anstellten, fing ich nicht nur etwa 20.000 Bienen, sondern auch ein Dutzend Bienenstiche. Bienen sind übrigens nicht die allerhygienischsten Tiere, sie verzichten vor dem Stechen darauf, ihren Stachel in Desinfektionslösung zu tunken. Deshalb lag ich eine Nacht wegen beginnender Sepsis im Krankenhaus und ließ mich mit einem Antibiotikum aus dem Tropf versorgen. Wegen der Pandemie haben nicht nur die Intensivstationen Personalprobleme, und so lag ich, aufgrund geschlossener Stationen, im Behandlungsraum. Vielleicht kann ich in ein paar Jahren herzhaft drüber lachen, derzeit bereitet mir diese Situation eher Sorgenfalten.
Mai
Schon wieder keine Gartyparty! Dafür aber Babysteps aufwärts! Die Hunderunden wurden länger und einmal sogar richtig lang, als wir mit dem Großen den kleinen Mainzer Höhenweg liefen. Damit wurden die geplanten Wanderrouten wieder realistisch und wir kauften ein neues, leichteres Zelt.
Der Long Covid-Scheiß kam und ging, vier gute Tage, zwei schlechte, drei gute Tage, ein Woche mies. Es ließ (und lässt) sich kein Muster ablesen, keine „Vorsorge“ treffen, schonen nutzt nichts, „nicht überarbeiten“ auch nicht. Schwäche, Atemnot und manchmal auch völlge Erschöpfung kommen (und gehen) wie sie wollen, immer am Start sind bis heute Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit und beinahe durchgehende Kopfschmerzen.
Im Garten war es wunderbar! Das neue Waldsofa neben der Sauna verführt zum Nichtstun, aber da es überall im Garten grünte und blühte und obendrein nicht nur im Gewächshaus die Ernezeit begann, hatte ich kaum Muse zum Rumliegen. (das ist übrigens ein perfides Problem, wenn der Garten lockt, die Kraft aber gerade mal zum Frühstücksbrot schmieren reicht. Das brachte mich oft zum Heulen.)
Wir trafen Familie und Freunde wieder (draußen) und ja, alles wurde langsam besser.
Juni
Wir wagten es! Über eine Woche mit Rucksack und Zelt in den Wald. Ein paar Tage auf dem Saar-Hunsrücksteig, danach den kompletten Soonwaldsteig. Auf und ab, über Stock und Stein, mit knapp zehn Kilo auf dem Rücken. (ohne den Gatten, der das anderthalbfache Gewicht schleppte, wäre diese Tour nicht möglich gewesen) Es war so toll. Ohne Nachrichten, ohne Bilder, Empörung, Hilflosigkeit und Meinungen, einfach nur wir beide (und Lola) unterwegs. Anstrengend, doch gleichzeitig so wunderbar erholend, dass die geplante lange Tour im Herbst möglich scheint.
Den Rest des Monats verbachte ich im Garten. Mal allein, mal mit Familie oder Freunden. Und ja! Wir fingen einen zweiten Bienenschwarm! Diesmal mit Vollschutz und mehr Geschick, keine Verluste oder Ausfälle! :)
Juli
Das Beste, Tollste und Wichtigste des Monats sehen Sie auf diesem Bild! Wir holten uns eine Impfung ab! Als Genesene hatten wir zunächst keinen Anspruch auf eine Impfung (erst nach sechs Monaten), doch da wir Genesene der Alpha-Variante waren, galt unser Antikörperschutz als nicht ausreichend für die neue Delta-Variante. Neben Schutz vor einer erneuten Erkrankung erhoffte ich mir auch eine Besserung (oder gar Heilung?) des Long Covid Syndroms, denn darüber gab es eine Menge zu lesen. Die Impfung warf mich eine Woche mit Fieber ins Bett, danach war ich fit!
Fit sein war sehr wichtig, denn Kes und Spock zogen bei uns ein. Zwei reizende Katzenkinder aus dem Mainzer Tierheim, die sich ratzfatz in alle Herzen schnurrten. Franz war (und ist) mäßig begeistert vom wilden Katzengewusel, doch zeigte sich tolerant. Lola war sehr verwirrt, als sich ein brummendes Bündel mit spitzen Krallen an sie schmiegte, ließ es aber zu und seitdem sind sie und Spock ein ganz besonderes Paar. Mit den durchgeknallten Katzenkindern zog auch sehr viel Gelächter in die Grüne Villa. Und so verzieh ich heruntergerissene und durchlöcherte Vorhänge und die Tatsache, dass unser sehr neues Sofa nun aussieht, als hätten wir es vom Sperrmüll geholt. Wo es drei Tage im Regen stand.
Ansonsten? Nix. Viele Bienen, vier freche Enten, die den Weg zur Terrasse hoch entdeckten und umgehend wieder in den Garten gescheucht wurden, sehr viele Gurken und Zucchini und so viel gutes Leben, wie nur irgendwie möglich.
August
Noch mehr Gurken und Zucchini, ein 50. Geburtstag und zur sehr großen Freude des Jüngsten fand das Zeltlager statt! Sein Happy Place und für uns zwei Wochen nur wir allein. Ich buk fünf Kilo Cookies für die Zeltlagerkinder und begann mit den Urlaubsvorbereitungen für den September. Das Dörrgerät lief heiß (haha) und ich experimentierte meist äußerst erfolgreich in der Küche herum. Eine Woche lang würden wir uns mit dem, was ich gedörrt und zusammen gerührt hatte, im Wald versorgen können, vorausgesetzt wir haben Wasser.
Zurückblickend habe ich im August förmlich in Menschenmassen gebadet! Eine im Moment sehr merkwürdige Vorstellung. Wir demonstrierten mit vielen Menschen gegen Nazis, wir feierten mit der Familie, wir saßen mit Freunden zusammen. Nicht nur draußen, denn viel Regen sorgte für sehr viele Pfützen in denen sehr, sehr viele Mücken brüteten. Unser Garten begann zu verwildern, denn Gartenarbeit war nur mit vollem Insektenschutz möglich.
Ganz neu im August. Ich war auf einer Feier, die von der Polizei aufgelöst wurde. 50 Jahre alt musste ich dafür werden! Es war übrigens harmlos. Wir saßen bei Freunden auf der Straße. Es waren ein bißchen Whisky, Erzählen und Lachen im Spiel. Die Nachbarn hatten die Polizei wegen Ruhestörung gerufen und als die drei Beamten ausstiegen (bereit zum Löschen von brennenden Mülltonnen und zur Auseinandersetzung mit randalierenden Betrunkenen) und sahen, dass da acht mittelalte Menschen mit Whiskygläsern und sogar ausreichend Abstand saßen und ein gutes Leben lebten, gab es diesen kurzen Moment der Verlegenheit, bevor sie „vielleicht halt noch ein bißchen ruhiger sein“ murmelten, wieder in den Wagen stiegen und uns zum Abschied das Blaulicht aufleuchten ließen. Blöd, dass die sich gestört fühlenden Nachbarn sich nicht direkt an uns wandten, gut, dass wir jetzt eine lustige Geschichte haben.
September
Herbeigesehnt und letztlich doch riesigen Respekt davor gehabt: unsere große Tour. Fast dreihundert Kilometer durch den Schwarzwald. Von Pforzheim nach Basel, dem Westweg folgend. Mit Rucksack und Zelt, ohne Hund (Lola durfte mit der Tochter wandern gehen) Keine richtig festen Etappen, ein ungefährer Plan, wo sich Schutzhütten befinden. Gerüstet für jedes Wetter und auf milden Sonnenschein hoffend.
Es war wundervoll. Wir können sehr gut miteinander wandern. Müssen nicht die ganze Zeit schwätzen (was sehr gut ist, denn meistens hatte ich gar nicht genug Luft zum Reden, wenn es mal wieder bergauf ging :)) und finden es beide schön, einfach nur im Wald oder unterwegs zu sein, Es geht nicht um die längstmögliche Strecke in kürzester Zeit, sondern um „schau mal, hier ist es toll! Sollen wir uns einen Kaffee kochen?“
Wir lernten interessante Menschen kennen, schliefen in Hütten, im Zelt und auch ganz komfortabel in Hotels, schwitzten und froren, stiegen auf Feldberg, Belchen und Blauen und ganz am Ende, in Basel, hatte ich einen dicken Kloß im Hals: geschafft! Trotz allem! Dass wir dann noch nach so langer Zeit die Herzensmenschen aus der Schweiz trafen, war ein Sahnehäubchen. Ein wunderschöner Augenblick war das Frühstück bei Kerzenschein in der dunklen, etwas muffigen Hütte, bei der wir mit Tee und Kaffee auf den Geburtstag der Tochter anstießen. 24! Unfassbar.
Wieder daheim wartete der Alltag. Garten, das Nähzimmer und die Hunderunden. Ausruhen :)
Oktober
„Da gibt es einen Fernwanderweg über die Insel“, erzählten wir den Freunden und dann überlegten wir, ob wir den wohl zusammen laufen könnten. Ich finde es aber schwierig, in größeren Gruppen zu wandern, weil ich ein fürchterliches Harmoniehörnchen bin und mir schreckliche Sorgen machen muss, so bald es Mitwanderinnen nicht gut geht. Meistens denke ich dann, dass ich schuld daran bin, weil der Weg jetzt gerade so steil, anstrengend, steinig, rutschig, langweilig oder einfach nur lang ist. Ist eine doofe Angewohnheit aber tja, willkommen in meinem Hirn. Der Gatte kann das sehr gut aushalten, bzw. prahlt immer mit seiner Kernkompetenz „Ignoranz“, mit anderen zusammen kann das aber halt auch schwierig sein. Lange Rede, sehr viel Theorie und woher sollen wir wissen, dass es nicht klappt, wenn wir es nicht ausprobieren? Und so packten wir einmal Übernachtungskram in unsere Rucksäcke und verbrachten zwei wunderbare, sehr harmonische Tage mit den Freunden auf dem Nahesteig. Ein sehr, sehr toller Wanderweg, übrigens! (Mönsch, ich sollte doch öfter über unsere Wanderungen schreiben, das sprengt hier ja völlig den Rahmen)
Den Rest des Monat verbrachte ich (Überraschung oder halt nicht) im Nähzimmer und auch in der Küche. Eigentlich wollte der Gatte seinen 50. Geburtstag mit den Freunden im Wald verbringen, auf speziellen Wunsch der Freunde auch mit echtem Trekkingessen, doch das Wetter spielte nicht mit. Statt im Wald feierten wir dann halt in verschiedenen Weinbergshütten und das war auch sehr toll.
November
Wie jedes Jahr startete ich auf Instagram meine persönliche #gegendasnovembergrau -Sammlung, der sich viele Menschen anschlossen. Irritierenderweise war der November gar nicht so grau. Ganz im Gegenteil! Da der erste Frost auf sich warten ließ, blieben die Wingerte ziemlich lange bunt, auch der Kirschbaum im Garten leuchtete noch sehr lange gelb.
Zum Trübsinn blasen blieb sowieso keine Zeit. Ich hatte einen ausgeklügelten Plan, wie ich so viele Zutaten wie möglich in eine gigantische Menge von köstlichen Kalorienbömbchen verwandeln würde, um uns durch den strengen, kargen Winter zu bringen. Ganz oben stand der Plan, die Sache mit den Marshmallows zur Perfektion zu bringen. Hat geklappt.
Im Nähzimmer glühten die Maschinen, denn der virtuelle Weihnachtsmarkt rückte näher. Am Ende des Monats verkaufte ich binnen weniger Stunden das gesamte Schnickeldi und soweit ich das weiß, kam alles an. Bis auf das eine Päckchen, das zuerst die deutsche Post nicht transportieren wollte und dann, beim zweiten Versuch, die österreichische Post nicht zustellen wollte. Es kam wieder hier an und das bereits überweisene Geld ging zurück. Also nur dumm gelaufen und ein bißchen Portoverlust.
Der Große lud uns und die gesamte buckelige Verwandschaft zu seinem Geburtstag in seine Wohnung ein und weil wir direkt im Anschluss daran einen Covid-Verdacht hatten (zum Glück mit negativem Testergebnis) war klar, diese Feiern drinnen – die haben jetzt halt wieder ein Ende. Mal sehen, ob Weihnachten dieses Jahr mit allen gefeiert wird, unkten wir.
Dezember
Das wichtigste Fest des Jahres stand an und treue Leserinnen wissen, dass damit nicht Weihnachten gemeint ist! Mein Geburtstag ging ruhiger als ich das wollte vorbei. Regen hatte das Gartenfest ins Wasser gekippt, aber so richtig gut ging es mir sowieso nicht, es war also egal. War ja auch kein runder Geburtstag :)
Ein tolles Geschenk war übrigens der Photo-Fernauslöser für mein Handy, mit dessen Hilfe ich jetzt jede Menge schamlose Selfies machen kann, ohne einen Spiegel mitschleppen zu müssen. Sehr wichtig, dieses Gerät.
Wir versackten abends in schöner Regelmäßigkeit vor dem Fernseher. Unser Sender heißt häufig nur noch youtube, denn dort sahen wir, dass a) der für nächstes Jahr recht fest geplante Olavsweg in Norwegen eher ein Weg ist „für wenn wir mal richtig alt sind“, b) der „Cap Wrath Trail“ der Weg unserer Träume, allerdings nur ohne Hund, ist und es c) ziemlich sicher nächstes Jahr dann der Kungsleden in Schweden sein wird. Mit Hund, Zelt und Rucksack, vier Wochen lang. Außerdem schauten wir mit Begeisterung und sehr besserwisserisch „7 vs. wild“ und haben die Phrase „Bock! Hype! Angriff!“aus dem Trailer als passend für so ziemlich jede Lebenssituation übernommen. Danke, Fabio.
Weihnachten feierten wir zu fünft. Zuerst besinnlich mit Bescherung an Heilig Abend, am ersten Feiertag nach Bescherung an der Oma-Eis-Haustür unsere neue Tradition hochhaltend mit sehr vielen Cocktails, lauter Musik und „dance like nobody is watching“. Ein tolles Fest mit meinen vier liebsten Menschen zusammen.
Dieses verrückte, erschütternde, traurige, bunte, erlebnisreiche und trotz allem sehr schöne Jahr geht heute völlig unspektakulär zu Ende. Der Jüngste sitzt mit seinem Freund und sehr vielen Magic-Karten zusammen, die Tochter trifft ihre Lerngruppe, der Große feiert mit zwei Freunden, wir kochen uns eine Kleinigkeit und gehen vermutlich in die Sauna. Falls es nicht zu warm dafür ist.
Vorsätze habe ich die üblichen (weniger, weniger und mehr, siehe oben), aber Wünsche habe ich für das nächste Jahr! Und sehr viele Pläne, Ideen und die dazu passende Lust, damit anzufangen.
An dieser Stelle ende ich mit der mittlerweile bekannten Aussage, dass ich wirklich gerne mehr bloggen würde, gerade jetzt, wo mir dieser Artikel sehr leicht gefallen ist, ich es aber meistens nicht schaffe. Aus verschiedensten Gründen, die von „zu privat“ über „ich würde es gerne erzählen, kann aber keine Reaktion ertragen“ bis zu „ich will nur noch mit dem Sofa verwachsen und atmen“ reichen. Insofern: schauen Sie gerne bei Instagram nach frau_mutti, denn dafür reicht es meistens.
Und jetzt: bleiben oder werden Sie gesund, lassen Sie sich impfen, vertrauen Sie Wissenschaftlern und vor allem: halten Sie durch!
Ein frohes, neues Jahr, immer die Ihre.
Egoistisch und narzistisch, Teil XIV
31. Dezember 2020
Januar
Es hat hier fast schon Tradition, zu Beginn des neuen Jahres ein bißchen umzuräumen oder wenigstens zu renovieren. In diesem Januar bekam zuerst das Arbeitszimmer des Gatten einen neuen Anstrich, später tobte ich mich (mal wieder) an den Küchenmöbeln aus. Das etwas fehlgegriffene irgendwie-türkisgrün wurde abgeschliffen und durch erdbeerjoghurtrosa Lack ersetzt. Das Ergebnis ist ganz wunderbar hell und fröhlich, für mindestens ein Jahr bin ich wieder sehr mit meiner Küche zufrieden.
Aus China kamen merkwürdige Nachrichten, aber hey! China ist weit weg und ein komisches Virus noch weiter, meine einzige Sorge galt den Schmerzen in meinem Bauch. Die „Geistergalle“ habe ich sie getauft, da diese Schmerzen wie eine mittelschwere Gallenkolik sind. Nach Entfernung der Gallenblase sollte ich davon doch erlöst sein, dachte ich. Oder halt doch nicht. Der Leidensdruck war aber nicht groß genug und zum Arzt kann ich ja irgendwann gehen.
Wir feierten mit den Freunden ein Margarita- und Quesadillafest und weil feiern wirklich Spaß macht, begannen wir mit ernsthaften Vorbereitungen für die Vierteljahrhundert-Gartyparty. Wir erstellten eine Gästeliste, bastelten Einladungskarten, brachten diese auf den Weg und begannen uns sehr, sehr vorzufreuen!
Ansonsten passierte einfach nichts. Es wurde ein bißchen kälter, Schnee gab es trotzdem nicht. Lola wurde fünf Jahre alt und sie ist nach wie vor mein bestes Sportgerät und meine größte Bewegungsmotivation, egal bei welcher Witterung.
Februar
Oma Eis wurde siebzig. SIEBZIG! Unfassbar, denn da sie nur zwanzig Jahre älter als ich ist, bedeutet das ja, dass ich demnächst … ach herrjeh. Ich finde aber, sie hat sich unfassbar gut gehalten, das Alter sieht man ihr keineswegs an und vermutlich hat sie überhaupt keine Zeit, sich irgendwie alt zu fühlen, weil sie mit ihren unzähligen Ehrenamtsposten jede Menge zu tun hat. Sie feierte ihr großes Fest mit Familie und Freunden.
Eine Woche später feierten wir den Geburtstag einer Freundin, kamen in den Genuss eines Whisky-Tastings und begannen über „dieses Virus“ zu diskutieren. Ende des Monats luden wir zum Kreppelessen, ließen den Jüngsten an seinem 21. Geburtstag hochleben und dann war uns klar, dass es das jetzt war. Wir amüsierten uns leise über Klopier- und Nudel-Hamsterkauf-Meldungen, doch tatsächlich stockten wir unsere Vorratshaltung nach und nach ebenfalls auf, für alle Fälle halt.
Der Garten erwachte ganz leise wieder zum Leben, die ersten Bienen flogen und wir tranken wieder Kaffee hinten am Gartenhüttchen. An den letzten Tagen des Monats lag tatsächlich nochmal Schnee, aber den nahm niemand mehr ernst.
März
Irgendwas mit Zitronen und Limonade.
Corona ist da und das ganze Leben ist surreal. Während ich mich während der Hunderunde über die ersten wärmenden Frühlingssonnenstrahlen freute, versuchte ich mir vorzustellen, was „Pandemie“ bedeutet. Eine völlig abstrakte Vorstellung, irgendwas, was in Filmen passiert. Nicht mehr ganz so weit weg.
Unsere Vorratsregale und Schubladen waren gut aufgefüllt, der Tiefkühlschrank ebenso. Sogar Toilettenpapier für künftige Händel auf dem Schwarzmarkt war vorhanden. Wir klärten mit den Großeltern, wie sich die Einkäufe künftig gestalten und mit den Hunderundefreundinnen gemeinsam entwicketle ich Hunderundenotfallpläne, wie sich Krankenvetretung gestalten ließe. Der Gatte zog Mitte des Monats komplett ins Home Office, die Tochter durfte nicht mehr ins Studentenwohnheim und zog ins Nähzimmer zum Online-Studium, der Jüngste bekam einen Passierschein, auf dem „systemrelevant“ stand,, der Große übernahm das Auto, damit er nicht den Nahverkehr nutzen musste und ich räumte das Gäste/Sportzimmer um. Ein Behelfsnähzimmer entstand, denn ich begann sehr viele dieser belächelten Masken zu nähen.
Die Menschen im Internet und im echten Leben rutschten alle in den „wir halten zusammen und stehen das durch“-Modus. Wir warfen Schokolade in Briefkästen und freuten uns über zwei Flaschen Bier, die uns vor die Haustür gestellt wurden und die wir dann mit den Freunden über threema gemeinsam tranken. Kinder klebten für andere Kinder Regenbögen an die Fenster und wir unterstützten freudig unsere Lieblingslokale, indem wir regelmäßig deren Lieferservice nutzten. Diese Corona-Sache nahm ich ernst, aber irgendwie schien sie wie ein großes Abenteuer. Wir hatten es ja auch wirklich leicht, weil es weder beruflich noch gesundheitlich Einschränkungen gab und die Kindelein eben keine kleinen Kindelein mehr sind. Gleichzeitig musste ich mich sehr zusammenreißen, nicht in eine Panik zu kippen oder nur noch zu heulen. Äußerst ambivalent, meine Gefühlslage, doch ich weiß, dass ich damit nicht allein war. Das tröstet.
Einmal traffen wir uns noch zum Essen bei den Freunden drinnen, beschlossen dann aber gemeinsam, dass das vorerst das letzte Mal gewesen sein musste. Der Geburtstag vom Opa fand auf unserer Terrasse statt. Apropos Terrasse: „die ewige Baustelle muss schwinden und deshalb heuern wir einen Experten an!“ wurde endlich beschlossen und angeleiert.
April
Corona hatte uns im Griff. Sogar in Nierstein war es angekommen und so langsam kannte jeder einen, „der es hat(te)“. Nach wie vor trafen wir uns nicht mehr „in echt“, von kurzen Gesprächen über den Gartenzaun mal abgesehen. Isoliert fühlte ich mich nicht, denn ich hatte nach wie vor bei jeder Hunderunde Begleitung, austauschen war also möglich. Ansonsten fühlten wir uns sehr, sehr privilegiert, wenn wir mit dem Nachmittagskaffee hinten bei den Bienen saßen oder uns im Garten austobten. Wir mussten uns nach wie vor keine Sorgen um Arbeitsplätze oder Betreuung/Beschulung von jüngeren Kindern machen, im Freundeskreis fanden sich keine Schwurbler und wenn ich ein klitzekleines Bißchen verzweifeln mochte, machte ich mir das bewusst und schon ging es wieder (weiter).
Weil die Maskenproduktion mittlerweile als Ehrenamt nicht mehr zu stemmen war, meldete ich brav ein Gewerbe an und damit änderte sich unsere gesamte Lebensstruktur daheim, weil ich plötzlich auch acht und mehr Stunden am Tag arbeitete und dieser Haushalts- und Essenzubereitungskram verteilt und neu organisiert werden musste. Das klappte nach anfänglichen Schwierigkeiten gut und ich kam mit der Maskennäherei kaum hinterher. Obendrein fühlte ich mich ein bißchen wie eine Kriegsgewinnlerin, als ich beschloss, mit dem Erlös der Maskennäherei ein Gewächshaus zu kaufen.
Der traditionelle große Osterbrunch fiel natürlich aus und das war nicht richtig schlimm. Aber komisch war es schon, dass der Große eben nicht mit am Tisch saß, sondern sich nur kurz über threema meldete.
Ganz großartig fanden (und finden) wir den Cocktail-Lieferservice von Adam´s Bar in Oppenheim, der uns mit den Freunden zusammen einen sehr lustigen Abend schenkte!
Mai
Der Mai begann mit einer Absage. Die Vierteljahrhundert-Gartyparty konnte natürlich nicht stattfinden. Bevor ich deswegen richtig traurig werden konnte, prosteten wir uns zur Silberhochzeit zu und ich bekam ein wunderbares Geschenk! Eines, das für uns beide Arbeit bedeutete. Für den Gatten, weil er aufbauen muss, für mich, weil ich es befüllen, pflegen und beernten muss: ein großes Gewächshaus! Der Erlös des Maskenverkaufs floß natürlich mit hinein, aber für den Rest hätte es doch noch sehr viel mehr Masken gebraucht. Ich war also getröstet und glücklich, alle Kummertränchen waren getrocknet. Jedenfalls bis ein großes Paket eintrudelte, in dem sich ein gigantischer Pfingstrosenstrauß befand. Ein Ersatz-Gartyparty-Gruß aus der Schweiz, der mich sehr laut schniefen ließ. Am Gartypartytag dachten sehr viele der wieder ausgeladenen Gäste an uns, manche reisten sogar kurz über den Rhein an, klingelten und überreichten selbstgebrauten Alkohol. Nächstes Jahr klappt es vermutlich immer noch nicht, aber übernächstes Jahr! Dann feiern wir eine krachende Gartyparty!
Da unser Auto (bzw. Opas Auto, wir haben ja gar keines) noch immer in Mainz beim Großen stand, waren wir sehr viel mit den Rädern unterwegs. Selbst Großeinkäufe sind mit Satteltaschen und Anhänger gut zu stemmen, in nächster Zeit werden wir kein Auto mehr brauchen.
Ich war nach wie vor mit Maskennäherei beschäftigt, parallel ging es im Garten richtig los. Unsere Bienenvölker mussten versorgt werden, Oma Eis versorgte mich mit sehr vielen Erdbeeren, so dass ich sehr viel Konfitüre kochen konnte. Der Hamster in mir war darüber sehr glücklich.
Das Wetter im Mai ließ soziale Kontakte wieder zu. Wir radelten mit Freunden in Nachbargemeinden zum Pizza essen oder Cocktails trinken, besuchten einander in Hof und Garten und der Gatte genoss weiterhin die Vorzüge des Home Office: nach Feierabend ist ohne den langen Heimweg noch viel vom Tag übrig.
Juni
Das Bild täuscht, denn Masken gehörten noch nicht zum Alltag. Es gab sehr viele Diskussionen über Sinn und Nutzen, aber letztlich gehörten sie dann dazu. Diese Maske hier trug ich aber, weil ich bei den Bienen eine Oxalsäurebehandlung gegen die Varroamilbe machte.
Die AHA-Regel bestimmte unseren Alltag. Wie bitter sie ist, zeigte sich, als die Freundin zum Trost nicht in den Arm genommen werden konnte. Und wie furchtbar, als wir auf dem Friedhof standen und einer trauernden Familie nur zunicken konnten.
Großartig in diesem Juni war, dass unsere Terrasse fertig wurde. Wir hatten endlich unser zusätzliches Wohn-, Ess- und Schlafzimmer wieder! Und weil große Feiern nicht möglich waren, mussten wir eben viele kleine Einweihungsfeiern machen.
Ebenfalls toll war unsere erste Honigernte! Das große Bienenvolk war fleißig, wir konnten 12 Kilo Honig ernten und selbstverständlich war (und ist) es der beste Honig, den wir je kosteten.
Im Garten gab es jede Menge Beeren zu ernten, ich war ausreichend mit dem Pflücken, Entsaften und zu Gelee Verkochen von Johannis – und Stachelbeeren beschäftigt.
Juli
Der Gatte reiste mit den beiden jüngeren Kindern in die Berge. Sie hatten einen alpinen Basiskurs belegt und nachdem zugesagt worden war, dass alle AHA-Regeln gut eingehalten werden können, fand dieser auch statt. Ich blieb also mit Hund, Kater, Enten und Bienen eine Woche allein. Alleinsein gehörte zu den am Schmerzlichsten vermissten Dingen in diesem Jahr, denn immerimmerIMMER war irgendjemand im Haus. Jetzt also war ich allein, aber ganz so toll war das auch nicht, denn einerseits war ich eben leise in Sorge, ob der Familie in den Bergen womöglich etwas passierte. Andererseits verlangten Hitze und Trockenheit sehr viel Gießeinsatz im Garten. Dies zusammen mit den Hunderunden war dann doch etwas anstrengend. Zudem galt es weiterhin Ernteerträge zu verarbeiten und obendrein hatte ich mir in den Kopf gesetzt, den gelben Badezimmerboden dunkelgrau zu streichen.
Pünktlich zur Brombeerernte kam die Familie wohlbehalten wieder zurück. Der Gatte war erholt genug, um eine tolle Polsterboxen-unterbring-und-gemütlich-drauf-liegen-Bank für die Terrasse zu bauen und das Fundament für das Gewächshaus zu beginnen. Wir feierten weitere kleine Terrasseneinweihungen und am Monatsende stach ich mir ein winziges Holunderästchen durch den Arm.
August
Die unscheinbare Holunderastwunde war plötzlich nicht mehr klein und lächerlich, sie hatte meinen Unterarm anschwellen und heiß werden lassen. Dottore war angemessen beeindruckt und verabreichte ein Antibiotikum. Dies zeigte keine Wirkung, weswegen er mich ins Krankenhaus weiterleitete. Dort schnitt man mir den Arm auf, entfernte Rinde und Eiter und schickte mich zur Genesung ins heimische Bett.
Das heimische Bett befand sich nachts übrigens auf unserer Terrasse, weil es im Haus einfach viel zu warm war. Außerdem gab es draußen viel mehr Sternschnuppen zu sehen.
Ich schonte also wie verrückt meinen Arm und als er endlich wieder einsatzfähig war, startete ich die Näherei für den virtuellen Weihnachtsmarkt. Der Gatte und der Jüngste „verreisten“ erneut. Sie packten ihre Tourenrucksäcke und verschwanden für drei Nächte im Wald. Den Hund nahmen sie mit, so dass ich GANZ ALLEIN, OHNE VERPFLICHTUNGEN daheim war. Ein echtes Geschenk!
Die Apfelernte begann und weil beide Bäume sehr viele Äpfel trugen, beschloss ich in einen guten Dörrautomaten zu investieren. Das habe ich nicht bereut, denn außer Äpfel dörrte ich Birnen, Tomaten, Zucchini, Paprika, Peperoni, Pilze, Lauch, Sellerie, Karotten und alles, was bei drei nicht aus der Küche war. Ein geiles Gerät!
Wir verabschiedeten mal wieder die Tochter. Diesmal reiste sie für ein Semester nach Finnland. Mit gemischten Gefühlen, denn nach ihrer Ankunft erwartete sie erstmal die Quarantäne und wie sich das Studieren gestalten sollte, war eben auch zunächst unklar.
September
Da der Jüngste und der Gatte so erholt und glücklich aus dem Wald zurückgekommen waren, wurde ich sehr neidisch und wollte auch!
Das war der Beginn unsere neuen, eigentlich wiedererweckten, Leidenschaft: Trekkingtouren. Mein gedörrtes Gemüse verwandelte ich in wasserlösliche Trekkingmahlzeiten, außerdem probierten wir uns durch verschiedene Fertiggerichte. Ausrüstung wie Zelt, Schlafsack, Rucksack und Kocher hatten wir sowieso, passende Wanderklamotten besitze ich wegen der Hunderunden auch in großen Mengen. Wir mussten also alles nur einpacken, Trekkingplätze im Wald buchen und mit dem Zug losfahren. Den Rucksack schultern und loswandern.
Eine Woche waren wir unterwegs, trafen sehr wenig Menschen, gingen uns nicht auf die Nerven und schmiedeten Pläne für die wirklich große Tour. Es war einfach wundervoll! Weil ich mir aber die Schlüsselbeine unter dem Rucksackgurt blau rieb war klar, dass mit meiner Ausrüstung etwas geschehen muss.
Wir waren rechtzeitig wieder daheim, um die vielen Pakete, in denen unser Gewächshaus verpackt war, entgegenzunehmen. Außerdem startete die Zwiebelkuchensaison. Die Lese hatte begonnen, es gab Federweißer zu trinken und weil das Wetter es weiterhin zuließ, feierten wir einige kleine Federkuchenfeste statt eines großen Festes.
Den Rest des Monats dörrte ich sehr viel Gemüse und nähte für den virtuellen Weihnachtsmarkt. Wir sahen unzählige youtube-Videos über diverse Ausrüstungsgegenstände und kauften schließlich einen neuen Kocher. Der Tochter schickten wir ein Geburtstagspäckchen nach Finnland, den Großen trafen wir zum Essen auf der Terrasse. Corona war da, aber nicht mehr im Vordergrund. Wir umarmten unsere Freunde nicht mehr, konnten sie aber treffen und mit ihnen schwätzen, das war irgendwie fast genug oder einfach besser als nichts. Die Infektionsrate begann langsam zu steigen und langsam graute mir ein bißchen vor dem kommenden Winter.
Oktober
Was über den Sommer leicht zu ignorieren war, war jetzt nicht mehr zu überlesen, übersehen, überhören. Die Neuinfektionen stiegen und stiegen. Von der Mut-mach-Welle des Frühlings war kaum noch etwas zu spüren. Der Ton im Internet zog an, Querdenker und Schwurbler schrieen so laut, dass die besonnenen, mahnenden Stimmen derer, die Ahnung haben, übertönt wurden. Unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern sorgten für Verwirrung und Unzufriedenheit, es gab regelrechte Betroffenheitswettbewerbe, wen welche Regelungen denn nun noch härter treffen und „wie kannst du dich sorgen, dein Mann hat Arbeit und deine Kinder sind groß!“ musste ich mehr als einmal lesen. Das Internet war nicht mehr mein Wohlfühlort, ich merkte, dass ich mich sehr vorsichtig ausdrücke.
Im echten Leben trafen wir uns zu Hunderunden mit Familie und Freunden. Oma Eis und ich frühstückten weiterhin tapfer auf der Terrasse, den Geburtstag des Gatten feierten wir mit Picknick in einer Wingertshütte. Im Nachhinein war uns klar, dass wir dort viel zu eng beisammen saßen. Nochmal Glück gehabt, aber dann auch die letzte Veranstaltung dieser Art.
Ich verbrachte Zeit im Garten und sehr viel mehr Zeit im Nähzimmer und tatsächlich flohen wir noch mal für zwei Nächte aus dem Alltag.
November
Der Herbstwald war wunderschön. Am Morgen voller Nebel und kühl, überall die verschiedensten Pilze und in der letzten Nacht urgemütlich bei prasselndem Regen im Zelt. Schade, dass wir zurück mussten.
Daheim warteten Wingerte in Herbstfärbung, diesmal hielt der Zauber fast zwei Wochen!
Viel zu früh räumte ich zuerst die Weihnachtssüßigkeiten und kurz darauf das Weihnachtsschnickeldi in die Schaufenster des Weltladens. Genau richtig, wie sich zeigte, denn binnen kürzester Zeit war der größte Teil der Waren ausverkauft.
Den Geburtstag des Großen feierten wir auf der Terrasse und kurz darauf startete ich den virtuellen Weihnachtsmarkt. Beides ein großer Erfolg!
Von Weihnachtsstimmung war ich so weit entfernt. Oder schon wieder entfernt. Im Weltladen hatte ich drei Bäume geschmückt, das reichte irgendwie für dieses verrückte Jahr, den Adventskranz bekam ich nur deshalb fertig, weil ich im Frühling schon Kerzen gekauft hatte (und noch wusste, wo ich sie hingeräumt hatte) Ganz komisch, denn ich liebe dieses ganze Weihnachtsschnickeldi und freue mich jedes Jahr arg auf den Advent, wenn ich es wieder aus den Kisten kramen kann.
Wir kauften uns unsere Weihnachtsgeschenke und weihten sie direkt ein: neue Schlafsäcke. Unser Zelt schlugen wir im Wingert auf, während einer der ersten Frostnächte. Wir wollen jeden Monat mindestens eine Nacht draußen schlafen, hatten wir uns vorgenommen und wie sich zeigte, muss diese Spät-Novembernacht für den Dezember gelten, denn im Dezember haben wir es nicht geschafft.
Zum Monatsende kam dann eine Nachricht, die mir die Knie sehr weich werden ließ und ich bin, nicht so wie der Gatte, noch nicht gänzlich entspannt.
Dezember
Tja. Dezember. MEIN Monat. Mein Binzessinnentag! Und in diesem Jahr hätte es das ganz große Fest werden sollen, immerhin war es ja der 50.
Aber dann eben nicht. Doch noch bevor ich darüber traurig werden konnte, gab es viele Geschenke und von morgens bis abends Besucher an der Haustür und auf der Terrasse. Mir wurde gesungen, ich bekam Wunderkerzen angezündet, Kuchen gebacken, Blumen geschenkt und statt einmal mit zehn Menschen, prostete ich zehnmal mit einem Menschen. Ein rundum gelungener Geburtstag! Am Wochenende darauf feierten wir dann in Etappen auf der Terrasse und später am Lagerfeuer und ja, es war eine ganz andere Feier als geplant, aber womöglich war sie sogar viel schöner! Das ist übrigens die Lehre, die ich aus diesem Jahr gezogen habe: anders ist nicht automatisch schlechter. Das sollte mir klar sein, aber es brauchte wohl ein solches Jahr, um mir die Augen zu öffnen.
Pünktlich zu Weihnachten wurde das Gewächshaus fertig und jetzt steht ja unserem Selbstversorgerleben eigentlich nichts mehr im Weg. Fast.
Die Tochter reiste aus Finnland an, mit Geschenken und sehr vielen Bildern, Filmen und Geschichten. Wir wollen jetzt auch alle nach Finnland! Der Große samt Freundin reisten zum zweiten Weihnachtsfeiertag an und blieben über Nacht. Offiziell erlaubt, aber eigentlich gegen unsere persönlichen Regeln. Es tat so gut, die ganze Brut auf einem Haufen zu sehen! Wir aßen fein, wir tranken noch besser und tanzten bis um zwei Uhr morgens. Das muss jetzt wieder eine ganze Zeit reichen.
Die Tochter ist heute wieder nach Bayern abgereist, wir werden uns erst im Frühling wiedersehen, wenn sie wieder zum Studieren nach Mannheim zieht. Der Jüngste trifft seinen Freund und der Gatte und ich feiern eine rauschende Silvesterparty. Vermutlich schauen wir youtube-Videos zum Thema „Isomatten“, essen eine leckere Kleinigkeit und trinken gegen Mitternacht Sekt auf den Impfstoff.
So zusammengefasst liest sich unser Jahr wie eine einzige Feier! :) Tatsächlich haben wir aber auch jedes Treffen mit der Familie oder den Freunden, jede gemeinsame Unternehmung zelebriert. Und weil es so wenige waren, bleiben sie eben als etwas ganz Besonderes in Erinnerung.
Rutschen Sie gut rein, bleiben oder werden Sie gesund und glauben Sie mir, ich würde gerne versprechen, regelmäßig zu bloggen. Doch ich bin überraschend oft sehr dünnhäutig und dann reicht es einfach nur für nette Instagrambildchen.
Dennoch. Immer die Ihre.