Die Tochter feierte wandernd, hot tubend, schwimmend, saunierend in ihren Geburtstag heim, wir seufzten heute bisweilen ein bißchen wehmütig vor uns hin. Kein Geburtstagstisch mit 23 Kerzen plus der einen zum Älterwerden, keine Geschenke, nur das Wissen, dass das Päckchen angekommen, aber erst nächstes Wochenende geöffnet wird. Kein Geburtstagskuchen, keine Feier. Die Kinder sind groß und alles ändert sich. Aber hey, sie war an ihrem Geburtstag schon weiter weg, einmal in Amerika, einmal in Afrika. Finnland ist da quasi um die Ecke.

Die Söhne waren heute bei der Lese und kamen am frühen Abend etwas angeschickert heim. Der „Oobruch“ musste weggetrunken werden. Oobruch sind geöffnete Weinflaschen. Geöffnet wurden die nur, weil nach getaner Arbeit zu einer Schorle geladen wurde, dann wurden es zwei und na ja, wir kennen das. Wir ERWACHSENEN kennen das, wollte ich schreiben, aber die Söhne sind ja auch erwachsen. Und wie sie da so herumstanden und mit uns schwätzten, freute ich mich arg, dass sie so gerne bei uns herumstehen und schwätzen. Der Große lebt jetzt fast ein Jahr nicht mehr in der Grünen Villa sondern in einer entzückenden Wohnung in Mainz, mittlerweile ganz offiziell mit Freundin. Das wird an Weihnachten ganz spannend, denn wer wird wo feiern? Er bei den Eltern der Freundin? Die Freundin mit ihm bei uns? Die beiden allein? Beide jeweils bei ihren Familien? Weihnachten fällt aus, weil wir uns alle nicht einigen können? Wir werden sehen. Zuerst steht jetzt noch der Geburtstag des Großen an, für den wir erneut keinen Geburtstagstisch richten, dafür aber hoffen, an einen solchen geladen zu werden!

Bevor sich der Große wieder verabschiedete, fanden wir einen Termin zum gemeinsamen Aufbau des Gewächshauses. So weit ist es nämlich irgendwann, wenn diese Kinder ihr eigenes Leben führen: es müssen Termine gemacht werden, weil wir Eltern eben gar kein Lebensmittelpunkt mehr sind, sondern nur noch dazugehören.

Bevor ich mich jetzt systematisch in die Sentimentalität schreibe, setze ich mich zum Gatten auf das Sofa, trinke einen Dornfelder mit ihm (proste Richtung Schweiz!) und schaue youtube-Filmchen über Leicht-Gepäckwanderer. Wir haben bei unsere Tour nämlich einen kennengelernt und wir waren ein bißchen neidisch auf seinen leichten Rucksack. Für unsere kommenden Touren müssen wir also noch sehr viel Geld ausgeben und wer weiß, ob wir überhaupt genug Zeit haben, um wirklich alle Videos zum Thema zu schauen?! Die große Tour ist noch nicht abgehakt, das können sie meinen Worten eventuell entnehmen. So. Jetzt aber. Sofa, Wein, bis morgen!

Fertig.

26. Januar 2019

Der Jüngste hat dann letztlich die älteren Geschwister doch noch überholt und als Erster eine Ausbildung abgeschlossen. Ab heute ist er ganz offiziell Anlagenmechaniker, für die älteren Menschen unter uns „Installateur“ und für die ganz alten „Klempner“.

Knapp drei Tage dauerte die praktische Prüfung und erst an ihrem Ende erfuhr er, ob er die schriftliche Prüfung, die er schon im Dezember hatte, bestand. Hat alles geklappt und wir feiern neben der bestandenen Gesellenprüfung auch die Übernahme im Ausbildungsbetrieb.

Wenn Sie hier neu sind, dann fragen Sie sich eventuell, wieso ich hier so einen Aufriss um eine bestandene Ausbildung mache, ist ja schließlich keine Doktorarbeit. Ist es für den Jüngsten aber doch, denn sein Weg bis hierhin war kein leichter, von Auffälligkeit zu Auffälligkeit, von Defizit zu Defizit, von Hoffnung bis Ausweglosigkeit und wieder zurück, von grenzenloser Freude bis ins tiefste Jammertal. Lesen Sie dazu gerne mehr im alten Blog (frau-mutti.de) nach, insbesondere immer um den 24. Februar. Oder zusammenfassend den Text vom 18. Geburtstag des Jüngsten: hier.

Es ist schon ein bißchen verrückt. Ich schreibe seit über 18 Jahren Sachen ins Internet und es gibt Menschen, die diese Sachen schon fast genauso lange lesen. Und heute, wo ich vor Glück ein bißchen ausflippen möchte, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um mich bei Ihnen da draußen zu bedanken. Für Ihre immer offenen Ohren und Herzen, für Ihre freundlichen Rückmeldungen, Ihre wertvollen Ratschläge, für witzigen, ehrlichen, tränentreibenden, zukunftsweisenden, wertvollen Austausch, für Anregungen, Ideen und Inspiration, für Freundschaft über den Bildschirm hinweg.

Es heißt ja, dass es zur Erziehung eines Kindes ein ganzes Dorf braucht. Vermutlich geht es dem Kind auch ohne diese ganzen Menschen prima, doch die Eltern! Die brauchen dieses Dorf, und sei es halt nur Kleinbloggersdorf, ganz dringend. Ohne dieses doofe, anonyme Internet, damals noch in den Foren, danach in den Blosg und jetzt halt kürzer bei Twitter hätte ich die hinreißenden Bestien verkauft, an der Raststätte ausgesetzt oder am kleinen Zeh aus dem Fenster gehängt. Oder wäre einfach weggelaufen, irgendwohin.

Hachjaseufz.

Und jetzt: Sekt. Virtuell mit Ihnen (selbstverständlich können Sie auch ein alkoholfreies, veganes und/oder zuckerfreies Getränk wählen, Hauptsache: Prost!) und ganz in echt daheim, am Küchentisch mit einem frischgebackenen Klempner.

geschafft.

4. Januar 2019

Heute sind die Feiertage ganz offiziell vorbei. Das letzte Plätzchen ist verspeist, ein einziger Lebkuchen und ein kleiner Rest vom Stollen werden im Laufe des Tages verschlungen und dann möchte ich bitte zehn Monate lang weder Zitronat noch Rosinen in meinem Essen.

Das Töchterlein hat sich um sieben Uhr verabschiedet. Sie reist heute für drei Monate nach Gilching. Neue WG, neue Menschen und am Alleraufregensten: der Praxisteil ihres Studiums beginnt, sie darf mit Robotern spielen. Meine Vorstellung deckt sich da womöglich nicht ganz mit ihrer Realität, denn ich sehe sie mit irgendwelchen Joysticks und Fernbedienungen hantieren oder bäuchlings auf dem Boden liegend zuschauend, wie der Fischertechnik-Roboter auf wackeligen acht Beinen durch das Zimmer stapft … ich weiche ab. Letztlich wird sie sehr viel Zeit programmierend am Rechner verbringen. Es ist mir unverständlich, wie so etwas Spaß machen kann, aber ihr geht es genauso, wenn ich ihr erkläre, wie der Quilt aussehen wird, den ich ihr für ihr Mannheimer WG-Zimmer nähen werde.

Mit der Abreise der Tochter gehört das Haus wieder uns, das begrüße ich sehr. Selbst der freundlichste, liebenswerteste Besuch ist mir irgendwann zuviel, sitzt rum, wo ich gerade saugen will, hat seinen Kram rumliegen, wo er doch nicht hingehört und will ein Schwätzchen halten, wo ich doch gerade leergequatscht bin. In meiner Phantasie bin ich eine warmherzige Gastgeberin, die Ihren Besuch mit offenen Armen empfängt und über Wochen verwöhnt. In der Realität entgleitet mir die Warmherzigkeit nach etwa drei Tagen. Beim gemütlichen Abschiedsgespräch mit der Tochter zeigte sich dann aber, dass sie sich sehr wohl als Besuch empfindet, sich aber nicht hinausgedrängt fühlt.

Ab ungefähr Mitte des Jahres entspannt sich die Besuchssituation sowieso, denn dann wird es in der Grünen Villa ein echtes Gästezimmer geben. Der Große beendet dann nämlich seine Ausbildung und egal wo er was arbeitet – er wird ausziehen müssen, es ist allerhöchste Zeit. (Keine Sorge, wir streiten uns nicht! Er ist einfach so weit, Er kann sich versorgen und theoretisch seinen eigenen Haushalt führen, muss dies ja aber nicht tut, weil ich da bin. Das führt zu gewissen Unzufriedenheiten meinerseits und ach, es ist halt Zeit.)

Wann der Jüngste auszieht, ist sehr ungewiss, aber das eilt auch nicht. In drei Wochen hat er praktische Prüfung. Sollte er diese bestehen, wird er ziemlich sicher vom Ausbildungsbetrieb übernommen und dann kann Entspannung einsetzen. Und neue Ziele in Angriff genommen werden. Vielleicht macht er den Führerschein, vielleicht doch noch mal einen längeren Urlaub, vielleicht will er doch ausziehen. Es wird sich finden.

Jetzt steht hier beinahe etwas wie eine Jahresplanung. Das ist natürlich Quatsch, denn erfahrungsgemäß läuft das eh alles anders. Und eigentlich wollte ich wirklich nur rasch erzählen, dass das Familienfest gestern abend relativ früh endete, weil die Schwagerfamilie heute früh schon wieder abreist und ich bin wirklich froh, dass es nicht spät wurde. Ich bin keine Langschläferin und die Schlafenszeiten der letzten Wochen, die immer deutlich nach Mitternacht lagen, taten mir nicht gut. Deshalb: hallo langweiliger, spießiger „um elf Licht aus“-Alltag, ich freue mich, dass du wieder da bist. Kann noch jemand rasch das Küchenchaos der letzten Feier beseitigen?

Herausforderungen

19. Juni 2018

Vor ein paar Tagen las ich einen empörten Tweet: 14jährige mussten einen Ausflug mit den Fahrrädern machen, 70 Kilometer durch ein Mittelgebirge, sechs Stunden unterwegs, bei dieser Hitze! Alle Kinder total erschöpft, mussten daheim erstmal ganz viel trinken und schlafen.

Die Reaktionen darauf reichten von „unverantwortlich von dem Lehrer!“ über „direkt melden/Gespräch suchen/mit dem Direktor reden/anzeigen“, „das ist Körperverletzung!“ schrie man und dann gab es die unflätigen Gewaltausbrüchen, die ich hier nicht zitieren werde. Einige zaghafte Ansätze in Richtung „naja, über einen ganzen Tag ist die Distanz doch zu schaffen“, gab es auch, diese wurden aber im Zuge der allgemeinen Empöria direkt abgebügelt, ein Ausflug über maximal 20 Kilometer sei ja wohl absolut ausreichend!

Weil ich von Diskussionen bei Twitter nichts halte, denn diese führen unweigerlich zu heftigen Missverständnissen, ich aber eine (andere) Meinung habe, schreibe ich halt hier, ganz in Ruhe.

Eine Radtour über 70 Kilometer, bergauf und wieder bergab, ist schon eine stolze Strecke. Keiner der Empörten hatte auch nur ein Wort des Lobes bezüglich der Leistung der Radler. Denn: alle kamen an! Das ist großartig, dass es alle geschafft haben, obwohl wahrscheinlich manche eher untertrainiert sind, andere ein schlechtes Rad hatten und mindestens fünf gigantische Rennmaschinen fuhren, ohne Kenntnis der richtigen Handhabe bezüglich Schaltung der 56348 Gänge derselben. Alle 14jährigen radelten einen ganzen Tag lang, strampelten Berge hoch und rasten sie auf der anderen Seite wieder runter, schwitzten wie verrückt, hatten vermutlich Wadenschmerzen und einen wunden Hintern, kamen fix und fertig daheim an und hatten wahrscheinlich am nächsten Tag neben einem Muskelkater auch eine gute Portion mehr Zusammenhalt. Und wenn letzterer vielleicht nur über „der bescheuerte Lehrer XY, der alte Schinder“ zustande kommt, egal. Alle haben es geschafft, wie toll!

Ließe man die Empörten einen Ausflug planen, sähe dieser womöglich so aus: Wir radeln gemeinsam auf den Grillplatz der Nachbargemeinde (Distanz: zehn Kilometer). Die freundlichen Eltern A und B haben dort einen kleinen Imbiss vorbereitet (für Getränke- und Essensspenden bitte in der beiliegenden Liste eintragen). Gegen 14:00 Uhr treten wir den Rückweg an. Liebe Eltern, sorgen Sie bitte für angemessenen Sonnenschutz und ausreichende Getränke (am Besten Wasser wegen der Wespen), das Wetter soll sehr warm und sonnig werden.

Das ist ein Ausflug, bei dem 14jährige schon beim Lesen der Planung gähnen, ein Ausflug, so spannend wie Briefschach. Da gibt es keine Herausforderung, da kommt man nicht mal in die Nähe seiner Grenze, geschweige denn, dass man mal zwei Schritte drüber geht. Das ist Schulalltag halt ohne Klassenzimmer. Und garantiert nicht das, wovon man seinen Enkeln mal erzählt, im Sinne von „als ich in eurem Alter war, radelten wir mal bei glühender Sonne SIEBZIG Kilometer in den Bergen herum, DA waren wir fertig und wussten, was wir geschafft haben!“

Vor lauter „wir müssen alles kontrollieren und unsere Kinder beschützen“ nehmen wir ihnen leider auch die Chance, ein paar aufregende Sachen zu erleben, sich zu spüren und ein echtes Erfolgserlebnis, das nichts mit einer guten Note oder einem Levelaufstieg zu tun hat, zu erfahren. Das ist schrecklich schade und nicht wieder gut zu machen.

Keine Glückwünsche an die Frauen hier, keine flammenden Gleichberechtigungsreden.

Nur ein kleiner Aufruf an uns Eltern: alles was Söhne können, können Töchter auch. Alles was Söhne dürfen, dürfen Töchter auch. Alles was Söhne müssen, müssen Töchter auch.

Es ist doch ganz leicht.

Nicht ganz so leicht, aber lohnenswert ist es, u.a. auf folgende Sprüche zu verzichten:

– ach ja, Mathe hab ich auch nie kapiert

– in den Sportstunden hatte ich immer meine Tage, hihi.

– diese Chemieformeln braucht man nie mehr im Leben

– Physik war für mich auch immer ein Buch mit sieben Siegeln

– Deutsch und Fremdsprachen liegen Mädchen einfach viel besser.

Vielleicht sind das nicht Ihre Sprüche, aber vielleicht die von Großeltern, Freunden, Nachbarn oder auch Lehrern. Mit denen zu streiten hilft meistens wenig, aber den eigenen Töchtern „doch!“ und „Aber!“ beizubringen, das hilft sehr viel.

„Doch!“ und „Aber!“ dürfen Sie übrigens auch Ihren Söhnen beibringen!

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Die Frau des Tages für mich:

Sie hat frustrierenden Unterricht in Mathematik und frauendiskriminierenden Unterricht in Physik mit ein wenig Unterstützung von uns überstanden. Hat allen Widrigkeiten zum Trotz Leistungskurse in beiden Fächern belegt und mit Bravour gemeistert. Sie studiert Informationssystemtechnik mit sehr wenigen Kommilitoninnen und wechselt im Herbst in ein duales Studium bei der DLR. Sie wird nicht ins All fliegen, aber vielleicht den nächsten Marsroboter bauen.

Weil sie ziemlich oft „Doch!“, „Aber!“ und „Jetzt erst recht!“ gesagt, geschrieen und geweint hat. Dieser Weg hätte so viel leichter sein können und ich wünsche mir Leichtigkeit für meine Enkelinnen.

Es gibt noch so viel zu schreiben, gerade auch über Söhne, die in dieser Gleichberechtigungswelle beinahe ein bißchen nach Luft schnappen müssen. Heute nicht.