Gepackt …

30. April 2016

und morgen früh geht es los nach Berlin.

Mein ungebrochener Optimismus hat mich nur Röcke einpacken lassen. Es ist Frühling, es ist warm, basta. Ich freue mich riesig auf interessante Vorträge auf der re:publica, auf die vielen Menschen, die ich nur einmal im Jahr treffe und auf die Urlaubstage mit dem besten Vater meiner Kinder.

Nach der Woche in Berlin , schreibe ich einen abschließenden Bericht über unsere Testmatratze Eve, denn nach einigen Tagen Schlaf auf einer Hotelbettmatratze habe ich einen hübschen Vergleich. Vermutlich wird sie mir sehr, sehr fehlen, denn meistens schlafe ich hervorragend! In den letzten Nächten schlief ich nicht ganz so gut, denn dieser gemeine Schnupfen weckte mich mehrmals entweder mit verstopfter oder laufender Nase. (Als ich dann neulich nach dem rettenden Nasenspray auf dem Nachttisch tastete, stieß ich es hinunter, statt danach zu greifen. Es fiel auf die friedlich vor meinem Bett schlafende Lola, die hochschreckte und mir, als ich aus dem aber gebeugt auf dem Boden nach dem Nasenspray suchte, quer übers Gesicht schleckte, was wiederum zu sehr spitzen Quietschern und „Nein, Lola!“-Rufen bei mir führte. Und dann war ich eben wach. Sehr wach. Der beste Vater meiner Kinder hingegen hatte sich nicht gerührt. Er schläft also so prima auf der Matratze, dass ich neben ihm von einem Hund gefressen werden könnte, ohne dass er aufwacht.)

Vermutlich werde ich mich von Berlin aus hier nicht melden, denn ich finde das Bloggen übers Handy sehr frickelig. Hut ab vor Anne, die ihre täglichen Wanderroutenbeschreibungen tapfer ins Phönchen tippt! Bis bald!

Bittere Erkenntnis

29. April 2016

Der beste Vater meiner Kinder und sein holdes Weib fahren nach Berlin zur re:publica. Das ist schon lange so geplant und wenn man schon mal in Berlin ist, kann man gleich noch ein paar Tage Urlaub dranhängen. Wir freuen uns sehr!

Der große Sohn, der sein Studium wirklich nur noch zur Überbrückung bis zum Ausbildungsbeginn sieht und nicht mehr ernst nimmt, erklärte sich bereit, zusammen mit seinem Bruder den gar nicht mehr so kleinen Hund zu versorgen und auch dafür zu sorgen, dass der Bruder pünktlich bei der Arbeit und in der Schule erscheint. Kochen und anfallende Hausarbeiten würden sie teilen. So war der Plan.

Gestern allerdings teilte uns der Arzt mit, dass sich das linke Bein des Jüngsten in einer „Überlastungssituation“ befände. Ganz offensichtlich ist das Wachstum noch nicht abgeschlossen und durch die starke Belastung bei der Arbeit, durch das Schleppen von Werkzeugkisten und Materialien, sei es zu einer Reizung gekommen. Das Bein des Jüngsten wurde in einen Zinkleimverband und eine hübsche, blaue, elastische Binde gepackt und es gab ein strenges Sportverbot, was auch das Gehen längerer Strecken einschließt. Eine Hunderunde mit dem gar nicht mehr so kleinen Hund beträgt mindestens fünf Kilometer, was unter längere Strecke fällt und deshalb nicht erlaubt ist. Der große Sohn war nur mäßig begeistert, zusätzlich zu den Morgenrunden nun auch noch die am Abend übernehmen zu müssen. Und obendrein seinen Bruder zur Schonung anhalten zu müssen. Er knirschte ein wenig mit den Zähnen, aber das ist jetzt nun mal so.

Heute morgen ließ ich den Großen extra ausschlafen, denn ich brauchte ihn, am Liebsten mit wunderbar-ausgeschlafener Laune. Der rote Kater hatte nämlich in der Nacht einen Revierkampf und ich bin mir nicht ganz sicher, ob er den Sieg davon getragen hat. Ein tiefer Kratzer zieht sich über Auge und Wange, dazu kommen einige Löcher, als sei er kräftig in die Schnauze gebissen worden. Das Auge war verklebt und zugeschwollen, das sollte sich der Tierarzt ansehen. Unser Tierarzt praktiziert im Nachbarstädtchen, der Große übernahm die Chauffeurdienste dorthin und begleitete mich.

Die Wunden des Katers wurden gespült, es gab eine prophylaktische Spritze mit Antibiotikum und die Ansage, dass das -zum Glück relativ unverletzte – Auge dreimal am Tag getropft werden müsse. Da wir nicht da sind, muss das der Große übernehmen, genauso wie die Nachkontrolle am Dienstag. Er knirschte ein wenig mehr mit den Zähnen, aber das ist jetzt nun mal so.

Wieder daheim fassten wir kurz den künftigen Tagesablauf zusammen: Mit dem Jüngsten aufstehen, ihn zur Schule oder Arbeit schicken, den Hund füttern, den Kater versorgen, die (lange) Morgenhunderunde erledigen, danach das bißchen Haushalt. Am Mittag nicht verhungern, den Kater versorgen, die Zeit rumkriegen, bis die Schule aus oder die Arbeit vorbei ist, die (kürzere) Abendhunderunde erledigen, für eine gesunde, ausgewogene Mahlzeit sorgen, den Kater versorgen, den Hund füttern, nochmal mit dem Hund zum Pinkeln gehen und den Hund ins Bett stecken. Den Jüngsten an seine Berichte erinnern, am Dienstag zum Tierarzt fahren. „Willkommen in der wunderbaren Welt der Erwachsenen!“, jubelten wir ihm zu und er teilte uns mit, dass er sich das irgendwie anders vorgestellt habe, irgendwie freier.

„Nein, freier bist du als Erwachsener nicht.“, erklärte ihm sein Vater, „Du musst Rechnungen bezahlen, Steuererklärungen machen, einkaufen, dein Leben organisieren.“

„Nur als Kind bist du frei.“, ergänzte ich.

„Ja. Und als Kind weiß man das nicht.“, sprach der große Sohn. *Groschenfallgeräusch*

Ich sprach das neulich schon mal an, aber ich bin mit diesem Gedanken scheinbar noch nicht fertig. Immer wenn ich von den Pilgerplänen der Tochter berichtete, sonnte ich mich in meiner Coolness und der Bewunderung der anderen darüber, dass ich das Kind einfach so ziehen lasse, sechs Wochen lang, ohne große Planung, einfach nur mit dem Nötigsten im Rucksack.

Als die Tochter mit ihren Freundinnen in den Vorbereitungen steckte, tauschte ich ab und zu mit dem besten Vater meiner Kinder oder der Mutter der einen Pilgerfreundin ein „Waaah! Jetzt sind sie bald weg, das ging aber doch schnell!“, aber ein richtiges Loslassen und „alleine machen lassen“ war das eben doch nicht. Wir sichteten zusammen die Funktionsklamotten, bestellten gemeinsam Fehlendes, diskutierten den Rucksackinhalt und halfen beim Kauf der Fahrkarten. Wir taten das, was Eltern von großen Kindern eben tun: machen lassen, aber ein Auge drauf haben. Und bei Bedarf einspringen.

In der Nacht vor der Abfahrt der drei Pilgerinnen plagten mich die schrecklichsten Gedanken. Drei schöne, junge Frauen, alleine unterwegs, klug und eloquent, dabei mit einer gehörigen Portion Naivität, die schlicht der Jugend geschuldet und nicht verwerflich ist. Was da alles passieren kann! Ich steigerte mich systematisch in eine regelrechte Panik hinein, aus der ich nur hinausfand, indem ich mich erinnerte, was ich als 18jährige ohne Schäden überlebt hatte und dass eine komplette Staffel „Criminal Minds“ eben doch nicht die perfekte Vorbereitung zum Loslassen gewesen ist.

Drei strahlende Mädchen reisten ab, meldeten sich regelmäßig mit lustigen Bildern und detaillierten Berichten in ihren Blogs. Alles war gut, alles lief prima, bis es nicht mehr gut war, es nicht mehr prima lief. Die eine Pilgerfreundin musste wegen einer dicken Blase und einer entzündeten Achillessehne pausieren. Dann starb der Opa der anderen Pilgerfreundin. Und zuletzt klagte die Tochter über eine schmerzhafte Schwellung am Fuß, die sie am Weitergehen hinderte.

Dank moderner Kommunikation und freiem WLAN in den Unterkünften der Mädchen, trudelten die whatsapp-Nachrichten in immer größerer Menge ein. Und ich stellte fest, dass weder ich losgelassen hatte, noch mein Mädchen wirklich gesprungen war. Viele Probleme häuften sich da an und der erste Impuls war „Mama erzählen, Mama fragen, mit Mama besprechen“. So, wie wir das daheim eben machen und so, wie wir großartig miteinander leben. Mitteilen und teilen. Jetzt aber liegen viele hundert Kilometer zwischen uns und meine Vorstellungskraft reicht einfach nicht aus. Wie fühlt man sich wohl, wenn man tagelang immer nur marschiert, durch Regen und Wind, jede Nacht in einem anderen Bett schläft, sich etwas eigenwillig ernährt und plötzlich streikt der Körper. Oder die Psyche. Oder dieses Gruppendynamikding der drei Pilgerinnen, von denen sich zwei seit sehr vielen Jahren kennen, während die Dritte eben relativ neu im Bunde ist. Ich versucht per whatsapp Mut zuzusprechen, zu klären oder schlug vor, wie die drei miteinander Lösungen finden könnten. Gleichzeitig tauschte ich mich mit der Mutter der Pilgerfreundin aus, deren Opa gestorben ist. „Wie geht es ihr heute, wird sie weitermachen, verkraftet sie es?“ Der Tochter schrieb ich, was ich erfuhr und gab gleichzeitig Tipps, wie eine Fußschwellung, die ich auf einem Handybild begutachten konnte, zu behandeln wäre.

Als ich mir nur noch Sorgen machte und bereits überlegt, wie ich nach Spanien reisen würde, um meinem Kind beizustehen … merkte ich, dass das so nicht weitergehen kann. Und teilte der Tochter mit, dass ich zu weit weg bin, um helfen zu können und das eigentlich auch nicht wolle. Mit dem mir eigenen Talent hatte ich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt für diese Mitteilung gewählt (als nämlich die Tochter höchst verzweifelt wegen ihres Fußes war) und bekam deshalb eine entsprechend beleidigte und wütende Antwort. To make a long story short: wir vertrugen uns kurz darauf wieder und die Tochter besaß die Größe, mir zu sagen, dass ich recht hatte. Grandios. Ich hatte also die Nabelschnur mal wieder durchgeschnitten (das tut man im Laufe eines Kinderlebens sehr, sehr oft, das Ding wächst irgendwie immer wieder nach!) und beobachte jetzt mit Staunen, was passiert: nämlich nichts! Die Welt dreht sich weiter. Das Kind hat in einer fremden Stadt, ohne der Landessprache mächtig zu sein, ganz alleine eine Ärztin gefunden, sich eine Diagnose und ein Rezept abgeholt, Letzteres eingelöst und sorgt nun ganz alleine dafür, dass das mit dem Fuß wieder klappt. Sie versorgt sich mit Lebensmitteln, sie sucht sich Schlafplätze, sie wäscht ihre Klamotten und kauft sich, was fehlt.

So großartig der tägliche Kontakt ist, so schwer macht er es doch, sich wirklich zu trennen und auf eigene Füße zu stellen. Für das Jahr in Afrika, das für die Tochter im August beginnt, weiß ich jetzt, dass weniger mehr ist. Dass ich sie loslassen muss, notfalls auch ein bißchen schubsen, damit sie losgehen kann.

Ein berechtigter Vorwurf der Tochter, denn das mit der Bloggerei fließt nicht so recht bei mir. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht so wunderbare Geschichten wie die Tochter zu erzählen habe, mein Alltagstrott reißt ja nun so wirklich keinen vom Hocker.

Bevor Sie jetzt widersprechen, hier eine Zusammenfassung des heutigen Tages. Schnallen Sie sich an, es wird spannend.

Wer früh schlafen geht, ist früh wach. Um elf Uhr schlafen zu gehen ist eine prima Sache für mich, denn der Wecker brüllt montags um zwanzig vor sechs. (Montags und donnerstags bedeutet das quasi ausschlafen, denn sonst brüllt der Wecker schon um zwanzig nach fünf.) Den Jüngsten trifft es hart, sein Arbeitsbeginn ist sechs Uhr. Montag und Donnerstag hat er Berufsschule und könnte deshalb theoretisch länger schlafen. Unglücklicherweise ist die Berufsschule in Ingelheim, was von Nierstein aus eine kleine Weltreise ist. Zuerst nach Mainz, dort dann umsteigen.

(Kleine Anekdote am Rande: bei den ersten Fahrten zur Berufsschule hat sich mein verteiltes Kind prompt verfahren, weil es den Fahrplan schludrig las. So fuhr er nach Nieder-Olm, statt nach Nierstein, was einem Umweg von etwa zwei Stunden bedeutete. Ein bißchen Sorgen machte mir das schon, aber hey, die Zeiten, in denen er seinen Schulweg während der Sommerferien vergaß, sind vorbei.)

Der beste Vater meiner Kinder steht auf, ich darf liegen bleiben, doch schlafen kann ich nicht mehr. Um das traute Morgengebrummel in der Küche nicht zu stören, warte ich bis die Haustür ins Schloss klappt, bevor ich aufstehe, mir einen Kaffee koche und den gar nicht mehr so kleinen Hund mit Frühstück versorge. Der beste Vater meiner Kinder schläft bis acht Uhr auf dem Sofa, ich trinke meinen Kaffee manchmal bei ihm, heute ging ich zurück ins Bett. Ich bin nämlich schrecklich krank, ein unbarmherziger Schnupfen quält mich und ich habe ein kleines déjà-vu, denn auch letztes Jahr hatte mich eine fiese Erkältung vor der re:publica niedergestreckt.

Der beste Vater meiner Kinder verabschiedete sich, ich steckte Lola ins Hundegeschirr und wählte für heute eine etwas dickere Jacke für die Hunderunde. Eine weise Entscheidung, denn obwohl da draußen ein fröhlicher Wolken-Sonne-Mix war, pfiff ein kalter Wind. Die Hunderunde war heute eine äußerst arbeitsintensive für Lola, denn ich übe gerade mit ihr, dass sie nicht sofort lossprinten darf, so wie sie etwas Interessantes sieht. Mit Schleppleine und der Hälfte der Futteration arbeiteten wir eine gute Stunde und marschierten eine knappe weitere Stunde wieder heim. Ich war der platt, der Hund aufgewärmt und bereit für weitere Abenteuer.

Kurz nach zehn kam ich heim. Das passte prima, denn Oma Eis hatte sich für halb elf angekündigt. Nach wie vor haben wir Montags unserem Mutter-Tochter-Tag und normalerweise machen wir die Hunderunde zusammen. Oma Eis hat aber ihre eigene Frau Knie und deshalb derzeit keine Möglichkeit mit uns zu laufen. Übernächste Woche wird operiert und danach sollte es bald wieder klappen.

Der große Sohn schleppte sich aus dem Bett und wir spätstückten zu dritt. Nach einem gemütlichen Schwätzchen, bei dem sämtliche Neuigkeiten ausgetauscht wurden, verabschiedete sich Oma Eis, mein Schnupfen und ich gingen mit den Zähnen klappernd auf’s Sofa unter die dicke Decke. (Mit Hund und Kater als Wärmflasche) Der große Sohn nahm seinen eigenen Schnupfen mit ins Bett, montags hat er nur am Abend eine Vorlesung und die schwänzt er sowieso. (Er studiert ja nur noch ein bißchen zum Spaß, denn am ersten September beginnt seine Ausbildung zum Chemielaboranten.)

Ich schlief quasi umgehend mit hübschen, wirren (Fieber)Träumen ein und wurde erst um halb drei wieder wach, als der Jüngste heim kam. Wir tauschten uns aus, bevor der Jüngste in seinem Zimmer verschwand. Ich fühlte mich äußerst erfrischt und beschloss eine Kröte zu killen. Der Berg der „muss ich reparieren oder verändern oder irgendwie anders machen“-Kleidung passt mittlerweile nicht mehr auf einen Stuhl, weswegen ich die Nähmaschine und die Overlock herbeiräumte und mich ans Werk machte. Fünf alte Sommerröcke sind nun wieder stadtfein, drei Oberteile passen und gefallen mir nun endlich und ein Pullover des besten Vaters meiner Kinder hat kein Loch mehr unter dem Arm. Ein paar ausgerissene Knöpfe und ein einige angefangene Sachen liegen da jetzt noch und vielleicht habe ich morgen ja nochmal einen Anfall von „aus alt mach neu“.

Eigentlich hätte ich heute keine Zeit für Nähereien gehabt, eigentlich wäre heute Sprachunterricht dran gewesen. Der findet aber seit letzten Montag nicht mehr statt, denn „mein“ Syrer (16) und ich haben gemeinsam beschlossen, dass Lernen zwar nach wie vor super wichtig ist, derzeit aber das ausreicht, was in der Schule passiert. Dort ist er mittlerweile im Fortgeschrittenenkurs und auch in seiner Freizeit ist er sehr fleißig, das läuft also. Hm. Es ist ein bißchen schwierig, aber eben auch Zeit. Als er vor einem halben Jahr zu mir kam, sprach er kein Wort Deutsch, jetzt können wir uns gut unterhalten. Jetzt hat er hier Freunde, syrische, kurdische und auch deutsche. Es ist gut, ihn ziehen zu lassen. Und vielleicht nimmt er mein Angebot der stets offenen Tür ja gerne an. Mit „meinem“ anderen Syrer (33) findet schon lange kein Unterricht mehr statt, er will nicht lernen und da kann ich nix machen. Das Internetcafé läuft aus. Zuletzt saß nur noch ein sehr fleißig Lernender dort, dem ich dann letztlich einen der gespendeten Rechner mitgegeben habe. Die alten Aufgaben laufen aus, mal sehen, welche neuen demnächst kommen, Arbeit gibt es immer.

Der Jüngste übernahm die Abendhunderunde, so konnte ich an der Nähmaschine sitzen bleiben.

Der beste Vater meiner Kinder kam heim, ich telefonierte mit der Freundin, die mich nächste Woche nach Berlin begleitet und irgendwann um acht war dann Feierabend.

Jetzt sitze ich mit Tee, Orangen, dem besten Vater meiner Kinder und dem weltschlimmsten Schnupfen auf dem Sofa, höre mir Sprachnachrichten der Tochter an und schreibe vor mich hin.

Ich glaube, dass diese Twitter-Sache meiner Bloggerei nicht gut tut. Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag alles,was ich zu erzählenhabe, dort in 140 Zeichen quetsche. Es ist eher so, dass mir das Lesen dort wirklich oft schlechte Laune bereitet, weil wieder irgendeine Sau durchs Dorf getrieben wird, weil schöne Dinge, nur noch getan werden können, wenn man unsagbar ironisch darüber spricht und vielleicht auch nur, weil ich selbst nicht diszipliniert genug bin, um sinnlose Diskussionen einfach links liegen zu lassen, statt sensationslüstern nachzuforschen, wer jetzt schon wieder nicht mit wem kann, wer dies oder das gesagt hat und das geht ja gar nicht, das wissen wir doch alle. Vielleicht endet mein Twitterdings dann so wie diese Facebooksache: ich geh erstmal nicht mehr hin.

12 von 12 im April

12. April 2016

Zwölf Bilder am Zwölften jeden Monats.

Es ist schon faszinierend – früher, als die Kindelein sehr klein waren und ich eigentlich für nichts Zeit und/oder Kraft hatte, habe ich täglich gebloggt, manchmal sogar zwei-, dreimal. Heute, wo die Kindelein ausgesprochen groß, selbständig und teilweise ausgeflogen sind, bleibt weiterhin für nichts Zeit und/oder Kraft und obendrein vernachlässige ich das Bloggen. Heute aber.

eins

Nach einem Wochenende voller Sonne und Wärme war der Tagesbeginn heute dann doch eher eine Enttäuschung. „Regen ist super für das ganze frischgepflanzte Gemüse im Garten“ war nur ein klitzekleiner Trost, die Aussicht auf eine regennasse Hunderunde ließ meine Laune sinken.

zwei

Aber wie es dann oft so ist: einmal unterwegs und alles ist gut. Der Regen ließ nach, die Luft roch wunderbar nach den blühenden Schlehen am Wegesrand und obendrein traf ich auf eine Bekannte mit Hund. Während unsere Hunde durch die Zeilen tobten, schwätzten wir. Der gar nicht mehr so kleine Hund war äußerst brav und kam auf Zuruf sofort zu mir. Sehr beruhigend, denn die Wingerte sind voll mit Kaninchen und etlichen, teils hochträchtigen Rehen. Der Jagdhund in ihm will lospreschen und es ist nicht immer leicht, manchmal sogar unmöglich ihn abzurufen. Dann hilft nur eine Schleppleine. Heute aber jede Menge Freilauf und Spiel und für mich die Gewissheit, dass der restliche Tag sehr ruhig verlaufen würde.

drei

Auf dem Rückweg musste ich an Frau Brüllen und ihre Super-Mario-Party denken und schnell ein Bild für sie knippsen.

dreib

Wieder daheim blieb kurz Zeit für ein Frühstück, bevor die Ohrenkontrolle bei Lola anstand. Die Entzündung im Ohr ist wunderbar abgeklungen, Ohrentropfen sollen wir noch eine weitere Woche verabreichen. So weit, so langweilig.

Wieder daheim hatte sich meine leichte Restmigräne vom Vortag noch einmal zu vollen Höhen aufgeschwungen, samt Lichtempfindlichkeit und Übelkeit. Ich verteilte noch rasch ein paar Aufgaben an den großen Sohn und verschwand im Bett. Zwei Stunden später tobte es noch immer hinter meiner rechten Schläfe und ich war sehr verzweifelt. Zwei Tage hintereinander Migräne ist ungerecht.

Ich trank ein große Tasse Tee und bekam Hunger. Ein gutes Zeichen.

vier

Mit Kaffee, Käsebrötchen und Schokolade setzte ich mich raus in die Sonne, ganz sicher, dass ich nach dem Essen fit für anstehende Pflanzarbeiten sein würde. Letztlich dauerte es noch zwei Stunden, bis ich mich ohne Schwindel und Übelkeit bewegen konnte, doch der Schmerz in der Schläfe verklang.

fünf

Der große Sohn baute in Ernels Garten einen Zaun. Bisher war das Grundstück zu den Nachbarn hin offen, was letzten Sommer bedeutete, dass ich Lola immer anbinden musste, wenn ich im Garten arbeitete. Wenn der Zaun steht, kann sie durch den Garten brummen und sich ein Plätzchen suchen. Der Nachbargarten wird gerade neuangelegt. Die Nachbarin bewältigt ihr Stück nicht mehr, deswegen wird pflegeleichter Rollrasen ausgelegt. Was an Beerensträuchern, Kräutern und Blumen vorhanden war, durfte ich mir ausgraben, so landen die Pflanzen wenigstens nicht auf dem Müll. Das tröstet sie ein bißchen, denn sehr glücklich ist sie über diese Neugestaltung letztlich doch nicht.

sechs

Dieses Jahr möchte ich meine Terrassenkästen ein bißchen dauerhafter bepflanzen. Vor etlichen Jahren hatte ich sehr viele Kräuter in den Kästen. Das sah toll aus und roch ganz wunderbar. Nach und nach fielen die Kräuter aus und ich ersetzte sie nicht, sondern pflanzte einjährige Sommerpflanzen. Das ging gewaltig ins Geld, denn ich habe viele Terrassenkästen. Jetzt also wieder Kräuter und dazwischen wenn es Zeit ist die gesäten Minitomaten und Chilis.

Vor dem Pflanzen stand aber das Auffrischen der Pflanzkästen. Letztes Jahr hatte ich sie mit frischem Kompost gefüllt, ich trug also nur die verdorrten Pflanzen und die oberste Schicht Erde ab. Und förderte aus jeden Kasten mindestens zehn dieser Engerlinge heraus. Das sind Engerlinge des Rosenkäfers und wer auch immer behauptet, dass der bedroht sei, soll bitte in meinen Garten kommen. Im Sommer brummt es an allen Ecken und diese schönen, grüngoldenen Käfer fliegen durch die Gegend. Heute freuten sich aber die fleißig brütenden Amseln über eine Menge Engerlinge, die restlichen Engerlinge kamen mit vertrockneten Pflanzen und abgetragener Erde zurück auf den Kompost.

sieben

Ich werkelte vor mich hin (der Kopfschmerz ließ immer mehr nach, hurra!). Hund und Kater flitzten durch den Garten, Sonne und leichter Regen wechselten sich ab, der Jüngste hatte Feierabend und plötzlich war es sechs Uhr und die Hunderunde stand an.

acht

In Jeans, T-Shirt und leichter Strickjacke war ich losmarschiert, denn es herrschten ja laue, frühlingshafte Temperaturen. Deshalb änderte ich nach einem Blick zum Himmel sehr schnell meinen Marschplan. Statt auf halber Höhe gemütlich ein paar Schleifen zu laufen, lief ich nur eine klitzekleine Runde mit dem Hunde, genau so lange, bis die nötigen Abführgeschäfte erledigt waren. Bewegung hatte Lola den ganzen Tag im Garten, mein Gewissen war nicht allzu schlecht. Kaum war ich wieder daheim, regnete es in Strömen.

neun

Der beste Vater meiner Kinder kam heim, ich kochte Bolognese zum Abendessen (die morgen aufgewärmt noch leckerer sein wird) und wir tauschten uns über unseren Tag aus. Meine Migräne hatte sich mittlerweile (hurra, hurra!) ganz und gar verabschiedet und als die Sonne noch einmal über den Weinberg linste, hätte es ein perfekter Tagesabschluss sein können. Bis der Schreinerfreund anrief und uns den Tod seines Ziehvaters mitteilte. Paul wurde über neunzig Jahre alt und war auch bis fast ganz zuletzt fit, doch es trifft dennoch hart. Er starb unter einem blühenden Kirschbaum, das rührt mich sehr an. Mein Kirschbaum wird spätestens übermorgen blühen und darauf freue ich mich nun doppelt. Hart ist es für Marie, die Tochter des Schreinerfreundes, die gerade mit Anne in Spanien ist. So weit weg von der Familie ist Traurigsein doppelt schwer.

zehn

Im letzten Abendsonnenschein gingen wir nochmals raus in den Garten. Der beste Vater meiner Kinder experimetiert mit einer Austernpilzzucht. Gestern hat er Birkenstämme mit Pilmyzelen geimpft, heute hat er einen Strohballen vorbereitet, um diesen ebenfalls zu impfen. Ich werde bei Gelegenheit hier oder im Gärtenerinnenblog darüber berichten.

elf

Die Söhne verabschiedeten sich in ihre Zimmer, wir verzogen uns auf das Sofa. Das Ofenfeuer ließen wir sehr rasch wieder runterbrennen, es ist einfach zu warm dafür. Die aufkommenden Süß-Gelüste stillten wir mit einem schnell gekochten Topf Vanilleflammeri, meine Portion gab es mit Quittengelee, der beste Vater meiner Kinder genoss pur.

Der Tag ist vorbei.

Ich bin sehr glücklich, weil die Tochter mir heute erzählt hat, dass sie einfach nur noch läuft, ohne Schmerzen, ohne Muskelkater, Laufen um des Laufens willen. Ich bin sehr traurig, denn Paul wird fehlen.

Weitere „12 von 12“ gibt es bei Frau Kännchen.