Möglicherweise …

31. Mai 2012

wächst man auch irgendwann aus den Fernsehserien heraus? Es gab Zeiten, da konnte ich den Mittwoch kaum abwarten, Meredith und Cristina schienen mir beinahe nah. (Und McDreamy war für mich eher unattraktiv, aber was soll´s.) Danach die wunderschöne Addison in komischen Verwirrungen.

Grey´s Anatomy läuft halt so. Ich vermisse George. Und Izzy. Wegen mir könnte das auch enden.

Und Private Practice? Völlig abgedreht. Und komisch. Die wunderschöne Addison verschwindet unter ihrer kaschierenden Schminke. Und die knallharte Charlotte ist ein langweiliges Lämmchen. Gähn.

 

Gestern abend aber gab es bei Private Practice ein Szene, die mich auch heute noch nicht losgelassen hat. Ein Junge klaut ein Päckchen Karten. Sein Vater, der bis vor kurzem nicht wusste, dass er der Vater ist und der sich nun mit seinem Kind in der Kennlernphase befindet, beobachtet das und weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Er unterhält sich mit seinem Freund und hat die Idee, dass er der Gute sein kann, der Elternteil, der ihn nicht bestraft. Die Mutter sei von Anfang an für das Strafen zuständig gewesen, aber er könne derjenige sein, zu dem der Junge immer kommen könne, egal welchen Mist er gebaut habe, ganz lässig.

Ich dachte … das wäre eigentlich wirklich hübsch. (das musste ich schnell denken, denn in diesen leichten, seichten Serien sind die Menschen ja immer schrecklich schnell und schlagfertig und furchtbar weise)

Der um Rat gefragte Freund sagt: „Das wäre toll, klar könntest du das. Du könntest aber auch ein Vater sein, ein richtiger Vater. Und Tag ein, Tag aus versuchen, dein Kind zu erziehen. Das ist hart.“

Er erklärt, dass ein echter Vater oft nein sagen muss, sich anhören muss, dass er gehasst wird. Er muss Verbote aussprechen, um Werten Nachdruck zu verleihen, die für wichtig erachtet werden. „Es ist die schwerste Sache der Welt.“

Ich saß vor dem Fernseher und habe genickt. Und habe damit bis heute nicht aufgehört. Es ist die schwerste Sache der Welt und irgendwie habe ich mir darüber niemals Gedanken gemacht, bevor ich schwanger wurde. Ich hatte zwar diese Ausbildung, vollgestopft mit Pädagogik und Psychologie, doch meine ersten Gedanken beim positiven Schwangerschaftstest drehten sich eher um „Junge? Mädchen? Ohgottohgottohgott, wird es niedlich sein, werde ich es lieben, werde ich mir meine Figur ruinieren?“ (Junge, ja, ja sehr, nur ein bißchen) Ich dachte keine Minute an Verantwortung, Regeln und Erziehung. Ich war ganz Bauch und Zuversicht. Der Kopf schaltete sich erst später dazu.

Früher sprachen der beste Vater meiner Kinder und sein holdes Weib oft über Erziehung. Wir waren uns nicht uneinig, aber genauso rasant wie die Kindelein wuchsen und mobiler wurden, genauso rasch mussten wir unsere Regeln anpassen, erweitern oder eben auch verschärfen. Heute … ist der Erziehungszug irgendwie abgefahren. Was wir den Kindelein bis heute an Werten nicht vermittelt haben, das müssen sie sich vielleicht selbst irgendwann aneignen, wir sind fertig und die Kindelein auch beinahe. Die Grenzen sind jetzt weit gesteckt, Eckpfeiler heute sind lediglich: keine Lügen, an Abmachungen halten, den Job (=Schule) ernstnehmen und so gut wie möglich erledigen. Strafen gibt es keine mehr, aber Diskussionen, manche auch lautstark.

Neulich fragten wir unsere Kindelein, ob wir zu streng mit ihnen gewesen seien, denn rückblickend auf unsere Regeln und Grenzen damals … und der beharrlichen Konsequenz, mit der wir die Einhaltung dieser einforderten, habe ich immer ein bißchen nachträglich Mitleid mit ihnen. „Nö!“, antworteten sie einstimmig und kein bißchen eingeschüchtert, sie hätten nichts vermisst oder sich ungerecht behandelt gefühlt. Und dann wollten sie die Geschichten hören, die es wohl in jeder Familie gibt: „Der Tag, an dem das sechsmonatige Baby aus dem Kinderzimmer verschwand“ oder „Als ich meiner Mutter auf den Kopf kackte“ oder „Mein erstes sechssilbiges Wort“.

Ja, diese Erziehungssache ist die schwerste Sache der Welt, aber wenn man sich ein bißchen Mühe gibt (und vor Augen hält, dass das kein lebenslänglicher Job ist, sondern sogar einer, der immer leichter wird), dann kommen diese Momente, in denen man sich wohlig grinsend zurücklehnt und sich selbst ein „gut gemacht“ auf die Schulter klopft.

Möglicherweise ausgelöst durch eine leichte, seichte Fernsehserie, aber das ist dann auch egal.

22 Kommentare zu “Möglicherweise …”

  1. Cati Basmati sagt:

    Ich kann zwar noch nicht nicken, weil die Erziehung ja gerade erst anfängt, aber ich hab bei der gleichen Szene aufgehorcht und ähnliches gedacht wie Sie.
    Drum las ich hier gerade sehr gerne und sage zum Abschluss: Wehe, Sie lügen ;-)

  2. Christina sagt:

    Liebe Frau Mutti,

    meist bin ich ja stille Leserin in ihrem Blog, und letzte Woche war ich auch ein bisschen beunruhigt, das es hier nicht weitergehen könnte, aber umso mehr freue ich mich, das es doch weitergeht.

    Dem heutigen Thema kann ich mich nur anschließen. Wie heißt es so schön „Erziehung kann man sich sparen, die Kinder machen einem ja sowieso alles nach“, als unsere Große im letzten Jahr zur J1 Untersuchung ging, wurde ich hinterher vom Kinderarzt beglückwünscht, was ich doch für ein tolles Kind großgezogen hätte. Da dürfe man sich als Eltern auch ruhig mal was drauf einbilden, weil man seine Sache gut gemacht hat.

    Da wächst man doch ein bisschen in die Höhe, wenn man sowas hört. Obwohl es schon auch sehr vom Kind abhängt muss ich sagen.

    Trotzdem freut man sich wie bolle, wenn man nach langen Jahren feststellt, man hat auf jeden Fall nicht alles falsch gemacht, sondern scheinbar vieles intuitiv richtig.

    Freuen wir uns daran.

    Liebe Grüße aus Nordhessen
    Christina, die froh ist, das sie weiterbloggen :o)

  3. Llewella sagt:

    Ich kenne zwar keine der Serien, die Sie so gerne gucken (ich könnte bestens ohne Fernseher existieren!), aber die Sache mit der Erziehung finde ich hochinteressant. Mal sehen, wie Schnäuzelchen und ich die Sache in, sagen wir, fünfzehn Jahren sehen… Hach, Junior entdeckt gerade das ‚Nein‘ und ist dabei dennoch immer noch so hinreißend pflegeleicht, daß ich ihn am Liebsten nur knuddeln würde (so er mich denn ließe)…

    Und übrigens – ich freu mich auch, dass es weiter geht, auch wenn ich auch zur Sorte stiller Leser gehöre.

  4. moni sagt:

    Liebe Frau Mutti,
    die genannte Serie kenne ich zwar auch nicht, aber dafür halt andere und ich staune nur immer, wie schlagfertig und wohl formuliert die Leute wie aus der Pistole geschossen antworten und natürlich immer (fast immer) milde lächelnd, leicht amüsiert (eine Braue wird hochgezogen) mit samtweicher Stimme, und dann tröste ich mich mit dem Wissen, wenn mir einer immer vorher ein Drehbuch gereicht hätte, wären wohl manche Dinge ungesagt, anders gesagt, „wohlfeil“ (ja, so sagte man früher) geblieben.

    Bis heute rede ich mir immer wieder zu, dass ich damals, in der Situation, mein Bestes gegeben habe, es nicht hätte besser oder anders machen können und mehr war halt nicht drinn, BASTA.

    Aber eines kann ich versichern, dieses Grübeln ob und wie und wann man es hätte viiiiel besser machen können, das hört nie auf, leider. So geht es uns „Kopfmenschen“ eben.

    Möglicherweise habe ich jetzt viel zu viel geschwafelt, dann bitte ich um Nachsicht. Es liegt einfach an Ihren Themen! ♥

    Lieben Gruß
    moni

  5. marius sagt:

    es wird nicht leichter – man wird nur besser ;)

  6. Andrea sagt:

    wie immer triffst du den nagel auf den kopf. wieder einmal hab ich dein post und deine gedanken sehr genossen und nehm wieder einiges mit in meine…
    glg andrea

  7. Kate sagt:

    Zu den Serien:
    Geht mir auch so, „Greys“ ist nicht mehr so wie es war, mir fehlen auch Izzy und George und Dr. Burke. ;)
    Ausserdem ist es mir zu dramatisch, zu „blutig“ geworden.
    Und PP ist mal so, mal so…ich mag Addison noch immer, aber die restlichen Familien- und Beziehungsgeschichten haben sich für mich auch in die falsche Richtung entwickelt.

    Das Erziehungsding kann ich voll unterschreiben, man erzieht halt so wie man denkt und die Kinder erziehen uns ja auch.
    Und wenn dann was Gutes bei rausgekommen ist, darf man ruhig auch ein bißchen stolz sein… ;)

    In diesem Sinne…
    LG
    Kate :)

    Ich freu mich, daß sie weiter schreiben, die Doofen bitte einfach ignorieren!

  8. Christine sagt:

    Dem schließe ich mich an. Wirklich leichter wird’s nicht. Aber auf jeden Fall anders. Und mit den Kindern wurde zumindest auch ich immer erwachsener – und möglicherweise auch besser…

  9. Kirst sagt:

    Hallo Frau Mutti,

    Zitat: “Der Tag, an dem das sechsmonatige Baby aus dem Kinderzimmer verschwand” oder “Als ich meiner Mutter auf den Kopf kackte” oder “Mein erstes sechssilbiges Wort”
    Gabs bei mir nich mit drei Kindern, daher bin ich um so neugieriger auf Ihre Geschichten davon. :)

    Gruß
    Kirstin

  10. Ulla S sagt:

    Ich freue mich für Sie.
    Aber wiegen Sie sich nicht in Sicherheit.
    Kinder bleiben immer die Kinder, egal wie alt sie sind.
    Neue Freunde und Bekannte kommen hinzu.
    Mit dem Älterwerden der Kinder ändern sich auch deren
    Einstellungen und Probleme, die Sie, Frau Mutti, wahrscheinlich nicht übersehen oder überhören können.

    Ich kenne Kinder, das waren die reinsten Musterkinder.
    Nach der Schule kamen sie in andere Kreise und schmissen
    ihre gute Erziehung und Eckpfeiler einfach über Bord.

  11. Frau Mena sagt:

    Das haben Sie schön geschrieben und trifft meine Gedanken auf den Kopf, obwohl ich im Erziehen noch mitten drinstecke. Also liege ich wohl doch nicht so falsch …

    Viele Grüße,
    Frau Mena.

  12. Blogolade sagt:

    Schön Sie zu lesen, liebe Frau…äh…Mutti!

  13. Kirsten sagt:

    Aber krass die Strafe, die sich der Coop dann ausdenken musste: Ins Geschäft gehen, entschuldigen und dann noch eine Woche nach der Schule Hausarrest… Die ersten beiden Punkte kann ich noch nachvollziehen, aber Hausarrest? Das hatten wir noch nie, das wär ja auch eher eine Strafe für mich! Ein körperlich nicht ausgelastetes Kind, das mir dann zur Strafe vermutlich das Zimmer auseinander nimmt, weil es sich nicht draußen austoben darf …

  14. Frau Mutti sagt:

    Die Entschuldigungs-Sache finde ich gut, hätten meine Kinder wohl auch tun müssen. Aber Hausarrest? Never ever! Ich straf mich doch nicht selbst :)
    Und ausserdem: wo wäre der Bezug zur Tat?

  15. Zimtapfel sagt:

    Danke, liebe Frau…äh…Mutti, das sie doch nicht nur noch übers Kochen bloggen!
    Bei den Erziehungssachen kann ich nicht so mitreden, habe nur zwei allerliebste Neffen, bei denen ich versuche, mein bestes zu tun, aber andererseits eben nicht die Mutter, sondern die liebe Tante bin.
    Aber George und Izzy vermisse ich auch. Irgendwie ist es nicht mehr dasselbe… Und ich erinnere mich noch gern ans muntere Livebloggen und -kommentieren, wenn wir virtuell neben ihnen auf dem Sofa Platz nehmen durften. Das war immer sehr unterhaltsam!
    (Allerdings bin ich zu sehr Junkie, um die Serie nicht mehr zu gucken. Nein, das geht einfach nicht.)

  16. Needle little balance sagt:

    Dass Sie gerne schreiben, finde ich sehr fein!
    Über die Erziehungsfragen kann ich aus aktiver Erfahrung nichts beitragen, aber GA ist richtig nervig geworden, spätestens seit dem tote-Verlobten-Gehirntumor-Sex. Dabei mochte ich es früher ganz gerne. Dass George weg ist, finde ich auch schade, Izzy nervte zuletzt nur noch (siehe toter Verlobter) Weshalb ich es mir trotzdem ab und zu ansehe, weiß ich eigentlich auch nicht. Vielleicht etwas in die Richtung aus Gewohnheit und ‚leider geil‘. :-P
    Private practice war dagegen schon immer laaaangweilig, schöne, traurige Menschen. Da lobe ich mir doch die verschrobenen Physiker von Big bang Theory, gerne auf Englisch.

  17. schwarzerose sagt:

    Schön, das sie das Schreiben doch nicht lassen können :-)

    Die von ihnen gesehenen Serien kenne ich nicht (ich gehöre mehr der CSI-Fraktion an), aber die Sache mit der Erziehung dafür umso mehr. Ich habe nur ein Kind, das kommt demnächst in die Schule – und mir ist schon ganz schlecht beim Gedanken daran – einerseits habe ich Angst sie zu verwöhnen (Einzelkind – bin ich selbst auch), andererseits habe ich manchmal das Gefühl ich bin zu streng (Lass sie doch – sagen die Großeltern) … ein echtes Dilemma. Doch wir geben uns Mühe dem Töchterchen die Werte mit auf den Weg zu geben, die wir als Wichtig erachten und hoffen das Beste. Auch wenn ich heute noch gar nicht an die böse Pupertät denken möchte, kommt das Kind halbwegs nach mir (und ich weiß, sie tut es) stehen und harte Zeiten bevor!

  18. Bine sagt:

    ga schau ich noch immer, wohl aus alter gewohnheit und in erinnerung des netten „gemeinsam-auf’m-sofa-sitzens“ und bloggens. pp finde ich doof, das schau ich nicht.

    jaja, die lieben „kleinen“ :-). als ich mit 23 jahren das erste mal schwanger wurde, fühlte ich mich der erziehungsanforderung überhaupt nicht gewachsen. inzwischen sind meine beiden 27 (sohn) und 23 (tochter). sie sind einfach nur prächtig, ich bin so stolz auf die beiden und die art und weise, wie sie ihren eigenen weg gefunden haben. am allerschönsten ist das feedback der beiden, alles (die schwierigste zeit allein, also ohne vater) richtig gemacht zu haben.
    aber bitte nicht meinen, es sei jetzt vorbei. mama bleibt man immer, wird bei problemen zu rate gezogen und darf sich als oma noch erzieherisch austoben.
    und alles ist gut so :-))).

    liebe grüsse aus bielefeld
    Bine
    – die leider alles klein schreiben muss wg einer hand-op vor 2 tagen

  19. Deborah sagt:

    Liebe Frau…äh…Mutti, danke fürs Mutmachen. Aber sogar mit einer (fast) Fünfjährigen und einem anderthalbjährigen Brausefrosch merkt man, daß es hier und dort schon etwas einfacher wird.
    Ich freue mich jeden Tag auf Ihren Blog, der mir die kostbaren „Mama-Minuten“ versüßt. Und damit will ich gar keinen Honig um jedwede Bärte schmieren (was für´ne Sauerei…), sondern einfach nur mal sagen, daß die Trolle sich doch bitte trollen sollen, damit wir anderen auch weiterhin begeistert nicken und „Ja,ja, kenn ich auch“ sagen können und ein bißchen über unseren Alltag lachen können. DANKE!
    Herzliche Grüße
    Ihre Deborah

  20. Kerstin sagt:

    Danke.Schön haben sie das geschrieben.
    Ja, ich hatte diese Gedanken am Mittwoch Abend auch.
    Ich wünsche mir, das wir in 6,8,10 Jahren auch genau dieses Gespräch mit unseren Kindern führen können und auch wir dann alle zufrieden sind. Im Augenblick ist hier noch viel Erziehung ( Jungs : 8 und 2 Jahre), und auch hin und wieder eine Strafe… manchmal im Affekt zu schnell ausgesprochen. Aber auch dafür sind auch wir Eltern nur Menschen.
    Beim Großen wir schon viel diskutiert, werden Kompromisse gefunden.

    Schön zu hören, das es auch mit Zweifeln, die immer mal wieder auftauchen, gut wird ;o)

    Viele Grüße,
    Kerstin

  21. Stjama sagt:

    Ein sehr schöner, optimistischer, respektvoller, friedlicher Artikel übers Elternsein, der ganz ohne „so macht man es“ auskommt. Respekt! Und vielen Dank :)

    Liebe Grüße,
    Stjama

  22. Nadin sagt:

    Wie ist denn das 6monatige Baby aus dem Kinderzimmer verschwunden?
    Und…es ist immer so erfrischend Sie zu lesen! Wir fangen zwar erst an mit Erziehung – ein grosses Abenteuer bei dem man erst hinterher schlauer ist. Liebe Grüsse; Nadin