Natur und so

28. August 2012

Mal eben die Birke umhauen möchte ich eher nicht.
Fragen sie mich in sechsachtzehn Wochen mal, wenn die Terrasse unter gelben Blättern begraben ist. Nein, nicht was Sie denken: dann kommt kein Jammern und Klagen. Ganz im Gegenteil. Diese leuchtendgelben Herbstbirkenblätter leuchten noch vor dem allertrübsten Himmel und sind absolutenStimmungsheber. Und sie geben mir den nötigen Tritt, meinen Hintern nach draußen zu bewegen und zu kehren. Im Sommer bin ich gerne draußen, da brauche ich weder Druck- noch Lockmittel. Im Herbst allerdings schlägt das Igel-Gen zu: fettfressen und unter warmen Schichten zusammenrollen.

Die Birke bleibt. Spätestens Ende Februar, wenn die Spitzen an den dünnen Ästchen ganz zart grün schimmern, habe ich sie wieder lieb.
Ausserdem … würde ich heute die Birke fällen, müsste ich konsequenterweise morgen den verwilderten, riesigen Kirschbaum folgen lassen. Der blüht zwar wundervoll und üppig, doch im Sommer produziert er Millionen von Kirschen. Oder etwas, von dem er denkt, es seien Kirschen. Es sind nämlich Kerne mit roter Haut drüber, nicht mal Maden haben da Platz zum Wohnen. Und weil niemand diese Kirschen möchte, ausser ein paar Amseln, die dann rote Flecken auf die Terrasse und die darauf trocknende Wäsche kacken, fallen sie eben runter. Und plötzlich interessieren sich eine Menge Viecher für die gärenden, faulenden Dinger auf dem Boden. Schmeißfliegen zum Beispiel. Und Wespen. Ich, als alte Barfußläuferin, umlaufe den Baum großräumig oder trage Flipflops. Zusammenrechen geht nicht, einzeln aufsammeln ist mühselig und eklig. Liegenlassen und zwei Wochen Geruch und Gesumm ertragen führt zu einer Kirschbaumexplosion im folgenden Frühling, mindestens zwei Drittel der verschmähten Kirschen treibt aus. Rasant, zäh.
Äste schmeisst der Kirschbaum auch ab, deutlich größere und knorrigere als die niedlichen Birkenreisige. Dafür sorgt er aber dafür, dass wir auch im Hochsommer draußen sitzen können.

Rausschmeissen müsste ich übrigens auch die großen Holunderbüsche. Jaja, ich weiß, alle Welt kann nicht mehr ohne Hugo leben. (Hugo hieß früher einfach Sekt mit Holunderblütensirup, ein bißchen Eis und Wasser und Minze, wer mag). Wohl sei also dem, der im Frühling Holunderblütensirup ansetzt, damit er im Sommer kühle Erfrischung genießen kann. Leider sitzt oft Laus an Laus im Frühling im Holunder, so dass ich keine Dolden schneiden und ansetzen mag. Nennen Sie mich gerne pinzig ;)
Übrigens riecht es im Garten zur Zeit des blühenden Holunders so, als haben sich alle Katzen der Nachbarschaft zum Wettpinkeln getroffen. Wenn es dann endlich kräftig regnet, ist der Geruch weg. Die Läuse auch und aus den hübschen Sternchenblüten sind kleine, grüne Beeren geworden. Zu spät.
Aus den kleinen, grünen Beeren werden dicke, lila, sehr saftige Beeren, die niemand in der Familie mag. Die Vögel mögen sie gerne, immerhin. Ein Großteil der Beeren landet also auf dem Boden und … im Frühling gibt’s eine Holunderexplosion.
Aber in den Holunderbüschen nisten eine Menge Vögel, unsere Hängematten passen dazwischen und Holunder schickt die allerersten Frühlingsboten: schon Ende Januar zeigen sich kleine Blättchen.

Ich möchte manchmal den Garten „anhalten“. Im Frühling zum Beispiel, wenn ich im allerersten Arbeitseifer alles gerodet habe und das Farbfeuerwerk aus Akeleien, Tränendem Herz und verschiedensten Tulpen leuchtet. Oder wenn die Obstbäume blühen. Selbst wenn nur der so-tun-als-ob-Rasen gemäht ist ;)
Ich liebe Gartenbücher, lese wahnsinnig gerne Blogs von Menschen, die tolle Sachen in und mit ihren Gärten machen, kaufe ständig Saatgut, Knollen, Zwiebeln und mehrjährige Stauden (und werfe das Zeug den Schnecken zum Fraß vor). Ich weiß genau, wie mein Garten aussehen soll. Aber mein Enthusiasmus und Arbeitseifer reicht nicht für den Traumgarten. So kommt es, dass ich zum Beispiel über Birken schimpfe. Weil die eben Arbeit machen, nie endende Arbeit. Wie dieser ganze verwilderte, blöde, verwucherte, tolle, geliebte Garten.

9 Kommentare zu “Natur und so”

  1. Schwiegermutter inklusive sagt:

    Gärende Kirschen und Hugo – in den Garten geht es ganz schön hochprozentig zu. Nicht schlecht, da ist die kleine Birke ja richtig harmlos….;-)

  2. Elena sagt:

    Ach, liebe Frau…äh…Mutti, ganz Ihrer Meinung …
    *schmunzel*

    GLG E.

  3. Barbara sagt:

    Meine Birke ist ein riesengroßer Walnussbaum, der eigentlich das ganze Jahr irgendetwas „abwirft“ und wirklich viel Arbeit macht, aber mir würde das Herz bluten, wenn er weg müsste.
    Ich nehme mir auch immer großartige Gartenprojekte vor und dann…
    Sie sprechen mir aus der Seele
    LG

  4. Daniela sagt:

    Ich komme das nächste Mal, wenn der Holunder reif ist und bringe den Entsafter mit. Ich mag den Geschmack nach Keller sehr gerne.

  5. Uschi sagt:

    Irgendwie beruhigt mich das jetzt ungemein.

    Ich hätte übrigens noch eine wunderschöne Esskastanie…also falls Sie Früchte benötigen, richtig DICKE Früchte, die können Sie dann gerne anfordern, allerdings inklusive Pickelschale und der gefühlten 50 Müllsäcke voller Blätter, die zwar deutlich größer als Birkenblätter sind und somit deutlich einfacher zusammenzukehren, aber eben auch deutlich voluminöser sind und uns damit im Herbst vor ein arges „wohin mit den Blättern Problem“ stellen;-)

    Aber auch ich mag unsere Kastanie, das erste frische grün was sie austreibt, den schönen kühlenden Schatten, die sie uns im Hochsommer bieten und die gerösteten Kastanien im Herbst und überhaupt mag ich ihre Geschichte, weil sie ist ein Keimling aus einer Kastanie, die ich mit unserem Sohn zusammen sammelte, als er gerade mal ein halbes Jahr alt war, im Kinderwagensitzend und „dadada“ rufend. Seufz…12 Jahre nun her…Kastanien wachsen übrigens schnell, genauso wie Kinder!

    LG Uschi

  6. Ruthy sagt:

    Warum färben Sie denn nicht Nessel- oder Baumwollstoff mit den hübschen lila Holunderbeerchen? Ich werd das jedenfalls demnächst mal mit Sockenwolle versuchen.

    Liebe Grüße, Ruthy

  7. Wortschätzchen sagt:

    Mein ganz persönlicher Albtraum.

  8. Klaudia sagt:

    noch ein Wörtchen zum Thema Birke – eine uns nahe stehende Birke wird jedes Jahr im Herbst auf ein Minimum reduziert, d.h. zusammengeschnitten bis zum geht nicht mehr – und im Frühling geschieht jedes Mal ein Wunder – sie treibt wieder vollständig aus. Es hat den Vorteil, dass der Bio Fallout der Birke sich in Grenzen hält und der Baum nicht ganz weg muss.

    Demnächst gibt es beim Diskonter wieder einen Blattsauger…. (hier beim Hofer Österreich = Aldi in Deutschland)

    Liebe Grüße Klaudia

  9. Frau Spätlese sagt:

    Das ist eine schöne und vor allem wirklich authentische Liebeserklärung an den Garten.
    So isses nämlich wirklich.
    Ich wünsche weiterhin viel Kampfgeist!

    frdl. Grüße
    Frau Spätlese