dann kann er was erzählen.

Ich bin gereist. Von Nierstein nach Berlin, von dort nach Jever und dann wieder zurück. Mitgebracht habe ich einen vollen Kopf, einen Koffer voller Stoffe und eine Menge Schnupfenviren, die mich erstmal zwei Tage ins Bett schmissen. Und obendrein neue Erlebnisse mit verschiedenen Bahnen.

Auf der Hinfahrt nach Berlin lief alles glatt Ich stieg in Frankfurt aus der S-Bahn, erstand einen Pappbecher Kaffee zum Mitnehmen und merkte lässige zehn Minuten vor der Abfahrt, dass ich am falschen Gleis stand. Der ICE fuhr ohne Verspätung oder Ausfälle ein paar Stunden später im Berliner Hauptbahnhof ein, in dem ich mich dann auch prompt verirrte. Ein halbe Stunde irrte ich Rolltreppen hoch und runter, bis ich dann endlich die S-Bahnen ganz oben entdeckte. Solch einen schlecht ausgeschilderten, verwirrenden Bahnhof habe ich bisher noch nie gesehen.

Während meines Aufenthaltes in Berlin traf ich einige skurile Gestalten in S- und U-Bahnen. Da war zum Beispiel die Frau, die eine Art Schaffell auf dem Kopf trug: eine etwa hüftlange, wasserstoffblonde, zu dreadlocks verfilzte Matte, aus deren Ende sie gewissenhaft Dinge zupfte. Dazu trug sie viel Pink und etwas Hello Kitty.
Am Bahnsteig war es ein gruseliger Typ, der Frau Brüllen und mich immer enger umkreiste und uns diverse Fetische andichtete.
Ebenfalls am Bahnsteig ein Horde jugendlicher bis mittelalter Fußballfans, die uns erst dann unheimlich wurden, als sie begannen, Böller zu zünden. Meine Ohren fiepen, wenn ich daran denke.

Auf meiner Fahrt von Berlin nach Jever wurde es dann richtig spannend. In Hannover musste die Lok ausgetauscht werden, weswegen der IC eine Stunde im Bahnhof stand. Langsam machte sich bei den Mitreisenden eine leichte Panik breit, denn viele wollen in Oldenburg Fähren auf die Inseln erreichen. Die Durchsage „Fahrgäste, die das Fährschiff erreichen wollen, melden sich bitte beim nächsten sehenden Zugbegleiter!“ trug nicht zur Beruhigung, aber immer zur Erheiterung bei.
Die Verspätung führte dazu, dass ich in Oldenburg knapp eine Stunde auf meine Regionalbahn warten musste. Zusammen mit einem Trupp sehr alkoholisierter Männer auf Männertag-Tour, die mir gerne mitteilten, was Rothaarige besonders gut können. Ich wiederhole dies hier nicht.
In Sande stieg ich in die nächste Regionalbahn nach Jever. Leider sollte diese Bahn wegen eines Gleisschadens nicht in Jever ankommen, eine Station vorher mussten alle aussteigen und auf dem Bahnhofsvorplatz in den Schienenersatzverkehr einsteigen. Dieser entpuppte sich als Transporter, der knapp fünfzehn Menschen einlud und verschwand. Ungefähr vierzig blieben zurück und warteten.
Kurze Abwechslung bot der herbeigerufene Krankenwagen, der einen stark betrunkenen Mann einsammelte. Und der Punk, der deftig und saftig die Bahn, das Land, das Wetter und „all den Schiet hier“ verfluchte, er wäre lieber auf´s Hamburger Hafenfest gegangen, statt Mama und Papa zu besuchen, teilte er lautstark mit.
Gerade als ich ein bißchen verzweifeln wollte, fuhr ein Taxi vor. „Wer will nach Jever?“, fragte der Taxifahrer und außer mir meldeten sich nur noch drei weitere Mitreisende. Wir nahmen im Taxi Platz und nach Rücksprache mit der Zentrale wusste der ahrer dann auch, wo das Ferienhaus Hannelore zu finden sei und ich wurde direkt vor der Haustür abgesetzt. Ein wenig erschöpft.

Auf dem Heimweg stieg ich erst in Ürdingen wieder in den Zug Richtung Duisburg. Eine sehr volle Regionalbahn, ich stand direkt an der Tür. Eine Frau schmiegte sich an mich und flüsterte mir „Entschuldigung, dass ich nicht angerufen habe.“ ins Ohr. „ist ok“, sagte ich und sie zog beruhigt weiter zum nächsten.
In Duisburg wartete ich auf meinen IC Richtung Mainz. Eine Durchsage informierte, dass der Zug sehr überfüllt sei, man möge sich bitte alternative Züge suchen. Das wollte ich nicht und deshalb stand ich bis Bonn, ab dort hatte ich einen Sitzplatz. Einen mit direkten Blick auf den Mann, der sich plötzlich den Gürtel aufschnallte, um sich besser am Hintern kratzen zu können. Aber sonst passierte nix. Wir kamen an, ich stieg aus, begrüßte den besten Vater meiner Kinder, ließ mich heimfahren, duschte, aß und schlief die oben erwähnten zwei Tage lang.

Was ich zwischen den ganzen Fahrten tat berichte ich dann morgen.

 

18 Kommentare zu “Wenn einer eine Reise tut …”

  1. Maufeline sagt:

    Oh, achja, jetzt weiß ich wieder was ich NICHT vermisse, seitdem ich nur noch selten mit der Bahn fahre…

    Das letzte Erlebnis waren zwei gruselig aussehende Typen -Bomberjacke und Springerstiefel und ziemlich kurzes Haar- die mich stark akloholisiert auf meine Kinder ansprachen. Also, der eine sprach mich an, der andere versuchte den ersten davon abzuhalten. Stellte sich heraus, dass der eine sich nur freute dass ich auch drei Kinder habe- wie er selber- und der andere wollte den ersten davon abhalten, um mir keinen Schrecken einzujagen, weil ihm wohl bewußt war WIE gruselig die Situation für mich wohl sein musste… Dann sind die beiden weggegangen und ich in die Bahn eingestiegen…

    Tja. Heisst halt auch so, ne? Wer eine Reise tut, der kann ertwas erzählen…
    Danke für den Reiseteil des Reiseberichts schon mal :-) Auch wenn es sich anstrengend anhört, so war es doch lustig zu lesen ;-)

    Grüßlis
    Katha

  2. EvilEnte sagt:

    Bitte Bitte liebe Frau Mutti keinen schlechten Eindruck von Oldenburg bzw. Oldenburgern bekommen, wir sind echt lieb! Wirklich und ungelogen :D
    Aber Bahnfahrten am Vatertag sind allgemein für den Eimer, da gebe ich ihnen absolut Recht.
    Hoffentlich war es in Jever noch schön und nicht ganz so stressig

    Liebe (nüchterne) Grüße aus
    Oldenburg von der Ente :)

  3. das Nordlicht sagt:

    Das war ja schon mal aufregend, was Sie da so erlebt haben – und ganz ehrlich: tauschen möchte ich aber nicht. Zumindest nicht mit diesem Teil der Reise, vielleicht ja mit dem Teil, den Sie morgen erzählen. Ich freu mich schon drauf!

    PS: Das Kleinformat war/ist SUPER !!

  4. Dagmar sagt:

    Frau Mutti, ich glaube ihnen kein Wort, bis Sie über die „positive“ Seite Ihrer Reise berichtet haben.

  5. Seifenfrau sagt:

    Allmächd!

  6. Uschi sagt:

    Da fehlt ein Absatz in Ihrer Geschichte:

    Auf dem Rückweg stieg ich in ein völlig überfülltes Auto (das Gepäck quasi im Nacken hängend!), wurde genötig auf der Rückbank mit zwei weiteren Reisenden Platz zu nehmen, ausgerechnet auch noch hinter der Fahrerin, die die längsten Beine hatte.
    Das Auto „kroch“ stundenlang, mit vielen anderen dahinkriechenden Autos, aus unerfindlichen Gründen, bis kurz hinter Osnabrück auf der Autobahn dahin. Auch ein Ausblick aus dem Fenster blieb mir verwährt, denn es regnete in Strömen und von vorne hörte man nur das ständige schwuppschwupp der schnell wischenden Scheibenwischer.

    Fazit: Autofahren ist auch nicht immer toll;-)

    Gruß Uschi

  7. dierotefee sagt:

    Lauter Gründe, warum ich Bahn- und Bus meide…ich hätte einen Herzinfarkt nach dem anderen….

  8. elbequeen sagt:

    Liebe Frau Mutti, hören Sie sich doch das hier mal an, das trifft Ihre Reiseerlebnisse ganz gut: http://www.youtube.com/watch?v=l4X_JsEwjHA

    Viel Spaß!
    Regina

  9. elbequeen sagt:

    Und das hier ist auch ganz wunderbar: http://www.youtube.com/watch?v=wXjhszy2f9w :-D

  10. Ines sagt:

    Hach, egal- das ZWISCHEN den ganzen Fahrten war doch dafür umso toller, oder?

    LG, IneS.

  11. kathrin sagt:

    Ach mensch Frau äh Mutti,

    auch von mir ein Gruß aus Oldenburg an Sie!
    Hätten Sie bescheid gegeben, hätten wir gemeinsam einen Kaffee trinken können!

    LG
    kathrin

  12. kuestensocke sagt:

    Na da wurde Ihnen allerhand geboten. Reisen an einem „promintenten“ langen Wochenende sind nicht nur mit der Bahn eine anstrengende Angelegenheit, auch mit jedem anderen Verkehrsmitel. Statt Lok- und Gleisschaden, gibt es dann Unfälle und Straßensprerrungen oder streikendes Flughafenpersonal … Letzlich geht der Reisestress und die Reiseanstrengung immer los, sobald man die eigenen 4 Wände und die Parzelle verlässt ;-)
    Ich bin power-user bei der Bahn und sehr dankbar, das überwiegend alles klappt.
    Ich hoffe, Sie konnten den schönen Bahnhof in Oldenburg etwas näher betrachten und wohlwollende Blicke schweifen lassen – er ist wirklich eine kleine Perle.
    LG Kuestensocke

  13. Sabine sagt:

    Ich fühle mich an (zum Glück lang vergangene) Pendlerzeiten erinnert, eine echte Qual war das. Ich vermeide die Bahn wo es nur geht obwohl ich die Idee an sich sinnvoll finde, aber: vieles klappt einfach nicht (seitens der Bahn) und die meisten anderen Reisenden sind oft sehr, sehr, befremdlich. Ich frage mich dann immer, wo die netten, harmlosen, ihre Umwelt nicht nervenden „ich will nur von A nach B kommen“ Menschen sind (im Auto vermutlich, so wie ich;-)

  14. Sabine sagt:

    bei Frau Nessy gibt’s übrigens die Tipps für Laienbahnfahrer:-)) http://dieliebenessy.wordpress.com/2013/05/13/zehn-tolle-tipps-fur-laienbahnfahrer/#comment-19924

  15. Symphonee sagt:

    Das klingt gleichmaßen beängstigend und witzig. Verrückt vor allem, weil ich ein Jahr lang regelmäßig Zugfahren musste und so viele „kreative Wesen“ mir noch nicht einmal ansatzweise begegnet sind :D

  16. Birgit B. sagt:

    Jesses, ich wäre durchgedreht.
    Bemitleidende Grüße
    Birgit

  17. aprikaner sagt:

    *gg* mein vollstes Mitleid…. ich bin schon lange nicht mehr Langstrecke mit der Bahn gefahren… besser ist das wohl…

    Liebe Grüße
    anja

  18. kiki sagt:

    hui! – das reicht ja fast für eine ganze bahnfahrerkarriere.
    SOWIE
    das mit dem berliner hauptbahnhof unterschreibe ich voll und ganz – sehr kurios inkl. der zu beiden seiten abschüssigen bahnsteige.