Wandern? Wandern!

3. Juni 2013

Der Sommerurlaub steht vor der Tür. Wir wollen alpines Gelände erklimmen und sind außer Übung. Außerdem hatte ich im Outdoorladen zu einem echten Schnäppchenpreis ein Paar bergfeste Wanderschuhe gefangen, die es einzulaufen galt. Und nach ca. viermonatigem Dauerregen leuchtete das helle Ding am Himmel. Es zog uns in den Wald.

Rund um Nierstein ist der Wald eher spärlich. In Oppenheim gibt es das „Wäldchen“, das nicht umsonst so heißt. In einer knappen Stunde hat man es umrundet. Derzeit kann man es übrigens durchschwimmen, das Hochwasser schwappt auch hier.

Aber nur etwas über eine Stunde Autofahrt entfernt lockt der Hunsrück. Am Donnerstag wanderten der beste Vater meiner Kinder und sein holdes Weib zur Burg Rheinstein und durch die Steckeschläferklamm (darüber berichte ich demnächst!), gestern zog es uns bis kurz vor´s Moseltal auf den Wanderrundweg „Layensteig Strimmiger Berg“. Strimmig kommt aus dem keltischen und bedeutet „abfallendes Gelände“. Und „Steig“ bedeutet: trittfestes Schuhwerk!

Wir parkten an der Pulgersmühle und marschierten von dort aus ein paar Schritte an der Straße entlang, bis es auf einen schmalen Weg in den Wald ging. Direkt bergauf, damit wir direkt wussten, was uns erwartet. Nach etwa zwanzig Schritten war mir dann klar, dass die neuen bergfesten Wanderschuhe etwa zwanzig Kilo wiegen und aus grazilen, leichtfüßigen Schritten ein eher behäbiges Stapfen machen. Nach kurzem Anstieg sah es dann so aus:

Ein gemütlicher Feldweg auf den Hügel, den es zu erklimmen galt, zu. Etwas über 300 Höhenmeter.

Weiterlesen und -schauen nach dem click!

Zuerst führte der Weg zurück in den Wald. Das Hochwasser ist auch dort angekommen. Der Weg, der normalerweise wahrscheinlich an einem beschaulich plätschernden Bächlein entlang führt, wird nun stellenweise überspült. Das ist recht abenteuerlich und ich umklammerte eher hysterisch sowohl die große Kamera als auch das Schnellschußphone. (und sah mich dauernd abrutschen und undamenhaft quiekend in der kalten Brühe sitzen)

Der Bach musste überquert werden. Entweder auf überspülten Trittsteinen oder komfortabel ein Stück weiter auf einer kleinen Brücke. Da wir abenteuerlustig sind (und die Brücke erst später entdeckten), wateten wir durch den Bach.

Bis wir dieses Schild erreichten, waren unsere Schuhe wieder getrocknet.

Und das war auch gut, denn es galt in den Fels gehauene Eisenkrampen zu erklimmen. In leichten Schuhen kein Problem, doch mit den Wanderkloben an den Füßen und einem Rucksack auf dem Rücken war das, zumindest für mich, kein reines Vergnügen.

Die hinreissenden Bestien hüpften wie junge Bergziegen nach oben,

ich hingegen zog mich Krampe für Krampe hoch und veratmete zwischendurch die Bilder von den weinenden Halbwaisen am Grab der Mutter. Der beste Vater meiner Kinder kraxelte hinter mir und lobte mich nach oben. Außerdem versicherte er mir, dass er mich bestimmt aufgefangen hätte, im Falle eines Falls.
Das Geklettere kann man sich übrigens sparen, denn es führt ein gemütlicher Weg um die Felsspitze, den „Burgberg“. Wenn man sich allerdings hochtraut, wird man mit einer großartigen Aussicht belohnt und kann eines dieser Familienbilder machen.

Außerdem liegt da oben auch ein Cache.

Das Runterklettern vom Burgberg ist ein weiteres Abenteuer. Man balanciert auf dem Grat bis zu einer Leiter.

Der Abstieg sieht viel schwieriger aus, als er es letztendlich ist, ich ziehe eine Leiter komischen in den Fels gehauenen Krampen ganz deutlich vor.

Es geht ein weiteres Stück auf hübschem Waldweg bergan bis zur großen Kanzel. Dort gibt es eine kleine Hütte und Bänke zum Ausruhen. Und einen tollen Blick über das Tal. (und einen Cache!)
Wir rasteten und verspeisten einen Teil des Wanderproviants. Jeder trägt in einem Rucksack eine Siggflasche Wasser, Äpfel, gekochte Eier, Käse, Brötchen, Kaffee, Süßgepäck und eine Zusatzflasche Wasser sind gerecht auf alle verteilt.
Der Abstieg ins Tal führte an etlichen Schieferstollen vorbei.

Die meisten sind verschlossen. Nicht nur, weil sie sehr tief in den Berg reichen, sondern auch weil Fledermäuse darin leben. Ein paar Stollen sind begehbar und deshalb ist es sinnvoll, immer eine Taschenlampe (oder eine Stirnlampe) dabei zu haben. Es ist ein bißchen gruselig, durch einen dunklen, nasskalten Stollen zu gehen. Das Kopfkino gaukelt einem nämlich wirklich schlimme Dinge wie Löcher im Boden, faustgroße Spinnen an der Decke oder banale Einstürze des Einganges vor. Trotzdem. Wir müssen immer wieder in diese Löcher hineinkriechen.
Wirklich schön finde ich, dass oft am Wegesrand Erklärungsschilder stehen. So erfuhren wir, wie Schiefer abgebaut wird und dass ca. 80% des abgebauten Schiefers „taub“ ist, also nicht nutzbar. Aus diesen tauben Platten haben die Arbeiter Hütten errichtet, deren Überreste noch zu erkennen waren, wenn man wusste, wonach man schauen muss.

Wir lernten, dass es auch in dieser Gegend – wie in so vielen anderen auch – einen Räuberhauptmann namens Schinderhannes gab. Neu für mich aber war die Erklärung des „Schinder“. Verstorbene Haustiere durften nämlich nicht verspeist werden, sondern mussten auf den sogenannten „Schindäckern“ vergraben werden. Die Schinder und ihre Familien waren nicht sonderlich angesehen.

Wir blieben ein bißchen im Tal und entdeckten verwunschene Pfade.

Viele Bäume lagen quer über dem Weg, ganz frisch noch. Wahrscheinlich hat der viele Regen Schuld daran.

Einmal muss eine Straße gequert werden, danach folgt der Anstieg zum nächsten „Gipfel“. An einem kleinen Tümpel machten wir erneut Rast, Zeit für Kaffee und Kuchen! Der beste Vater meiner Kinder hatte einen Plätzchenkuchen (Mürbeteig mit Nussfüllung) gebacken, ideal für Wanderungen, da nicht zu süß und gut sättigend.
Der Wanderrundweg ist neuangelegt und irgendjemand hat da ein paar wirklich gute Ideen gehabt, die liebevoll umgesetzt wurden. An jeder Rastbank sind in die Rückenlehne außen Haken gedreht, so dass man seinen Rucksack oder seine Jacke daran aufhängen kann. An den Rastplätzen mit Tisch hängt ein mit Dach geschützter Handfeger mit dem Hinweisschild „zom offputze“ an einem benachbarten Baum. Ich freue mich wirklich über solche Kleinigkeiten, weil sie mir zeigen, dass jemand Spaß daran hat, anderen diesen tollen Weg zu erleichtern.

Nach einem weiteren Stück bergauf verließen wir den Wald

und liefen eine zeitlang an Rapsfeldern vorbei.

Ich bin immer sehr entzückt, wenn ich die gelb leuchtenden Felder sehe, aber mein Entzücken hält sich in Grenzen, wenn ich längere Zeit Raps riechen muss.
Egal. Der Wind pustete kräftig und die Geruchsbelästigung hielt sich in Grenzen. Der Raps blüht maximal noch zwei Wochen, ich weiß nicht, wie die Felder danach aussehen werden. Sollten Sie den Weg dann irgendwann gehen, verraten Sie es mir bitte!

Es ging an drei kleinen Ortschaften vorbei, ein bißchen zog sich der Weg. Doch immer, wenn ich dachte: „jetzt wird es langweilig“, wandelte sich der öde Weg in einen Lehrpfad mit Namensschildern an den Bäumen oder Erklärungen zu Hornissen und Bienen.
An der Schockkapelle fanden wir einen weiteren Cache. Der Wald an der Kapelle wird Galgenflur genannt, dort war einst eine Richtstätte. Die Verurteilten durften vor ihrem Tode in der Kapelle ein letztes Gebet verrichten.

Unser letztes Wegstück führte stetig bergab. Immer entlang eines Baches, der gespeist von vielen kleinen Wasserfällen und Rinnsalen mächtig angeschwollen war. Der viele, viele Regen hat den Wald nicht nur satt grün gefärbt, sondern auch eine Menge weggespült. Der Wanderweg war über lange Strecken hinweg ein einzige Matschsuhle oder komplett überspült, streckenweise patschten wir durch´s Wasser.

Die Wanderschuhe waren übrigens dicht und es macht sehr viel Spaß  im Wasser zu laufen! Allerdings denke ich, dass der Weg in spätestens drei Wochen kein Wasserspielplatz mehr sein wird. Dadurch aber nicht minder reizvoll!

Ein letzter Cache wurde gehoben.

Dieser bereitet uns viel Spaß! Es handelte sich um einen Multicache, d.h. die erste Station führte uns zu weiteren Punkten, an denen wir Koordinaten für die finale Station fanden. Und wieder hat es sich bestätigt: Geocaching führt an Plätze, die man nicht sehen würde, wanderte man einfach so. Es zwingt zum genauen Hinsehen und meistens lernt man noch ein bißchen was über die Gegend.

Nach dem Cache marschierten wir im Sturmschritt die letzten fünf Kilometer, die ohne Steigung hoch oder runter schnurstracks zurück zur Pulgermühle führten.

Ein letzter Kaffee und ein Abschlußstückchen Kuchen am Auto, die heißen Füße abkühlen lassen und spüren, dass sich eine gewisse Erschöpfung breitmacht.

Knapp 16 Kilometer mit etwas über 300 Höhenmetern, die gut zu bewältigen sind. Mal schauen, wie uns die anderen Traumschleifen gefallen!

(Frau Knie ist übrigens anstandslos geklettert, hochgestiegen, im Matsch weggerutscht, bergab gerannt, von Steinen gehüpft und hat klaglos die schweren Wanderschuhe gehoben. Unglücklicherweise scheint sich die linke Hüfte zum neuen Problemgelenk zu entwickeln und somit ist es offiziell: ich bin alt, ich hab´s an der Hüfte.)

16 Kommentare zu “Wandern? Wandern!”

  1. Daniela sagt:

    Das sieht toll aus, sagt Frau Bewegungsmuffel. Mein Knie muckt fast nicht mehr, dafür hab ich jetzt Schulter.

  2. Anna sagt:

    Tolle Wanderung, da freue ich mich schon auf den Bericht über die Siebenschläferkluft oder wie die hiess. Ich warte noch sehnsüchtig darauf, dass das kleinste Küken ein bisschen älter wird und selber wandert, noch sind wir bei „Ich kann nicht mehr“ nach ungefähr fünfhundert Metern und 20 kg sind dann doch ein bisschen schwer zu schleppen. ;-)

  3. Tanja sagt:

    Ja, Geocaching führt einen an Plätze, an die man sonst nicht hinkäme – es ist einfach ein klasse Hobby. Wir haben es auch für uns entdeckt und erkunden Stück für Stück die Umgebung. :-)

  4. nordlicht sagt:

    … und das ist dann wieder so einer der Momente, in denen ich unsere platte norddeutsche Landschaft nicht mehr mag … ich will auch mal so vor der Haustür kraxeln können! Ein sehr schöner Wanderbericht, vielen Dank fürs Mitnehmen sozusagen!

  5. die allerbeste Freundin sagt:

    Fein, hat es euch auch wieder erwischt. Empfehlen kann ich den Keltenwall bei Otzenhausen am Saar-Hunsrück-Steig, sehr beeindruckend. Ist halt hinter Idar-Oberstein, also ein bisschen zu fahren. Eine ZweiTagesTour wäre sinnvoll, ich wär ja dabei „lol“.

  6. Doro sagt:

    Vielen Dank für den tollen Bericht- fast als wär man dabei gewesen :-) (Puh- 16 Kilometer??)

  7. chatts sagt:

    Was für eine schöne Wanderung!
    Hier im Norden sind die Rapsfelder schon abgeblüht.
    Das sieht grün und auch besonders aus,
    riecht aber noch unangenehmer.

  8. Ruth sagt:

    Wunderschoen, und aus der Heimat. Der Schinderhannes ist ein alter Bekannter, und was ’schinden‘ ist, wusste ich (bin halt alt). Diese Wanderung kenne ich nicht, werde sie aber an mein Bruederlein weiterleiten, der sie sich mal erwandern kann, damit er sie uns bei unserem naechsten Besuch mal zeigen kann. Und der Hunsrueck ist wirklich wunderschoen! Vielen Dank!

  9. claudia sagt:

    Und alles ohne Gemaule der hinreissenden Bestien ?
    Toll!!!!
    Hier schweigt das Knie ebenfalls und die rechte Hüfte muckt.
    Der Orthopäde murmelte was von Verschleiss !!!!
    Auch ich bin alt………

  10. Uschi sagt:

    Ich danke für die Kilometerangabe ;-) (abgesehen von den Steigungen, die wir ja leider nicht trainieren können, liegt das entfernungsmäßig nun im Bereich des machbaren – yeah!!! Und übt einen gewissen Reiz auf mich aus).

    Raps wird übrigens, wenn er verblüht ist, eher so graugrün unscheinbar, also nicht mehr so auffallend. Wenn ich dran denke mache ich mal ein Bild, denn gleich hier um die Ecke ist ein Feld.

    LG Uschi

  11. kaltmamsell sagt:

    So von Hüfte zu Hüfte: am wahrscheinlichsten eine muskuläre Überanstrengung.

  12. Birgit B. sagt:

    Eine tolle Wanderung, die zum nachwandern einläd.
    Wir hatten Anfang Mai unser Bullytreffen im Hunsrück und sind die Traumschleife Klingelfloß gelaufen, aus Rücksicht auf die Nichtwanderer und alten Hunde.
    War sehr schön landschaftlich, aber ohne nennenswwerte Steigungen und recht kurz mit 8 km.
    Werde auf jeden Fall nochmal darunter fahren und die eine oder andere Traumschleife erwandern.
    LG Birgit

  13. Marie-Luise sagt:

    Oh ja, danke für die tollen Eindrücke. Die Hüfte kenne ich auch mehr als gut von meiner 733 km Wanderung letztes Jahr (Spanien-40 Tage am Stück). Die Fotos verlocken mich, die Wanderschuhe wieder heraus zu holen. Geplant ist der Wittekindsweg von knapp 100 km im August oder der Eifelsteig so lang die Füße tragen. Eure Landschaft ist so toll, ich glaube, dort muss ich mich auch mal tummeln.
    LG aus dem nördlichsten Norden
    Marie-Luise

  14. nicole sagt:

    oh, frau mutti, da hätten sie ja fast noch auf’n kaffee hier zu mir kommen können. hier in die eifel.
    ende des monats mache ich mich auch auf zum wandern:
    alpenüberquerung, von oberstdorf nach meran.
    ich werde selbstverständlich berichten, sollte ich heil wieder zu hause ankommen ;-)
    l

  15. Traudel sagt:

    Klingt nach einer tollen Tour, die allen Spaß gemacht hat! Wir hatten am Wochenende Besuch von meinen zwei Neffen aus Frankfurt (9 und 11) und wir waren nach längerer Zeit mal wieder im Moselmuseum in Traben-Trarbach. Am Sonntag habe wir die legendäre Gipfelbesteigung des Calmont gemacht und anschließend den Höhenweg. Die Jungs waren begeistert. Ich hatte erstmals meine neuen Wanderschuhe an, die schön leicht sind und heilfroh dass ich keine Blasen hatte.

    ***** edit *****

    Produktwerbelink gelöscht.

  16. pansy sagt:

    Gibt’s bitte das Rezept vom Plätzchenkuchen … *schmachtend guck*