Mädchenkram

10. September 2013

Die Tochter wird nächste Woche sechzehn und sie ist die tollste Tochter der Welt. Unerschrocken,mutig, wissbegierig und ehrgeizig, gleichermaßen interessiert an Naturwissenschaften und menschlichem Miteinander, redegewandt und klug. Sie sehen: ich schwärme.

Unglücklicherweise stellt sich aber nun heraus, dass es meine tolle Tochter es nicht immer leicht im Leben hat. Es ist nämlich so, dass ihr Interesse an moderner Kleidung, den neuesten Filmen und den angesagtesten Frisurentrends gegen Null geht. Stattdessen würde sie lieber heute als morgen zum Teilchenbeschleuniger in die Schweiz reisen oder in der Mainzer Uni ein bißchen was über Kernphysik lernen. Sie liebt Ironie und Sarkasmus und die zweiten oder gar dritten Gedanken der Tiffany Weh. Außer ihren Brüdern und einer handvoll verschrobener Physikstudenten, die wie sie beim CVJM mitarbeiten, liegt niemand so recht auf ihrer Wellenlänge. Drei Freundinnen gibt es, alle drei ähnlich wie die Tochter gestrickt, ehrgeizig und mit Dingen beschäftigt, die eher außergewöhnlich sind.
Drei Freundinnen sind prima und ich sage fest davon überzeugt: die reichen für ein ganzes Leben.
Meistens sieht die Tochter das auch so und ist zufrieden.
Aber an manchen Tagen stört es sie, dass sie möglichen Gesprächsthemen mit anderen Mädchen nichts abgewinnen kann. (und – ganz Tiffany Weh – versucht sie dann zu ergründen, ob sie selbst schrecklich arrogant ist oder ob nicht schon die Frage, ob sie schrecklich arrogant sei, arrogant ist. Es ist auf jeden Fall kompliziert.) Und andere Mädchen mit ihren Themen. Dann fühlt sie sich, trotz der drei Freundinnen, einsam.

Es reicht dann nicht, wenn ich ihr erkläre, wie großartig ich sie finde und wie mutig sie ist, anders als die anderen zu sein. Mit beinahe 16 will man eben auch manchmal in der Menge baden, dazugehören, mit zehn anderen Mädchen kichernd auf dem Schulhof stehen.

Wir haben unsere Tochter nicht bewusst so erzogen (erziehen ist meiner Meinung nach sowieso ein hässliches Wort). Sie wuchs eben mit zwei Brüdern in einem Haus voller Computer, Lego und Fischertechnik auf, mit Eltern, die in ihrer Jugend auch eher verschrobene Einzelgänger waren. Meistens ist sie glücklich, zufrieden und ich behaupte: ein bißchen stolz auf sich. Und trotzdem zerreißen mir die (wenigen) traurigen Tage das Herz.

Obendrein bin ich übrigens auch wütend, dass ein Mädchen, welches sich für Naturwissenschaften interessiert, etwas Besonderes ist. Es ist eine unbestimmte Wut auf andere Mädcheneltern, die rosa und blaue Überraschungseier kaufen. Und auf Kindergärten und Schulen, in denen es nach wie vor Jungs- und Mädchenthemen gibt. Die Wut ist unbestimmt, aber dass irgendwas irgendwo schief läuft, lässt sich doch an folgenden Zahlen ablesen: im Stammkurs Mathe der Tochter sind sechs Mädchen, eines wird den Kurs verlassen. In ihrem Leistungskurs Physik sind es zwei Mädchen. Da ist es fast verständlich, dass diese Mädchen argwöhnisch als Exoten betrachtet werden.

30 Kommentare zu “Mädchenkram”

  1. Katrin sagt:

    Sagen Sie dem Töchterchen und sich selber, sie ist mit ihrer Einstellung näher am Leben als all die Mainstream-Kicherer. Mathe-Leistungskurs rocks, Physik ebenfalls – ich hab beides gemacht, war nie in der Gruppe der Kichernden und bis heute begleiten mich wenige aber echte Freundschaften und vor allem eine echte, tiefe Beziehung/Ehe zum besten Ehemann der Welt, weil ich eben mit beiden Beinen im Leben stehe und lieber ehrlich lache als zu kichern. ;-) Liebe Grüße!

  2. Croco sagt:

    Ach ja, es ist schon anstrengender aber auch spannender, wenn einen die naturwissenschaftliche Welt angefixt hat. Wenn mal die Schule rum ist, gibt es diese Mädels, die sich für Zyclotrone interessieren. Im Studium kommen sie! Mir ging es ähnlich. Die beiden Freundinnen aus meiner Schulzeit habe ich heute noch, tolle Frauen,. Und die anderen Freundinnen sind mir alle später im Leben begegnet.
    Eine rumänischstämmige Kollegin ist immer noch erstaunt über die Mädchen in Deutschland. In ihrer Heimat war es selbstverständlich, dass Frauen Mathe und Physik studierten.

  3. Wiebke sagt:

    Eigentlich kommentiere ich ja nie weil ich denke, wen interessierts was eine Wildfremde meint, aber jetzt dann doch.
    Drei gute Freundinnen zu haben ist doch richtig toll! Bei uns damals gab es auch die Sparte der ’schoenen“ Maedchen, beliebt modisch geschminkt, von Jungs umschwaermt und mit oeden Gespreachsthemen..aber das macht ja nix wenn man da nicht richtig dazugehoert. 20 Jahre spaeter sagte mir jetzt mal ein Klassenkammerad dass er mich immer toll fand. Maedchen die schlau sind, grade in Mathe und Physik und die nicht den bloeden Klischees „ich hasse Mathe“ erliegen werden naemlich insgeheim von allen bewundert, sogar auch von den Modepueppchen. Ich hab damals allerdings Leistungskurs Physik nur aus dem Grund nicht genommen, weil ich nicht das einzige Maedchen zwischen den ganzen „selbsternannten“ maennlichen Genies zu sein, da ist ja das Toechterlein doch weiter. Ich habs dann dafuer studiert und im Studium sind die leute echt erwachsener, da ists ganz egal ob Mann oder Frau und was man anhat.
    Ob rosa oder nicht (ich hab als Kind immer Puppen gespielt), am wichtigsten ist glaube ich wenn die Eltern eine gewisse Begeisterung fuer Naturwissenschaft haben und nicht finden es waere aussergewoehnlich dass sich ein Maedchen fuer Physik interessiert ;-)

  4. Nähfrosch sagt:

    Huhu,
    Also ein blondes rosa glitzerndes kicherndes Mädchen zu sein und zB Mathe zu studieren (Diplom! Nicht Lehramt), sich auf Kryptografie festzulegen, nach 8 Semestern fertig zu sein und dann in einem Forschungsinstitut zu arbeiten schließt sich aber auch nicht aus. Man wurde dann zwar aufgrund der pinken Chucks, Hello Kitty Haarspangen und gerade mal 22 Jahre erst mal nicht für voll genommen, aber das legt sich.
    Es gibt also beides, ganz egal ob man auf rosa Überraschungseier steht! ;)
    LG
    Katja

  5. Sunni sagt:

    Sagen Sie ihr, wenn es wieder ein Herzschmerztag ist, dass es an dem Tag, an dem sie den Nobelpreis für Physik bekommt, ihr völlig wurscht sein wird, ob die anderen rosa Ansteckblüten trugen oder sich über die neue „In Style“ die Haare rauften oder gelten. Sowas von egal…:-) Einmaligkeit hat jeder von uns, der eine so,der andere eben anders.Und Mitglied einer Horde zu sein hat ja auch immer was von Kuh oder so…Nein, nichts gegen Kühe, im allgemeinen!

  6. Frau_Mahlzahn sagt:

    *** Da ist es fast verständlich, dass diese Mädchen argwöhnisch als Exoten betrachtet werden.***

    Ich war im Studium mit meinem Schwerpunkt Sicherheitspolitik im Kalten Krieg (woraus ein Nebeninteresse an Militärpolitik folgte) auch eher Exotin unter all den Männern — aber gerade das habe ich als meinen Vorteil und fast ein bisschen auch als Auszeichnung empfunden. Aber natürlich, da war ich älter…

    Für Deine Tochter bleibt nur die Gewissheit, dass es später im Studium und im Beruf Exoten besonders gefragt sind, ;-).

    (Mutze geht es übrigens ähnlich, nur dass sie sich nicht für Naturwissenschaften interessiert — aber sie findet auch nicht den rechten Zugang zu ihren Klassenkameradinnen, weil sie einfach anders denkt. Mittlerweile hat sie aber eine größere Frustrationstoleranz und kann immer besser damit leben, bzw. sieht auch die guten Seiten davon, sich nicht zu verbiegen… the road not taken usw.)

    So long,
    Corinna

  7. kleiderschmiede sagt:

    Ich war damals im Leistungskurs Physik das einzige Mädchen. Damit das auch ordentlich herausgestellt wurde, bekam ich dann immer die organisatorischen Aufgaben übertragen „Du bist ja das Mädchen und ordentlich und gewissenhaft.“

    Im Studium litt ich dann darunter, dass kaum Mädchen in meinem Studiengang waren. Die Quote lag bei unter 10% und Jungs „unter sich“ war auch etwas, woran man sich gewöhnen musste.

  8. Elena sagt:

    Auch finde es großartig, wenn Mädchen „so“ sind wie Ihre Tochter; und genauso finde ich es erbärmlich, daß Mädchen nach wie vor, und manchmal, scheint mir, mit seit einiger Zeit noch mehr Nachdruck, in die frauentypischen Ecken gedrängt werden sollen.
    Ich verstehe aber natürlich, daß das Mädel sich manchmal einsam fühlt; aber großartig bestärkt durch ihr Elternhaus wird sie weiter gerade ihren Weg gehen; und ich meine, das ist ein überaus guter!
    Viel Erfolg und vor allem Freude damit

    Herzliche Grüße

    Elena

  9. Frau_Mahlzahn sagt:

    Übrigens… ich bin mir nicht sicher, ob die Sache mit dem Mädchenrosa und Bubenblau sich tatsächlich so verallgemeinern lässt. Mutze ist und ich war eher Tomboy — und wir sind eindeutig geisteswissenschaftlich orientert. Minka mag vull allen möglichen Mädchenkram und eine zeitlang konnte es ihr nicht rosa genug sein — aber sie ist ein totaler Haudrauf und hat keinerlei Berührungspunkte — mit dem Schnitzmesser macht ihr niemand was vor, sie ist die einzige in der Familie, die gerne mal Fussball spielt, und während die großen Burschen noch überlegen ob sie wirklich von einem über das Wasser ragenden Ast springen sollen, ist sie schon lange runtergehupft…

    Ich glaub‘ wirklich, dass es auf viel, viel mehr ankommt, als darauf, ob die Kinder nun mit Puppen oder Autos spielen oder rosa oder blau tragen — sie suchen sich dann doch das, was ihres ist.

    So long,
    Corinna

  10. Frau_Mahlzahn sagt:

    Äh, Berührungsängste meinte ich, nicht -punkte

  11. Tin@ sagt:

    Falls das Kind an einem Schülerpraktikum in einem spannenden Biotechnologie-Betrieb, umgeben von Chemie-Biologie-Physiklaborantinnen und Biotechnikerinnen ist – du weißt, wo du mich findest.

  12. ladybird sagt:

    Wie schön, wenn ein junges Mädchen schon mit 16 weiß, was sie will und vor allem was sie nicht will. Gratulation dazu.

    Wird Sie zum Geburtstag eine Reise in die Schweiz bekommen, zum Teilchenbeschleuniger? Kann man den überhaupt besichtigen?

    Dass Mädchen in Mathe- und Physikkursen in der Minderheit sind und lieber Biologie oder Sowi-Kurse wählen, beobachte ich auch an unserer Schule. Seit diesem Jahr gibt es eine „MINT“-Klasse (Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik sind Schwerpunkt-Fächer schon in der Erprobungsstufe). In dieser 5. Klasse sind genauso viele Mädchen wie Jungen. Ich bin gespannt, welchen Weg sie gehen werden.

  13. Hannelore sagt:

    Ich habe in den 70er Jahren Mathematik studiert und damals waren von 100 Erstsemesterstudenten 10 Frauen. Ich bin Computerspezialistin geworden und stehe inzwischen kurz vor der Rente. Nur Mut! Es ist toll, so eine interessierte, intelligente Tochter zu haben! Bestärken Sie sie weiterhin. Sie wird ihren Weg gehen. Und keine Angst: die weiblichen Themen kommen irgendwann auch noch (aus eigener Erfahrung). Jedenfalls ist es besser eine naturwissenschaftlich interessierte Tochter zu haben als so ein Gör, das nur Mode, Jungs und Parties im Kopf hat.

  14. Schäfchen sagt:

    Auch wenn die guten Tage überwiegen, so leidet das Mutterherz doch an den wenigen traurigen. Kann ich verstehen. Unsere Große ist auch ein Querdenker, naturwissenschaftlich interessiert. Klamotten sind egal, es ist ihr – behauptet sie – auch schnuppe was andere darüber denken. Filme mag sie nicht und die HarryPotterFrisur wird es wohl auch beim nächsten Haare schneiden werden. Und sie hat keinen Bruder, nur Schwestern. ;) Ok, Nagellack hat sie für sich entdeckt, aber nur weil mir ihr ewiges „ich mal mir aus Langeweile die Nägel mit Filzer an“ auf den Nerv ging.

    Querdenker haben es nicht leicht. Ich hab einen geheiratet. Ich hab ein Querdenkerkind. Es schützt sich oft durch „ist mir egal“ und doch will es einfach nur Freunde haben. Drei Freundinnen sind prima, wir wären froh über eine …

    Stärke sie weiter. Irgendwann sind Querdenker gefragter als die mit dem rosa Plüschpuschelchen an der Handtasche.

  15. Graugrüngelb sagt:

    Wie war das? … „Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.“

    Ich weiß nicht, ob die Tochter arrogant ist, nach den Beschreibungen hier im Blog klingt es nicht danach. Aber als „Nicht-Mainstream-Mädchen“ bekommt sie so etwas sicherlich gelegentlich zu hören. Wir waren in den 90er Jahren ca. 30 junge Frauen im ersten Semester in der Elektrotechnik – bei ca. 600 Studenten insgesamt. Nach den ersten Semestern ging der Frauenanteil nochmal nach unten. Manchmal wurde ich angeguckt, als hätte ich eine ansteckende Krankheit, wenn ich meine Studienrichtung irgendwo nannte.

    Ich hatte damals (wie die Tochter) ein paar wenige gute Freundinnen und dazu ein paar männliche Freunde mit ähnlichen Interessen (und Desinteressen). Ja, in der Pubertät hat das genervt, aber im späteren Leben wird es besser – auch wenn ich bis heute einen eher kleinen Freundeskreis habe und beispielsweise Geburtstage eher mit 5-10 Leuten feiere als mit 50. Kontakte außerhalb des schulichen Bereichs helfen da durchaus – und beim CVJM scheint sie sich doch wohl zu fühlen, wie sich das hier liest.

    Alles Gute für die Tochter, ich bin sicher, sie geht ihren Weg.

  16. kelef sagt:

    ja.
    persönlich war ich auch immer eine exotin: ich spielte klarinette, ging neben dem gymnasium statt in den tanzkurz maschinschreiben und steno lernen, und am wochenende statt zum fünfuhrtee zu gehen durfte ich meinem vater beim hausbau helfen: betonmischmaschine befüllen, schalholz schneiden, alles ideal für 16jährige.

    ausserdem nähte und strickte ich meine kleidung selber und gab klarinetten- und englischunterricht.

    das exotentum blieb mir, mit meinem klassenkameradinnen von damals hab ich heute noch probleme, mit vielen anderen frauen auch. dafür weiss ich aber ganz genau, dass die kleider, die an naomi campbell toll aussehen, schon auf heidi klum besch… aussehen, und umgekehrt. vie meisten frauen, die so im durchschnitt herumlaufen, wissen nicht einmal dass sie auch mit den kleidern der o.a. damen nicht so aussehen wie ebendiese.

    jetzt bin ich in pension, spiele zwar nicht mehr klarinette und mische auch keinen beton mehr, aber wissen sie was: irgendwann denkt man sich, habt mich doch alle gern, und macht mir das alles erst einmal nach. und warum muss man sich zu zehnt gleichzeitig und quietschend über j…in bi..er unterhalten, oder wen auch immer? und irgendjemandes frisur nachmachen?

    die tochter macht das schon richtig, klar ist es manchmal anstrengend und ärgerlich nicht genau so zu sein wie alle anderen, aber es macht auch sehr viel spass.

    rosa sein kann jede.

  17. Polly Oliver sagt:

    Nun, denke ich knappe 11 Jahre zurück, kann ich mich ganz gut in Ihre Tochter hinein versetzten. Ich war auch nie für die neusten Frisuren oder Klamotten und habe mich mit den Jungs fast bekriegt, wer besser in den Naturwissenschaften ist. Die fanden es nämlich ganz fürchterlich, dass ein Mädchen auch gut darin war. (Dafür in Sprachen grottig, dass ich nie ne 5 in Englisch auf dem Zeugnis stehen hatte, ist auch nur meiner Mutter zu verdanken, die immer fleißig zum Elternsprechtag ging, um eben das zu verhindern)
    Die Gespräche in der Sportumkleide über GZSZ fand ich völlig uninteressant und meine Mitschülerinnen so manches Outfit von mir, glaube ich :D
    Aber ich kann Ihrer Tochter sagen, als es dann mit den Partys los ging, waren meine Freundin von mir und ich meist die einzigen Mädels, die von den Junges eingeladen wurden. Weil wir nämlich so unkompliziert waren und das wohl als angenehmer empfunden wurde als kichernde Püppies.
    Im Übrigen fand und finde ich männliche Freunde, von einigen Ausnahmen abgesehen, angenehmer als weibliche, auch wegen der Unkompliziertheit. Wenn ich mitbekommen habe, wie einige der Girlygirls mit ihrer besten Freundin Streit hatten, dann wusste ich auch wieder, warum ich solche Freundschaften nicht haben wollte und die Sehnsucht nach dem „normal sein“ hatte sich schon wieder erledigt.
    Tja, im Studium wurde es wieder spannend, Frauenquote knapp 85 – 90 %… so ist das, wenn man Tierarzt wird (bzw. jetzt endlich ist ;) )

    Liebe Grüße an Ihre Tochter, das wird schon alles, irgendwann, irgendwie und ich glaube ein bisschen Leid gehört zum Teenagersein auch irgendwie dazu, auch wenn es sie zerreißt, man wächst daran.

  18. Annilu sagt:

    Diese (wenigen) traurigen Tage, in denen es das Mutterherz bluten lässt, dass die Große sich aus ähnlichen wie o.g. Gründen in der Klasse nicht zugehörig und stattdessen einsam fühlt…die kenne ich auch. Nicht mainstream zu sein, ist nicht immer einfach. Bei unserer Großen ist es nicht die Affinität zu Technik & Co., bei ihr ist es eher so, dass kaum jemand in ihrem Umfeld versteht, weshalb man seine Freizeit gern beim Demenznachmittag oder beim Behindertentanzkurs verbringt, oder was man davon hat, mit benachteiligten Kindern Woche für Woche Theater zu spielen, damit diese Kinder besser Deutsch lernen und ein bisschen mehr Selbstbewusstsein gewinnen um für ihre Zukunft bessere Startchanchen zu bekommen… Die üblichen superwichtigen Mädchenthemen wie Jungs, Jungs und äh… Jungs, interessieren die Große auch noch nicht wirklich und überhaupt hat sie kein Verständnis dafür, weshalb man ein so privates Thema vor der gesamten Klasse plattreden muss, anstatt es vielleicht – wenn überhaupt – nur mit der besten Freundin zu teilen. Da liegen einfach Welten – zwischen ihr und ihren Klassenkameradinnen. Auch wenn das Interesse für anderen Mädchenkram – Klamotten, Haarstyling, Filme, Bücher, Kosmetik, Schuhe, Taschen… – durchaus ausgeprägt vorhanden ist… Es bringt diese Welten nicht näher zueinander.
    Wirklich helfen kann ich ihr in diesen Kummermomenten auch nicht, nur eben immer wieder betonen, wie toll sie ist und dass diese traurigen Tage in einiger Zeit – rückblickend betrachtet – sicher nur noch von ihr belächelt werden. Für den jetztigen Moment ist das leider nur ein kleiner Trost. Aber – Gott sei Dank! – diese Tage sind wirklich selten. Meistens hat sie viel zu viel zu tun, um sich traurige Gedanken zu machen. Und überhaupt – wer hat gesagt, dass jung sein immer leicht ist?

    Diese Mädels können stolz auf sich sein! Und diese pubertätsbedingten Anfälle von Herdentrieb sind in Bälde nur noch Geschichte – da bin ich sicher!

    LG
    annilu

  19. Jenny sagt:

    Liebe Frau Mutti,

    Dann richten Sie ihrer Tochter aus, dass sie kein Exot ist. Ich selber kann mit den wirklichen Naturwissenschaften leider nicht so viel anfangen, bin aber immer wieder überrascht, dass bei meinem Mann an der Uni im Fachbereich Physio-Chemie (ja, sowas gibt es wirklich) fast die Hälfte aller wissenschaftlichen Mitarbeiter Mädels sind, die deswegen nicht Nerds sein müssen. Und die Mädels gehen alle ihren weg. Ich hab wirklich Hochachtung vor denen, wie die ihre wissenschaftliche Karriere voranbringen und letzendlich bei der Doktorprüfung meistens beser abschneiden als die Kerle. Also, Kopf hoch! Wir brauchen viele, viele Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen :-)

    Lieben Gruß,
    Jenny

  20. Sabine sagt:

    So schön beschrieben… Ich gratuliere der Tochter auch zu ihrer Mutter – soviel verständnis hätte mir früher gutgetan- so mit 16…
    LG Sabine

  21. Jule sagt:

    Liebe Frau Mutti,

    in der Beschreibung ihrer Tochter finde ich mich wieder und inzwischen bin ich (fast) promovierte Physikerin mit immer noch wenigen dafür aber großartigen Freunden. Spätestens im Studium wird alles besser!

    Zwei Tipps noch: Es gibt das Projekt CyberMentor http://www.cybermentor.de, ein Plattform für MINT begeisterte Schülerinnen aus ganz Deutschland die eine erwachsene Mentorin an die Seite gestellt bekommen um so zu erfahren wie es so ist Naturwissenschaftlerin zu werden und zu sein. Im Oktober geht die neue Runde los, anmelden kann man sich noch bis Ende September.

    Außerdem gibt es die Deutsche Schülerakademie http://www.deutsche-schuelerakademie.de, ein Sommerferienprogramm für das jede deutsche Schule jedes Jahr einen Schüler der elften oder zwölften (zehnte oder elfte bei G8) Klasse vorschlagen darf. Falls die Schule das nicht kennt oder Lehrer zu faul sind kann man auch dem Lehrer sagen er soll einen vorschlagen, habe ich auch so gemacht und die tollsten Sommerferien meines Lebens verbracht. Dort ist man nämlich nicht mehr alleine mit seinen Interessen.

    Liebe Grüße!

  22. Bellana sagt:

    Normalerweise lese ich hier nur, da ich einer anderen Altersgruppe angehöre. Ich habe auch so eine Tochter (allerdings inzwischen 31 Jahre alt), die klein immer mit den Jungs gespielt, auch Leistungskurs Mathe und Physik gewählt, ein sehr gutes Abitur hingelegt und anschließend Informationswirtschaft in Karlsruhe studiert hat. Während ihrer Schulzeit waren ihr Haare und Klamotten auch egal, außer der Schule war nur noch Sport(Leichtathletik) wichtig. Inzwischen ist sie mit einem Studienkollegen verheiratet, hat einen großen Freundeskreis und eine allerbeste Freundin. Machen Sie sich keine Sorgen, Ihre Tochter findet ihren Weg.
    Grüßle Bellana

  23. Jeanie sagt:

    Ich gratuliere Ihnen so sehr zu ihrer tollen Tochter – und ihrem Tochterkind zur verständnisvollen mutter!!!

    Meine Große, grade spannende 17 geworden, ist ebenso eine „Exotin“ und hat oft daran zu knabbern… Seit der 5. Klasse Realschule hat sie ihren „Außenseiterstatus“, aber sie hat sich da tapfer durchgebissen… Seit 2. september macht sie ihre Lehre als KFZ-Mechatroniker, heute am ersten Schultag hat sie berichtet, daß in der Klasse insgesamt nur 3 Mädchen sind. So what?? Meine Tochter hat statt Weggehen, Partymachen, Schminke und Shoppen eher Judo, Kirche, CVJM und Jugendgruppe im Kopf. Find ich ehrlich gesagt deutlich besser!

    Aber auch hier gibts so Tage, da ist es eben DOCH ein bißchen schade, NICHT zum Haufen dazuzugehören – auch wenn sich das immer ganz schnell wieder gibt ;-)

  24. Daniela sagt:

    Liebe Frau..äh..Mutti!

    Neulich las ich das:

    „Verbessert man seine Schwächen , wird man maximal mittelmäßig. Stärkt man seine Stärken, wird man einzigartig. Und wer nicht so ist wie die anderen, sei getrost: Andere gibt es schon genug.“ (Eckart von Hirschhausen)

    LG

    Daniela

  25. Mela sagt:

    meine Tochter ist 17, macht nächstes Jahr ihr Abi.Ist ein sogenanntes Mainstream Mädchen,interessiert sich für shoppen, schminken, Jungs, ist sehr sportlich, ist sehr beliebt hat viele Freunde und vor allem sehr tolerant. Akzeptiert andere wie sie sind. Auch unter diesen „Mainstream“ Mädchen gibt es welche die haben was drauf….auch wenn sie manchmal kichern… lg

  26. anja sagt:

    Tolles Mädchen! Und sehr gute Kommentare.Unsere ist auch so eine, wurde vor drei Wochen 16 und will Mathe studieren.

    Nach meinem letzten Abitreffen (25 Jahre) erzählte ich zu Hause: Das damals coolste/begehrteste Mädel aus meiner Stufe machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Arzthelferin und heiratete einen Klassenkameraden. Sie hat sich vom geistigen und räumlichen Horizont her ganze fünf Kilometer von ihrem Zuhause bewegt.
    Das damals wohl uncoolste (?) Mädel hat Jura studiert und lebt heute mit ihrem Mann und drei Jungs in Frankreich. Dort lehrt sie an der Uni, hat aber auch viel in den USA zu tun. Sie ist überhaupt nicht abgehoben oder eingebildet sondern ganz locker und entspannt. Aber damals irgendwie von den meisten anderen nicht verstanden.

    Nicht, das ich pauschalisieren will, aber, ehrlich gesagt, waren die ehemals nicht so “hotten” inzwischen die netteren und interessanteren Gesprächspartner.
    Geduld! – sage ich meiner auch immer.

  27. apfelhexe sagt:

    Mal was praktisches:
    Auf der Internetseite des KUBUS kann die liebe Tochter vielleicht ein paar ähnlich gestrickte Menschen finden.

  28. Christjann sagt:

    ach ach … ich war nie gut in Mathe und Physik und habe beides abgewählt, sobald es ging (geht heute glaub ich gar nicht mehr), gehörte aber auch nicht zur umschwärmten supersexy Mädchengruppe, dafür war ich zu ernst und zu wenig weiblich – das Gefühl irgendwie anders zu sein und nirgends dazu zugehören hat mich lange, lange verfolgt und ich war oft unglücklich „warum kann ich nicht ein bisschen doofer und gleichzeitig leichtlebiger sein, kein Junge will ein kluges, ernstes Mädchen“ dachte ich. Es gab auch eine „psssst“ lesbische Phase, weil ich dachte, ich bin wohl kein „richtiges“ Mädchen, vielleicht bin ich lesbisch?! Nicht wirklich, weiß ich heute … Bei meinem letzten Abi-Treffen (30 J.!) bekam ich jetzt große Geständnisse um 3Uhr früh, wiiiie toll der eine oder andere mich damals fand…. tut auch 30 Jahre später noch gut zu hören, aber 30 Jahre früher wärs schöner gewesen… seinen Weg alleine gehen zu müssen ist nie leicht, vor allem nicht, wenn man 16 ist, aber es wird besser ! Ermutigende Grüße nach Nierstein!

  29. Anne sagt:

    Hoffentlich hat sie Glück mit ihren Oberstufen-Lehrern…
    „I spent 16 years raising a daughter who had all the tools and encouragement she needed to explore computer programming as a career. In one short semester, you and her classmates undid all of my years of encouragement.“
    https://www.usenix.org/blog/my-daughters-high-school-programming-teacher

  30. Bine sagt:

    Ich selber habe auch ein absolutes Männerfach studiert. Wir waren eine handvoll Frauen unter hunderten Männern. Heute im Beruf ist es ähnlich. Naja, ein paar mehr Frauen gibt es jetzt dort, wo ich arbeite, aber die haben andere Positionen (Sekretärin etc.).
    Was mich beim Beobachten der Kommilitoninnen und heute Kolleginnen manchmal fast traurig machtt: ich habe oft den Eindruck, sie machen sich selber das Leben schwer. Einige scheinen zu glauben sie müssten irgendwie ‚anders‘ sein um in diesem Beruf erfolgreich zu sein, oder weil jeder denkt „eine Ingenieurin (noch dazu in dieser Fachrichtung) ist einfach nicht so, wie man sich die Durchschnittsfrau vorstellt- weibliche Eigenschaften gehören da nicht hin“. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Frauen damit glücklich sind. Bei einigen glaube ich sie trauen sich bloß nicht ‚weiblicher‘ aufzutreten weil sie meinen man erwartet es so von ihnen.
    Früher in der Schule war ich auch ein bisschen so. Aber irgendwann hat es klick gemacht. Doch, wirklich, man kann eine sehr erfolgreiche Ingenieurin sein, die richtig gut Karriere macht umd viel Geld verdient, und die trotzdem germe aufgehübscht mit MakeUp und Accessoires auf Arbeit ist und auch es auch mal geniest von den Männern angeflirtet zu werden. Trotzdem bin ich der Chef. Und genieße uneingeschränkte Autorität. Obwohl sich die Männer die Hälse nach mir verrenken (das kann ich mal so ganz selbstbewusst sagen ;)
    Also, was ich eigentlich sagen will: wenn jemand unglücklich ist mit sich, dann darf man auch anders! Man ist trotzdem noch eine intelligente Frau!