Jeden Dienstag habe ich Ladendienst. Von halb zehn bis halb eins sitze ich im Niersteiner Weltladen, verkaufe fair gehandelte Lebensmittel und Handwerk, räume dekorativ Regale und Schaufenster auf und freue mich, wenn ich kaffeetrinkenden Besuch komme.

So ein Vormittag kann sehr lang werden. Manchmal verkaufe ich ein Päckchen Kaffee und eine Tafel Schokolade. Und manchmal komme ich erst um eins aus dem Laden, weil einfach zu viel los ist.

Der Dienstagmorgen im Weltladen beginnt damit, dass ich die Kasse zähle. Ich trage den hoffentlich korrekten Bestand in die aktuelle Tagesbilanz ein, schreibe Datum und meinen Namen obendrüber und schleppe den „wir haben geöffnet!“-Aufsteller vor den Laden.

Heute durfte ich mich eine halbe Stunde mit unserer neuen Kaffeemaschine beschäftigen, ein Vollautomat, den man programmieren kann, mit vielen lustigen Knöpfen und Lichtern und irgendwann brodelte auch Kaffee in die Kanne. Zum Probieren für die Kundschaft und für mich, als zweites Frühstück, öffnete ich eine Packung Kokoskringel. Der Gemütlichkeit wegen zündete ich eine Kerze an, beschloss, etwas über Vanille zu lernen und hoffte leise auf einen ruhigen Vormittag.

Meine Kaffeetasse war nicht mal halb geleert, als der Paketbote mit zwei sehr großen Paketen in den Laden stolperte. Oma Eis und ich hatten letzte Woche in den Weihnachtskatalogen gestöbert und eine wirklich große Bestellung für den Laden zusammengestellt. Die kam heute an.

Große Pakete zu bekommen ist immer ein bißchen wie Weihnachten oder Geburtstag. Auspacken macht Spaß. Eigentlich.
Tatsächlich aber ist das Auspacken von Lieferungen eine echte Plackerei. Der Lieferschein muss mit den Artikeln abgestimmt werden. Ist alles geliefert worden?

In großen Kisten sind kleinere Kisten in denen noch kleinere Kisten stecken.

Und in den kleinen Kisten sind in Noppenfolie verpackte Kostbarkeiten.

Weihnachtsschmuck. Glasschmuck. Hoffentlich ist nichts beim Transport zerbrochen, hoffentlich sind die richtigen Farben geliefert worden. Reklamationen oder Fehllieferungen sind lästig.

Wenn alles stimmt, muss ausgepreist werden. Meistens steht auf dem Lieferschein ein empfohlener Verkaufspreis, manchmal muss man rechnen. Manchmal hängt an den Artikeln bereits ein Etikett, manchmal muss man eines dranbinden. Nur auf Keramikwaren werden Preisschilder geklebt, weil sie sich von denen rückstandslos wieder ablösen lassen.

Die Weihnachtsartikel aus der Lieferung verpackte ich nach dem Auspreisen wieder sorgfältig, Anfang November kommen sie ins Schaufenster. Andere Artikel räumte ich direkt in Schaufenster oder Regale.

Etwa 180 Artikel habe ich heute überprüft, ausgepreist, verpackt oder eingeräumt. Dazwischen beriet ich eine ältere Dame, die sich nicht für eine Kaffeesorte entscheiden konnte. Ich erklärte einem Herren, dass das komische Lederdings für einen Lippenstift ist („Schauen sie mal, da ist sogar ein Spiegel drin!“). Ich wickelte einen Umtausch ab und nahm eine Bestellung auf. Unsere beste, treueste Kundin brachte ihre Tochter, die zu Besuch da ist mit, beide wollten ein Schwätzchen halten. Der Kaffee aus Ruanda war restlos verkauft, ich rannte schnell ins Lager, um das Regal wieder aufzufüllen. Das Telefon klingelte, eine Kollegin fragte nach dem Abfahrtstermin des Vereinsausfluges.

Der Kaffee in meiner Tasse war kalt, ich schüttete ihn an die Rosen vor der Eingangstür des Ladens.

Kurz nach halb schrieb ich einen Zettel mit Instruktionen und Erklärungen für die Kollegin, die nachmittags verkauft. Ein Mädchen stürmte herein, freute sich, dass ich noch da war und kaufte eine Packung Schokolinsen.

Ich schleppte eine Kiste Verpackungsmüll ins Lager, Lieferungen kommen scheinbar immer dann, wenn Papier- und Plastikmüll bereits abgefahren sind. Die Tonnen gehören den Vermietern des Ladens, wir können sie nicht beliebig füllen. Das Lager ist voll und unaufgeräumt, doch ich habe keine Zeit mehr zum ordentlichen Räumen. Schnell schiebe ich mir ein bißchen Platz zurecht, damit die große Kiste mit den Weihnachtsartikeln Platz hat und wir trotzdem noch an die Lebensmittelregale kommen. Lager abschließen. Licht im Laden ausmachen, abschließen.

Wieder aufschließen, die Kaffeemaschine ausschalten, den Aufsteller von der Straße holen und erneut den Laden abschließen. Mit dem Rad heimflitzen, um ein ausgewogenes Mittagessen zu kochen.

Heute übrigens Tiefkühlpommes, die nach dem Backen direkt im Biomüll landeten, weil die Beschichtung der Ofenform an den Pommes klebte. Gab es eben Brot und Käse, eigentlich viel leckerer.

Der Jüngste kam von der Schule, wir aßen gemeinsam, er verschwand in seinem Zimmer, um Hausaufgaben zu machen. Ich holte die Wäsche aus der Waschmaschine und befüllte neu. Hängte Wäsche auf und sortierte eine weitere Fuhre. Und rief „mach den CD-Player bei den Hausaufgaben aus!“ runter ins Zimmer des Jüngsten. Für eine Tasse Tee setzte ich mich auf´s Korbsofa im Wintergärtchen, bevor ich den Jüngsten verabschiedete, der musste zum Konfirmandenunterricht.

Der Große kam heim, ich beschloss, der Welt von meinem spannenden Dienstag zu erzählen.

Der Jüngste kam heim mit der Neuigkeit, dass er in den Herbstferien für das Erntedankfest Lebensmittel und/oder Geld sammelnd unterwegs sein wird und dafür unseren Bollerwagen braucht. Mache eine Notiz: Luft in den Bollerwagenreifen überprüfen. In einer Stunde zieht der Jüngste wieder los zum Judotraining. Der Große tut so, als würde er etwas für die Schule tun, aber gestern kam der neue Spiegel, der ist ihm sicher wichtiger.

Gleich wird der beste Vater meiner Kinder heimkommen, weil er bis heute abend „callen“ muss, das tut er gerne in Ruhe von daheim aus. Es bedeutet für mich aber auch, dass ich jeden Moment das Nähzimmer räumen muss, damit er dort telefonieren kann.

Die Tochter kommt heute nicht heim, sie begleitet die fünfte Klasse, deren Tutorin sie ist, auf Klassenfahrt. Morgen kommt sie wieder. Morgen haben die Jungs nur vier Stunden Schule. Morgen ist der letzte Schultag vor den Herbstferien. Morgen ist mein Putztag. Hurra.

 

4 Kommentare zu “Dienstags. (Tagebuchbloggen)”

  1. Anita sagt:

    Liebe Frau..äh… Mutti,

    ich lese sonst nur still mit, heut allerdings: es beruhigt mich, dass es in anderen Läden auch so ist,
    z. B. große Warenlieferungen, wenn man noch gar nicht damit rechnet. Letzte Woche hatte ich plötzlich 2 Paletten voll hier stehen und eilte mich, die abzutragen, damit sich die Kunden wieder bewegen können. Und ja, es fühlt sich dann wahrlich nicht wie „Geschenke auspacken“ an.
    Das Lager scheinbar chronisch unaufgeräumt sind, beruhigt mich ebenso. Immerhin erwarb ich nun 4 neue Lagerregale und hoffe, dass sich das Chaos lichtet.
    Viele gute Grüße, Anita

  2. Karoline Dampfmaschine sagt:

    Hallo, das klingt wie ein wunderbarer normaler Tag- etwas Chaos, aber herrlich normal :)

    LG aus dem hohen Norden

  3. Lily sagt:

    Wie? Schon wieder Ferien? Meine Güte.

  4. Birgit B. sagt:

    Liest sich nach einem vollen Tag, Sie Arme.
    Der Glaszapfen ist wunderschön.
    LG Birgit