26. November 2013

26. November 2013

Beichte: ich war und bin anfällig für das, was die Printmedien zu bieten haben. Vor vielen Jahren verfiel ich der Zeitschrift „schöner wohnen“, einfach deshalb, weil stets glückliche Menschen in perfekten Häusern mit grandiosen Gärten vorgestellt wurden. Mit Möbeln, die so teuer waren, dass es schon egal war. Der beste Vater meiner Kinder und sein holdes Weib lebten zusammengestoppelt, zwischen unseren alten Kinderzimmermöbeln und dem, was bei meinen Großeltern gerade übrig war. Und Ivar-Regalen.

Irgendwann nervte diese perfekte Welt und ich las die Eltern-Zeitschrift.

Bis die mir auch nichts Neues mehr zu erzählen hatte. Dann war ich zu müde für Zeitschriften und las nur noch vor:  „Weißt Du eigentlich, wie lieb ich Dich habe“ und „Vom kleinen Maulwurf der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hatte“.

Die Phase ging vorüber und die Kinder erreichten ein Alter, da an Dekoration fern von Bananen-Handabdruck-Muster und Keks-schmier-Streifen zu denken war. Nach dem IKEA-Katalog kam die Zeitschrift „living at home“, sogar im Abo. Ab und zu „living&more“ und ganz am Anfang „Mollie makes“. Das Abo kündigte ich rasch wieder, denn ich stellte fest, dass ich alles in der Zeitschrift gezeigte Wochen, Monate, sogar Jahre vorher in Blogs gesehen hatte, manchmal bis zum Überdruss. Erst in den amerikanischen oder auch niederländischen Blogs, dann schwappten die Ideen in die deutschen Blogs und wurden dort bis zum Erbrechen gezeigt, bis dann endlich auch die Printmedien „Trends“ erkannten.

Ich war der „lifestyle“-Magazine also überdrüssig und widmete mich stattdessen den Küchenheftchen. Angefangen hatte das wohl mit mit Frau Barcomis rotem Kochbuch, das als Backbibel durch die Blogs geisterte. Jamie Olivers (vierteljährliches?!) Koch-Back-Magazin tauchte auf und irgendwann wurde ich, wenn das neue „Lecker!“-Heft oder das „Bakery“-Magazin erschienen war, in Blogs nicht mehr überrascht oder auch  nur inspiriert. Plötzlich gab es überall Cakepops. Oder Regenbogenkuchen. Hier dann der umgekehrte Weg: vom Magazin in die Blogs, was aber bei mir dazu führte, dass ich das Heft nicht mehr kaufen musste, die Rezepte waren sowieso altbekannt, es brauchte eben ein bißchen Farbe und Glitzerzucker.

Als ich mich neulich wieder vor dem Zeitschriftenregal fand – Schuld ist im übrigen die lange Schlange am Postschalter – fiel mein Blick auf ein neues Magazin. Natürlich kannte ich das Cover schon, mindestens vier Frauen in meiner Intagram-Timeline hatten es so oder doch sehr ähnlich gepostet:

„flow“

Ich muss gestehen: ich bin manchmal wirklich so arrogant und überheblich wie ich aussehe und jetzt wo das raus ist … es gibt Ausdrücke und Phrasen, da zucken meine Augenbrauen. „Alles im flow“ ist so eine Phrase.

Aber ich brauchte Lesestoff und überhaupt, wenn wir schon bei englischen Sinnsprüchen sind: don´t judge a book by its cover.

Ich nahm das Heft zum horrenden Preis von 6,95€ mit, kochte mir daheim einen Tee und schlug es auf. Die Flow kommt es aus den Niederlanden und das finde ich ja erstmal prima, weil ich große Sympathien für die Niederlande hege, nicht zuletzt, weil sie mir so schönen Stoff bescheren. Zum Nähen, versteht sich.

Drei Frauen haben sich zusammengetan und eine Zeitschrift entstehen lassen, in der es um mich (und Dich und auch um Sie) geht. Meine Neugierde war geweckt und der erste Griff befriedigte sehr, ich mag nämlich diese dünnen, glatten Heftchen nicht. Hier hielt ich schweres, rauhes Papier in Händen, Papier, für dass man sofort seinen Formstanzer aus der Schublade kramen möchte, um hübsche Wimpelketten oder Ettiketten oder … ich schweife ab.

Der Inhalt, bzw. das Inhaltsverzeichnis ließ schon wieder meine Augenbrauen zucken. Ich mag einfach diese „feel connected“ und „simplify your life“ Phrasen nicht. Aber ich wollte mir kein vorschnelles Urteil bilden.

Ich blätterte und stieß auf die ersten Bilder. „Aha!“, dachte ich „Den Filter kennste, das ist Nashville. Macht alles so hübsch milchig-türkis.“ Der Text zu den Bildern: Geld allein macht nicht glücklich, Zeit ist wichtig und erlebe doch mal wieder Abenteuer. Gähn.

Ein Papierartwechsel, ein netter Scherenschnittdruck, App-Empfehlungen, Linktipps. Ganz nett.

Drei Interviews mit Kreativen. So was mag ich sehr, fand ich wirklich inspirierend.

Dann ein Text fürübergegenmit Beziehungen. Hab ich nicht gelesen. Ich bin da sehr glücklich versorgt. Aber die Illustration war niedlich, hübsches Fahrrad.

Papierwechsel, Scherenschnitt, Bericht, Linktipps, Wolkenbilder und dann auch noch Rhonna Design aka Lettering. (Buchstaben in verschiedenen Schrifttypen, -farben und -größen munter miteinander kombiniert, bis aus dem mehr oder minder tiefgründigen Spruch ein Gesamtkunstwerk wird. Auf Instagram gerne zum Erklären dessen, was auf dem Bild zu sehen sein soll, eingesetzt. Und ja, manchmal sieht das wirklich auch toll aus!)

Ein Fragebogen zum Reflektieren, Nachdenken und Weiterschreiben. wtf?

Ein interessanter, wenn auch seltsam flacher Artikel über die Frauen von der Left Bank, natürlich Backrezepte, noch zwei, drei Artikelchen, eine Ideenkiste (hübsche Ideen dabei!) und Werbung in eigener Sache. Fertig.

Dem Heft liegt ein Bogen sehr hübschen Geschenkpapiers bei, außerdem vier Postkarten mit Sinnsprüchen in „Rhonna Design“-ähnlich (hat sich die Tochter abgegriffen), Ettikettaufkleber (ebenfalls für die Tochter) und ein Notizheft in … äh… scrapbook-Optik, denke ich.

Nüja.

Ich werde es mir nicht mehr kaufen, aber ganz so vernichtend ist meine Kritik auch nicht. Es ist halt ein nettes Heftchen. Für Frauen, die sich täglich von Blog zu Blog bewegen, Instagram-Bilder schauen, Pinterest und Facebook kennen, gibt es da nix Neues, ganz im Gegenteil. (Ich bin jetzt mal ganz verwegen und verwette mein halbes Dach, dass dort in der Flow, spätestens in der überüberübernächsten Ausgabe, bekannte deutsche DIY-Bloggerinnen portraitiert werden.)

Mich nervt der Grundton der Zeitschrift, dieses sozialpädagogische „Löcher-in-Ärmel-Gestreichel“, dieses ewige „sind wir nicht alle vergesslich, im Zeitdruck, überfordert, unterfordert, überlastet, unausgelastet und nehmen uns nicht mal mehr Zeit, um an Blumen zu riechen“-Getue. Die ewig gleiche Leier, diesmal halt verpackt mit hübschen Bildchen und Typographien auf schönem Papier.

„Weißt du“, sprach die weise Mme Ouvrage, als ich mich in Rage steigerte, „vielleicht bist du einfach aus Zeitschriften rausgewachsen.“

Und das ist wohl so. Ich bin alt, abgeklärt und … äh … arrogant.

Wenn Sie sich selbst ein Urteil bilden wollen: suchen Sie „Flow Magazin“ auf Facebook oder lesen Sie den Blog: flow-magazin

 

(für diesen Blogartikel habe ich übrigens keinen Ruhm oder Reichtum versprochen bekommen, der war freiwillig)

 

24 Kommentare zu “26. November 2013”

  1. Kathrin sagt:

    Vielen Dank, wohin soll ich die Hälfte von 6,95 Euro, die ich gespart habe, überweisen ;-) ?
    Ich habe auch eine Schwäche für solche Magazine, vor allem in Kombination mit der Aussicht auf eine Tasse Tee aufm Sofa, ungestört, „Happinez“ ist auch so eins.

    Aber ich glaube, ich werde auch langsam gross… und arrogant.
    Liebe Grüsse
    Kathrin

  2. DreiPunkteWerk sagt:

    Ach, Frau Mutti, Sie sprechen mir aus der Seele. Der beste Vater meiner Kinder bringt mir ab und zu auch eine Zeitschrift mit, um mir eine Freude zu machen… Ich rechne den Zeitschriftenpreis dann oft in Gedanken in Stoffmeter um und seufze innerlich. Inzwischen interessieren mich nur noch Schnittmuster oder Anleitungen, die einen gewissen Kick versprechen – entweder durch Technikdetails oder wie die Toffee nosed Friends durch das unbedingte „Habenwollenhabenwollen“. Schwierig, sich nicht schon selbst arrogant zu finden…
    Aber jetzt sind wir ja schon drei… ;-))
    Herausgewachsene Grüße,
    Kathrin (noch eine…)

  3. dieTauschlade sagt:

    Die hier beschriebenen Erfahrungen teile ich 1:1. Da geht es mir wie Ihnen. Einzig das Magazin FROH! habe ich abonniert und lese es immer wieder gerne.

  4. Frau_Mahlzahn sagt:

    Oh, jetzt bin ich ja fast hin- und her gerissen — gelegentlich ist mir nämlich auch mal nach Zeitschriften, ganz, ganz dringend sogar. Und dann kauf‘ ich mir eine… und weiß wieder, warum ich das höchstens zwei Mal im Jahr tue… Aber wie es sich anhört, kann man aus dieser wenigstens was hübsches basteln, ;-).

    So Long,
    Corinna

  5. Frische Brise sagt:

    Geht mir auch so.

  6. Brigitte sagt:

    Doch, eine Zeitschrift haben wir im Abo und das ist die GEO, weil uns immer noch sowohl die Bilder als auch die Artikel begeistern.
    Lustig finde ich, dass Sie Ihr halbes Dach verwetten wollen – war das nicht marode? und muss dann nicht der Gewinner für die Entsorgung der gewonnenen Dachhälfte sorgen? Wirklich sehr schlau eingefädelt…. :-)

  7. susalabim sagt:

    ich war echt zeitschriftensüchtig, ist aber ein paar jahre her… mittlerweile langweilen mich die meisten hefte, „living at home“ und „living and more“ lese ich noch regelmäßig (geteilt mit meiner mama) und ab und zu die „couch“… „mollie makes“ habe ich im abo, wobei ich dir auch da recht gebe- das internet und die blogs sind einfach schneller… aber manchmal mag ich es einfach, das papier nach hause zu tragen, auf der couch zu blättern statt zu klicken und über zeitschriftenstapel (die sich trotzdem bilden) steigen zu müssen… am tollsten ist es aber, wohnzeitschriften aus holland mitzubringen- und ich hoffe, dass die nicht auch nach deutschland adaptiert werden (dann wirken sie nämlich vermutlich nicht mehr)…
    die „flow“ kannte ich auch daher, habe sie mir ein paar mal im urlaub gekauft… abgesehen davon, dass ich nicht jedes wort verstand, habe ich schnell gemerkt, dass zwar alles hübsch anzusehen ist, schön zum verbasteln (genau, formstanzer drängt sich gleich auf ;-)) aber dann auch schon wieder vorbei… ich habe sie die letzten male im holländischen zeitschriftenladen gegriffen (irgendwie MUSS man sie anfassen), durchgeblättert und wieder hingelegt und stattdessen die 3 üblichen wohnhefte gekauft…
    das deutsche heft habe ich noch nicht, werde es mir vermutlich noch kaufen (der lemming ;-)) und durchschauen, abhaken, verbasteln…
    … aber so geht es mir nicht nur bei zeitschriften, auch ein stadtbummel zeigt oft: das internet ist schneller…
    liebe grüße den rhein entlang,
    susa

  8. Marie-Luise sagt:

    Jawoll!!!

  9. Verena sagt:

    Ich empfehle ,aufgrund Ihres „fortgeschrittenen Alters“, einfach mal die Apotheken-Umschau. Nix für ungut ;-)
    Gruß Verena

  10. erzangie sagt:

    Ich bin auch bekennend arrogant. Und eine Klugscheißerin.

    Ich halte dann meinen Erfahrungshorizont (Instagram, Facebook, Twitter,Pinterest, Blogs, etcpp) für allgemein und komme aus dem Staunen nicht heraus, wenn mir jemand versucht zu erklären, was diese „Kuchen am Stiel“ sind, oder ich zum drölfzigsten Mal über den selben bunten Spruch stolpere (do more things…etc.) Ich frage mich dann, mit welchen Scheuklappen die Menschen durch den Tag stolperen… tun sie nicht, sie bewegen sich nur in anderen Rahmen und Plattformen als ich.

    Definitv benötige ich keine Printmedien mehr. Die sind VIEL zu langsam. Naja, vielleicht noch die BrandEins, die habe ich abboniert – und lese sie mobil in der App *lach*

  11. Nina sagt:

    Bis auf die BrandEins (geht immer) habe ich in den letzten Jahren nach und nach alle Abos gekündigt. Wenn mich dann mal Zuckungen überkommen, kaufe ich eines der im Artikel/den Kommentaren genannten Magazine, blättere es durch und ärgere mich dann meist über das verschwendete Geld.

    Auf den Flughäfen/Bahnhöfen stöbere ich immer wieder mal durch die meterlangen Magazinstände, aber bisher ist mir leider auch nichts Neues untergekommen, das mich fesseln konnte.

  12. Steffi sagt:

    Die einzige Zeitschrift, die ich auch im gehobenen Alter (harhar) von 32 Jahren noch vorbehaltlos empfehlen kann, ist „Das Magazin“. Das ist das Klügste und Abwechslungsreichste, was ich bisher am Kiosk fand.

    Unter dasmagazin punkt de kann man mal reinlinsen.

    Viele Grüße,
    Steffi

  13. aprikaner sagt:

    jawohl! Ich bin da auch raus. Gehe allerdings regelmässig zum Friseur und Zahnarzt dort aber nur dort lese ich Zeitschriften ;-P.

    Liebe Grüße
    anja

  14. dorothy_jane sagt:

    Auch hier: alle Abos gekündigt, bis auf die „BrandEins“. Diese schreibt über Gesellschaft, Wirtschaft und Menschen. Sehr intelligent und reflektiert.

    Auch „Das Magazin“ wird hin und wieder im Vorbeigehen mitgenommen. Unterhaltsam und abwechslungsreich.

    Der Vorteil beider Magazine: sie sind zeitlos in der Themenwahl und sie verkaufen ihre Leser_innen nicht für dumm, sondern gestehen ihnen eigene Gedanken zu. Ganz nach dem Motto „Der Kopf ist rund, dass die Gedanken darin die Richtung wechseln können.“

    Hat leider wenig, eigentlich ganz und gar nichts mit living/handmade/diy/home/decoration zu tun, aber die wollen ja auch nur, dass man nachmacht und nicht nachdenkt. ;)

  15. Rike sagt:

    Hier auch: BrandEins. Die Empfehlung ist nicht gesponsert, muss aber einfach sein ;-)

  16. Reboka sagt:

    Oh, jetzt bin ich aber schon sehr neugierig geworden, und glaube, dass das Heft was für mich sein könnte, rein optisch. Mal sehen, ob man das in Österreich auch irgendwo kriegt!
    Gruß aus Graz
    Reboka

  17. die.waschkueche sagt:

    *grinstsicharroganteinsundmußandiesachemitdem altenweinunddenneuenschläuchendenken*

    Gruß D.

  18. Sabine sagt:

    Daaaaankeschön! Ich war schon etwas gefrustet, das hochgelobte Heft hier nicht zu bekommen….
    Liebe Grüße
    Sabine

  19. Frank Dahlmann sagt:

    Wow, vielen Dank, es freut sich das Team von brand eins :-)

  20. Eva sagt:

    Hallo,
    kleine Anmerkung zum Thema: Habe heute morgen in der FAZ die Kritik zur Neuerscheinung von flow gelesen, nachdem ich gestern hier die Kritik sah: man ist sich einig!!
    Grüße,
    Eva

  21. ela sagt:

    Ich fand die toll, leide aber auch unter Begeisterungsfähigkeit :)
    LG! Ela

  22. Rike sagt:

    Hallo,
    wenn Sie gerne „schöner wohnen“ lesen, durchblättern, äh anschauen, dann ist vielleicht die holländische Variante: „vtwonen“ auch etwas für Sie. Ich besorge sie mir jedenfalls immer, wenn ich urlaubstechnisch in Holland verkehre und bin meist sehr angetan, auch wenn ich nicht ALLES verstehe, das meiste dann doch. Liebe Grüße von Rike

  23. Alfa sagt:

    CUT, Missy Magazin, vielleicht noch HandmadeKultur und Kleinformat wären noch einen Versuch wert!
    Beste Grüße!

  24. Frau Mutti sagt:

    Alfa, das Kleinformat gibt es nicht mehr.