Früh übt sich

22. Januar 2014

oder wie wir dann doch keine Helikoptereltern wurden.

Selbstverständlich hatten wir viele Pläne mit unseren Kindern. Und nachdem wir erkannt hatten, dass sie nicht nur ungemein klug und obendrein hübsch sind, machten wir uns auf die Suche nach besonderen Talenten.

Der große Sohn zum Beispiel langweilte sich im Kindergarten. Wahrscheinlich langweilte er sich nicht so sehr, er hatte nur keine Lust zum Ausschneiden und gab deshalb daheim vor, er wolle nicht mehr in den Kindergarten, weil der langweilig ist. Damals allerdings schellten meine Alarmglocken: das Kind ist völlig UNTERfordert, da muss ich Abhilfe schaffen. Zufällig wurde im Kindergarten gerade ein Kurs „Töpfern und Englisch“ angeboten. Jedes neue Wort, dass die Kinder in diesem Kurs lernten, töpferten sie. Bald hatten wir eine reizende Sammlung gebrannter, lasierter, brauner Klumpen: a sheep, a fork, a dog und irgendwas, was der Große nicht mehr wusste. A stone, maybe. Rückblickend hat ihn diese sprachliche Frühförderung nicht viel weitergebracht, weder gestaltet und formt er heute Erkennbares aus Ton, noch sind seine Englischkenntnisse überragend gut geworden. Nach zehnmal war der Kurs aus, im Kindergarten wurde nicht mehr zugeschnitten, sondern draußen getobt und die Unterforderung, pardon Langeweile war verschwunden.

Trotzdem. Das Kind MUSS doch etwas tun, schon allein wegen der sozialen Kontakte. _Meiner_ sozialen Kontakte, ich muss mich doch irgendwo mit Müttern austauschen können. (weil Blogs gab´s damals einfach noch nicht!) Also ging ich mit meinem Sohn dahin, wo auf dem Land alle hingehen, weil was anderes gibt es nicht: auf den Fußballplatz. Nun ist das Fußballgen in unserer Familie kaum ausgeprägt, der große Sohn war in seinem Leben noch nicht in Kontakt mit einem Fußball gekommen, er war vier. Auf dem Platz befahl der Trainer der Bambini vorwärts rennen, rückwärts rennen, hüpfen, stoppen, Ausfallschritt. Eine Menge Staub wirbelte und mein Sohn blickte skeptisch. Zum Abschluss gab es ein kleines Spiel. „Gib mir mal den Ball!“, verlangte mein Sohn, „Jeder darf mal den Ball haben, sonst ist es ungerecht!“ Pädagogisch einwandfrei, das Thema Fußball leider verfehlt. Er wollte da nicht mehr hin und das war dann auch in Ordnung.

Seine Schwester verweigerte Fußball von vorneherein, doch einige Jahre später fand ich mich wieder am Rand des Fußballplatzes, diesmal dem Jüngsten zuschauend, der eher lieblos gegen den Ball trat. Und nach einer kurzen Zeit in der Sprunggrube saß und Sandburgen baute. Weil der Sand in der Sprunggrube aber schlechter war als der im heimischen Garten, wollte er lieber daheim bauen und das war mir irgendwie auch recht.

Mittlerweile hatte sich herausgestellt, dass die Cousins aus Rom echte Fußballasse waren und somit war diese Position in der Familie dann glücklich besetzt. („immerhin zwei ECHTE Jungs in der Familie.“)

Die Tochter landete nach einem sehr kurzen Umweg über Ballett (was sie gar nicht so recht wollte, wozu ich sie quasi überredet hatte, weil ich dachte, dass ist prima für die Haltung und außerdem wollte ich einmal im Leben einen rosa Tütü kaufen. Kaufte ich nicht.) beim Kindertanzen. Das fand sie so prima, dass der große Bruder mitzog. Zusammen mit seinem Freund, um nicht der einzige Junge zwischen quietschigen Mädchen zu sein. Der große Sohn hielt tapfer ein Jahr und mehrere Auftritte durch, die Tochter blieb fünf Jahre in der Gruppe.

Als sie schließlich aufhörte, war ich nicht traurig, denn eine begnadete Tänzerin war sie letztlich doch nicht und die Tatsache, dass wir einige Wochenenden_ irgendwo_ verbrachten, weil die Mädchen dort tanzten und ich Stunden brauchte, um Glitzer und Schminke wieder von dem Kind zu schrubben, verleidete zumindest mir den rechten Spaß an der Sache.

Wobei ich natürlich zugeben muss, dass mir stets das Herz schmolz, wenn die Tochter auf der Bühne beinahe im Takt wippte.

Um die Bewegungsfreude der Kinder ein bißchen zu kanalisieren und natürlich auch, um vielleicht irgendwann olympische Goldmedaillen polieren zu dürfen, schickten wir die Kindelein zum Leichtathletik.

Die Tochter nahm mehr oder weniger erfolgreich an einigen Wettkämpfen teil,

der große Sohn lief sozusagen zum Abschluss seiner Karriere eine Teilstrecke beim Gutenbergmarathon

und der Jüngste rannte eben mit. Vielleicht hätten wir da etwas mehr dahinter sein können, Leichtathletik konnte er gut.

Doch zwischenzeitlich hatte sich da für den jüngsten Sohn eine großartige Sache aufgetan – er ließ laufen:

Zwei Jahre lang kam er in den Genuss von Reitunterricht. Leider scheiterte das Ganze an einer untreuen Reitlehrerin, die ihm zwar Termine versprach, sie aber letztlich nicht einhielt. Einen Ersatz fanden wir nie.

Supersportler waren sie also nicht die Kindelein, doch das Leben bietet so viel mehr! Ein musikalischer Opa entdeckte, dass der große Sohn glasklar singen kann und kurze Zeit später fand sich der große Sohn im Dekanatskinderchor eine Kinderoper einübend wieder. Als Hase Lodengrün im „Sängerkrieg der Heidehasen“ feierte er einen großen Erfolg,

im Jahr darauf als Dornröschens Vater, die Tochter sang das Dornröschen. (hier die Kostümprobe)

Der jüngste Sohn wollte nur dann in Kinderopern mitsingen, wenn er Beatbox spielen durfte. Singen war und ist nicht seins. Dem großen Sohn ruinierte letztlich der Stimmbruch die ganz, ganz große Karriere. Singen tut er immer noch gerne, in Begleitung zur Gitarre. (und Gitarre spielen bringt er sich seit einiger Zeit selbst bei, nachdem er ein paar Stunden Unterricht hatte.)
Die Tochter wollte alleine auch nicht mehr singen, es hatte sich auch gezeigt, dass das musikalische Talent des Opas nicht auf die Kinder gesprungen war. Hoffnungsvoll hatte der Opa Klavierstunden und ein elektrisches Klavier zum Üben spendiert, doch letztlich fehlte es der Tochter an Spaß. Und Talent.

Wir mussten also irgendwann einsehen, dass unsere Kindelein einfach ganz normale Kindelein sind, die Vieles ein bißchen und Manches gar nicht mal so gut können :)
Geräteturnen zum Beispiel.

Skifahren wäre ein prima Sache, gäbe es denn Berge bei uns. Oder wenigstens Schnee. So blieb es bei zwei Skikursen und einer Skifreizeit.

Aber wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich heute weiß, dann hätte ich das Fotografieren weiter gefördert. Damals, als die Kindelein meine allererste Digitalkamera geschenkt bekamen und spontan folgende Bilder schossen:

wilder Vierjähriger in Ringelshirt für #609060

und das Treffen der Freundinnen im Kinderzimmer #fromwherewestand

Heute wären sie Stars bei instagram!

Warum ich mal wieder so lang und breit von den Kindelein erzähle? Weil sie gerade zusammen losgezogen zum Klettertraining. Und weil es mich so freut, dass sie Dinge zusammen unternehmen, dass sie sich so gut leiden können und dass sie so gut geraten sind. Ich frage mich manchmal, ob sie heute noch Leichtathletik machen würden, hätten wir auf „Weitermachen!“ bestanden? Zwecklose Frage, ich weiß. Wir hielten es übrigens immer so, dass sie mindestens fünfmal zum Training/Klavierstunde/Gitarrenstunde/Chorprobe/etc. mussten, bevor sie wissen konnten, ob es ihnen gefällt oder nicht. Und der Jüngste, der vor den Sommerferien aus seinem Judoanzug gewachsen war, in den Sommerferien auf eigenen Wunsch einen neuen bekam und der nach den Sommerferien akut judounlustig war, muss erst aus dem neuen Anzug herauswachsen. Das versucht er nun seit anderthalb Jahren und mittlerweile ist Judo auch wieder toll.

Strohfeuerbegeisterung konnten wir ganz gut umschiffen und es gab auch nur einen Ausrutscher, bei dem ein eigener unerfüllter Kinderwunsch übertragen werden sollte (das Ballett. Schon vor „Anna“ wollte ich unbedingt zum Ballettunterricht, nach Anna natürlich noch viel mehr). Und jetzt ist der Zug sowieso abgefahren, Sport- und Künstlerkarrieren sind nicht mehr zu erwarten. Übe ich also erstmal den gerührten Blick, den ich aufsetzen werde, wenn die Tochter mir für alles dankt, in ihrer Rede nachdem sie den Physiknobelpreis entgegengenommen hat.

11 Kommentare zu “Früh übt sich”

  1. Alexandra sagt:

    JA!
    Genau so ist’s.
    Danke.
    Ich liebe meine Kinder auch und würde heute aaaaalles anders machen.

  2. Marc sagt:

    Boah, ich glaub‘ das mit den Kindern läuft im Endeffekt so wie’s Steakgrillen. Man kriegt’s sowieso nie richtig hin. Aber das Versuchen macht Spaß, und manchmal hat man Glück und irgendwas läuft. Und manchmal regnet’s auf den Grill, und die Kinder brechen egal was man sich gerade ausgedacht hat! genervt ab.
    Die Idee mit der 5 Mal und dann nochmal schauen-Regel ist gut, die nehme ich mir mal für unsere Kleinkindergroßziehung mit!

  3. Blogolade sagt:

    Hach, schön! Ich liebe ihre Rückblicke liebe Frau…äh…Mutti! Danke!

    Wie umschifft, wie erkennt man überhaupt Strohfeuerbegeisterungen? Gibts da ein Geheimrezept?

  4. Sunni sagt:

    Toller Text mit noch mehr tollem Inhalt. Wann kommt das Buch? Ich schreibe freiwillig das Vorwort! :-) Sunni

  5. Nähfrosch sagt:

    Super geschrieben mal wieder :)
    Bin schon gespannt was Mausi mal für Hobbys haben wird… ;)
    LG
    Katja

  6. Nette sagt:

    Zum Schreibstil muß ich ja nix sagen, du weißt ja wie sehr ich ihn mag… ja ich finde mich wieder…. das große Kind hat auch alles Mögliche durch…. und weiß nun mit 16, dass es Sport nicht ist und sie lieber Antroplogie studieren muß, der Kleine ist ein Pferdenarr….. obs so bleibt ? Prsktisch ist das ja schon, da wir ja neben/auf/im Reithof wohnen …… Ist schon spannend, was da so werden wird…. Liebste Grüße

  7. Frau_Mahlzahn sagt:

    ;-).

    Schön geschrieben.

    (Englisch töpfern, das gibt’s wirklich? Weia).

    So Long,
    Corinna

  8. Karen sagt:

    :-)

  9. Jutta sagt:

    Tolle Kinder haben sie. Und die Fotos sind klasse.
    Schöne Grüße
    Jutta

  10. Patricia sagt:

    Toller Text, danke für diesen Einblick. Ich freu mich schon total zu sehen, was meine Mädels alles so ausprobieren werden. Ich hoffe sehr, sie entdecken eine Leidenschaft – egal welcher Art. Und ich hoffe, ich habe die Gelassenheit, sie ihren eigenen Weg finden zu lassen.
    Die Fotos sind unbezahlbar – herrlich!

  11. Claudia sagt:

    Herrlich geschrieben, einfach köstlich! So realitätsnah, so nah am Leben! Ich warte auch auf das Buch und schreibe freiwillig das Nachwort :-).