Weil das Thema mal wieder durch meine diversen Timelines geistert und es mittlerweile immer mehr „Betroffene“ gibt, habe ich den Selbsttest auf der Seite der Zeitschrift Eltern gemacht: Ist Ihr Kind hochsensibel?

Vorneweg: ja. Laut Test sind sie es. Ich übrigens auch. Und vermutlich sogar unser Kater.

Es ist nämlich so, dass die Fragen des Tests so wischiwaschi formuliert sind, dass vermutlich die wenigsten Kinder demnach nicht hochsensibel sind.

Aber lesen Sie selbst, ich hab Ihnen mal die Fragen beantwortet. Sogar ausführlich, denn eigentlich hätte ein schlichtes ja oder nein genügt:

1. Neigt Ihr Kind zu besonders starken Empfindungen über die fünf Sinne? Beklagt es sich beispielsweise oft darüber, dass Dinge zu stark riechen, zu laut sind, „nach Strom“ schmecken?

Meine Kinder haben sich oft laut und ausdauernd über stinkigen Käse, komisch riechende Bananen, Raucher, Autoabgase, übers Haus donnernde Flugzeuge, vorbeirasende Züge, laute Musik und vieles, vieles mehr beschwert. Sie begannen zu weinen, ergriffen die Flucht und waren oft völlig hilflos bei den Reizen, die auf sie einströmten. Wahrscheinlich lehne ich mich nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass die meisten Kinder genauso auf Reize reagieren, die ihnen unangenehm sind. „besonders stark“ ist dabei sicherlich kein objektives Maß, vor allem dann nicht, wenn man womöglich gerade die letzten Nervenreste zusammenkratzt, weil man mit dem Kind gerade eine solche Situation durchlebt hat.

2. Ist Ihr Kind empfindlich für Kleidung, beispielsweise Materialien, Falten, Kratzen, nicht gut sitzende Schuhe, Farben?

Natürlich. Kratzende Wollpullis mag ich auch nicht anziehen, genausowenig wie nicht gut sitzende Schuhe. Oder Kleidung in Farben, die ich nicht mag. Was ist das für eine Fragestellung?

3. War oder ist Ihr Kind ein „Schrei‐Baby“?

Ab und zu, aber eher nein.

4. Hat oder hatte Ihr Kind einen leichten Schlaf, so dass es nicht zu den „einfach‐mal-mitnehm‐Kindern“ gehört?

Kurz vor der Geburt des großen Sohnes war mir klar, dass sich nichts ändern würde und wir das Baby einfach nur mitnehmen müssten. Klappte eher gar nicht. Bei der Tochter auch nicht, nur der Jüngste schlief immer und überall.

5. Gehörte oder gehört es zu den Kindern mit dem „plötzlichen Nachtschreck“? (Der „plötzliche Nachtschreck“ ist ein Aufschrecken des Kindes aus dem Schlaf, das ohne Alptraum auftritt. Oft weint es, schlägt um sich und ist verwirrt.)

Hatte die Tochter. War ein schreckliches Jahr. Nach dem Austausch mit Freundinnen weiß ich: das gibt es oft.

6. Reagiert Ihr Kind empfindlich auf jede Art von Veränderung?

Auch hier wieder die Sache mit dem subjektiven Epfinden: was heißt denn „empfindlich reagieren“? Meine Kinder mochten Abweichungen vom Tagesrhythmus nicht so gern oder fanden (und finden) immer die Frisur, die ich vorher hatte besser. Ist das jetzt ein ja oder ein nein?

7. Neigt Ihr Kind zu psychosomatischen Beschwerden wie Kopfweh, Bauchweh, Übelkeit, Entzündungen, besonders häufige Infekte?

Ja, alle drei Kinder. Pünktlich mit der Aufnahme im Kindergarten. Reizüberflutung oder einfach nur viele Kinder – viele Viren und Bakterien?

8. Haben Sie Schwierigkeiten, Ihr Kind nach einer besonders „reizvollen“ Zeit, wie einem Kindergeburtstag, plötzlich erlaubtes Fernsehen bei Oma oder einem tollen Ausflug, wieder zur Ruhe zu bringen?

Jepp. Aufgedrehte Kinder eben.

9. Reagiert Ihr Kind nach einer solchen Reizüberflutung unter Umständen auch mit Fahrigkeit und Konzentrationsproblemen, scheint wie abwesend zu sein?

10. Kehren nach überreizten Zuständen Konzentrations‐ und Lernfähigkeit schnell wieder zurück, wenn das Kind sich in einem ruhigen Umfeld befindet?

Auf Frage 9 und 10 muss man irgendwie gar nicht näher eingehen. Das ist doch bei jedem Kind, bei jedem Erwachsenen so. Die einzige _subjektiv_ zu beantwortende Frage ist: wann ist etwas eine Reizüberflutung?

11. Zeigt Ihr Kind Zustände plötzlicher Unterzuckerung, beispielsweise Schwäche, das Gefühl, gleich umzufallen, Konzentrationsschwäche, Heißhungerattacken?

äh ja. Spielen, Hunger vergessen, zusammenbrechen.

12. Verfügte oder verfügt Ihr Kind schon früh über einen ausgereiften Sprachschatz?

13. Konnte oder kann Ihr Kind schon früh sprachlich differenzieren, wie beispielsweise die Geschichte soll spannend, aber nicht gruselig sein?

14. Ist Ihr Kind ein kleiner Philosoph, der sich und Ihnen schon unerwartet früh Fragen nach dem Sinn des Lebens, Leben und Tod oder dem lieben Gott stellt?

Frage 12, 13 und 14 kannte ich schon aus dem Selbsttest „Ist Ihr Kind hochbegabt?“. Das war ca. 2002 der heiße Scheiß. Und ja, natürlich sind meine Kinder, ich selbst und auch der Kater hochbegabt.

15. Staunen Sie über eine klare, früh ausgeprägte Ethik und Gerechtigkeitsempfinden?

Da staune und staunte ich nicht drüber, das fordere und forderte ich ein.

16. Ist Ihr Kind kritikfreudig, aber kann selbst nur wenig einstecken?

Upps, ja. Es handelt sich um ein Kind.

17. Ist Ihr Kind leicht zu beschämen und kann, wenn es sich beschämt fühlt, auch „austicken“?

Es wird langweilig, denn: definiere „austicken“? Ansonsten wieder: es handelt sich um ein Kind, das bei entsprechendem Anlass – huch – wie ein Kind reagiert.

18. Neigt Ihr Kind zu übermäßigem Ehrgeiz oder kann sich auch komplett verweigern?

ja und ja, oder?

19. Sucht Ihr Kind häufig den Kontakt zu Älteren?

Ja, denn die Älteren waren eben einfach immer spannender.

20. Ist Ihr Kind sehr mitfühlend und leidet mit anderen Wesen?

Warum muss ich gerade an „Schantalle, mach mal ei bei die Mäh!“ denken? Ich drehe die Frage um: Haben Sie jemals ein Kind erlebt, das nicht mitfühlend und mitleidend war? Auch hier ist es wohl die Ausprägung.

21. Hat Ihr Kind ein starkes Gespür für Stimmungen und Schwingungen in seiner Umgebung?

Hier auch: wie wirkt sich das denn auf das Kind aus? Wie macht sich das bemerkbar. Und wenn es sich bemerkbar macht: stört es das Kind? (das sind jetzt aber drei Schritte weiter, okok.)

22. Hat ihr Kind ein großes Harmoniebedürfnis?

Nein, meine Kinder finden es super, wenn alle sich streiten und die Fetzen fliegen. Dämliche Frage.

23. Kommuniziert Ihr Kind nonverbal mit Ihnen, seinen Geschwistern oder Tieren?

Zählt gebieterisches Auf-etwas-Zeigen? Dann selbstverständlich: ja!

24. Ist Ihr Kind sehr kreativ?

Meine Kinder waren schon immer die Kreativsten!

25. Ist Ihr Kind wissensdurstig und erfasst Zusammenhänge auf überraschende Art und Weise?

Auch das. Dieser Moment, wenn das Kind etwas kombiniert oder versteht oder logisch fortsetzt oder einfach irgendwoher weiß. Erleben alle Eltern. Ständig. Denn Kinder lernen jeden Tag. Und finden das sogar richtig prima.

26. Kann es sich im Spiel völlig vergessen und ganz in seiner Welt aufgehen?

Nennt man magische Phase oder so. Stichwort Rollenspiel. Also bitte.

27. Spielen Musik und Rhythmus schon früh eine Rolle?

Wahrscheinlich werden jede Menge Babys in den Schaf gesungen, weil Stimme, Melodie und Rhythmus beruhigend wirken. Und tanzen zu fröhlicher Musik passt ja auch immer.

28. Fühlt sich Ihr Kind „anders“ als seine Altersgenossen?

Das ist eine schwierige Frage und tatsächlich die Einzige, die ich in diesem Test ernstnehme. Wobei ich direkt hier anfüge: anders ist nicht schlecht!

29. Gilt Ihr Kind in Kindergarten oder Schule als Einzelgänger?

Manchmal. Und wahrscheinlich muss diese Frage sein, weil sie prima in die Reihe „Reizüberflutung – zurückziehen – Einzelgänger – hochsensibel“ passt, die sofort im Kopf in Gang gesetzt wird.

30. Ist Mobbing in der Schule Thema Ihres Familienalltages?

Setzen, sechs, Thema verfehlt. Wo genau ist hier der Zusammenhang mit Hochsensibilität? Doch wieder nur als Folge von, oder?

 

*****

Wenn Sie sich tatsächlich bis hierhin durchgekämpft haben und ca. zwei Drittel der Fragen mit ja beantwortet haben, sind Sie oder Ihr Kind ebenfalls hochsensibel.

Ich finde diesen Test äußerst fragwürdig. Einmal, weil er zweierlei Dinge vermengt: Symptome und mögliche Auswirkungen von Hochsensibilität. Und dann natürlich wegen dieser dämlichen Fragen. Die meisten muss man ja mit ja beantworten, um sich nicht als völlige Rabenmutter zu fühlen. Und mal ehrlich: kann man ein Kind in ja/nein-Fragen, die sämtliche Nuancen/vielleichts/abundzus/hinundwieders/warmalsoistnichtmehrs ausschließen, pressen?

Bei der Auswertung des Test erfährt man übrigens, an wen man sich wenden kann, wenn man tatsächlich ein hochsensibles Kind hat. Ich bin dem Link zum Experten dann doch nicht gefolgt, denn es ist ja so, dass wir ganz gut ohne Rat leben können.

Zurück bleiben bei mir einige Fragen: warum gibt es solche Tests und gibt es Menschen, die wirklich an das Ergebnis glauben? Und warum sind so viele Mütter auf der Suche nach Erklärungen für das Verhalten/die Eigenarten ihrer Kinder, statt diese zu akzeptieren und einfach mit ihren Kindern glücklich zu leben? Warum lassen sich Mütter so verunsichern? Und natürlich: was kommt nach der Hochsensibilität?

 

*****

Mein Text hier ist kein Rant gegen hochsensible Menschen oder Eltern hochsensibler Menschen. Auch nicht gegen die Begrifflichkeit. Ich unterstelle nicht, dass Hochsensibilität neumodischer Quatsch ist. Aber ich prangere an, dass hier etwas so hochgekocht wird, dass es scheinbar total wichtig ist, auch ein hochsensibles Kind zu haben oder wenigstens ein ziemlich sensibles. Und so verkommt eine fiese Sache zu einem Thema, das geradezu danach schreit, dass man Witzchen drüber reisst. Das war beim Thema Hochbegabung so, bis Eltern irgendwann nur noch verschämt „er ist ein bißchen schlau“ flüsterten oder auch beim Thema AD(H)S, bei dem Betroffene mittlerweile einfach die Klappe halten.

30 Kommentare zu “Meine Kinder haben einen Test bestanden.”

  1. Ev sagt:

    Toller Beitrag!!!! Richtig toll!!!! Danke!!!!
    Herzliche,
    Ev

  2. Sunni sagt:

    Was liebe ich doch Ihre Art sich mit solch einem Gemengemist auseinander zu setzen! Wunderbar! Sunni

  3. nette sagt:

    Wie wahr, die Worte, aber das weißt Du ja, dass ich da oft mit Dir einer Meinung bin.
    Manchmal ist es einfach toll, ganz normal zu sein, so ist das….. nicht „hoch“ nicht „tief“ – einfach normal und so wie es eben ist – individuell !!!!
    Liebe Grüße NETTE

  4. DreiPunkteWerk sagt:

    Normal sein ist doch sowas von uncool!
    Den Rest schluck ich jetzt einfach runter, sonst muss ich mich noch aufregen…
    Entspannte Grüße,
    Kathrin

  5. frau bruellen sagt:

    Danke. Gibt meine gedanken wieder und das auch noch un-rantig, das haette ich nicht hinbekommen (und deswegen hab ichs gelassen)

  6. Claudia sagt:

    Als Mutter eines Kindes mir ADHs finde ich es sehr schön das jetzt eine andere Sau durchs Dorf getrieben wird. Ach ja, meines wäre auch hochsensibel und hätte kein ADHS wenn ich dem Test glauben darf.

    Warum können Eltern nicht glücklich mit einem gesunden aufgeweckten und aktiven kind sein?
    Was hätte ich vor 7 Jahren drum gegeben wenn mein Kind keine Diagnose bekommen hätte.

  7. MonikaZH sagt:

    Danke für den Nicht-Rant. Ich hab mir die ersten 10 Fragen oder so auch angeschaut, in Bezug auf den Lieblingssohn. Und das Ganze dann als Quark zur Seite gelegt. Weil der Lieblingssohn war und ist alles mögliche, ein Trotzkopf, ein Sensibelchen, ein nervöser Spinner, eine Neugiernase, ein Ausrastmonster, ein FragLöcherindenBauch, … – ein ganz normales Kind/jetzt mündiger Mensch halt.

    Ich frage mich woher es kommt dass vor Jahren eben ADHS und jetzt Hochsensibilität so hochgeschaukelt werden. Und was die nächste Sau ist die durchs Dorf getrieben wird. Ist das kluges Marketing irgendwelcher Therapeuten? – Die wären dann aber schon extrem fit, dass sie solche viralen Dinger schaffen…

    Es muss einem ja als junge, unerfahrene Mutter Angst und Bang werden, vor allem weil man oft keine Vergleichsmöglichkeiten hat. Dorfgemeinschaften gibt es keine mehr, ältere Geschwister/sonstige Anverwandte mit Kindern leben weit weg, woher soll eine junge Mutter wissen wie Kinder sind?

  8. drachenmaedchen sagt:

    Sehr schön geschrieben – hochweise Worte sozusagen. ;-)

    Mein (für solche Tests glücklicherweise noch zu kleines) Tochterkind und ich werden morgen die Katzen der Großeltern testen. Vielleicht gibt es Fälle feliner Hochsensibilität und -begabtheit auch hier… gnihihi.

    Liebe Grüße vom drachenmaedchen

  9. dorothy_jane sagt:

    .

    was frau brüllen sagt.

  10. nathalie sagt:

    danke für diesen beitrag! eigentlich klar, dass sie und ich, unsere kinder – und die katzenviecher sowieso – hochsensibel sind. wenn man sich das ja mal ernsthaft überlegt, ist doch jeder mensch ein hochsensibles wesen, fähig, unheimlich viele verschiedene dinge wahrzunehmen ( mit den fünf sinnen, ja, liebe testautor/innen. womit denn sonst?). mit zunehmender reife lernen die einen, so mit dieser anlage umzugehen, dass sie ein gewinn und kein fluch ist. die denen das misslingt, leiden darunter, oder sie stumpfen ab, um sich zu schützen. und diejenigen, die immer was spezielles sein wollen, versuchen einen trend zu lancieren.
    … ha! ich entwickle theorien, so früh am morgen schon ..
    mit den besten grüssen von rheinaufwärts

  11. Katharina sagt:

    Die meisten Fragen passen auch zu Asperger-Autisten und Menschen mit AD(H)S. Ach ja: Und kleinen Kindern.

  12. Katharina sagt:

    P.S. Kennst Du den Artikel: „Selbstdiagnose: Hochnormal“ von Kaltmamsell? Der trifft es ziemlich gut auf den Punkt: http://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2013/06/selbstdiagnose-hochnormal.htm

  13. Barbara sagt:

    Also ich tu mich auch schwer mit diesen Kategorien in die Kinder gesteckt werden. Ich glaube es ist etwas wonach einige Eltern suchen, damit sie sich im Alltag mit ihren Kindern besser zurecht finden oder man erklären kann, warum sein Kind eben so ist.
    Aber Kinder können doch einfach anders sein, ohne, dass es einen Namen haben muss. Ich hab auch Mühe mit vielen ADHS Diagnosen. Früher in meiner Klasse gab es auch schon Kinder, die heute vermutlich mit ADHS als Diagnose nach Hause geschickt werden würden. Aber man hat sie einfach so genommen wie sie waren. Bei der Anpassungleistung, die heute von Kindern in der Schule verlangt werden, sucht man dann eben immer nach Gründen und Diagnosen, warum es nicht in Schema F passt. Ich würde mir eher wünschen, dass in unseren Schulen auch Platz ist für Kinder, die sich nicht lange am Stück konzentrieren können oder die viel zappeln oder oder oder. Mein Kind ist auch sensibel, schläft unruhig, hat Mühe mit zu vielen Reizen usw. Aber ich finde das normal….Wir sind halt alle unterschiedlich und dafür braucht es keinen Namen.

  14. kaltmamsell sagt:

    Büchse … Pandora …

  15. Stella sagt:

    KNIEFALL!

    Frau Mutti, ich dachte schon fast, ich sei die einzige im Twitterversum, die nicht von desem ganzen HSP Mist angefixt wurde. Plötzlich sind ja alle hochsensibel. Weil sie beispielsweise kein Gras an den Füßen mögen oder sich in lauter Umgebung unwohl fühlen.

    Ist eigentlich keinem von den Onlinediagnostizierten aufgefallen, wie suggestiv diese Fragen eigentlich sind? „Von intensiven Außenreizen (grelles Licht, starke Gerüche, grober Stoff auf der Haut, nahe Polizei- oder Rettungssirenen, etc.) fühle ich mich leicht überwältigt“. Ich denke mindestens 9,8 von 10 Befragten würde bei so vielen Beispielen mindestens eine Situation einfallen, die man hier mit Ja beantworten könnte. Abgesehen davon, wer hört schon gerne Sirenengeheul, das in den Ohren weh tut oder guckt gern in die grelle Sonne?

    Außerdem bauchpinseln die Fragenkataloge einen auch ganz schön bzw suggerieren schon im Vorhinein, dass man wirklich richtig was Besonderes ist, wenn man hier besteht: „Haben Sie ein besonders vielschichtiges Innenleben?“ Ja mei, der würde hier nicht stolz und aus voller Überzeugung mit JA! antworten, sondern mit „Nein, ich bin ein innerlich total abgesumpfter Klotz“?

    Was bei diesem ganzen neumodischen „Ich bin ja soo sensibel“ Gewäsch offenbar komplett vergessen wird: Menschen SIND emotional. Menschen SIND empathisch. Menschen HABEN Empfindungen, manchmal sogar extreme. Das qualifiziert niemanden dazu, etwas „Besonderes“ zu sein oder zu haben und berechtigt Eltern nicht dazu, von Lehrern zu erwarten, ihren Kindern eine BESONDERE Behandlung zukommen zu lassen.

    Den Hochbegabtentrend hab ich leider verpasst, damals hatte ich noch keine Kinder. Aber hinter dem ganzen HSP Quatsch steht für mich vor allem der aus einer vollkommen übersteigerten Kinderanalyse entsrpungene Wunsch, als Besonders wahrgenommen und auch entsprechend behandelt zu werden. Es wird ja gerne betont, HS sei keine Krankheit und auch keine Störung, es ist eben einfach eine Besonderheit. Gerne wird dann auch erwähnt, die meisten HSP seien hochbegabt. Das verlangt automatisch mehr von anderen und weniger von einem selber als Mutter (man muss ja bloß viel reflektieren und den Kindern einen strukturierten und möglichst abwechslungsarmen Alltag bieten). Gefordert sind hier Erzieher, Lehrer und Mitmenschen. Die sollen doch bitte alle Rücksicht nehmen, weil Justin-Jeremy halt hochsensibel ist und Matthew-Jason sowieso und daher nicht ertragen, wenn man sich allzu direkt an sie wendet. Statt einem eventuell einfach (über-)ängstlichen Kind ein wenig Mut und Selbstvertrauen mitzugeben, wird es als vermeintlich hochsensibel so gut es geht gepampert und abgeschirmt von der bösen Welt, und als Mutter hat man somit offenbar noch das schöne Gefühl, sich zum einen absolut wissenschaftlich damit auseinander zu setzen und zudem alles richtig gemacht zu haben, indem anderen die Verantwortung zugeschoben wird.

    Zu guter Letzt: Ich bin froh, dass sowas in meiner Kindheit noch nicht Mode war. Ich hatte auch die ein oder andere Marotte, ich mochte zB das gefühl von Fleisch im Mund nicht und habe jegliche Fleischgeichte bis etwas zur Grundschule absolut verweigert. Das war halt eine Marotte, man hat es sein lassen, und ich bin trotzdem groß und stark geworden. Heute wäre das sofort eindeutiges HSK Kriterium, und wer weiß, was dieses ganze Überanalysieren und entsprechende Handeln aus mir gemacht hätte.

  16. Chris sagt:

    Schöner Beitrag und am meisten freue ich mich, dass der Kater den Test auch bestanden hat.
    (Und ganz tief drinnen freue ich mich auch schon auf die Kommentare der HSP-(wichtige Abkürzung!)Mütter mit hochsensiblen Kindern!

  17. sandra malik sagt:

    als mutter eines adhs-kindes bin ich echt froh, dass die hochsensiblen jetzt dran sind. ich weiss, das ist keine sehr sensible einstellung meinerseits. jetzt diskutiert nämlich niemand mehr, ob adhs eine modediagnose ist. das wird akzeptiert. jetzt werden die hochsensiblen „mit eiern“ beworfen. es tut mir für die betroffenen leid. aber ehrlich, wir adhs-betroffenen haben lange genug den kopf hingehalten.

  18. Katharina sagt:

    @sandra malik: Im Gegensatz zu ADHS oder Störungen aus dem Autismusspektrum ist Hochsensibel keine psychiatrische bzw. neurologische Diagnose.
    /Wenn/ ein Kind aufgrund einer Wahrnehmungsstörung im Alltag eingeschränkt ist oder psychosozialen Beeiträchtigungen ausgesetzt ist, dann gehört es durch Fachleute sauber abgeklärt und zu seinem individuellen Beeinträchtigungsschema passend therapiert und unterstützt (und seine Familie).
    Mit erfundenen Pseudodiagnosen und Selbstdiagnosen ist keinem geholfen!

  19. vierachtel sagt:

    Wunderbar. Das ist beinah so ärgerlich wie die dämlichen Selbst-Psychotests in den Frauen -Blättchen. Bleibt die Frage, welchen Zweck die „Eltern“ damit verfolgt. Sollen jetzt alle hochsensiblen Eltern samt hochsensibler Kinder und Köter der Zeitschrift danken? Danken für diese Erkenntnis und zweifelhaften Diagnose? Und läuft man mit der zum Kinderpsychologen? … Es ist ärgerlich, auf welche Felder sich diese Krautblätter wagen.
    Danke nochmal für den Selbsttest und den erhellenden Beitrag!

  20. josali sagt:

    „Und warum sind so viele Mütter auf der Suche nach Erklärungen für das Verhalten/die Eigenarten ihrer Kinder, statt diese zu akzeptieren und einfach mit ihren Kindern glücklich zu leben?“

    Frau..äh..Mutti, für diesen Satz bekommen Sie von mir sämtliche verfügbaren Daumen (und Zehen gleich mit ;)) hochgereckt.

    LG
    Tanja

  21. frau bruellen sagt:

    Was nathalie und katharina sagen. Genau das.

  22. mama06 sagt:

    Danke, sie haben genau das wieder gegeben was ich die Tage gedacht habe als ich über den Test gestolpert bin. Übrigens bin ich und meine Jungs auch hoch-sensibel….
    Echt ich finde so Test ja eh fragwürdig, aber manchmal braucht man was um sich dran fest zu halten, gell.
    Liebe Wochendgrüße
    Steffi

  23. Hille sagt:

    Zum einen muss ich sagen, was erwartet man von dieser Zeitung…..
    zum anderen ist es so, dass gerade die Eltern von „nicht ganz so unkomplizierten“ Kindern oft gerade davon besessen sind, ihren Kindern einen Stempel auf- drücken zu können, der das Verhalten in irgendeiner Form erklärt. Nach dem Motto: Chantalle ist eben hochbegabt/ hochsensibel etc. das erklärt alles…und gut damit. Und dann wird therapiert und gemacht bis das Kind selbst nicht mehr weiß, was los ist.
    Ich plädiere da für viel mehr Gelassenheit!!

  24. Mari sagt:

    Ach soooo !!!
    Der Sohn ist hochsensibel !!!
    Das erklärt natürlich EINIGES…
    Hätte mir schon längst auffallen müssen:
    Er findet gekochtes Gemüse zu matschig,
    Staubsaugerlärm nervtötend und
    und als Winnetou starb, hat er sich
    heimlich, still und leise die Tränen aus
    den Augenwinkeln gewischt !
    Das sagt doch wohl ALLES !
    Vielen Dank,
    ;0)
    Mari

  25. Sven sagt:

    guter Artikel. Leserfang ist für Magazine ja immer wichtiger heute ;-) wir als Eltern könnten ja versucht sein, unseren Kindern etwas vorzuenthalten, ihnen nicht alles zu bieten, was die Welt bereithält.
    Worüber unterhalte ich mich jetzt bloß auf dem Spielplatz ;-) ?!

  26. rhoio sagt:

    Der Test hat den falschen Titel. Nach Lektüre der Fragen wird klar: richtig muss es heißen: „Ist ihr Kind ein Kind?“

  27. Christian sagt:

    Ich finde es schade, wenn Ihr alle nicht differenziert zwischen den Menschen, die verzweifelt zu Hause sitzen, von überlasteten Kindergärtnerinnen und kassenabrechnungslimitierten Ärzten alleine gelassen, und denen auch so ein Test eine Richtung oder eine Hilfe aufzeigen kann – und auf der anderen Seite denjenigen, die gelangweilt zu Hause sitzen und ein Thema brauchen, um beim nächsten Kaffeekränzchen mit der neusten hippen Annormalität des Nachwuchses zu punkten.
    Nur weil es die zweite Gruppe (bestimmt auch viel zu oft) gibt finde ich es traurig, all das, was sie sich aneignet um ihre Langeweile zu überdecken vollkommen anzuzweifeln.

  28. Katarina sagt:

    Ich bin hochsensibel. Der Kater ist der König der Hochsensibilität. Aber Madame Katz ist dem Test nach ein gefühlloses Monster. Sie ist taub, gilt das als Entschuldigung?
    Aber mal ernsthaft, ich hab mich über das Thema schon länger geärgert und diesen Text daher sehr gerne gelesen. Hat offene Türen eingerannt. Aber man freut sich ja immer über Texte, die die eigenen (Vor-)Urteile bestätigen ;)

  29. Kirsten sagt:

    Danke – herrlich auf den Punkt getroffen.

    Habe einiges Mal herzhaft lachen müssen – und daran fehlt es vielleicht einigen Personen, die alles auf die Spitze treiben und therapieren müssen.

    Wie sagte mein Orthopäde mal: Ich habe noch keinen Patienten gehabt, bei dem etwas nicht schief war.

    Wenn man sucht, findet man immer…

    LG, Kirsten

  30. Schäfchen sagt:

    @ Hille und Stella:

    Und dann gibt es noch die anderen Eltern, die sich anhören müssen, wie schlimm ihr Kind sei und das man da was machen müsse. Die in der Verzweiflung, weil die Pädagogen Lösungen von einem haben wollen statt selbst welche zu suchen, alles Mögliche (ver)suchen und leider viel Mist finden. Weil die von den Lehrern gestellte Diagnose „Autismus“ leider leider nicht von der zuständigen Fachärztin bestätigt werden konnte. Weil DANN hätte man ja was machen können … Und ja, laut Test sind sowohl ich als auch das Kind HSP. Aber laut Testung bei der Kinderpsychologin ist das Kind weder ADHS noch sonstwie schlimm. Und hat auch „nur“ einen überdurchschnittlichen IQ. Und ein bisschen wenig Empathie. Ich hätte dem Kind das alles gern gespart, wenn seitens der Schule nicht so ein Drama gewesen wäre. Schon in der Grundschule, jetzt auf der weiterführenden.

    Ja, auch ich wünsche mir mehr Gelassenheit. Seitens der anderen Menschen. Ich wünsche mir in mancher Nacht voll Tränen ein Kind ohne Stempel. Dessen Individualität einfach akzeptiert werden kann ohne das man erwartet, das es sich verbiegt um in die Schubladen zu passen.