Nach einem ausgiebigen Frühstück schleppten wir uns äußerst träge durch den Tag und als wir uns um 12 Uhr mittags bäuchlings auf dem Bett, kurz vor´m Einschlafen, wiederfanden … traten wir den Schweinehund in die Ecke. Das Wetter war drückend, grau, kurz vor Gewitter, aber manchmal muss man eben trotzdem raus, weil man sonst ein klitzekleines Bißchen doof im Kopf wird.

Ursprünglich wollten wir nur rasch zum Wartturm laufen, weil ich den sehr mag und weil ich ihn als Lieblingsplatz in meiner Heimatliebe-Rubrik vorstellen wollte. Als wir aber so beim Laufen waren und ein frischer, kühler Wind aufkam, marschierten wir direkt noch weiter zum Schlossturm. Eine hübsche 6km-Tour, mit sanften An- und Abstiegen, wunderbaren Ausblicken und jede Menge Wingert drumherum. Ich zeig´s Ihnen mal.

Start waren die Himmelstreppscher. Für neue Leser: die Himmelstreppscher führen ziemlich steil nach oben, früher und heute der schnellste Weg von ganz unten nach oben in den Weinberg. Die Stufen sind sehr unregelmäßig, was den Auftsieg ziemlich anstrengend macht. Angeblich wurden die Treppscher (=Treppchen) sogar schon in Begleitung von Kindern in Kinderwagen bezwungen, aber das war garantiert kein Spaß. Bei starkem Regen oder Eis/Schnee würde ich ihnen auch eher fernbleiben.

Leider, leider ist dies nur ein eher schlechtes Handybild. Die Himmeltreppscher beginnen über dem Wasserauffangbecken, der Einstieg ist rechts vom Becken.

Weiterwandern? Weiterlesen!

Beim Hochsteigen quert man einen Feldweg und auch wenn es sehr verlockend ist, diesem zu folgen: es geht weiter nach oben, das erste Drittel ist schon geschafft! Wenn man ganz oben ist, kann man auf einem Bänkchen verschnaufen oder direkt nach rechts dem Weg folgen. Und den Blick ein bißchen schweifen lassen, bei klarem Wetter bis zum Odenwald.

Um die Ecke herum und schon taucht das erste Ziel auf: der Wartturm. Gerne würde ich Ihnen jetzt eine tolle Geschichte zum Wartturm erzählen, doch leider weiß ich keine. Ich will aber demnächst beim Niersteiner Geschichtsverein nachfragen, ob es da nicht doch irgendetwas womöglich Tragisches, Romantisches gibt. Der Wartturm war im 12.Jahrhundert ein Signalturm und gehörte zur Landskrone, der Burg in Oppenheim. (die zeige ich Ihnen auch irgenwann. Versprochen.)

Der Weg führt zu einer Kreuzung, die nur gequert werden muss. Und dann steht man quasi schon vor dem Wartturm. Um den Turm herum stehen einige Tische und Bänke, ein mitgebrachtes Picknick kann dort prima verzehrt werden. Der Wartturm kann erklommen werden, allerdings muss man sich dann vorher bei der Stadtverwaltung den Schlüssel holen. (und ich glaube, man muss auch eine Kaution hinterlegen)

Der Blick über den Rhein …

und der ins Hinterland.

Hinter dem Wartturm geht es links auf einem unbefestigtem Grasweg los in Richtung Schwabsburg zum Schlossturm. Schwabsburg ist ein Ortsteil von Nierstein, eine richtig innige Beziehung herrscht zwischen den beiden nicht. So nennen die Niersteiner den Schlossturm auch Rabenturm, was den Schwabsburgern nicht so recht gefällt.

Dem Grasweg folgen, bis er endet :) Danach geht es nach links auf diesem schön gepflasterten Weg weiter. Wenn Sie im Herbst unterwegs sind: Trauben naschen ist erlaubt, aber verletzten Sie die Rebstöcke nicht. Benutzen Sie eine Schere oder eine Messer, um Trauben von den Stöcken zu schneiden.

Der gepflasterte Weg führt zu diesem Punkt, danach geht es nach rechts weiter …

und nach ein paar Minuten kann man den Schlossturm in der Ferne sehen.

Mäßig hilfreich zur Orientierung sind übrigens diese Steine. Wir standen heute rätselnd davor, weil einer (nicht dieser!) ahnungslose Wanderer gnadenlos in die Irre geschickt hätte.

Sich hier noch zu verirren ist aber wirklich schwer, denn alle Wege führen jetzt zum Schlossturm.

Wichtige Touristeninformation am Rande: Vor dem Schlossturm gibt es Toiletten. Es sind zwar eklige Chemieklos, aber immerhin.

Der Schlossturm ist der Rest der Burg Schwabsburg, mehr ist leider nicht erhalten. Wikipedia sagt:“Die Schwabsburg wurde vermutlich um 1210 gegründet und fand ihre erste urkundliche Erwähnung 1257 in einer Königsurkunde von Richard von Cornwall als Stützpunkt der staufischen Herrschaft am Rhein.“ Im dreißigjährigen Krieg wurde sie zerstört.

Viele Turmfalken und Krähen nisten in den Schießscharten und vermutlich heißt der Schlossturm deshalb auch Rabenturm, weil große Schwärme Krähen (vielleicht früher Raben?) um ihn herum kreisen. Prima ist, dass man auf den Turm drauf darf.

Prima jedenfalls für Menschen, die sich nicht vor komischen Metalltreppen in ziemlicher Finsternis gruseln. Zwischen den Treppenstufen sind nämlich Lücken, das mag ich gar nicht. Und die ganze Konstruktion ist ziemlich eng, so dass das wirklich spaßig ist, wenn Gegenverkehr kommt.

Aber für Sie habe ich mich hochgetraut. Hier sehen Sie mich mit für mich wichtigem Sicherheitsabstand zum Abgrund an der einzigen Ausweichfläche stehen. Der beste Vater meiner Kinder beugte sich übrigens über dieses Absperrgitter nach unten und rief nach mir, weil er mir ein Wespennest zeigen wollte, das da irgendwo hängt. Ich konnte nicht mal hinsehen, wie er sich dort hinüber beugte.

Ganz oben ist es aber toll! Das macht mir dann auch gar nichts mehr aus, der Blick ringsherum ist wunderbar! Ich zeigen Ihnen nur diese eine Richtung, damit Sie den Rückweg wiederfinden: links oben im Wingert sehen Sie eine Hütte. Vor dieser Hütte gabelt sich der Weg, der vom Schlossturm wegführt. Der untere Weg, an der Sängereiche (Hinweisschild!) vorbei ist der richtige.

Diesem Weg folgen Sie immer weiter, bis Sie rechts eine sehr große Kastanie mit Tisch und Bänken darunter sehen. Ab da folgen Sie dem gepflasterten Weg, der „großen Steig“.

Die große Steig führt gleichmäßig nach unten. An dieser Abzweigung, fast ganz unten, wenden Sie sich nach links und bleiben immer auf diesem Weg, bis Sie wieder am Einstieg zu den Himmelstreppschern stehen.

Ich finde, das ist ein schöner Rundweg und auch wenn sich diese Beschreibung vielleicht kompliziert liest: verlaufen kann man sich in den Wingerten nicht, wenn man grob die Richtung kennt. Außerdem sind immer Menschen unterwegs, die man notfalls fragen kann. Für Sie heute auch getestet: der Weg lässt sich sehr gut barfuß laufen. Diese Information verdanken Sie der dicken Blase an meiner Ferse.

Für Kinder ist dieser Weg wahrscheinlich im Herbst am Spannensten. Wenn man Trauben naschen kann oder die Chance besteht, einen Vollernter bei der Arbeit zu sehen. (dafür muss man aber früh unterwegs sein!) Es gibt jede Menge Aussicht, nicht nur über den Rhein, sondern auch sehr schön ins rheinhessische Hinterland. Wenn man wirklich auf jeder Bank am Wegesrand rasten will, ist man auch gut einen ganzen Tag unterwegs, sonst ist dieser Rundweg doch eher ein verlängerter Spaziergang.

Wichtig: Jedes Jahr am 1. Mai findet in Nierstein die „Drei-Türme-Wanderung“ statt (es gibt nämlich noch einen dritten Tum, aber den zeige ich ein anderes Mal.). Der Weg, den ich Ihnen hier beschrieben habe, ist NICHT der offizielle Weg, der bei dieser Wanderung ausgeschildert ist! Diesem offiziellen Weg können Sie natürlich auch folgen, er führt allerdings nicht über Gras- und Pflasterwege und … ist damit ein bißchen langweilig.

Wer auf Nummer sicher gehen will: die Wanderroute auf der Karte.

5 Kommentare zu “Nierstein – Heimatliebe. (Teil 2: Die zwei Türme)”

  1. Ines sagt:

    So eine schöne Gegend… so ein schöner Wanderweg…. die Treppenkonstruktion hätte ich mir für nix angetan… meine Hochachtung.
    Vielen Dank… ich war dabei… ;-)
    Fröhliche Grüße
    Ines

  2. emmy sagt:

    Danke für die schöne Beschreibung. Wenn es uns am Tag der offenen Gärten das nächste Mal nach Nierstein verschlägt, wird diese kleine Wanderung gemacht!

  3. Little B. sagt:

    Oh, das klingt gut. Meinen Sie, dass die Tour auch mit einem 5-Jährigen zu machen ist?

  4. Frau Mutti sagt:

    Wenn der 5jährige es gewohnt ist, durch die Gegend zu marschieren, dann auf jeden Fall!

  5. Sven sagt:

    *seufz* … ;)