Der vorweg fest eingeplante Ruhetag erweist sich als echter Schatz, denn meine Knie schimpfen beide mit mir. Das linke begann mit leichtem Ziehen an der Außenseite und endete mit „ich kann nicht mehr gebeugt werden, wenn es bergab geht“. Doofe Sache, wenn lange Strecken über große Steine bergab gestiegen werden müssen. Ich stieg hinunter wie ein Kleinkind, das Treppensteigen lernt, das (wehe) Bein gestreckt vor, das andere die Steigung abfangend hinterher. Nun ist das abfangende Bein leider das, dessen Knie seine lange Geschichte hat und auf den letzten Metern nach unten zum Youth Hostel machte sich dann auch dieses Knie bemerkbar. Da mir nur zwei Knie zur Verfügung stehen, wird heute eben geschont. Außerdem gibt es jede Menge Ibuprofen, denn kaputt ist ja nix, nur überlastet. Der Orthopäde meines Vetrauens empfiehlt dann gerne moderate Bewegung in Kombination mit schmerz- und entzündungshemmenden Mitteln. Vielleicht hilft auch ein Bier zum Abendessen, man wird sehen.

Moderate Bewegung verschaffte ich mir heute beim Besuch des Visitor Centers von Glendalough, in dem wir Einiges über die Klosteranlage, die der heilige Kevin im 6. Jahrhundert gründete, erfuhren. Kevin war ein großer Tierfreund, der mit ausgebreiteten Armen so lange in der Gegend herumstand, bis eine Amsel ein Ei in seine Hand legte, es ausbrütete und den Nachwuchs vermutlich auch groß zog. Kevin war offensichtlich also auch sehr geduldig und hatte gutes Personal, das für sein leibliches Wohl sorgte und eine ganze Klosteranlage baute, die heute noch so prima dasteht, dass ich meinen Hut vor den Maurern der damaligen Zeit ziehe. Ich bin sehr sicher, dass die Fertighäuser unserer Zeit das nächste Jahrtausend nicht erleben.


Der Rundturm ist über 30 Meter hoch, sein Eingang liegt drei Meter über der Erde. Das war keine Fehlplanung des Architekten, sondern volle Absicht. Wurde das Dorf von Wikingern überfallen, konnten alle Schätze des Dorfes in den Turm geschafft werden. Die Leiter wurde eingezogen und Bücher, Schriften und Kirchenschätze konnten weder geraubt noch verbrannt werden. Und auch hier wieder meine Hochachtung vor den Erbauern! Jeder einzelne Stein wurde in Form gebracht und je höher der Turm wurde, desto höher musste jeder einzelne Stein über Holzleitern und – gerüste geschleppt werden. Die Faustregel der Architekten damals war übrigens: Umfang = halbe Höhe.


Nicht weniger beeindruckend finde ich diese Kirche, die so aussieht, als sei sie aus einem großen Stein erodiert. Erst wenn man vor den Mauern dieser (wirklich winzigen) Kirche steht, sieht man, wie sauber die Steine aufeinander gesetzt und verfugt sind. Wunderschön!

Sie sehen, ich kann mich ein bißchen für alte Gemäuer begeistern! Genauso für die uralten Grabsteine, deren Inschriften gerade noch so zu entziffern sind. So faszinierend. (Ich lief schon als Kind wahnsinnig gerne über Friedhöfe und betrachtete die „Gärten“ der Verstorbenen.)

Als der am Morgen vermisste Regen endlich doch kam, gab es Kaffee und Scones für uns im Café. Und nachdem wir beschlossen, dass wir das hochnotpeinliche, aber maximal knieschonende Programm, eine Kutschfahrt zu den Seen, wählen würden, kam wie zur Bestätigung unserer Entscheidung die Sonne heraus.

 Als unser Kutscher uns fragte, ob uns diese Fahrt an unserer Hochzeit erinnere, mussten wir leider verneinen. Wir würden diese Fahrt somit gerade nachholen, erklärten wir ihm, woraufhin er uns umgehend 5,-€ des Fahrpreisen erließ. Diese bekam er als Trinkgeld wieder zurück und wir genossen unsere Fahrt wirklich sehr.


Nach wie vor begeistert mich die Gegend und die unzähligen Grüntöne hier. Ich bin froh, dass wir hier noch ein bißchen wandern dürfen! Morgen geht es weiter, die nächste Etappe ruft. Der beste Vater meiner Kinder hat Angst einzurosten, wenn er sich zu viel schont, deswegen ist zu einer Wanderung um die Seen aufgebrochen. Ich nutze die Zeit zum Bloggen, Duschen und Knie schonen. Auch fein.

4 Kommentare zu “Tag 6 in Irland, Glendalough”

  1. Claudia sagt:

    Oh, jetzt werden noch mehr Erinnerungen wach. Bei der Jugendfreizeit mit zwei Bullis quer durchs Land waren wir auch in Glendalough.
    Jetzt scheint es ja mit dem Wetter auch besser zu werden…
    LG Claudia

  2. Sunni sagt:

    Immer wieder wunderschön. Und ach…das GRÜN! Übrigens hilft in solchen Situationen den Knien auch nachts eine kleine Handttuchrolle unter zu legen und am Abend von UNTEN zu kühlen, nur nicht zu lange. Aber sicher renne ich damit offene Türen ein. Alles Liebe, ich laufe theoretisch mit! :-)

  3. Herkimer sagt:

    Wie schön!!

    Weiter guten Weg :)

  4. Andrea sagt:

    mit einem Tapeband kannst deine Knie auch toll entlasten!