Zwei Stunden

23. Februar 2010

in der Bibliothek der Schule.

Zwei Stunden Sitzung des Schulelternbeirates

Zwei Stunden Informationen, die so ganz anders klingen als solche zum Beispiel.

Die SV und der SEB formulieren Pressemitteilungen. Wir würdigen die Arbeit und den Einsatz eines Lehrers und hoffen, dass die wildgewordene Meute von Pressemenschen und Politikern einen Schritt zurück tritt und einen wichtigen Grundsatz nicht aus den Augen verliert: dubio pro reo.

„Der Schulelternbeirat des Gymnasiums zu St. Katharinen in Oppenheim spricht sich
ausdrücklich und einstimmig für einen Verbleib des Pädagogen Peter Grosz an unserem
Gymnasium aus.
Er hat sich durch seine engagierte, fachlich überragende und künstlerisch kreative
Tätigkeit über 25 Jahre an unserem Gymnasium ausgezeichnet. Wir wollen, dass auch in
Zukunft unsere Kinder wie bisher durch Herrn Peter Grosz zur freien Meinungsäusserung
und besonders zur Zivilcourage erzogen werden.
Statt einer Vorverurteilung wünschen wir uns eine faire Aufarbeitung der Vergangenheit
unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse in Rumänien vor 35 Jahren.

Der Schulelternbeirat des
Gymnasiums zu St. Katharinen, Oppenheim.“

Mehr kann ich heute abend nicht schreiben, ich bin müde.  So ganz und gar. Und froh, in diesem Schulelternbeirat mitarbeiten zu dürfen.

10 Kommentare zu “Zwei Stunden”

  1. peelia sagt:

    Da fehlen mir die Worte.

  2. fraumutti sagt:

    peelia, nur um evtl. Missverständisse auszuräumen: ich bin Mitglied des SEB und trage diese Entscheidung.
    Ich habe den Artikel jetzt noch ergänzt, damit das deutlich wird.

  3. Fiona sagt:

    ui sicher keine leichte entscheidung gewesen
    und sicher nicht die letzte sitzung wegen der sache wie mir scheint
    ich wünsche ihnen eine gute nacht frau mutti

  4. carmen sagt:

    Gibt es wirklich eine 2. Chance im Leben? Kann man sich wirklich ändern? Was sagen die Opfer?

  5. widerspenst sagt:

    Nicht jeder, der unter einem repressiven Regime keinen Widerstand geleistet hat, ist ein schlechter Mensch. Die Schule und alle ihre Vertreter haben meine Hochachtung.

  6. Tine sagt:

    … und immer wieder diese Arroganz, zu behaupten, man hätte es damals besser gewusst/gemacht/ allem widerstanden, als die, die es erlebt haben.

    Ich finde es sehr lobenswert und eigentlich einfach großartig, dass Sie sich als Elternbeirat so detailliert und sachlich mit der ganzen Sache auseinandersetzen und nicht Pauschalisierung und Massenverurteilung folgen. Respekt!

  7. Tobias sagt:

    Der Brief klingt doch recht ähnlich jenen, die es in den 90ern in Ostdeutschland bei ähnlich gelagerten Fällen gab: Hier wird eine Tätigkeit gelobt, die mit der angegriffenen überhaupt nichts zu tun hat. In der Schule ist G. ja nicht als Securitate-Spitzel aufgetreten, hier hat er vermutlich wirklich niemanden geschadet. A
    ber hat er vielleicht mal sein früheres Tun von sich aus thematisiert?
    G. jetzt „in die Wüste zu schicken“, wäre eine vertane Chance. Gerade an einer Schule sollte man derartige Dinge thematisieren, offen diskutieren und auch die Betroffenen hören. Die Schüler sollen und müssen daran intensiv beteiligt werden, aber man sollte sie damit nicht allein lassen. Dafür gibt es bewährte Formen, die man in Projektwochen mit Schülern sehr erfolgreich anwenden kann (z.B. hier: http://ev-akademie-thueringen.de/Akademie/projekte/projekt_detail.php?intID=21). Dann erst wird nämlich deutlich, daß es hier mehrere Wahrheiten gibt, daß es auch damals in Rumänien Wahlmöglichkeiten gab, daß nicht jeder Spitzel werden mußte, mancher aber dafür für sich auch „seine guten Gründe“ hatte.
    Nur: Heute mit absolutem Lob oder absolutem Tadel die eigentliche Geschichte und das, was wir und vor allem unsere Kinder heute daraus lernen können, zu verkleistern, führt in die falsche Richtung. Der Brief der Elternvertretung ist leider ein Beispiel der einen Seite dafür.

  8. fraumutti sagt:

    Tobias, dieser Brief ist selbstverständlcih nicht das Ende einer Diskussion. Es gibt eine sehr ausführliche Stellungnahme von Herrn Grosz, die sehr deutliche Einblicke gibt.

    Als SEB bleibt uns „nur“ die Möglichkeit, die aktuelle Tätigkeit hervorzuheben und unsere Solidarität zu bekunden, wenn Medien und/oder Politiker zum Beispiel von Suspendierung schreiben.

    Ob man die Wahl hatte … können wir, die wir nicht in einem totalitären Staat leben, dies wissen?

  9. Tobias sagt:

    Das wäre ja gerade eine Aufgabe für Schüler, herauszufinden, ob es eine auf das eigene Verhalten bezogene Wahlmöglichkeit in einem totalitären System gab oder nicht. Und natürlich auch, wo heute vermeintliche oder tatsächliche Zwänge für Anpassung sorgen, welche Mechanismen es dafür gibt und wie man denen begegnen kann und sollte.
    Und wenn man nicht ins weit entfernte Rumänien gehen will, kann man sich eben auch (ost-)deutsche Geschichte anschauen.
    Aber eigentlich sind hier die Verhältnisse ja gar nicht so schlecht: Ernest Wichner, William Totok oder Richard Wagner sind ja nicht aus der Welt, sie leben alle drei in Berlin und wären gewiß für eine Zeitzeugenbefragung ansprechbar, erst recht, wenn diese von Schülern geführt würde.
    Nebenbei: Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe die feste Überzeugung, daß es auch in jeder Diktatur Wahlmöglichkeiten für das eigene Verhalten gegeben hat, man muß natürlich gelegentlich einen Preis dafür bezahlen. Aber ich bin ebenfalls der festen Überzeugung, daß Geschichte nicht monokausal erklärbar ist, daß man sie nicht durch nachträglich moralisierendes Schwarz-weiß-Malen verstehen wird und daß es gerade für unser Verhalten heute lohnt, sich diffenziert und intensiv mit Einzelfällen auseinander zu setzen – daran lernen wir mehr über Diktaturgeschichte als durch das Durchackern von Lehrbüchern. Nutzen wir die Gelegenheit, solange die Zeitzeugen noch reden können.

  10. Tine sagt:

    Ich möchte hier beileibe keine Geschichtsdiskussion anzetteln – aber spätestens, wenn die Wahlmöglichkeiten z.B. die eigene Familie, die eigenen Kinder betreffen, wird wohl niemand mehr so leicht sagen können, dass er den harten Weg wähle, bei dem ihm Frau/Mann und Kinder genommen werden. Oder die eigenen, alten und schwachen Eltern drangsaliert werden. Es geht bei staatlichen Repressionen nicht immer nur um das eigene Leben. Diktaturen wissen sehr wohl, wo sie beim einzelnen ansetzen müssen, um ihn zu brechen.

    Ich weiß nicht, wie es bei Herrn G. war, aber man könnte o.g. zumindest mal bedenken, bevor man tönt, dass man in einer Diktatur ein guter Mensch gewesen wäre.