Küchenphilosophie

25. August 2010

Als ich heute so am Herd stand und meine Kohlrouladen ohne Rouladen brutzelte, glücklich und zufrieden, dank des Hinweises einer Leserin, ich solle doch einfach die ganzen Kohlrouladenzutaten in einen Pott schmeissen, statt mir regelmäßig die Finger an heißen Kohlblättern zu verbrennen, da ließ ich so meinen Blick und meine Gedanken schweifen und dachte: eigentlich ganz schön gut, diese Bloggerei.

Weil neben höchst praktischen Tipps und Rezepten für die Küche, gibt´s eben auch mal Ratschläge oder Trost, Ermunterung und Ermutigung, was zu lachen oder was zum Nachdenken. Ausserdem liegt in meinem Brotkörbchen mein Lieblingsgeschirrhandtuch, dass mir als Überrschungsgeschenk ins Haus flatterte. In meinem aktuell gelesenen Buch markiert ein niedliches Lesezeichen, an welcher Stelle mir das Buch kurz vor dem Einschlafen auf die Nase fiel und meinen täglichen Liter Tee (im Winter) trinke ich aus einer großen roten Tasse, auf der zwar „Mug of Coffee“ steht, aber das schadet ja dem Tee nicht. Wenn ich die Tasse sehe, denke ich an ein paar wunderbare Tage im letzten August, inmitten von Mirabellenbäumen. Am Küchenschrank hängen etliche Postkarten. Ein weiser Spruch von Voltaire und welche mit Anspielungen auf meinen Kaffeekonsum. Die Geburtsanzeige eines kleinen Jungen, der sich seinen Geburtstag mit meinem großen Sohn teilt hängt einträchtig neben einer handgemalten Karten, auf der drei Schafe Richtung Grüne Villa wandern.

Auf dem Boden neben dem Küchenschrank leben in einer großen Box acht Achatschnecken, die ich ohne die Bloggerei niemals in meinem Haus aufgenommen hätte. Genauso wie die Calcaratas in Töchterleins Zimmer. Der dicke Martin würde nicht bei uns leben, Matze hätten wir nicht kurz bei uns aufnehmen können. Und ich wüsste nicht, warum Katzen mit ihrer Beute „spielen“.

Auf dem Küchentisch steht eine Kerze. Und auf dem Teller, neben der Kerze liegt ein einfacher Kiesel. Mit einem Fliegenpilz drauf.  Von diesen Fliegenpilzkieseln gibt es noch eine Menge mehr, in verschiedenen Häusern und manche sind noch eingebettet in gruselig-stinkendes Kerzengel.

Im Wohnzimmer hängen und stehen drei Originale aus dem Skizzenblog und ein Bilderrahmen mit einer Vogelspinnenhülle drin. An den Türgriffen der Schränke baumeln Blechherzen und ein gehäkelter Fliegenpilz, in der DVD-Sammlung stehen mindestens drei Filme, die dort nur stehen, weil jemand eine tolle Kritik darüber schrieb. Das Feuerholz liegt in einer Holzkiste, in der man mir den Herbst schenkte. Und auf dem Sofa sitze ich gerne und proste mit blutbildendem Rotwein.

Im Bad wäscht man sich mit Brüllenseife oder badet mit selbstgebrauten Badebomben. Und auf den Handtüchern sind kackende Hunde. Weil die erinnern mich an Berlin und einige wunderbare Tassen Kaffee mit verschiedenen nicht minder wunderbaren Menschen. An der Wand hängt eine kleine, silberne Axt.

Im Kleiderschrank liegen etwa zehn Paar Socken, gestrickte, kuschelige  Socken, die mir Herz und Füße wärmen und ich weiß noch genau wann ich welches Paar zu welcher Gelegenheit bekam. Ich, die ich nicht stricken kann oder will, ehre diese Socken und trage sie, bis sie buchstäblich auseinanderfallen. Und für warme Schultern habe ich ein Tuch und ein Dingsi.

Im Zimmer der Tochter hängt ein Vögelchen aus Blech und immer mal wieder dudelt das Lied von der Maschenka. Im Zimmer des Jüngsten hängt ein Photo auf dem fünf Jungs in Kletterausrüstung zu sehen sind. Mr. Neutrum und ich, erzählt er dazu. Im Zimmer des Großen hängt ein kleines  Geweih an der Wand, eigentlich für mich, aber er hat´s mir abgeschwatzt. Wenn ich es sehe, denke ich an gestrickte Socken und ein gemeinschaftlich geführtes Blog.

Im Nähzimmer … Karten, Briefe, Schnickeldi. Gehäkelte Beutelchen, geschnitzte Radiergummis, ein Kuhhorn, ein Kuhzahn, ein Umschlag voll altem Schmuck zum Weiterverarbeiten. Unzählige Stickgarnröllchen, Webbänder und etwa zwei Drittel meiner Stickdateien, wahrscheinlich hätte ich diese ganze Näherei/Stickerei/Rumwurschtelei ohne das Bloggen und das Lesen in anderen Blogs erst gar nicht angefangen.

Draußen im Garten wuchern Walderdbeeren, die mal als kleine zerdrückte Pflänzchen in einem Umschlag bei mir ankamen. Wunderblumen haben sich ausgesät und erinnern mich an einen Weltretter, der doch kein Feuerwehrmann ist und die Gartenflüsterin. Ein silbernes Pöttchen hängt am Holzschuppen, die Blümchen die mal drin waren habe ich zu Tode gepflegt, aber das Pöttchen bleibt. Eine Ente aus Wurzelholz bewacht einen großen, blauen Blumentopf in dem es seit Mai lila blüht und ein Pappmachévogel zaubert auch im Winter ein bißchen Farbe ins Gestrüpp. Ein Feigenbäumchen hat nicht überlebt, aber Anleitungen für ein Hochbeet harren ihrer Verwirklichung. Ein kleines Patchworkdeckchen versteckt genau den grässlichen Plastiktisch in der Schattenecke und die Seerose in der alten Wanne lässt mich sowieso von links nach rechts grinsen.

Das ganze Haus, der ganze Garten, überall und jederzeit werde ich an Menschen erinnert, die ich teils nur virtuell kenne oder nur einmal getroffen habe oder höchst selten sehe. Aber es ist ein bißchen so, wie mit Omas Kuchenrezept oder dem Lieblingskuscheltier aus der eigenen Kindheit, es lassen sich Geschichten erzählen. Und so manches Rezept kommt immer wieder zum Einsatz, weil gebrannte Mandeln zum Beispiel, sind verflixt teuer, dabei aber so leicht zu machen, genauso wie gesunde Trinkjoghurts, die Oma Eis immer wieder gerne abfüllt und verschenkt.

Der nicht allzu alltägliche Begriff „Axtmörder“  hat sich etabliert, wenn es passt, wird ge“schumschei“t und manche Menschen werden nie ihren Namen verlieren, auch wenn es das Blog längst nicht mehr gibt.

Ich kann hier gar nicht alles aufzählen, weil der Text a) zu lang und b) zu schmachtfetzig würde, deshalb ende ich hier und werfe einfach mal ein großes DANKE in die Runde. Nehmen Sie sich gerne ein Stückchen.

23 Kommentare zu “Küchenphilosophie”

  1. Earny from Earncastle sagt:

    wow. beeindruckend viele Spuren der virtuellen Welt zeichnen sich in deinem Haus und Garten bereits ab! das ist richtig schön. :)

  2. Katha sagt:

    :-)

    (Ausnahmsweise bin ich mal sprachlos, weil es so schön ist, was Sie da schreiben, und freue mich quasi still mit ihnen! [aber so ganz ohne Kommentargelaber halte ich es dann doch nicht aus ;-) ])

  3. Seifenfrau sagt:

    …die grüne Villa – ein lebendiges Blogmuseum der persönlichen Art?….(und natürlich viel viel mehr)
    …würde am liebsten gleich zum Kaffeetrinken vorbeikommen und staunen, staunen, staunen….

  4. Jana sagt:

    Ich darf mir zwar kein Stückchen DANKE nehmen, da ich nix dazu beigetragen habe, möchte aber das DANKE etwas auffüllen als stille, sich freuende Leserin dieses herzerfrischenden Blogs.
    Es versüßt mir meinen Tag, wenn ich hier morgens müde brummelnd hineinschaue und mit einem Grinsen im Gesicht den Blog verlasse. In diesem Sinne also liebe Frau…ah…Mutti – DANKE!!!!!

  5. himmelblau sagt:

    Ich nehme mir ein Stückchen.
    (Das hast du sehr, sehr schön geschrieben.)

  6. Daniela sagt:

    Ich nehm ein Stückchen Danke und lege ein großes Stück Bittesehr, gern geschehen! hinzu :-)

    (Ich räumte so vor mich hin und mir fielen ebendiese Axtmörderschilder in die Hand…)

  7. Frische Brise sagt:

    Ach, Frau Mutti, ach…

    Dieser Text ist schon mal ein Tränchen wert. Ein glückliches.

    Bloggen ist toll!

  8. Frau Nilsson sagt:

    Ich find Bloggen auch super! Und wenn ich Ihre Adresse hätte, würden Sie auch mal ein Kärtchen kriegen, denn Sie sind ja eine meiner Blogvorbilderinnen :-)
    Wegen Ihnen, Kira, Frau Ami und Frau Antonmann habe ich ja überhaupt erst angefangen zu bloggen…Also gebührt Ihnen das DANKE!

  9. Sunni sagt:

    Ach was für ein schöner Text!Und das von der Frau, die mich immer wieder zum Lachen, Lächeln und Kopfnicken bringt. Weiter so und uns allen viel Freude!Sunni

  10. Silverfuxx sagt:

    Na gut ein kleines Stückchen, auch unverdient :-)

    Frau Nilson, einfach ins Impressum schauen, schon klappt das mit den Kärtchen, Päckchen und Paketen :-)

  11. Frau Brüllen sagt:

    Ach….. (ich müsste mal wieder Seife machen.)

  12. Doreen sagt:

    ich würde gern mal eine Runde durch Ihr Reich drehen
    und mir jede einzelne Geschichte anhören…
    Schön!!!

  13. KaTe sagt:

    Wunderschön geschrieben, bei den Worten weiß man wie viel diese kleinen und großen Dinge Ihnen auch bedeuten!
    Das ist schön :)

  14. eni sagt:

    wunderbar geschrieben….und auf den punkt gebracht!
    ja das bloggen ist schon was ganz besonderes und man kann ganz besondere menschen treffen, von denen man einfach so…ganz besondere dinge bekommt!!!
    wie schön!!!

    liebgruss
    eni

  15. DüneSieben sagt:

    Auch wenn wir beide momentan (leider) irgendwie wenig Berührungspunkte haben, so möchte ich doch ein kurzes „sehr schön“ hierlassen. So als Zeichen, daß ich noch oft hier lese. Hat sich ja etwas ausgedünnt, Bloggersdorf.

  16. Klasse-Kleckse sagt:

    Passt wie die Faust auf’s Auge, oder trifft den Nagel auf den Kopf, oder besser hätte ich es auch nicht schreiben können.

    Vielleicht noch ein kleiner Zusatz, mit den vielen Blogs ist man inzwischen fast überall zuhause. Wenn ich mir eine Karte von Deutschland nehme und ich würde in jeden Ort eine Nadel pieksen, wo ich jemanden „kenne“, das sähe schon lustig bunt aus…auch das freut mich sehr, und gerne würde ich mal von Nadel zu Nadel reisen…quasi, wie Ihr Tässchen;-)

    LG Uschi

  17. Gunilla sagt:

    …welche S(chuh)ockengröße hat Frau…äh…Mutti :-)?
    da könnte ich Sie mit einem weiteren Paar Selbstgestrickten beglücken, weil: durch einen Eingabefehler beim Suchen nach St(r)ickanleitungen bin ich unter dem Stichwort „Sticken“ auf Ihren Blog gestoßen und lese seither begeistert mit (und gelegentlich kommentiere ich hier auch). Und ich wurde dadurch ermutigt, meinen eigenen Blog zu schreiben (bei weitem nicht so ausführlich und so regelmäßig, wie der ihre…naja, ich bin beruflich viel unterwegs und da kommt das Bloggen oft zu kurz).
    Also hier an Sie ein Dankeschön von mir und wie gesagt, Socken könnte ich auch für Sie stricken…
    Gunilla

  18. tanja sagt:

    Hach.

    Hier auch so ein bißchen so. Nihct ganz so viel, aber ja. Das Gefühl kenn ich.

    Und ich freu mich, dass auch ich ein Teil von Ihrer alltäglichen Welt bin, denn Dank aufgespießten Fröschen und einigem mehr, sind sie es auch bei mir.

  19. steffi sagt:

    wie immer wunderschön geschrieben.

  20. tante liesbet sagt:

    Hier noch weniger, aber auch so und ich sage ebenfalls: Gern geschehen!!
    LG Dorsi
    (Jetzt kann ich heute Nacht bestimmt nicht schlafen, weil ich die ganze Zeit überlege, wo meine Axt eigentlich ist… :-)!!)

  21. » Blog Archive » Couchphilosophie sagt:

    […] … äh … Mutti hat in der Küche philosophiert, ich tue es auf der […]

  22. Creeny sagt:

    Ein sehr schöner Text über die Bloggerwelt und ihre Wirkung auf das Leben außerhalb des Netzes :)Auch bei mir findet sich schon einiges, was ich ohne die Bloggerei wohl nie entdeckt hätte.

    Solch wundervolle Blogs wie dieser hier haben mich überhaupt erst auf die Idee gebracht, mein tägliches Chaos schriftlich & bildlich festzuhalten und nun gehört es schon fest zum Tag!

    Liebe Grüße und danke für diesen tollen Text!

  23. Cecie sagt: