Kristalle oder Glas

19. Mai 2010

Zur Feier des Tages schmücken Bergkristalle den faltigen Hals.

Vor 15 Jahren war das Wetter genauso: grau, windig, Nieselregen.
Mein grüngefärbter Cordmantel passte nicht so richtig gut zum Blümchenkleid, aber das Blümchenkleid passte prima über den wachsenden Bauch. Der Standesbeamte sprach von der Liebe, die der Dünger für die Ehepflanze sein sollte oder so ähnlich und ich biss mir auf die Innenseiten meiner Wangen, um nicht zu lachen. Mein Blick schweifte aus dem Fenster, raus auf den Hinterhof, in dem die Mülltonnen standen und dann sagte ich „ja.“
Draußen gab´s Sekt und ein Mineralwasser für die Braut, Reis und hinterher ein Essen im allerengsten Familienkreis.

15 Jahre, irgendwie verflogen!

Kristallene oder Gläserne Hochzeit nennt man diesen Tag. Die Diamantene Hochzeit sollte zu schaffen sein, da bin ich zuversichtlich.

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Ebenfalls zur Feier des Tages trägt Frau … äh … Mutti einen neuen Rock. Vielleicht erinnern Sie sich? Ich fragte, wie das lilagefärbte Stöffchen zu pimpen sei:

(click!)

„Mr. Esceletor“ aus der Stickdatei „Sweet Dark Luminos“ von Cocolin erhältlich bei Kunterbuntdesign passt wie die Faust auf´s Auge. Und weil der Rock immer noch zu langweilig war, bekam er einen Rüschenrand, liebevoll gebastelt aus Glitzerstöffchen (Chiffon?) aus dem Restesack aus dem blaugelben Möbelhaus. Und weil die vielen Nähte am Rocksaum so unsauber aussahen, wurden sie kurzerhand unter einem Samtband versteckt. Das Samtband habe ich mir aus Berlin mitgebracht und ich habe es ein halbe Jahr lang gestreichelt und nicht gewagt, es anzuschneiden. Jetzt aber und gelohnt hat es sich :)

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Und um es ein letztes mal zu schreiben: zur Feier des Tages … gibt es ein eher schnödes Essen, das aber absolute „schmeckt allen“-Garantie hat: Farfalle al Gorgonzola. Fett und schlotzig und eine prima Basis für die hohe Dosis Ibuprofen, die ich mir heute abend zum Schlafen gönnen werde. Und um halb fünf nehme ich Ihre guten Gedanken gerne an, denn dann wird mir der Finger wieder aufgeschnippelt.

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Danke für die vielen Antworten, Anregungen und Aufmunterungen zum letzten Blogartikel. Es bricht manchmal aus mir heraus. Doch an den meisten Tagen würde ich sagen: das läuft und wir kriegen es hin. Resignation  ist nicht mein Stil :)

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Sonne? Hallo?

Der Jüngste,

18. Mai 2010

das Sorgenkind, der Sonnenstrahl.

Ich bin hilflos. Mal wieder. (und Sie werden wahrscheinlich denken: „Schon wieder. Die schreibt ja nur noch über den Jüngsten.“)

Wir sitzen derzeit bei den Hausaufgaben. Mathe. Er knobelt, ich sitze am Rechner und tue beschäftigt. Den Raum verlassen kann ich nicht, denn:

„Mamaaa, ich verstehe Mathe nicht“

Fünfstellige Zahlen teilen durch zweistellige Zahlen. Ich persönlich würde dann zum Taschenrechner greifen, doch dies hilft ihm sicherlich nicht weiter. Ich frage also zurück, ganz pädagogisch Hilfe zur Selbsthilfe gebend:

„Ihr habt doch bestimmt heute in der Schule ganz ähnliche Aufgaben gerechnet? Schau doch mal nach.“

Das Kind blättert sein Heft durch, liest und seufzt:

„Nur die da.“

Ok. Fünfstellige Zahlen durch zweistellige, allerdings stets auf null endend und somit „leicht“ zu rechnen. In den Hausaufgaben muss zum Beispiel durch 18 geteilt werden. Und vorher der von mir verhasste Überschlag. Überschlagsrechnung ist eine teuflische Erfindung, jedenfalls für den Jüngsten, denn der braucht Fakten und kein „ungefähr“. Ungefähr verunsichert ihn.
Ich halte eine längere Rede über das „sich etwas Zutrauen“ und „den Willen, etwas Herauszuknobeln“, ermutige und halte Ärger und Ungeduld (weil „schon wieder muss ich Mathe erklären“) im Zaum. Mein Bemühen führt zu einer merklich zitternden Unterlippe des jüngsten Kindes und die Augen schwimmen verdächtig.
„Auf in den Kampf, du schaffst das!“ (Hurra, Hallalli und stürmt die Aufgabe, Männer!), ich verwandele mich in eine spaßige Animateurin. Und drucke dem Kinde das große Einmaleins aus.

(in der Zwischenzeit schlurft das große Kind mehrmals durch die Küche und murmelt Unverständliches. Ich beschließe unverständliches Murmeln zu ignorieren und schicke ihn an seine Hausaufgaben: „Sofort! Geh! Tu was!“ Mein Bemühen führt hier zu einem ausgesprochen schmollenden Blick unter blonden Strähnen hervor und ein genuscheltes Irgendwas, wahrscheinlich „keiner versteht mich“ oder „immer ich“.)

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Man soll ja Kinder nie vergleichen. Weder mit den eigenen, noch mit fremden. Aber ach. Das ist so schwer. Und am Schwersten ist es, wenn das Kind selbst mit dem Vergleichen beginnt und beängstigend klar interpretiert:
„Der J. will jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich bin zu langsam.“
Daran ist nichts zu rütteln, denn das ist eben so. Gleichaltrige verlieren rasch das Interesse, haben nicht die Geduld zu warten, bis langsames Sprechen und nach Worten suchen zum Gegenpart im Dialog werden. Gemeinsame Interessen werden knapp, zu sehr lebt der Jüngste noch in der kindlichen Welt, spielt Rollenspiele und baut Lego. Die Gleichaltrigen … reden über Mädchen. Und Musik. Oder im Internet Entdecktes. Oder über Bücher, die der Jüngste noch nicht liest. Oder über Sport.
Die Schere klafft immer weiter auseinander und das wird mir bewusst wenn ich erlebe, wie er den Kontakt zu den Jüngeren sucht. Prima mit fünf, sechs, sieben Jahre alten Kindern zurecht kommt und hingebungsvoll mit diesen herumalbert und spielt.

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„Warum ist er anders?“, fragt Töchterlein und ich kann das nicht beantworten, zucke mit den Schultern.
„Macht ja nix.“, sagt sie. Und das ist wohl wahr.

Aber. Weil ein Aber bleibt eben immer.

Grindschnut

18. Mai 2010

heisst das hier umgangssprachlich, wenn ein fettes Herpesbläschen auf der Lippe prangt. Ich hab gleich fünf davon, ein dickes in der Mitte und vier kleine außenrum. Und hoffe, dass dies nun der Abschluß der ollen Erkältung ist, die mir das letzte Wochenende mehr als einmal mehr als lästig war.

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Sollten Sie gerade schwanger sein oder jemanden kennen, der gerade schwanger ist oder womöglich jemanden, der diese merkwürdigen naturidentischen Babypuppen sammelt und es fehlt noch eine hübsche Grundausstattung, dann schauen Sie doch btite mal bei der Klasse-Kleckse-Frau rein. Ein paar Frauen haben in den Mai genäht und heraus kamen dabei zwei Kompletausstattungen für Babies, einmal in blau, einmal in rot. Die zwanzigteiligen Sets werden nun versteigert und der Erlös kommt einem Kindehospiz zugute. Feine Sache, wie ich finde.

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Ich bin nicht gerne eine strenge Mutter, die alles verbietet. Beim guter Cop, böser Cop-Spiel möchte ich lieber der gute Cop sein. Es gibt ein paar Sachen, bei denen ich relativ unnachgiebig bin. Altersfreigaben von Filmen, Serien und Computern zum Beispiel. Da gibt es dann Ausnahmen, wenn ich denke, dass ich sämtliche Augen zudrücken kann. Aber oft bin ich ein Spielverderber.

Derzeit muss ich streng sein. Pädagogische Maßnahmen sind erforderlich. Computer werden abgebaut, Schulhefte kontrolliert. Mein bisheriges Erziehungskonzept, das auf Vertrauen und Eigenverantwortung basiert, verleitet leider auch zum Nichtstun. Vielleicht pubertätstbedingt, vielleicht auch aus Faulheit. Jedenfalls muss ich jetzt anders agieren als ich möchte und das fällt mir unsagbar schwer. Ich muss einen neuen Weg finden, eine neue Gratwanderung zwischen „Zwang und Kontrolle“ und „Selbständigkeit und Spaß“.

Und gerade dachte ich noch: „och jo, das läuft ja bei uns eigentlich alles ganz rund.“

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Töchterlein hat sich am letzten Wochenende einen zauberhaften Klebetattoo-Schmetterling auf die Wange gezaubert. Gestern hat sie die Reste davon unter der Dusche abgeschrubbt. Heute morgen hat sie einen Schmetterlingsabdruck aus Hausirritationen auf der Wange, schillernd in Rot/Lila/Blautönen. Sie ist nicht sehr glücklich darüber und das kann ich sehr gut nachempfinden.

Bleibt die Frage, was in dem Tattookleber enthalten ist, dass es zu solchen Irritationen kommen kann?

Der beste Vater meiner Kinder, der ein Ententattoo auf seiner hohen Stirn trug  (ein lustiger Einfall seines holden Weibes nach dem ersten Caipirinha), behauptet, diese Tattoos verursachen Haarausfall. Ist so eine typische „Henne oder Ei“ – Geschichte :)

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Ihnen einen schönen Tag, ich verbringe meinen mit Oma Eis im Nähzimmer.

Hoch die Tasse XXVIII

18. Mai 2010

Diesmal wird die Größe des Tässchen einfach getarnt: hinter einem Berg feinster Cookies sieht es beinahe zierlich aus. Erstaunlicherweise gibt es farblich genau abgstimmte Kaffeekapsel-für-Höllenmaschinen-Dinger und von denen braucht es genau drei.

Da.

( es war übrigens ganz wunderbar, das Tässchen mal wieder kurz in den heimischen Gefilden zu haben. Vor allem das Buch … das hat mich wirklich glücklich gemacht.)

erzählt das jüngste Kind und das ist zwar beinahe poetisch, aber leider auch noch meilenweit weg von dem, was es wissen müsste. Morgen nämlich wird eine Arbeit in Sachunterricht über das Thema „Pferde“ geschrieben und da muss noch eine Menge gelernt werden.

Zum Glück im Unglück ist das Kind heute nach seinem gestrigen Übelkeitsanfällen fast wieder genesen und kann lernen. Oder so tun, als würde es lernen. Denn lernen muss gelernt werden und wir stehen noch ganz am Anfang. Doch wie bringt man jemanden bei, wie „lernen geht“? Der Große liest sich etwas durch und weiß es dann – meistens. Die Mittlere liest es sich mehrmals durch und murmelt vor sich hin – und der Kram sitzt. Der Jüngste hingegen … liest sich die Hälfte durch, schaut sich Bilder an und sagt: „ok Mama, jetzt kann ich´s.“ Was dann eben nicht so ist. Leider.

Er tut sich schwer. Auswendiglernen ist eine Qual. Wenn die Hausaufgabe lautet: Lerne das Gedicht xyz auswendig, dann möchte ich heulen. Er erfasst nämlich das Konzept Reim nicht. Sinngemäß wird ein Gedicht verstanden, doch den Rhythmus der Sprache und den Klang der Reime findet er nicht. Singen und Melodien wiedergeben kann er übrigens auch nicht. Das erschwert das Lernen so unsagbar, denn die berühmten Eselsbrücken fallen komplett weg.  Wir müssen neue Brücken bauen und das bis zur Erschöpfung von Kind und Mutter.

Mündliches Abfragen klappt deutlich besser als ein geschriebener Test. Denn der Weg vom Wissen über die Füllerfeder auf´s Papier ist zu lang. Vielleicht auch zu anstrengend. Ich kann es beinahe verstehen, wenn ich mit Kugelschreiber oder Füller schreibe, werden meine Texte deutlich kürzer. Mit der Tatstatur schreiben dürfte er, laut Schule. Wir würden es auch erlauben und ihn in einem Schreibmaschinenkurs einschreiben. Doch für die hier angebotenen Kurse ist er zu jung, die „do it yourself“-Kurse in Spielform bauen auf Geschwindigkeit, doch wir entdecken die Langsamkeit :)

Mündliche Abfragen mit geduldigem Warten auf Antworten – das wär´s. Denn das Wissen ist da, eine Menge Wissen ist da. Doch die Zeit um herauszufinden, was dieses Kind kann und weiß, die kann sich kaum einer nehmen.

Leider. Wir üben also weiter so zu sein, wie man sein muss, um zu bestehen. Vor Gleichaltrigen, in der Schule und wohl auch im Leben. (frustig, das.)