Überraschungsgäste

7. Mai 2018

„In deinem Kompost sitzt eine Ente mit Küken!“, teilte mir die Nachbarin an der Haustür mit und tatsächlich. Eine Entenmutter mit etlichen, wild wuselnden Küken, mindestens acht, eher zehn.

Ui. So ein naturnaher Garten ist ja was Feines, aber leider mangelt es doch an ausreichendem Gewässer für eine Entenschar. Stattdessen gibt es eine Menge jagdlustiger Katzen, der Ringelfranz begeistert vorne mit dabei.

Mit der Nachbarin beratschlagten wir kurz, wie wir jetzt vorgehen können. Die Mutter fangen, dann kommen die Jungen automatisch hinterher. Oder umgekehrt? Letztlich waren wir unsicher und ich rief den Vogelexperten des hiesigen NABU an. Er versprach sofort zu kommen.

Die Nachbarin ging wieder heim und der Große behielt Straße und Haustür im Blick. Ich bewachte die Entenfamilie. (und verliebte mich immer mehr in diese entzückenden Federbällchen!)

Der Vogelexperte rückte mit Katzentransportbox und großem Kescher an. Er und der Große kennen sich aus der Zeit, als der Große sein FSJ im Waldkindergarten absolvierte. Freundliche Begrüßung, kurzer Smalltalk und dann verschaffte er sich einen Überblick. Es sei gut, wenn man die Entenmutter in einen Schuppen locken könnte, dann ließe sie sich leichter fangen. Auf keinen Fall dürfe sie auffliegen. Sollte sie das tun, müssten wir warten, bis sie wieder zu ihrer Brut zurückkehrt.

„Wie ist sie eigentlich in dem Kompost gelandet?“, versuchten wir zu rekonstruieren, denn dass sie dort gebrütet hat ist völlig ausgeschlossen. Eine Stunde zuvor hatte ich noch Dürres auf den Kompost geworfen. Eine Ente wäre mir aufgefallen.

„Wahrscheinlich kamen sie aus dem Garten obendrüber.“, vermutete ich.

Unser Garten ist ein langer Schlauch, daran grenzen, zwei Meter über uns, vier Nachbarn. Das Haus auf dem Grundstück hinter/über dem Kompost steht seit Wochen leer, der Garten hinter den Backsteinen ist verwildert. Wahrscheinlich hat die Ente dort gebrütet und sehr erfolgreich ihre Brut ca. eine Woche gegen sämtliche Katzen verteidigt. Eine Heldin!

Auf der Suche nach Wasser oder auf dem Weg zum Bach, der zwei Grundstücke unter unserem fließt, ist sie dann wohl bei mir hängen geblieben.

Einen Schuppen zum Hineinlocken gibt es bei uns in diesem Gartenstück nicht, nur der Weg in die eine Richtung, der zweieinhalb Meter über der Straße endet oder der in die andere Richtung, der in dichten Brennnessel-Holunder-Gestrüpp endet. Alles nicht optimal, deshalb wollte er die Ente direkt im Kompost fangen.

Ich holte die größte Tischdecke aus dem Haus, damit der Große und ich damit eine Begrenzung bilden konnten. Wir spannten die Decke zwischen uns und glaubten, den einen Weg zu versperren. Aber Enten können fliegen und als der Kescher im Kompost landete, flog die Ente über unsere Absperrung in den Apfelbaum und von dort hinunter in meine Waldrebe. Quiekend wuselten sämtliche Küken aus dem Kompost ihrer Mutter hinterher und wir mussten neu planen.

„Im Rosa Gartenhüttchen gibt es immerhin zwei feste Wände, vielleicht können wir sie dort fangen.“, schlug ich vor und so versuchten wir es.

Der Große und ich versperrten mit unserer Enten-Durchgang-verboten-Tischdecke den Weg und die offene Gartenhüttchenseite, während der Vogelexperte die Schar mit zärtlichen „nag-nag-nag“-Rufen vor sich hertrieb. Mitten durch meine Echinaceen, auf die ich so stolz bin, weil sie dem harten Winter trotzten.

Statt ins Gartenhüttchen zu fliehen, kuschelten sich Entenmutter und Küken unter meine wunderschöne Ramblerrose und schienen sich gut und sicher zu fühlen.

Jedenfalls so lange, bis sie mit dem Kescher liebevoll gestupst wurden und sich doch herauswagten. Direkt vor meinen Füßen, die ich rasch hinter der Absperrungstischdecke versteckte.

Ein beherzter Schwenk mit dem Kescher …

… und eine höchst empörte Ente war gefangen. Jedenfalls bis zu dem Moment, da sie in die Transportbox gesetzt werden sollte. Dabei entfleuchte sie laut schnatternd und wir starteten das fang-die-Ente-Spiel erneut. Etwas routinierter und tatsächlich saß sie ein paar Minuten später in der Box, während die Küken aufgeregt piepsend durch meine Minze marodierten. Der Versuch, die Küken zu ihrer Mutter laufen zu lassen, wurde abgebrochen, weil die Mutter nicht lockte.

Also fingen wir die Küken und das ist jetzt leichter getippt als getan.

Der Vogelexperte fing ein Küken, der Große öffnet die Box, der Experte stopfte das Küken hinein, das Küken quetsche sich durch das Gitter wieder hinaus. Wir hatten mittlerweile die Küken gezählt und wussten, dass wir dreizehn Küken in die Box packen mussten. Mitzählen war unmöglich, wir fingen etwa zwanzig Küken :)

Ich holte eine Decke aus dem Gartenhüttchen. Die drückte der Große vorsichtig auf das Gitter der Transportbox und ließ immer nur ganz kurz los, um ein gefangenes Küken hineinzulassen.

Mittlerweile krochen der Vogelexperte und ich auf Knien durch die Minze. Der Experte rief beruhigend „wi-wi-wi-wi-wiii“, die Küken antworten fröhlich und rannten hinter die große Zinkwanne. Mit dem Kescherstiel wurden sie freundlich aufgefordert in meine Richtung zu rennen, was sie dann auch taten. Ich fing sie und leider war keine Zeit für genaue Betrachtung. Ein ein Wochen altes Entenküken ist winzig, kleiner als ein gebratener Hühnerflügel, mit sehr viel zartem Plüsch drumherum. Und kleinen, ledrigen und sehr kalten Füßen. Entzückend!

Irgendwann piepste es nur noch in der Transportbox und nicht mehr in der Minze. Trotzdem wollten wir sicherheitshalber nachzählen, dies aber möglichst in einem sicheren Raum.

Den Deckel abzuheben wagten wir dann aber doch nicht. Ich flitzte noch einmal rasch in den Garten, doch kein Piepsen war zu hören. Wir besprachen, wo ein evtl. doch zurückgelassenes Küken zwecks Familienzusammenführung hinzubringen sei und entließen Vogelexperten samt Entenfamilie.

Schweißgebadet übrigens, denn die Entenjagd ist ziemlich nervenaufreibend.

Eine Stunde später erreichte mich per whatsapp ein kleines Filmchen. Eine glückliche Entenfamilie, die in den Sonnenuntergang schwimmt.

Ente gut, alles gut.

Wahrscheinlich kann man zwanzig Bücher über das Imkern lesen und sich doppelt so viele Stunden in einem stickigen Tagungsraum Vorträge darüber anhören: Imkerei lernt man nicht ( nur) theoretisch.

Deshalb fand gestern bei unserem „Imkervater“ ein Praxisteil statt. Er lud die Seminarteilnehmer in seinen „Bienengarten“ ein.

Um halb drei holte er uns an verabredeter Stelle ab und führte uns durch ein lichtes Wäldchen zu einem Tor. Hinter diesem Tor führte ein Trampelpfad zu etwa zwanzig Bienenbeuten. Ich erzähle das deshalb in aller Ausführlichkeit, weil ich, bis zu dem Moment als ich vor den Stöcken stand, niemals so viele Bienen in der Nähe vermutet hättet. Kein Gebrumm, nicht auffällig viele Bienen, nichts „Bedrohliches“, was ich irgendwie erwartet hatte.

„Stellt euch mal hier so links und rechts, da hinten geht es auch. Hier ist die Einflugschneise, die sollten wir freilassen, das mögen sie nicht.“

Und dann stand ich da. Direkt an den Beuten war das Summen doch deutlich zu hören und als ich meine Hand auf den Holzkasten legte, spürte ich das Vibrieren. 40.000 Bienen und mehr sind in solch einem Kasten! Am Einflugloch herrschte reges An- und Abfliegen, aber alles entspannt. Die Wächterbienen (die nicht wie bei Biene Maja kleine Lanzen tragen) sahen keinen Grund, das Alarmsignal zu geben.

Das Überwältigenste war der Geruch. Honig und Wachs. Süß und würzig. Als hätte man den Bienenwachskerzenstand vom Weihnachtsmarkt in einem Nadelwald aufgebaut. In diesem Moment wusste ich es ganz sicher: dieses Imkern, das ist mein Ding.

Unser Imkervater baut seine Beuten selbst. Sie sind von hinten zu öffnen (normalerweise von oben), die Rähmchen werden hinein/herausgezogen. So hat er es von seinem Imkervater gelernt, der wegen einer überstandenen Kinderlähmung körperbeeinträchtigt war und im Rollstuhl saß. „So geht barrierefreies Imkern!“, sagte er augenzwinkernd.

„Wer sich einen Schleier nehmen möchte, der kann das jetzt tun, aber nötig ist es eigentlich nicht.“, erfuhren wir, bevor die Beute geöffnet wurde.

Ich habe noch nie „in echt“ gesehen, wie ein Bienenstock geöffnet wird. Gesehen habe ich irgendwelche Dokumentationen über Bienen oder Disney-Verfilmungen, in denen ein Honigdachs einen Bienenstock ausräumt. Oder Cartoons, in denen der Honigdieb immer unter Wasser landet, mit einer wütenden Wolke Bienen über sich. Ich erwartete mindestens ein wütendes Brummen oder ein paar angriffslustige Bienen. Nichts. Ein bißchen Hektik war deutlich zu spüren, ein wildes Herumgekrabbele, aber kein Auffliegen. Zwei Rauchstöße und Ruhe kehrte ein. „Hast du eine spezielle Mischung für den Rauch?“, fragte ein Seminarteilnehmer. „Verschiedene Mischungen, fertig gekauft.“, erwiderte unser Imkervater, „Ein bißchen Hanf ist angeblich auch dabei.“ Augenzwinkern, erneut.

Der Geruch, der mir nach dem Öffnen in die Nase schlug, war unbeschreiblich. So intensiv, so gut! Außerdem spürte man einen kleinen Luftzug, der warme Luft aus dem Stock wehte. Die Temperatur in einer Beute liegt um die 36 Grad und wir entdeckten jede Menge Bienen, die wedelnd für Kühlung sorgten.

Unser Imkervater zog vorsichtig ein Rähmchen aus der Beute und blies sanft Rauch darauf. „Immer sofort nachschauen, ob die Königin darauf sitzt!“, mahnte er und erklärte, dass man diese dann fangen und in Sicherheit bringen müsse. (es gibt kleine Königinnenkäfige. Aber Lockenwickler gehen auch.) Die Königin kann unbemerkt herunterfallen und wenn man sie nicht wiederfindet, dann „weint das Volk“. Der Stock sei in Aufruhr, der Verlust ließe sich wirklich spüren, bekamen wir nachdrücklich versichert. (und Tipps, was dann zu tun sei. Es gibt SO VIEL zu lernen!)

Keine Königin saß auf dem Rähmchen, dafür viele, viele Arbeiterinnen. 300? 500? 1000? Ich kann das noch nicht schätzen, aber es wimmelte gewaltig. Im oberen Teil des Rähmchens waren Honigzellen angelegt, darunter befand sich Arbeiterinnenbrut. Und ganz unten Drohnenbrut. Die Drohnenbrut wird ausgeschnitten, weil sich dadurch die Varroamilbe effektiv bekämpfen lässt. So hatten wir das in der Theorie gelernt. Hier, in der Praxis, war das herzzerreißend. Wunderschöne, kunstvoll gebaute Waben zerschneiden und darin die Larven und Puppen der Drohnen zu finden. Man nennt das „Drohnen abtreiben“ und es kostet Überwindung. „Es ist immer schmerzhaft.“, sagte unser Imkervater schlicht. Auch früher, als die Varroa hier noch kein Thema war, schnitt man regelmäßig die Drohnenbrut weg, um Wachs zu gewinnen.

„Hier ist noch ungedeckelter Honig!“, zeigte uns unser Imkervater, „Stippt mal den Finger rein, der ist lecker!“ Und auch das kostete ein klitzekleines Bißchen Überwindung, denn immerhin stahl ich den Bienen direkt vor ihrer Nase ihre Vorräte! Die Bienen zeigten sich unbeeindruckt.

Das Rähmchen wurde herumgereicht. Und wow! Ich fand Dokumentationen über Bienen schon immer spannend, aber so direkt dabei zu sein!

Das ist toll. TOLL!

Das Rähmchen, das ich da vorsichtig in Händen halte, wiegt etwa zwei Kilo. Die Rähmchen, die keine Brut, nur Honig enthalten, wiegen gut das Doppelte!

Bis zu fünf Kilo wird der Stock an guten Tagen schwerer. Das sind Mengen, die kann ich mir noch gar nicht vorstellen. „Was macht man denn mit dem vielen Honig?“, fragte eine Seminarteilnehmerin. Einen großen Teil brauchen natürlich die Bienen selbst und der Rest … „Ihr werdet bald viele gute Freunde haben.“, versprach der Imkervater.

Das Rähmchen kam zurück in die Beute und kurz bevor diese wieder verschlossen wurde, zeigte sich die Königin. 15 Menschen jubelten Ihrer Majestät zu und ja, ich war ein bißchen ergriffen.

Der nächste Termin, erneut ein Praxisteil, ist im Juni. Aber bis dahin brummt es auch in unserem Garten. An Pfingsten zieht ein klitzekleines Volk ein. Ein Ableger von einem Imker darf in einer Zanderbeute wohnen. Ich werde berichten!

Imkerseminar

14. April 2018

Ende Mai wird ein Bienenvolk bei uns einziehen. Nicht in die Grüne Villa, sondern hinten am Rosa Gartenhüttchen, hinter dem Tümpel. Ein Bekannter des Schreinerfreundes ist Imker und er wird uns einen „Ableger“ verkaufen. Ein Ableger ist ein Rähmchen voller Bienenwaben, in denen befruchtete Eier (Stifte), Maden und Puppen liegen. Dazu ein paar Arbeiterinnen. Die braucht es, damit eine Königin gezogen werden kann.

Eine gute Sache, denn da es erst um den Aufbau des Volkes (dem Bien) geht und noch nicht um die Honigernte, kann die Bekämpfung der Varroamilbe mit Oxalsäure stattfinden. Die ist für Menschen nämlich nicht so super, aber sehr wirkungsvoll bei der Milbenbekämpfung.

Über die Varroamilbe haben wir heute sehr viel gelernt. Dass es früher, vor etwa 40 Jahren, gar nicht so dramatisch war, wenn es einen Befall gab. Dass Stöcke mit tausenden von Milben überlebten und heute ganze Völker sterben, weil ein paar hundert Milben da sind. Weil die Milben Viren mitbringen und gegen diese Viren gibt es keine Impfung.

Über Mitverantwortung sprachen wir, denn wer in seinem Bienenstock (in der Bienenbeute) die Varroamilbe nicht bekämpft, trägt dazu bei, dass sie sich verbreitet. Weil nämlich die eigenen Drohnen auch in fremde Bienenbeuten fliegen und die Varroa dorthin mitnehmen. Und dass die sogenannte Drohnenabtreibung zur Verringerung der Varroamilben in der eigenen Beute führt. Das hängt mit der Entwicklungsdauer von Arbeiterinnen und Drohnen zusammen und ich könnte jetzt stundenlang weiterschreiben, doch ist das alles nur theoretisch und deshalb warte ich noch ein paar Monate damit.

Wir sprachen über verschiedene Formen der Bienenbeuten und der Gatte und ich haben beschlossen, nicht die Bienenbox zu kaufen (wie wir das bis heute morgen vorhatten), sondern ein Magazin, das nach oben erweitert werden kann. (mit einem Gitter dazwischen, damit die Königin nicht hoch kann und deshalb im oberen Teil nur Honig ist und keine Brut). Weil die Bienenbox wurde für Balkone und wenig Platz konzipiert und wenn wir was haben, dann ist es Platz!

Wir lernten, dass dem Bien ungefähr 20 Kilo Honig für über den Winter reichen und dass wir vor dem Winter das Einflugloch verengen sollen, damit sich keine Spitzmäuse in der Beute einnisten.

Wir wissen jetzt, dass Bienen auch sehr viel Wasser brauchen, weil die Beute muss gekühlt werden. Oder gewärmt, je nachdem.

Wir lauschten verzückt, als unser Seminarleiter, der seit fast 50 Jahren mit Leib und Seele imkert, beschrieb, was die Königin leistet und wie sie von ihren Arbeiterinnen beschützt und gepflegt wird. Und wie schön und elegant sie ist.

Wir erfuhren, wie aus Nektar Honig wird, wie Wachs entsteht, was Propolis und Bienenbrot sind.

Wir lernten, dass die Rähmchen besser mit Draht bespannt werden (evtl. in Zickzack), weil im schlimmsten Fall die Waben runterbrechen und das ist katastrophal. Auch für den Imker.

Wir beschlossen, dass wir keine Mittelwände (das sind aus Wachs vorgefertigte Waben) einbauen werden, sondern dass unsere Bienen Naturwaben bauen sollen oder dürfen. Weil aus diesem Wachs kann man sich dann eigene Mittelwände, die garantiert frei von Schad- und Zusatzstoffen sind, anfertigen lassen. Falls wir mal eine Bio-Zertifizierung wollen.

Wir wissen jetzt, dass wir vielleicht im Sommer unsere Bienen zufüttern müssen und wir wissen auch womit und wie. Außerdem erfuhren wir, welche Werkzeuge wir brauchen.

Vor allem wissen wir, dass das mit dem Imkern wie mit der Haustierhaltung oder der Kindererziehung ist: jeder weiß es besser, vor allem die, die einen kennen, dessen Onkel mütterlicherseits mal von einem Imker gehört hat, der alles falsch machte. Und deshalb schreibe ich an dieser Stelle: es gibt kein richtiges Imkern. Man kann echt viel falsch machen, aber auch was bei einem Imker falsch ist, kann beim anderen Imker prima funktionieren. Man trägt eine große Verantwortung, denn immerhin besteht ein ausgewachsenes Volk aus bis zu 40.000 Bienen und wie furchtbar wäre es, wenn diese alle stürben, weil man Mist baut! Wenn ich Tipps brauche, werde ich danach fragen. Bis dahin lerne ich vom Seminarleiter oder von einem bekannten Imker hier vor Ort.

Wir haben so viel gelernt, unzählige Fragen beantwortet bekommen und noch genauso viele offene Fragen weiterhin. „Ihr wisst jetzt ein bißchen was!“, sagte unser Seminarleiter zum Abschied. Ein bißchen mehr werden wir im kommenden (Bienen)Jahr von ihm noch lernen und der Rest kommt dann hoffentlich in der Praxis mit der Erfahrung.

Fahrradfahren lernt man ja auch nicht, indem man Bücher darüber liest. :)

Wir sind übrigens sehr vorfreudig und aufgeregt. Und hoffentlich langweile ich sie nicht zu sehr mit ausschweifenden Beschreibungen und (Bienen)Schwärmereien!

Gartenglück!

7. April 2018

Endlich! Endlich ist es mir warm genug, um im Garten zu arbeiten. Denn warm muss es wenigstens sein, wenn die Sonne fehlt, ist es nicht schlimm. Selbst Regen ist in Ordnung, wenn er nur warm ist. Schönwettergärtnerin nennt man das wohl, aber das ist mir egal.

Um halb elf heute morgen zeigte das Thermometer an der Hauswand 14 Grad und die Reifschicht auf dem Saunadach war weggeschmolzen. Raus, raus, ganz nach hinten in den Garten, denn dort scheint die Sonne schon hin. Mal sehen, ob ich den Lavendel unter den vertrockneten Brennnesseln wiederfinde!

Ich fand ihn und bis auf vier Büsche hatten alle Stöcke den für unsere Verhältnisse wirklich kalten Winter überlebt. „Brennnesseln bekämpfen!“, notierte ich auf meiner inneren Garten-to-do-Liste und jetzt, da ich das hier tippe, kann ich es ja auch nicht mehr vergessen. Als das Brennnesselgestrüpp und die frisch austreibenden Nesseln entfernt waren, ergänzte ich die innere Liste mit „Winden jagen! Regelmäßig!“ Denn die blöden Zaunwinden überwuchern und ersticken alles, wenn sie nicht regelmäßig ausgerissen werden. Die Wurzeln sind bereits so verzweigt und mit den Topinamburknollen verflochten, dass ich bei der Wurzelbekämpfung bereits chancenlos bin.

Ich zupfte und rupfte und summte vor mich hin, griff in Brennnesseln, quietsche, kippte beinahe von meinem Gartenarbeitshockerchen, füllte drei Grünschnittsäcke und war glücklich. Das Tränende Herz treibt aus, die Gartenhüttchenrose ebenfalls und die Akeleien haben sich gründlich ausgesät. Ach Garten, ach Frühling!

Gegen halb drei beschloss ich ein Päuschen einzulegen. Um halb vier erwachte ich auf dem Sofa wieder, dabei wollte ich wirklich nur ganz kurz die Augen ausruhen!

Der Gatte machte Feierabend und wir tranken einen Kaffee. Auf der Terrasse, unter leuchtend blauem Himmel, bei strahlendem Sonnenschein. Endlich wieder!

Danach zog es mich wieder ans hintere Gartenende. Weiterarbeiten. Beete freilegen, damit dort bienenfreundliche Blumen wachsen.

In Oma Ernels Garten wurde auch gearbeitet. Drei Männer gruben um und rissen alles aus. Seit dem Herbst ist er in portugiesischer Hand, der arme, vernachlässigte Garten und das ist toll, denn bald wird dort wieder sehr viel Gemüse wachsen. Eine Reihe portugiesischer Kohl, der wie Rosenkohl nur ohne sie Röschen aussieht, steht schon da. Ich winkte hinüber und es wurde freundlich zurückgewinkt. „Viel Arbeit, ist Training, physio!“, rief der ältere der drei Männer. „Oh ja!“, rief ich zurück und rieb mir wehleidig den Rücken. Wir lachten und arbeiteten weiter. Ich rupfte Brennnesseln und Seifenkraut, drüben im Garten, in Ernelsgarten, der er aber doch nicht mehr war, wurden Traubenhyazinthen und Tulpen ausgegraben. Die Zwiebeln hatte ich damals, als ich mir einbildete, dass ich zwei Gärten würde bearbeiten können, alle in die Erde gesteckt. Mindestens 300 Blumenzwiebeln.

Das ist ok, versucht ich mir einzureden. Es geht halt weiter, alles wird neu. Du hast die Arbeit in diesem Garten beendet. Vorbei. Und trotzdem, ich wurde traurig.

„Hallo?!“, rief einer der jüngeren Männer über den Zaun. Ob ich Tulpen haben möchte? Es sei zu schade, diese wegzuwerfen! Aber sie würden Gras säen, damit die Kinder spielen können und die Tulpen müssen dann halt weg. Und es seien so viele! „Ja, sehr gerne!“, strahlte ich und erzählte, dass ich die Tulpen gepflanzt hatte, vor ein paar Jahren. Und dass da noch ein paar Blumenschätze in der Erde liegen. „Dann lasse ich am Rand Platz dafür.“, sprach mein neuer Gartennachbar.

Wir stellten uns gegenseitig vor und gingen an unsere Arbeit zurück. Ab und zu lächelten wir uns über den Zaun zu. Ja, anstrengend! Aber die Sonne ist so schön. Und die Vögel! Die machen ganz schön Krach. Frühling eben. Endlich Frühling!

Der Gatte fuhr den Grünschnitt zum Wertstoffhof, der Jüngste schredderte die Äste und Zweige vom Rückschnitt des Holunders und des Sommerflieders. Ich rupfte weiter. Immer noch Seifenkraut, weiterhin Brennnesseln und dazwischen die Pflanze, deren Namen ich nicht kenne und die ich mir vermutlich mit Rindenmulch in den Garten geschleppt habe. Vorher war sie nämlich nicht da, jetzt marodiert sie quer durch und ist lästig.

Es gab erneut eine Kaffeepause, diesmal auf der Bank am Rosa Gartenhüttchen. „Der Schreinerfreund freut sich, wenn du zur Beerdigung kommst“, sagte der Gatte. „Das hatte ich sowieso vor“, erwiderte ich und schaute rüber in Ernels Garten, in dem die Portugiesen gerade das ausgerissene Grünzeug verbrannten. Das stank bestialisch und zum Glück war der Nachbar mit dem ordentlichen Garten gerade nicht da, der würde darüber sehr schimpfen.

Ich rupfte weiter. Dutzende dieser witzigen Wedel, die wie kleine Palmen aussehen. Keine Ahnung wie sie heißen. Ich weiß nur, dass es sich um ein Wolfsmilchgewächs handelt und dass es leicht auszurupfen ist, falls es stört. Die Echinaceen treiben aus, das freut mich! Sie sollen sich vermehren und unseren künftigen Bienen Nahrung bieten.

Mittlerweile war es kurz nach sechs und langsam wurde es kühl. Und ich müde. Es piekste an meinem Bein, kurz darauf juckte es. Ich kratzte und zerrieb dabei ein blutsaugendes Insekt. Aha, die erste Zecke. Dachte ich . Mittlerweile denke ich, dass es womöglich eher eine Kriebelmücke war, denn erstens sind Zecken kleiner und zweitens entzünden sich ihre Bisse nicht so rasch. Wohingegen ich mit Kriebelmückenbisse einige unschöne Erfahrungen, die allesamt mit Antibiotika, auch notfallmäßig per Spritze, zu tun hatte. Ich beobachte mein Bein also argwöhnisch.

Das Abendlicht im Frühling hat einen besonderen Zauber und wäre es nur nicht zu kühl geworden! Ich hätte gerne noch draußen gegessen.

So aß ich meine Käsebrote und ein Schüsselchen Milchreis drinnen und duschte mir anschließend sehr viel Garten vom Leib. Die Fingerspitzen kribbeln noch immer vom Brennnesselkontakt und vielleicht habe ich morgen Muskelkater in den Muskeln, die jetzt einen langen Winter ruhten.

Morgen! Morgen mache ich das Rosa Gartenhüttchen wieder schön.

Auskehren, Staub wischen, die Bänke reinigen, die Polster und Kissen verteilen, den Kerzenleuchter mit neuen Kerzen bestücken, Schnickeldi verteilen und vielleicht am Abend mit dem Gatten darin sitzen, den Sonnenuntergang betrachten und „hach, unser Gartenhüttchen“ seufzen.

WMDEDGT im April

5. April 2018

Frau Brüllen fragt: „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“

Da heute das Fünf–Jahres–Jubiläum dieser Frage ist, hätte ich mich sehr, sehr gerne mit einem spannenden Tag beteiligt. Tatsächlich habe ich aber einen „hätte, wenn, täte“–Tag hinter mir, einen ganzer Tag, an dem ich nicht in die Pötte kam. Und das ausgerechnet mir, wo mir doch neulich klar wurde, dass ich nicht altersmilde lächeln kann, wenn mir erzählt wird, man würde gerne dies oder das tun, könne sich aber nicht aufraffen, wolle sich verändern, fände aber den Anfang nicht oder irgendwas lohne sich ja nicht, weil die Zeit zu knapp sei. Das nervt mich ungemein, wahrscheinlich deshalb, weil ich seit drei Jahren versuche, mir genau dieses Verhalten abzugewöhnen und lieber zu machen, statt zu redenplanenträumenjammern. Geschwurbel, pardon.

Ich begann den Tag recht energiegeladen, obwohl der gestrige Tag traurig und mit Himbeergeist endete. Wir hatten die Freunde zum Essen geladen und als wir essend und lachend zusammen saßen, kam der Anruf: Oma Ernel ist gestorben. Mit gesegneten 95 Jahren und nach qualvollen fünf Tagen letztlich sehr erlösendend. Sie war die Ziehmutter des Schreinerfreundes und der Schmerz in seinen Augen, während er von Erlösung sprach, geht mir sehr nahe. Zwei Jahre lang habe ich versucht, Oma Ernel in ihrem Garten zu vertreten, bevor ich, meinen Gärtnerinnenhut vor ihr ziehend, kapitulierte. Zu viel Arbeit. Sie hat mir so viel beigebracht und wäre es nach ihr gegangen, wäre sie einfach mitten im Kartoffelfeld umgekippt. Es wäre wohl in ihrem Sinne, Kartoffeln und Gemüse auf ihrem Grab zu pflanzen, doch ihre konservativen Töchter sehen das anders. Es wird sich aber ein Eckchen finden, in dem ein Zierkohl wachsen kann.

Während ich also heute morgen die Küche in Ordnung brachte, die Spülmaschine aus– und wieder einräumte, wurde mir klar, dass jetzt diese Zeit beginnt. Diese Zeit, in der wir unsere Eltern alt werden sehen und dann wohl auch zu Grabe tragen.

Um nicht schwermütig zu werden, schnappte ich mir den gar nicht mehr so kleinen Hund und zerrte ihn in den leichten Nieselregen hinaus. Lola ist absolut kein Hund, der scharrend, mit der Leine im Maul, an der Tür steht. Jedenfalls nicht vor zehn Uhr am Morgen. Bis dahin mag sie auf dem Küchensofa liegend dösen. Ich aber will spätestens um acht draußen sein und ich bin die Chefin, ich bestimme.

Wir liefen durchs Ried Richtung Schwabsburg. Der Nieselregen hörte auf, durch die grauen Wolken schimmerten ein paar hellblaue Flecken und ich beschloss, heute zu bloggen. Ich blogge täglich, doch irgendwie schaffen es die Texte nicht bis in die Tasten und je länger ich das so halte, desto schwieriger wird der nächste Einstieg.

Wir liefen durch die Wingerte hinter Schwabsburg. Derzeit wird in den Wingerten „gebogen“. Die Rebstöcke wurden in den letzten drei Wochen zurückgeschnitten, bis auf den „Stamm“, nur eine einzige „Rute“ bleibt stehen. Diese wird bogenförmig an Draht gebunden. Wer noch immer denkt, dass Winzer sein ein cooler, easy–peasy Job sei, der soll mal ein Jahr lang täglich einen Wingert beobachten und ab und zu mal ein Schwätzchen mit einem Winzer halten. Ein mit uns befreundeter Winzer erzählt den Touristen, die ihn fragen, was er denn außerhalb der Lese denn so täte, das: „Wenn die Lese vorbei ist und der Wein im Fass, fahre ich den Rest des Jahres auf die Malediven und verprasse meine Reichtümer, die ich durch den Verkauf erlange.“

Alle wilden Beerensträucher zwischen den Wingerten blühen und es duftet so wunderbar nach Frühling! Einige dicke Hummeln habe ich gesehen und die ersten Bienen. Leider war ich in den letzten Jahren nicht aufmerksam genug und somit weiß ich nicht, ob es wirklich weniger Gebrumm und Gesumm ist oder ob ich nur denke, dass es so ist, weil ich über den dramatischen Rückgang der Insektenpopulation las.

Rehe, Kaninchen, Fasane und Feldhasen sah ich vor Lola, so dass ich ihr sofort signalisieren konnte, dass jagen unerwünschtes Verhalten ist und sie an meiner Seite zu bleiben hat. Als dann der Erpel über unseren Kopf hinweg flog und neben uns im Bach landete, gab es kein Halten und sie sprintete los. Sie ließ sich aber direkt abrufen und kam sofort zurück. Jetzt bin ich ein bißchen stolz auf meine Hundeerziehungsfähigkeiten, denn immerhin steckt eine gute Portion Jagdhund in unserem Halbmatiner und sie lässt sich trotzdem abrufen!

Daheim gab es Frühstück für uns, von meinem Apfel fürs Müsli bekam sie zwei Stücke ab. Der Kater gesellte sich mit Beute dazu und ich war ja auch fast schon satt.

An dieser Stelle muss ich dann die detaillierte Schilderung beenden, denn wie oben beschrieben: hätte, wenn, täte. Ich lief von rechts nach links, runter und wieder rauf, nahm Dinge in die Hand und legte sie wieder weg. Hatte Ideen und verwarf sie wieder, alles was ich mir für heute vorgenommen hatte – passte nicht. Ich las ein bißchen was zum Thema Imkerei, schrieb ein paar Listen für den Garten, war doch ein bißchen und ein bißchen mehr schwermütig und dann war schon wieder Zeit für die Hunderunde am Abend. Der verlockende Sonnenschein verschwand, als ich im Wingert stand, wurde abgelöst von kaltem Wind und Regen. April eben, doch ich nahm das persönlich, weil doch dieser ganze Tag sowieso verkorkst war. Der Gatte kam heim und ging ohne mich in den Sport, denn ein hätte, wenn, täte – Tag muss natürlich mit Schokolade auf dem Sofa statt Muskelbeanspruchung auf der Gymnastikmatte enden.

Morgen, sage ich mir. Morgen ist alles wieder gut und vielleicht schreibe ich dann auch drüber.